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JBL

Heft 4, April 2019, Band 141

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1613-7639

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Inhalt der Ausgabe

S. 201 - 209, Aufsatz

Ernst A. Kramer

Methodologische Sonderprobleme bei der Interpretation rezipierten Rechts

Die Wertungseinheit der Rechtsordnung wird im Privatrecht durch die zunehmende Verflechtung des nationalen Rechts mit Elementen des Internationalen Einheitsrechts, des EU-Rechts und autonom vorgenommenen Rechtsrezeptionen stark relativiert. Dies hat methodologische Konsequenzen, die am Beispiel des UN-Kaufrechts (CISG), der Auslegung der nationalen Umsetzungen von EU-RL und einzelnen autonomen Rechtsrezeptionen im Einzelnen beleuchtet werden. Dabei wird am Beispiel der Schweiz auch die Situation in nicht der EU angehörigen Drittstaaten thematisiert.

S. 210 - 224, Aufsatz

Lyane Sautner

Videotechnologie im Strafverfahren: Kommunikation, Dokumentation und Reproduktion

Die StPO ermöglicht den Einsatz von Videotechnologie zu unterschiedlichen Zwecken sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung. Vor dem Hintergrund einer sozial- und rechtspsychologischen Bewertung dieses Mediums wird dessen Bedeutung für die Prinzipien des Strafprozesses, insbesondere Wahrheitserforschung, Unmittelbarkeit, rechtliches Gehör und freie Beweiswürdigung, untersucht.

S. 225 - 233, Rechtsprechung

Eurofighter-U-Ausschuss (Vorlageverpflichtung der Finanzprokuratur)

Feststellung der Verpflichtung der Finanzprokuratur zur Vorlage aller Akten und Unterlagen betreffend die „Task Force Eurofighter“ von Anfang 2000 bis Ende 2017 an den Untersuchungsausschuss des Nationalrates (auch keine Entbindung von dieser Verpflichtung durch § 4 ProkG): Angesichts des weit formulierten Untersuchungsgegenstandes ist zumindest eine abstrakte Relevanz der – bei der vorlagepflichtigen Stelle vorhandenen bzw im elektronischen Datenraum befindlichen – Akten und Unterlagen zur Untersuchung der politischen Verantwortung im Zusammenhang mit dem Kampfflugzeugsystem „Eurofighter Typhoon“ gegeben.

Das vorlagepflichtige Organ hat seiner Behauptungs- und Begründungspflicht im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Ausnahmebestimmung des Art 53 Abs 4 B-VG (keine Vorlageverpflichtung im Fall einer Beeinträchtigung der rechtmäßigen Willensbildung der Bundesregierung oder einzelner ihrer Mitglieder) vor dem Hintergrund der Verpflichtung des VfGH gemäß § 56f Abs 3 VfGG, über eine Meinungsverschiedenheit unter anderem zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates und einem informationspflichtigen Organ über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Grund der Aktenlage und ohne unnötigen Aufschub (tunlichst binnen vier Wochen nach vollständiger Einbringung des Antrages) zu entscheiden, sowie der befristeten Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses (vgl § 53 VO-UA) bereits gegenüber dem Untersuchungsausschuss und nicht erst im Verfahren vor dem VfGH diesem gegenüber nachzukommen, um die Zulässigkeit der Aktenvorenthaltung für den Untersuchungsausschuss überprüfbar zu machen.

S. 233 - 235, Rechtsprechung

Abgabe unbedingter Erbantrittserklärungen auf Basis einer Vorsorgevollmacht

Soweit sich eine Vorsorgevollmacht auf Angelegenheiten bezieht, für die nach § 1008 ABGB an sich eine Einzelvollmacht erforderlich wäre, kann diesem Erfordernis jedenfalls im Fall einer Vorsorgevollmacht dadurch Genüge getan werden, dass im Rahmen einer allgemeinen Vollmacht die Gattung dieser Angelegenheiten angeführt wird (hier: Abgabe unbedingter Erbantrittserklärungen).

S. 235 - 241, Rechtsprechung

Aufnahme dritter Personen zur Unterstützung bei der Haus- und Gartenarbeit im Rahmen eines Wohnrechts / Benützungsentgelt für überproportionale Nutzung einer Liegenschaft während des Verlassenschaftsverfahrens

Ob ein Wohnungsberechtigter befugt ist, eine dritte Person bei sich aufzunehmen, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu entscheiden. Maßgeblich ist, ob die Aufnahme der dritten Person der Befriedigung von Wohnbedürfnissen üblicher Art iS der natürlichen Lebensverhältnisse entspricht. Der Wohnungsberechtigte ist nicht erst dann zur Aufnahme einer Pflege- oder Dienstperson berechtigt, wenn er sich nicht mehr selbst versorgen kann, sondern schon dann, wenn er bloß in Teilbereichen auf Hilfe angewiesen ist (hier: Aufnahme zweier Personen zur Unterstützung bei der Haus- und Gartenarbeit von Wohnrecht gedeckt). Dies gilt jedoch nur für jenen Zeitraum, in dem der Wohnungsberechtigte der Unterstützung bedarf, also sein Wohnrecht auf der Liegenschaft ausübt.

