Kein automatischer Ausschluss zusammengehöriger Unternehmen
- Originalsprache: Deutsch
- RPABand 23
- Judikatur, 2638 Wörter
- Seiten 103 -107
- https://doi.org/10.33196/rpa202302010301
20,00 €
inkl MwSt
Der automatische Ausschluss von Bewerbern oder Bietern, die von anderen Wettbewerbern kontrolliert werden oder mit ihnen verbunden sind, geht über das hinaus, was zur Verhinderung kollusiver Verhaltensweisen und damit zur Sicherstellung der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Einhaltung des Transparenzgebots erforderlich ist. Ein solcher automatischer Ausschluss stellt nämlich bei Angeboten von in einem Kontrollverhältnis zueinander stehenden oder miteinander verbundenen Unternehmen für denselben Auftrag eine unwiderlegliche Vermutung gegenseitiger Einflussnahme dar und schließt damit für diese Bewerber oder Bieter die Möglichkeit aus, die Unabhängigkeit ihrer Angebote nachzuweisen. Daher läuft er dem Unionsinteresse daran zuwider, dass die Beteiligung möglichst vieler Bieter an einer Ausschreibung sichergestellt wird.
Unternehmensgruppen können unterschiedliche Formen und Zielsetzungen haben und es ist bei ihnen nicht zwangsläufig ausgeschlossen, dass die abhängigen Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Geschäftspolitik und ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit, insbesondere auf dem Gebiet der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen, über eine gewisse Eigenständigkeit verfügen. Die Beziehungen zwischen den Unternehmen derselben Gruppe können nämlich besonderen Regelungen unterliegen, die geeignet sind, bei der Ausarbeitung von Angeboten, die diese Unternehmen im Rahmen ein und derselben Ausschreibung gleichzeitig abgeben, sowohl die Unabhängigkeit als auch die Vertraulichkeit zu gewährleisten.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne von Art 18 Abs 1 RL 2014/24/EU ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die den öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, im Fall eines Rücktritts des ursprünglich wegen des wirtschaftlich günstigsten Angebots ausgewählten Bieters ein öffentliches Vergabeverfahren zu beenden, wenn es sich bei dem das zweitwirtschaftlichste Angebot einreichenden nachfolgenden Bieter um denselben Wirtschaftsteilnehmer wie beim ersten Bieter handelt.
- Reisner, Hubert
- Unabhängigkeit der Erstellung der Angebote
- verpflichtender Widerruf
- verbundene Unternehmen
- EuGH, 08.12.2022, C-769/21, „BTA Baltic Insurance Company“
- Wettbewerb
- Verhältnismäßigkeit
- Art 55 Abs 1 RL 2014/24/EU
- Gleichbehandlung
- Art 18 Abs 1 RL 2014/24/EU
- Vergaberecht
- RPA 2023, 103
- wettbewerbswidrige Abrede
Weitere Artikel aus diesem Heft