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JBL

Heft 4, April 2012, Band 134

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1613-7639

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Inhalt der Ausgabe

S. 205 - 209, Aufsatz

Rudolf Welser

Verdienste und Stärken des ABGB

Der Autor unterstreicht im folgenden Beitrag die Vorzüge des nunmehr 200 Jahre alten österr ABGB. Im Zuge dessen werden nicht nur die Entstehungsgeschichte und die naturrechtlichen Wurzeln des ABGB erläutert, sondern auch die prägnante Sprache und die Lebenskraft dieses Gesetzbuchs hervorgehoben.

S. 210 - 227, Aufsatz

Georg Graf

Unautorisierte Eigenwerbung mit fehlerhaften Ratings - Haftet die Ratingagentur?

Die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise hat die große Bedeutung, die Ratingagenturen zukommt, deutlich gemacht. Vermehrt werden die Voraussetzungen diskutiert, bei deren Vorliegen Ratingagenturen für durch fehlerhafte Ratings verursachte Schäden zur Haftung herangezogen werden können. Der folgende Beitrag untersucht die Grundlagen und möglichen Grenzen einer solchen Haftung; dabei zeigt sich, dass die bereits dem Urbestand des ABGB angehörende Bestimmung des § 1300 ABGB in der Lage ist, auch derart neue Sachverhaltskonstellationen zu bewältigen. Schließlich werden die gewonnenen Erkenntnisse dazu herangezogen, einen aktuellen, komplex gelagerten Fall näher zu analysieren.

S. 228 - 232, Aufsatz

Christian Pilnacek

Zur Bedeutung der Taxquet-Entscheidung des EGMR für das österreichische Geschworenenverfahren

Art 6 MRK schließt grundsätzlich nicht aus, dass ein Angeklagter von einem Laiengericht verurteilt wird, auch wenn keine Gründe für den Schuldspruch angeführt werden. Trotzdem muss es dem Angeklagten und der Öffentlichkeit möglich sein, den Schuldspruch zu verstehen, damit einem fairen Verfahren Rechnung getragen und essentieller Schutz gegen Willkür geboten werden kann.

Ob das österr Geschworenenverfahren den Anforderungen an eine Begründung nach der oben erwähnten Entscheidung des EGMR genügt und es außerdem richtig ist, dass behauptete Verfassungswidrigkeit im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde tatsächlich kein zulässiges Vorbringen zu bilden vermag, soll im Folgenden untersucht werden.

S. 234 - 242, Rechtsprechung

Zu den Anforderungen an die Ausgestaltung von Wahlverfahren mittels E-Voting; Aufhebung der §§ 62-69 HSWO 2005 und Feststellung, dass § 61 HSWO 2005 idF BGBl II 2008/351 gesetzwidrig war

Die Beschwerdelegitimation der wahlwerbenden Gruppen in den Anlassverfahren fällt nicht durch den Ablauf der Funktionsperiode der 2009 gewählten Universitätsvertretungen weg, auch wenn die Aufhebung jener Bescheide, mit denen die Einsprüche gegen die Wahlergebnisse abgewiesen wurden, nach Durchführung der ÖH-Wahl 2011 keine Wirkung mehr entfalten würde.

Gegen die Bestimmungen des § 34 Abs 4–7 Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz (HSG) 1998 über das E-Voting bestehen insb im Lichte der Bestimmungen des B-VG über die (nichtterritoriale) Selbstverwaltung und des Grundrechts auf Datenschutz keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Bestimmungen der Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftswahlordnung (HSWO) 2005 über das E-Voting determinieren das Handeln der zuständigen Wahlkommission bei Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht in einem solchen Maß, dass die Durchführung des E-Votings für den Einzelnen nachvollziehbar sowie für die Wahlbehörden überprüfbar wäre. Insb wird nicht geregelt, in welcher Weise die Wahlkommission selbst (ohne Mitwirkung von Sachverständigen) überprüfen kann, ob das eingesetzte System fehlerlos funktioniert hat und die im HSG 1998 vorgegebenen Wahlgrundsätze eingehalten wurden. Die Anordnung einer vorgezogenen, von Montag bis Freitag erfolgenden Stimmabgabe in § 62 HSWO 2005 widerspricht § 34 Abs 2 HSG 1998, wonach die Wahl von Dienstag bis Donnerstag durchzuführen ist.