Die für den Bereicherungsausgleich unter Miteigentümern geltenden Grundsätze kommen auch dann zur Anwendung, wenn nach der Einantwortung ein Bereicherungsanspruch aufgrund einer im Verhältnis zur Erbquote überproportionalen Nutzung der nachlasszugehörigen Liegenschaft während des Verlassenschaftsverfahrens zu beurteilen ist.

In kontradiktorischen Verfahren außer Streitsachen, in denen sich die Parteien in gegenläufigen Rollen gegenüberstehen, sind ganz allgemein die Behauptungs- und Beweislastregeln, die das streitige Verfahren beherrschen, heranzuziehen.

S. 241 - 242, Rechtsprechung

Aktivlegitimation eines „benützungsgeregelten Hälfteeigentümers“ im Übergabsverfahren

Dem von Teilen der Rsp aufgestellten Erfordernis der Mitwirkung sämtlicher Miteigentümer an der Kündigung schließt sich der 4. Senat auch für Fälle eines Übergabsauftrags nicht an. Vielmehr ist die Mehrheit allein aktiv legitimiert. Die dabei entwickelten Grundsätze beruhen im Kern darauf, dass der Mehrheit Verwalterstellung zukommt. Dieser Grundsatz trifft auch auf den benützungsgeregelten Hälfteeigentümer zu.

S. 242 - 244, Rechtsprechung

Schadenersatzanspruch des Scheinvaters gegen Ehefrau wegen geleisteten Kindesunterhalts

Vermögensschäden eines Ehemanns und Scheinvaters in Form von Unterhaltszahlungen an ein in aufrechter Ehe geborenes Kind der Ehegattin, das nicht vom Ehemann abstammt, das der Ehemann aber für sein eigenes Kind hält, fallen unter den Schutzzweck des § 90 ABGB und begründen einen Schadenersatzanspruch gegen die frühere Ehegattin.

S. 244 - 246, Rechtsprechung

Unterbleiben einer Aufklärung über die Tilgungsregeln des § 1416 ABGB durch den Rechtsanwalt

Der Rechtsanwalt haftet grundsätzlich nur für den notwendigen Fleiß und die erforderliche Gesetzeskenntnis. Er haftet jedoch nicht für eine unrichtige, aber vertretbare Gesetzesauslegung. Eine unzulängliche Rechtsbelehrung macht den sie erteilenden Rechtsanwalt dann nicht schadenersatzpflichtig, wenn sich eine Spruchpraxis zu einer bestimmten Rechtsfrage noch nicht gebildet hat. Die Ansicht des Berufungsgerichts, einem Rechtsanwalt falle mit der Unterlassung der Aufklärung über die Tilgungsregeln des § 1416 ABGB keine Sorgfaltsverletzung zur Last, ist vertretbar und keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung.

S. 246 - 247, Rechtsprechung

Amtshaftung wegen Duldung der unbegleiteten Ausreise eines Minderjährigen?

Im Rahmen des Aufenthaltsbestimmungsrechts kommt dem obsorgeberechtigten Elternteil auch die Disposition über die Reisedokumente des Kindes zu.

Ein Verbot der (unbegleiteten) Ausreise eines Minderjährigen wird durch § 162 Abs 1 ABGB nicht normiert.

Aus Punkt 6. Anhang VII VO (EG) 562/2006 (Schengener Grenzkodex) folgt nicht, dass die Ausreise eines allein reisenden Minderjährigen nur bei Vorlage einer schriftlichen Zustimmungserklärung des Obsorgeberechtigten oder nach telefonischer Rückfrage erlaubt wäre.

S. 247 - 249, Rechtsprechung

Keine Bestellung eines vorläufigen Verwalters während eines Beschlussanfechtungsverfahrens im Hinblick auf die Bestellung eines Verwalters

Während eines Beschlussanfechtungsverfahrens im Hinblick auf die Bestellung eines Verwalters kann kein vorläufiger Verwalter gemäß § 23 WEG bestellt werden.

S. 249 - 252, Rechtsprechung

Direktklage des sich nach § 334 ASVG regressierenden Sozialversicherungsträgers gegen den Haftpflichtversicherer

Der Sozialversicherungsträger, der den Schädiger nach § 334 ASVG in Anspruch nimmt und damit einen eigenständigen Rückgriffsanspruch geltend macht, ist in Bezug auf die Haftpflichtversicherung geschädigter Dritter iS der §§ 156, 157 VersVG.

