EuGH betont Ressourcenschonung und trifft wichtige Klarstellungen zu Abfall, Abfallende und Nebenprodukten
- Originalsprache: Deutsch
- NRBand 3
- Judikatur, 4145 Wörter
- Seiten 56 -62
- https://doi.org/10.33196/nr202301005601
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Aushubmaterial, das zur höchsten Qualitätsstufe gehört und in technischer und rechtlicher Hinsicht für die Verbesserung landwirtschaftlicher Flächen geeignet ist, ist nicht zwangsläufig Abfall, sondern kann entweder ein Nebenprodukt sein oder bereits durch ein bloßes Qualitätsprüfungsverfahren das Abfallende erreicht haben.
Der Umstand, dass bereits vor dem Aushub konkrete Anfragen betreffend die Lieferung solchen Materials vorlagen, um Arbeiten zur Rekultivierung und Verbesserung von ordnungsgemäß bestimmten Böden und landwirtschaftlichen Flächen durchzuführen, ist nicht geeignet, den Willen des Besitzers zu belegen, sich des fraglichen Materials zu entledigen.
Bodenaushub fällt bei einem der ersten Schritte an, die im Verfahren der Bauausführung als wirtschaftlicher Tätigkeit, die zur Transformation von Gelände führt, üblicherweise unternommen werden und ist daher integraler Bestandteil eines Herstellungsverfahrens im Sinne von Art 5 Abs 1 ARRL.
Aus Erwägungsgrund 22 und Art 3 Nr 16 ARRL geht hervor, dass für das Erreichen des Endes der Abfalleigenschaft im Sinne von Art 6 ARRL ein Verwertungsverfahren in der bloßen Sichtung des Abfalls bestehen kann, um nachzuweisen, dass er die Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft erfüllt.
Würde die Wiederverwendung von Aushubmaterial durch Formalkriterien behindert, die für den Umweltschutz irrelevant sind, so liefen diese Kriterien den mit der ARRL verfolgten Zielen zuwider, die darin bestehen, die Anwendung der Abfallhierarchie sowie die Verwertung von Abfällen und die Verwendung verwerteter Materialien zur Erhaltung der natürlichen Rohstoffquellen zu fördern und die Schaffung einer Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Es ist nicht zulässig, dass derartige Formalkriterien die Verwirklichung der Ziele der ARRL gefährden.
Art 3 Nr 1 und Art 6 Abs 1 ARRL sind daher dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der unkontaminiertes Aushubmaterial, das nach nationalem Recht zur höchsten Qualitätsklasse gehört,
als „Abfall“ einzustufen ist, selbst wenn sein Besitzer sich seiner weder entledigen will noch entledigen muss und dieses Material die in Art 5 Abs 1 ARRL genannten Voraussetzungen für die Einstufung als „Nebenprodukt“ erfüllt, und
die Abfalleigenschaft nur dann verliert, wenn es unmittelbar als Substitution verwendet wird und sein Besitzer Formalkriterien erfüllt hat, die für den Umweltschutz irrelevant sind, falls diese Kriterien die Wirkung haben, dass die Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie gefährdet wird.
In der Rechtssache Porr geht es um die Abfalleigenschaft von Bodenaushubmaterial. Der EuGH setzt sich in seinem in dieser Rechtssache ergangenen Urteil mit der zentralen abfallwirtschaftsrechtlichen Abgrenzung zwischen Abfall und Nichtabfall (Nebenprodukt bzw Material, das das Abfallende erreicht hat) auseinander und erteilt der bisherigen nationalen Rechtsprechung, nach der Bodenaushubmaterial bis zur Einbringung in ein Grundstück Abfall sei, eine Absage. Die Konsequenzen sind weitreichend und können wesentlich zu weiteren Schritten in Richtung einer Kreislaufwirtschaft beitragen.
- Cudlik, Christoph
- Mayer, Jutta
- Nebenprodukt
- Weiterverwendung
- Aushubmaterial
- Formalkriterien
- Art 3 Nr 16, Art 5 Abs 1, Art 6 Abs 1 und 4 RL 2008/98/EG (ARRL)
- § 5 Abs 1 AWG
- § 2 Abs 3a AWG
- Abfallende
- Nachhaltigkeitsrecht
- Abfall
- NR 2023, 56
- EuGH, 17.11.2022, Rs C-238/21, Porr Bau, ECLI:EU:C:2022:885
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