S. 242 - 244, Rechtsprechung

Eingriff in die Privatsphäre durch Videokameraattrappe eines Mieters außerhalb des gemieteten (Wohn-) Bereichs

Zur Vermeidung eines Eingriffs in die Privatsphäre anderer Hausbewohner darf bei diesen nicht der Eindruck entstehen, dass sie von einer systematischen, identifizierenden Überwachungsmaßnahme eines Mieters betroffen sind und sich etwa im Überwachungsbereich einer Videokamera befinden (hier: Montage einer Videokameraattrappe im Bereich des mitgemieteten Gartens bzw des gemieteten Kfz-Abstellplatzes). Eine solche Überwachungsmaßnahme darf sich nach Maßgabe des Eindrucks für einen unbeteiligten Betrachter grundsätzlich nur auf den eigenen gemieteten (Wohn-)Bereich des Mieters beziehen.

S. 244 - 247, Rechtsprechung

Beseitigungsanspruch bei unmittelbarer Zuleitung durch überhängende Äste

Ragen Äste meterweit in das nachbarliche Grundstück hinein und wird dadurch eine Gefährdung für Personen und Sachen begründet, handelt es sich dabei um unmittelbare Zuleitungen iSd § 364 Abs 2 S 2 ABGB. Auch aus einem bloßen Naturwirken kann durch (bewusstes) Aufrechterhalten dieses Zustands eine unmittelbare Zuleitung werden. Auch wenn ein Grundstück am Wald erworben wird, bedeutet dies nicht, dass Immissionen geduldet werden müssten, die erst nachträglich durch die mangelhafte Pflege des Baumbestandes entstehen.

Wenn das widerrechtliche Verhalten des Störers (hier: Unterlassen baumpflegerischer Maßnahmen) sich nicht in einer vorübergehenden, abgeschlossenen Handlung erschöpft, sondern einen das Eigentumsrecht des Nachbarn beeinträchtigenden Dauerzustand herbeigeführt hat, umfasst der Anspruch auf Unterlassung auch das Recht, vom Verpflichteten die Beseitigung dieses gesetzwidrigen Zustands zu verlangen, soweit ihm die Verfügung hierüber zusteht.

S. 247 - 249, Rechtsprechung

Bernhard Eccher

Keine Dereliktion von schlichten Miteigentumsanteilen an Liegenschaften

Eine Dereliktion schlichter Miteigentumsanteile an Liegenschaften kommt grundsätzlich nicht in Betracht.

S. 249 - 251, Rechtsprechung

Zur Auslegung einer fideikommissarischen Substitution / Löschung einzelner bereits vorverstorbenen Nacherben aus dem Grundbuch

Die fideikommissarische Substitution erlischt, wenn keiner von den berufenen Nacherben mehr übrig ist (§ 615 Abs 1 ABGB). Der entsprechende Nachweis obliegt dem Vorerben; Unwahrscheinlichkeit genügt nicht.

Das Nacherbrecht ist dann vererblich, wenn der Substitut „terminisiert“ berufen wurde; dies ist dann zu bejahen, wenn allein der Tod des Vorerben den Substitutionsfall bildet. Der Nacherbe vererbt in diesem Fall sein Erbrecht an seine Transmissare, wenn er vor dem Substitutionsfall stirbt (§ 615 Abs 2 ABGB). Ist der Nacherbe hingegen aufschiebend bedingt berufen, so fällt ihm die Erbschaft erst bei Bedingungseintritt an; er muss diesen Zeitpunkt erleben und dabei erbfähig sein (§ 703 ABGB).

Ehe auf § 615 Abs 2 oder § 703 ABGB zurückgegriffen werden darf, sind alle bei letztwilligen Verfügungen zulässigen Auslegungsmittel auszuschöpfen; dazu gehört auch die Ermittlung des hypothetischen Testierwillens.

Ein Antrag auf die Löschung der bereits vorverstorbenen Nacherben aus dem Grundbuch, ohne dass auch die Löschung des Substitutionsbands an sich begehrt wird, ist zulässig. Der Antragsteller hat jedoch nachzuweisen, dass hinsichtlich der betroffenen Nacherben der Substitutionsfall nicht mehr eintreten kann. Außerdem ist die Löschung einzelner Nacherben aufgrund deren Zustimmung bzw jener ihrer allfälligen Transmissare möglich.

