Zurechnung der sexuellen Belästigung durch einen Gehilfen der Arbeitgeber-KG / Belästigung eines Behinderten nach Beendigung des Dienstverhältnisses
- Originalsprache: Deutsch
- JBLBand 134
- Rechtsprechung, 4062 Wörter
- Seiten 261 -265
- https://doi.org/10.33196/jbl201204026101
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Nimmt eine juristische Person als Arbeitgeber die vertraglichen Fürsorgepflichten gegenüber ihren Arbeitnehmern nicht (nur) durch ihre Organe wahr, sondern überträgt sie die Erfüllung dieser Pflichten – ausdrücklich oder stillschweigend – auf Gehilfen, so sind jene Handlungen von Gehilfen, die in einem inneren Zusammenhang mit der übertragenen Fürsorgepflicht stehen, dem Arbeitgeber gem § 1313a ABGB zuzurechnen. Das trifft zweifellos auf die Verletzung der Pflicht, bei sexueller Belästigung des/r Arbeitnehmers/in Abhilfe zu schaffen (§ 6 Abs 1 Z 2 GlBG), zu.
Für die Frage, inwieweit einer Personengesellschaft (hier: Kommanditgesellschaft) als Arbeitgeber eine sexuelle Belästigung unmittelbar (§ 6 Abs 1 Z 1 GlBG) zurechenbar ist, wenn sie von einer vom Arbeitgeber oder von Vertretungsorganen einer juristischen Person verschiedenen Person vorgenommen wird, kann die Rsp zu § 26 Z 4 AngG fruchtbar gemacht werden. Maßgeblich ist daher, ob und inwieweit diese Person zur selbstständigen Ausübung von Unternehmer- und insb Arbeitgeberfunktionen berechtigt war und ob die sexuelle Belästigung damit in einem inneren Zusammenhang stand.
§ 7a Abs 1 Z 1 BEinstG erfasst privatrechtlich begründete „Dienstverhältnisse“; allerdings ist nicht auf deren formal aufrechten Bestand, sondern auf eine Diskriminierung „in Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis“ abzustellen (hier: diskriminierende Äußerungen vor der Schlichtungsstelle nach Beendigung des Dienstverhältnisses). Es ist folglich nicht ausgeschlossen, dass den Arbeitgeber auch nachvertraglich Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Arbeitnehmer treffen können, wenn sie noch „in Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis“ stehen. Ob ein solcher Zusammenhang gegeben ist, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Er ist bei einem nachvertraglichen behördlichen Schlichtungsverfahren, das gerade wegen einer vermeintlichen Diskriminierung im Dienstverhältnis angestrengt wird, nicht schon von vornherein zu verneinen.
- § 7a BeinstG
- JBL 2012, 261
- § 7b Abs 1 BeinstG
- Öffentliches Recht
- Straf- und Strafprozessrecht
- LG Wiener Neustadt, 16.12.2009, 9 Cga 88/09f
- Europa- und Völkerrecht
- Allgemeines Privatrecht
- § 6 Abs 1 GlBG
- OGH, 21.12.2011, 9 ObA 118/11k
- Zivilverfahrensrecht
- OLG Wien, 27.06.2011, 9 Ra 27/11y
- § 1313a ABGB
- Arbeitsrecht
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