EuGH: Art 194 Abs 1 AEUV verpflichtet Unionsorgane und Mitgliedstaaten zur Prüfung negativer Auswirkungen von Maßnahmen der Energiepolitik
- Originalsprache: Deutsch
- NRBand 1
- Judikatur, 4210 Wörter
- Seiten 468 -474
- https://doi.org/10.33196/nr202104046801
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Die Rechtmäßigkeit von Handlungen aller Unionsorgane und Mitgliedstaaten im Rahmen der Energiepolitik ist anhand des Grundsatzes der Energiesolidarität zu beurteilen.
Art 194 Abs 1 AEUV umfasst neben der Bewältigung von Notfallsituationen auch Maßnahmen zur Vorbeugung von Krisensituationen.
Die Energiesolidarität verpflichtet die Mitgliedstaaten und die Union, die Interessen aller möglicherweise betroffenen Akteure zu berücksichtigen und Maßnahmen zu vermeiden, die die Interessen der Union und der anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Sicherheit und die wirtschaftliche und politische Tragbarkeit der Versorgung sowie die Diversifizierung der Versorgungsquellen beeinträchtigen könnten.
Der Grundsatz der Energiesolidarität erfordert nicht, dass eine energiepolitische Maßnahme in keinem Fall negative Auswirkungen auf die besonderen Interessen eines Mitgliedstaats haben darf. Allerdings müssen diese Auswirkungen geprüft und einer Interessenabwägung zwischen den Interessen des betroffenen Mitgliedstaates und den Interessen der Union unterzogen werden. Dieser Pflicht unterliegen die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten.
Der EuGH entschied, dass die Europäische Kommission bei der Genehmigung einer Ausnahme von den Regelungen der Erdgas-Binnenmarkt-RL über Netzzugang und Entgelt für die OPAL hätte prüfen müssen, ob sich dadurch negative Auswirkungen auf den Gasmarkt der Republik Polen ergeben. Die Energiesolidarität nach Art 194 Abs 1 AEUV ist so zu verstehen, dass Mitgliedstaaten und Unionsorgane bei Maßnahmen im Rahmen der Energiepolitik verpflichtet sind, Auswirkungen dieser Maßnahmen auf andere Mitgliedstaaten zu prüfen und einer Interessenabwägung zu unterziehen. Dabei sind die Interessen der Union den Interessen des betroffenen Mitgliedstaates gegenüberzustellen. Sofern diese Prüfschritte vorgenommen werden, bedeutet Art 194 Abs 1 AEUV aber nicht, dass sich Maßnahmen der Energiepolitik in keinem Fall negativ auf einen anderen Mitgliedstaat auswirken dürfen.
- Johler, Mirella Maria
- Art 80 AEUV
- Ausnahmegenehmigung
- Bundesnetzagentur
- § 24 Abs 3 EUV
- Prüfpflicht
- Interessenabwägung
- Erdgas
- EuGH, 15.07.2021, C-848/19, Deutschland/Polen
- Grundsatz der Solidarität
- § 21 Abs 1 EUV
- Art 3 Abs 3 EUV
- Nord Stream 1
- Maßnahmen der Energiepolitik
- Art 32 und 36 RL 2009/73/EG
- Nachhaltigkeitsrecht
- OPAL
- Kommission
- VO (EU) 2017/1938
- § 24 Abs 2 EUV
- Art 67 AEUV
- Energierecht
- § 194 Abs 1 AEUV
- Energiesolidarität
- NR 2021, 468
- § 222 AEUV
- Art 2 EUV
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