S. 251 - 256, Rechtsprechung

Herbert Kalb

Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit durch Verweigerung von Bluttransfusionen

Einer eigenberechtigten bei einem Unfall verletzten Person (hier: Zeugin Jehovas) steht es frei, jegliche medizinische Behandlung (hier: Bluttransfusion) zu verweigern. Diese Weigerung ist rechtmäßig. § 1304 ABGB setzt kein rechtswidriges Verhalten des Geschädigten voraus; es handelt sich lediglich um eine Obliegenheitsverletzung.

Die Freiheit der (Gewissens-)Entscheidung bedeutet nicht, dass derjenige, der eine für ihn objektiv ungünstige, gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung verstoßende Gewissensentscheidung trifft, die aus der objektiven Ungünstigkeit der Entscheidung folgenden Nachteile nicht zu tragen hat.

Der Verschuldensgrad des Schädigers ist kein Kriterium dafür, ob dem Verletzten die Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit anspruchsmindernd oder -vernichtend zugerechnet wird.

S. 256 - 257, Rechtsprechung

Keine Klagszurückweisung und Überweisung bei Klagsausdehnung über die bezirksgerichtliche Wertgrenze

Wird eine bei einem Bezirksgericht eingebrachte Klage über die bezirksgerichtliche Wertgrenze ausgedehnt, so handelt es sich um ein nach § 235 ZPO zu lösendes Problem der Zulässigkeit der Klagsänderung, bei dem das Zuständigkeitsproblem als Vorfrage zu lösen ist. Es fehlen damit die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Überweisung und eine Bindungswirkung.

Der Rechtsmittelausschluss des § 261 Abs 6 ZPO gilt dann nicht, wenn eine Überweisung ohne gesetzliche Grundlage erfolgt ist, wenn sie also den Bestimmungen des § 261 Abs 6 ZPO derart widerspricht, dass der Zweck des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht erfüllt wird. Auch § 45 JN ist dann nicht anzuwenden.

Die Klagszurückweisung und Überweisung des Verfahrens an ein anderes Gericht wegen Klagsausdehnung widerspricht elementaren Prozessgrundsätzen und stellt einen gravierenden Verstoß dar, welcher mit dem Zweck der in § 45 JN und § 261 Abs 6 ZPO normierten Rechtsmittelausschlüsse unvereinbar ist.

S. 257 - 258, Rechtsprechung

Rechtzeitigkeit von falsch adressierten Eingaben im WebERV

Die Funktion der Bundesrechenzentrum GmbH als „vorgelagerte Einlaufstelle des Gerichts“ ändert nichts daran, dass ein im Wege des ERV übermitteltes Schriftstück – unter Nichteinrechnung des Postenlaufs – nur dann als rechtzeitig eingebracht angesehen werden kann, wenn es durch Angabe des jeweils zutreffenden „Dienststellenkürzels“ an das richtige Gericht adressiert war. Langte der Schriftsatz wegen unrichtiger Bezeichnung des Adressatgerichts beim falschen Gericht ein, das ihn (mit Zeitverzögerung) an das zuständige Gericht übermitteln musste, so ist die Eingabe nur dann als rechtzeitig anzusehen, wenn sie noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht einlangt.

Für die Beurteilung der Fristwahrung von im ERV eingebrachten Rechtsmitteln kommt dem Vorhandensein vereinigter Einlaufstellen iSd § 37 Abs 2 Geo keine Relevanz zu. Auch in diesem Fall schließt die unrichtige Bezeichnung des Adressatgerichts die Anwendung des § 89 GOG zu Lasten des Rechtsmittelwerbers aus.

S. 258 - 259, Rechtsprechung

Keine Bindung des Geschäftsherrn an die strafrechtliche Verurteilung seines Gehilfen ohne rechtliches Gehör

Eine Bindung des Geschäftsherrn, der im Strafverfahren gegen seinen Erfüllungsgehilfen kein rechtliches Gehör hatte, an dessen rechtskräftige Verurteilung verstieße gegen Art 6 Abs 1 S 1 MRK und ist damit abzulehnen.

S. 259 - 261, Rechtsprechung

Schiedsvereinbarung infolge Auflösung des vereinbarten Schiedsgerichts undurchführbar

Eine Schiedsvereinbarung ist dann iSd § 584 Abs 1 S 2 ZPO undurchführbar, wenn das vereinbarte Schiedsgericht nicht mehr existiert und die Bestellung eines gleichartigen (Ad-hoc-)Schiedsgerichts nicht möglich ist, da die Bestellung und Zusammensetzung sowie die Schiedsordnung des seinerzeitigen Schiedsgerichts nicht feststellbar sind.

