VwGH bestätigt Eignung des Abschlusses eines Memorandum of Understanding zur Auslösung einer ad-hoc-Meldeverpflichtung innerhalb eines gestreckten Sachverhalts (fortgesetztes Verfahren nach VwGH 20.4.2016, Ra 2015/02/0152, ÖBA...
- Originalsprache: Deutsch
- OEBABand 65
- Erkenntnisse des VwGH, 4885 Wörter
- Seiten 642 -646
- https://doi.org/10.47782/oeba201709064201
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§ 48 Abs 1 Z 2 bzw Z 6 BörseG idF BGBl I 2012/35; § 48a Abs 1 und § 48d BörseG idF vor BGBl I 2016/76 (Anpassung an VO [EU] 2014/596)
Die Eignung eines Zwischenschrittes, der selbst eine „Reihe von Umständen“ bzw ein „Ereignis“ darstellt, die bereits eingetreten sind bzw das bereits eingetreten ist, zur erheblichen Beeinflussung des Kurses ist im Hinblick auf diesen Zwischenschritt eigenständig zu beurteilen. Bei dieser Prüfung kann (und: wird auch in der Regel) die Wahrscheinlichkeit des Endereignisses als Endpunkt eines gestreckten Sachverhaltes von Bedeutung sein. Dabei ist allerdings nicht entscheidend, dass das Endereignis hinreichend wahrscheinlich (iSd § 48a Abs 1 Z 1 lit a BörseG) eintreten werde, weil bei einer solchen Auffassung der Zwischenschritt nur ein Indiz für den Eintritt des Endereignisses und damit eine Insiderinformation schon im Hinblick auf dieses zu bejahen wäre. Vielmehr ist auch der Zwischenschritt selbst eigenständig auf das Vorliegen einer Insiderinformation zu prüfen.
Die unternehmensinterne Geschäftsverteilung (auch mit Zustimmung des Geschäftsführers oder des Vorstandsmitglieds) stellt für sich genommen noch keine Bestellung als „verantwortlicher Beauftragter“ für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gemäß § 9 Abs 2 erster Satz VStG dar. Vielmehr müsste sich ein derartiger Übertragungsakt - anders als die Übertragung der unternehmensinternen Verantwortung - hinreichend klar erkennbar (auch) auf die spezifische verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung im Verständnis des VStG beziehen.
Nach der stRsp des VwGH vermag eine bloß interne Aufgabenverteilung unter mehreren Geschäftsführern einer GmbH (oder Vorstandsmitgliedern einer AG) nicht einen einzelnen Geschäftsführer (oder ein einzelnes Vorstandsmitglied) von vornherein und ohne nähere Behauptungen von der Verantwortlichkeit gem § 9 Abs 1 VStG zu entlasten. Es kann nach der Rsp zwar nicht verlangt werden, dass ein nach der Geschäftsverteilung unzuständiges Vorstandsmitglied die Vorgänge innerhalb des Verantwortungsbereichs eines anderen Vorstandsmitglieds mit gleicher Intensität überwacht, wie es dem nach der internen Geschäftsverteilung zuständigen Vorstandsmitglied obliegen würde. Insoweit kann sich die Kontrolltätigkeit des (unzuständigen) Vorstandsmitgliedes in der Regel auf eine stichprobenartige Überwachung (und nicht etwa auf die Überwachung jedes einzelnen Geschäfts) erstrecken. Dabei sind jedoch die Anforderungen je nach der Bedeutung und der Risikogeneigtheit der Geschäftsfälle unterschiedlich anzusetzen. Bei einem Vorgang von herausragender Bedeutung für das Unternehmen sollten sämtliche Vorstandsmitglieder Bescheid wissen, sodass hier eine bloß stichprobenartige Kontrolle für eine schuldbefreiende Wirkung nicht ausreichend ist.
- Stöger, Karl
- Dollenz, Florian
- VwGH, 27.04.2017, Ro 2016/02/0020Ro 2016/02/0021Ro 2016/02/0022Ro 2016/02/0023
- VwGH, 03.05.2017, Ro 2016/02/0016Ro 2016/02/0018
- oeba-Slg 2017/219
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