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Juristische Blätter

Heft 9, September 2018, Band 140

Verfassungskonforme Interpretation von § 2 Abs 2 Z 3 PStG 2013

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Art 8 EMRK räumt Personen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht ein, dass auf das Geschlecht abstellende Regelungen ihre Variante der Geschlechtsentwicklung als eigenständige geschlechtliche Identität anerkennen, und schützt insbesondere Menschen mit alternativer Geschlechtsidentität vor einer fremdbestimmten Geschlechtszuweisung.

Die Bestimmung des § 2 Abs 2 Z 3 PStG 2013 verstößt (verfassungskonform interpretiert) nicht gegen Art 8 EMRK, weil sie es Menschen ermöglicht, eine alternative Geschlechtsidentität – und damit ein Abweichen von den traditionellen Geschlechtskategorien männlich oder weiblich – personenstandsrechtlich zum Ausdruck zu bringen. Der verwendete Begriff des Geschlechts ist so allgemein, dass er sich ohne Schwierigkeiten dahingehend verstehen lässt, dass er auch alternative Geschlechtsidentitäten miteinschließt. Die Ermittlung einer hinreichend konkreten, abgrenzungsfähigen Begrifflichkeit ist unter Rückgriff auf den Sprachgebrauch möglich (so haben sich insbesondere die Bezeichnungen „divers“, „inter“ oder „offen“ herausgebildet). Die Bestimmung ist ferner so zu verstehen, dass die Personenstandsbehörden zur Bezeichnung des Geschlechts als allgemeines Personenstandsdatum eines Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich auf Antrag dieser Person eine der genannten oder diesen vergleichbaren Bezeichnungen einzutragen haben.

Auch die Eintragungs-, Änderungs-, Ergänzungs- und Berichtigungsregelungen des PStG 2013 tragen den Anforderungen aus Art 8 EMRK zur Gewährleistung einer selbstbestimmten Ausübung des Rechts auf individuelle Geschlechtsidentität ausreichend Rechnung, sodass die in § 2 Abs 2 Z 3 PStG 2013 enthaltene Festlegung des Geschlechts als allgemeines Personenstandsdatum auch in dieser Hinsicht nicht gegen Art 8 EMRK verstößt: Diese Verfahrensvorschriften sind hinreichend flexibel und lassen sich verfassungskonform dahingehend interpretieren, dass es Personen (insbesondere bei mangelnder Selbstbestimmungsfähigkeit bzw im Kindesalter) möglich ist, ihr Geschlecht aus legitimen Gründen nicht anzugeben oder eine einmal erfolgte Geschlechtsangabe ersatzlos zu löschen, und sie ermöglichen es auch, dem allfälligen weiblichen oder männlichen Geschlechtszugehörigkeitsempfinden von Personen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich im Einzelfall bei der Registrierung des Geschlechts hinreichend Rechnung zu tragen.

  • § 2 Abs 2 Z 3 PStG
  • VfGH, 15.06.2018, G 77/2018
  • Öffentliches Recht
  • Straf- und Strafprozessrecht
  • Europa- und Völkerrecht
  • Allgemeines Privatrecht
  • Art 8 EMRK
  • JBL 2018, 584
  • Zivilverfahrensrecht
  • Arbeitsrecht

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