S. 261 - 265, Rechtsprechung

Zurechnung der sexuellen Belästigung durch einen Gehilfen der Arbeitgeber-KG / Belästigung eines Behinderten nach Beendigung des Dienstverhältnisses

Nimmt eine juristische Person als Arbeitgeber die vertraglichen Fürsorgepflichten gegenüber ihren Arbeitnehmern nicht (nur) durch ihre Organe wahr, sondern überträgt sie die Erfüllung dieser Pflichten – ausdrücklich oder stillschweigend – auf Gehilfen, so sind jene Handlungen von Gehilfen, die in einem inneren Zusammenhang mit der übertragenen Fürsorgepflicht stehen, dem Arbeitgeber gem § 1313a ABGB zuzurechnen. Das trifft zweifellos auf die Verletzung der Pflicht, bei sexueller Belästigung des/r Arbeitnehmers/in Abhilfe zu schaffen (§ 6 Abs 1 Z 2 GlBG), zu.

Für die Frage, inwieweit einer Personengesellschaft (hier: Kommanditgesellschaft) als Arbeitgeber eine sexuelle Belästigung unmittelbar (§ 6 Abs 1 Z 1 GlBG) zurechenbar ist, wenn sie von einer vom Arbeitgeber oder von Vertretungsorganen einer juristischen Person verschiedenen Person vorgenommen wird, kann die Rsp zu § 26 Z 4 AngG fruchtbar gemacht werden. Maßgeblich ist daher, ob und inwieweit diese Person zur selbstständigen Ausübung von Unternehmer- und insb Arbeitgeberfunktionen berechtigt war und ob die sexuelle Belästigung damit in einem inneren Zusammenhang stand.

§ 7a Abs 1 Z 1 BEinstG erfasst privatrechtlich begründete „Dienstverhältnisse“; allerdings ist nicht auf deren formal aufrechten Bestand, sondern auf eine Diskriminierung „in Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis“ abzustellen (hier: diskriminierende Äußerungen vor der Schlichtungsstelle nach Beendigung des Dienstverhältnisses). Es ist folglich nicht ausgeschlossen, dass den Arbeitgeber auch nachvertraglich Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Arbeitnehmer treffen können, wenn sie noch „in Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis“ stehen. Ob ein solcher Zusammenhang gegeben ist, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Er ist bei einem nachvertraglichen behördlichen Schlichtungsverfahren, das gerade wegen einer vermeintlichen Diskriminierung im Dienstverhältnis angestrengt wird, nicht schon von vornherein zu verneinen.

S. 265 - 266, Rechtsprechung

Begründung von Geschworenenurteilen

Der gegenständliche Wahrspruch enthält alle wesentlichen Sachverhaltselemente, die zur Subsumtion erforderlich sind und das Urteil ist in diesem Sinn als begründet anzusehen. Eine Anfechtungsmöglichkeit bietet – wenn auch in eingeschränktem Umfang – § 345 Abs 1 Z 10a StPO. Die Entscheidung des EGMR 16.11.2010 Taxquet gegen Belgien, Nr 926/05 bemängelt demgegenüber das gänzliche Fehlen einer Begründung des sachverhaltsmäßig nicht hinreichend konkretisierten belgischen Urteils sowie dessen weitgehende Unanfechtbarkeit und bietet demgemäß keine Vergleichsgrundlage. In concreto besteht kein Anlass, wegen der unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EGMR Taxquet gegen Belgien ohne schlüssige Argumentation und ohne Nennung betroffener Gesetzesbestimmungen behaupteten Verfassungwidrigkeit der in der StPO nicht normierten Begründungspflicht für Geschworenenurteile einen Antrag gem Art 89 Abs 2 S 2 B-VG beim VfGH zu stellen.

S. 267 - 267, Rechtsprechung

Bescheidverkündung nur unmittelbar nach Verhandlung zulässig

Aus § 67g Abs 2 Z 2 AVG folgt, dass die mündliche Verkündung eines Bescheides überhaupt zu entfallen hat, wenn dieser nicht unmittelbar im Anschluss an die mündliche Verhandlung beschlossen werden kann. Eine entgegen § 67g Abs 2 AVG erfolgte mündliche „Verkündung“ des Bescheides ist unwirksam, sodass der Bescheid durch die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung zu erlassen ist. Eine solche Verkündung unterbricht nicht die Verjährung.

S. 268 - 271, Korrespondenz

Andreas Kletečka

Mietrecht als Hindernis für Investitionen?