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wirtschaftsrechtliche blätter

Heft 7, Juli 2015, Band 29

Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols

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Spielerschutz und Suchtprävention stellen jeweils Ziele dar, die eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen. Im Ermittlungsverfahren ist einerseits zutage getreten, dass den Konzessionären jeweils zweckentsprechende, dem Spielerschutz und der Suchtpräventionen dienende Maßnahmen bescheidmäßig vorgeschrieben wurden und dass beim BMF eine Stabsstelle für Spielerschutz eingerichtet wurde, die mit anderen Spielerschutzinstitutionen kooperiert. Andererseits ließ sich aber der diesen Spielerschutzmaßnahmen zu Grunde liegende Ausgangspunkt, nämlich ein Quantum von insgesamt 64.000 (verhaltensauffällig bzw pathologisch) glücksspielsüchtigen Personen in Österreich, nicht verifizieren. Hinsichtlich der Kriminalitätsbekämpfung und Kriminalitätsvorbeugung wurde deutlich, dass das illegale Glücksspiel in Österreich weder vor den mit BGBl I 73/2010 begonnenen Modifikationen des GSpG noch seither ein Kriminalitätsproblem der Art bildeten, dass daraus eine zwingende Notwendigkeit resultierte, vorrangig einen Schutz der Glücksspieler vor Betrug und anderen Straftaten zu gewährleisten. Der Einschätzung des Landesverwaltungsgerichts, dass die Geschäftspolitik der Inhaber bundesrechtlicher Konzessionen, im Besonderen deren Werbemaßnahmen, grundsätzlich aggressiv darauf ausgerichtet sind, zum Spielen der von den beiden Hauptkonzessionären angebotenen Glücksspielarten zu animieren, geradezu notorisch ist, wurde von den Verfahrensparteien nicht entgegengetreten.

Im anlassfallbezogenen Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH wurde auch von der Bundesregierung nicht in Abrede gestellt, dass die Beibehaltung des Monopolsystems zu einer Sicherung von Staatseinnahmen in einem nicht unerheblichen Ausmaß (von ca 500 Mio Euro jährlich) führt. Gleiches lässt sich aus den Gesetzesmaterialien zur GSpG-Novelle BGBl 73/2010 ableiten. Schließlich ist auch einer Pressaussendung der beiden Monopolinhaber zu entnehmen, dass diese Konzessionäre zu den „Top-5-Steuerzahlern“ in Österreich gehören. All dies führt zu der Schlussfolgerung, dass allein dem Bund aus dem Glücksspielmonopol jährlich Einnahmen in einer Höhe von mehr als einer halben Milliarde Euro erwachsen. Dazu kommt, dass der Staat das Glücksspielangebot vollständig auslagern („privatisieren“) konnte, wobei die Konzessionäre nicht nur eine hohe Abgabenquote trifft, sondern diese auch die bereits mit der Konzessionserteilung verbunden exorbitant hohen Gebühren zu tragen sowie in der Folge in einem nicht unerheblichen Ausmaß auch aus eigenem die gesetzlichen Spielerschutz- und Suchtpräventionsmaßnahmen zu finanzieren haben. Stellt man dem die Tatsache gegenüber, dass sowohl Spielerschutz und Suchtprävention als auch Kriminalitätsbekämpfung und -vorbeugung auf Grund der jeweils geringen Anzahl von Anlassfällen keine vordringlichen Staatsaufgaben verkörpern, so ergibt sich daraus insgesamt, dass die Besorgung dieser Agenden vornehmlich bloß zu dem Zweck erfolgt, um einen Vorwand für die Beibehaltung der Monopolregelung des GSpG zu bilden, während der Primärzweck dieser Konzeption darin besteht, eine stabile Quote von 0,4% der jährlichen Gesamteinnahmen des Bundes sicherzustellen;

Zur effektiven Hintanhaltung von Beeinträchtigungen des Glücksspielmonopols sind in den §§ 50 ff GSpG umfassende Eingriffsbefugnisse der Finanzbehörden (Finanzämter), aber auch der ihnen zugeordneten Exekutivorgane (Finanzpolizei) vorgesehen. Diese begegnen – wie dem Urteil des EuGH vom 30. April 2014, C 390/12, RN 57 ff, zu entnehmen ist – jedenfalls gravierenden Bedenken im Hinblick auf die Garantien der Art 15 bis 17 EGRC (Berufsfreiheit, unternehmerische Freiheit, Eigentum), aber auch in Bezug auf die Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 7 EGRC) und den Schutz personenbezogener Daten (Art 8 EGRC).