Das Feststellungsinteresse des Sozialversicherungsträgers ist (unter anderem) dann zu bejahen, wenn der Versicherer seine Eintrittspflicht verneint und der Versicherungsnehmer nichts weiter unternimmt.

Ein Lagerleiter, der für die gesamte Lagerverwaltung zuständig und gegenüber anderen im Lager eingesetzten Arbeitern weisungs- und anordnungsbefugt ist, ist eine Person, deren Schadenersatzverpflichtungen nach Art 1.3.2 AHVQ 2004 mitversichert sind.

S. 252 - 254, Rechtsprechung

Zulässigkeit des Rechtswegs, Zuständigkeit und pflegschaftsgerichtliche Genehmigung bei Klagen nach § 1 USchG

Anträge, Klagen und andere Verfahrensschritte des Kinder- und Jugendhilfeträgers, die der Festsetzung oder Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs des Kindes dienen und eine Vermögensangelegenheit außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs bilden, bedürfen auch nach Inkrafttreten des FamErbRÄG 2004 keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung (hier: Klage nach § 1 USchG).

Ansprüche nach § 1 USchG sind im streitigen Rechtsweg geltendzumachen. Die Bestimmung des § 49 Abs 2 Z 2 JN ist nicht nur auf durch Urteil zu entscheidende Streitigkeiten anzuwenden, die sich auf den erstmaligen Zuspruch eines Unterhaltsanspruchs oder auf Erhöhung oder Herabsetzung eines schon titulierten Unterhaltsanspruchs beziehen.

S. 254 - 256, Rechtsprechung

Einstellung der Exekution wegen Abschaffung des Pflegeregresses

§ 707a ASVG begründet einen selbständigen, von den in der EO normierten unabhängigen Exekutionseinstellungsgrund, der mit einem Antragsrecht des Verpflichteten einhergeht.

S. 256 - 257, Rechtsprechung

Rechtsweg bei Streit über Eigenschaft einer öffentlich-rechtlichen Forderung als Insolvenzforderung

Der Streit über die Frage, ob eine Abgabenforderung als (allenfalls bedingte oder betagte) Insolvenzforderung zu qualifizieren ist, ist einem Rangstreit iS von § 110 Abs 3 IO gleichzuhalten und gehört daher auf den Rechtsweg.

S. 257 - 260, Rechtsprechung

Roland Kier

Waffengleichheit bei gerichtlicher Aufnahme des Sachverständigenbeweises im Ermittlungsverfahren

Der Austausch der Parteien mit dem vom Gericht geführten Sachverständigen hat – im Interesse der Waffengleichheit und um dessen Position als neutrale Beweisperson nicht zu unterlaufen – über das Gericht zu erfolgen. Dem Gericht steht es offen, mit dem von ihm geführten Sachverständigen auch ohne die Parteien zu kommunizieren. Hält es aber die Beteiligung einer Partei an einem Gespräch mit dem Sachverständigen über die weitere Vorgangsweise in Bezug auf den Gutachtensauftrag und darauf gerichtete Anträge für geboten, hat es der anderen Partei Gelegenheit zu geben, an diesem Gespräch teilzunehmen.

S. 260 - 262, Rechtsprechung

Kosten des über einen Parteiantrag geführten Normenkontrollverfahrens als ersatzfähige Kosten nach der StPO

Beim Verfahren vor dem VfGH über einen Parteiantrag auf Normenkontrolle handelt es sich um eine Art Zwischenverfahren im Anlassverfahren vor dem ordentlichen Gericht. Kosten des über einen Parteiantrag geführten Normenkontrollverfahrens sind Sonderkosten, die im gerichtlichen Anlassverfahren nach Maßgabe des dort anzuwendenden Prozessrechts bei der Kostenbestimmung zu berücksichtigen sind. Zu prüfen ist, ob ein im Verfahren vor dem VfGH eingebrachter Schriftsatz iS des § 395 Abs 2 StPO iVm § 14 Abs 3 MedienG zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig oder sonst nach der Beschaffenheit des Falles gerechtfertigt ist.

S. 262 - 265, Rechtsprechung

Abschreckende Wirkung einer Geldstrafe

Eine wirksame und abschreckende Wirkung kommt einer nach dem AVRAG verhängten Geldstrafe wegen Unterentlohnung von Arbeitnehmern bzw für Verhaltensweisen, die (wie die unterlassene Bereithaltung von Lohnzettel und Lohnzahlungsnachweisen) eine Überprüfung der allfälligen Unterentlohnung wesentlich erschweren oder verunmöglichen, nur dann zu, wenn die Höhe der Strafe über den wirtschaftlichen Erfolg, der durch die Tat typischerweise lukriert wird, hinausgeht (andernfalls wäre die Höhe der Geldstrafe einkalkulierbar und nicht mehr abschreckend).