Robert Alexy, den man nicht als Rechtspositivisten bezeichnen kann, räumt ein, dass aus der Beobachterperspektive der Rechtspositivismus grundsätzlich anerkannt wird. Eben diese Perspektive nimmt der Rechtspositivist Hans Kelsen ein. Hier sind sich die beiden einig. Doch scheiden sich ihre Geister, wenn nach dem Sinn der Teilnehmerperspektive in der Rechtswissenschaft gefragt wird. Während Kelsen ihn klar verneint, erachtet Alexy die Teilnehmerperspektive als unerlässlich für die Rechtserkenntnis, weil nur damit der Anspruch auf Richtigkeit, den das Recht immer stellt, verstanden werden kann.
Kelsen versucht seinerseits die Normativität des Rechts mit der bekannten „Grundnorm“ zu erfassen, räumt aber ein, dass man sie nicht voraussetzen muss. Nach der Interpretation von Horst Dreier impliziert die Grundnorm Kelsens, dass die Geltung des Rechts von den „existentialistischen“ Entscheidungen der Einzelnen abhängt. Diese Lesart nähert die Rechtstheorie Kelsens der Teilnehmerperspektive von Alexy an. Ob sie die Rolle der Grundnorm in der Rechtswissenschaft richtig erzählt, ist allerdings fraglich. Eine Berufung auf Joseph Raz, der für die wissenschaftliche Beobachtung des Rechts „a hypothetical point of view“ einführt, kann in diesem Zusammenhang hilfreich sein.
Zuletzt stellt sich die Frage, ob die Rechtswissenschaft mit solch einer hypothetischen Perspektive zufrieden sein darf, oder aber – wie von Alexy behauptet – die Teilnehmerperspektive braucht. Diese Sichtweise begründet er mit der Anerkennung des moralischen Werts des positiven Rechts. Kelsen trennt demgegenüber streng zwischen der Wissenschaft und der Rechtspraxis.
Die Ansicht von Alexy ist grundsätzlich überzeugender. Das Rechtssystem der modernen Staaten ist des Schutzes würdig. Die direkte moralische Begründung des Rechts bei Alexy soll jedoch korrigiert werden. Dies wird im vorliegenden Beitrag mit Hilfe der Rechtsphilosophie von Jürgen Habermas erklärt.