Um den Anforderungen des Art 56 AEUV zu entsprechen, müsste insgesamt besehen mindestens einer der in der Judikatur des EuGH anerkannten, einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit rechtfertigenden zwingenden Gründe des Allgemeininteresses (Spielerschutz, Kriminalitätsbekämpfung oÄ) jene Ziele, die in ungerechtfertigter Weise mit den Eingriffsbefugnissen einhergehen, tatsächlich und eindeutig überwiegen. Angesichts dieses Prüfungsmaßstabes ergibt sich allerdings, dass das in den §§ 3 ff GSpG normierte System des Glücksspielmonopols deshalb in Art 56 AEUV keine Deckung findet und somit dem Unionsrecht widerspricht, weil dieses einerseits tatsächlich nicht auf einem durch die Rspr des EuGH anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses – wie etwa dem Verbraucherschutz oder der Kriminalitätsbekämpfung und der Kriminalitäts-, insbesondere Betrugsprävention – basiert, sondern de facto primär der Sicherung einer verlässlich kalkulierbaren Quote an Staatseinnahmen (in Höhe von 0,4% der jährlichen Gesamteinnahmen des Bundes) dient sowie andererseits – und unabhängig davon – auch die konkrete Ausgestaltung des Monopolsystems (Privatisierung durch Übertragung der zwar sowohl strengen Antrittsvoraussetzungen als auch einer rigiden staatlichen Kontrolle unterliegenden Ausübungsbefugnisse nicht auf eine unbeschränkte, sondern – im Sinne einer Bedarfsprüfung – auf eine bloß limitierte Anzahl von Konzessionären) und die den staatlichen Behörden zur Abwehr von Beeinträchtigungen dieses Monopols gesetzlich übertragenen Eingriffsbefugnisse (Betretungs-, Einschau-, Informations- und Überprüfungsrechte; vorläufige und/oder endgültige Beschlagnahme; Verwaltungsstrafe; Einziehung, Betriebsschließung) insbesondere mangels generell fehlender Notwendigkeit einer vorhergehenden richterlichen Ermächtigung jeweils unverhältnismäßig sind.

Widerspricht eine innerstaatliche Regelung dem Unionsrecht, so hat diese nach ständiger Rspr des EuGH faktisch unangewendet zu bleiben. Dieser Grundsatz ist von jedem staatlichen Organ auf jeder Ebene des Verfahrens zu beachten. Konkret bedeutet dies insbesondere, „dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine Regelung im Glücksspielbereich nicht zu Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit Art 56 AEUV nicht vereinbar ist“ (EuGH 30. 4. 2014, C 390/12, RN 64, mwN). Daraus resultiert für den vorliegenden Fall, dass eine Bestrafung des Beschwerdeführers wegen einer Übertretung des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG ausgeschlossen ist, weil sich diese Strafnorm rechtssystematisch als eine auf der Glücksspielmonopolregelung des GSpG fußende und mit dieser in einem untrennbaren Zusammenhang stehende Bestimmung darstellt.

  • Art 17 EGRC
  • WBl-Slg 2015/148
  • § 3 GSpG
  • § 52 GSpG
  • § 50 GSpG
  • § 51 GSpG
  • Art 15 EGRC
  • LVwG Oberösterreich, 29.05.2015, LVwG-410287/42/Gf/Mu
  • Art 16 EGRC
  • Art 56 AEUV
  • Art 8 EGRC
  • Allgemeines Wirtschaftsrecht
  • Art 7 EGRC

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