Zum Hauptinhalt springen
JBL

Heft 4, April 2022, Band 144

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1613-7639

60,00 €

inkl MwSt

Sofortiger PDF-Download

Inhalt der Ausgabe

S. 201 - 211, Aufsatz

Gerhard Baumgartner

Untersuchungsausschüsse und Datenschutz

Die politische Kontrolle durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse steht seit jeher in einem Spannungsverhältnis zu den Anforderungen des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre. Da der Datenschutz mit der seit 2018 geltenden und in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbaren DSGVO eine unionsrechtliche Neuregelung erfahren hat, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich daraus für die Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen ergeben. Im vorliegenden Beitrag wird daher untersucht, ob ein Bundesminister bei der Erfüllung eines Vorlageverlangens eines Untersuchungsausschusses (Art 53 Abs 3 B-VG) der DSGVO unterliegt. Außerdem wird geprüft, ob ein Untersuchungsausschuss des Nationalrates an die DSGVO gebunden ist. Die damit aufgeworfene Frage nach der Bindung der Staatsfunktion Gesetzgebung an die DSGVO beschäftigt bereits den VwGH und den EuGH.

S. 212 - 225, Aufsatz

Christian Mittermair

Religiöse Kindererziehung: Die Rolle der Eltern, der Pflegeeltern, des KJHT und des Pflegschaftsgerichts

Eine rezente Entscheidung – OGH 6 Ob 177/20b – misst der religiösen Kindererziehung ein unerwartet hohes Gewicht bei, das in den letzten Jahrzehnten überwunden schien: Dass der mit der Obsorge betraute Kinder- und Jugendhilfeträger (KJHT) und die Pflegeeltern weder für sich allein noch gemeinsam befugt seien, ohne gerichtliche Genehmigung die religiöse Erziehung eines Kindes zu bestimmen, entspreche dem Bundesgesetz über die religiöse Kindererziehung 1985 (RelKEG). Überraschend ist vor allem, dass dem leiblichen (nicht obsorgeberechtigten) Vater im Genehmigungsverfahren eine weitreichende Rechtsmittelbefugnis zuerkannt wird. Aus Anlass dieser Entscheidung untersucht der Beitrag die Rolle der leiblichen Eltern, der Pflegeeltern, des KJHT und des Pflegschaftsgerichts im Rahmen der religiösen Kindererziehung.

S. 226 - 236, Aufsatz

Andreas Baumgartner

Nichtige GmbH-Gesellschafterbeschlüsse

S. 237 - 241, Rechtsprechung

Bewertung von Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte nicht gleichheitswidrig

§ 788 ABGB, der die Bewertung von Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte regelt, verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers vorzusehen, dass Anpassungen des Wertes von Schenkungen zu Lebzeiten auf den Todeszeitpunkt nach einem Verbraucherpreisindex der Statistik Austria erfolgen. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Regelung das Ziel, die zu Lebzeiten des Verstorbenen zugewendeten Vermögenswerte möglichst gleichmäßig an die Verhältnisse im Todeszeitpunkt heranzuführen. Dass eine Schenkung unter Lebenden anders als eine Schenkung auf den Todesfall bewertet wird, ist nicht unsachlich, zumal der Geschenknehmer einer Schenkung unter Lebenden bereits vor dem Erbanfall Eigentümer der geschenkten Sache werden und über diese verfügen kann.

S. 241 - 245, Rechtsprechung

Letztwillige Verfügung und Ende einer Lebensgemeinschaft

Eine „Lebensgemeinschaft“ iS des § 725 Abs 1 ABGB ist eine eheähnliche Verbindung zwischen zwei Personen, die einerseits in einer seelischen Verbundenheit wurzelt, anderseits in der Regel auch die Merkmale einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft aufweisen muss. Allerdings müssen iS eines beweglichen Systems nicht stets alle drei vorhanden sein, sondern kann das Fehlen eines Kriteriums durch das Vorliegen der anderen ausgeglichen werden, wobei stets die Umstände des Einzelfalls entscheiden. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, wie der letztwillig Verfügende selbst die von ihm gelebte Beziehung charakterisierte.

Bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses ist im Zusammenhang mit der Frage, ob eine letztwillige Verfügung nach § 725 ABGB aufzuheben ist, auch eine Feststellungsklage (§ 228 ZPO) zuzulassen.

S. 245 - 248, Rechtsprechung

Ersatz frustrierter Aufwendungen bei (reinen) Sachschäden

Im Fall eines (reinen) Sachschadens kommt ein Ersatz frustrierter Aufwendungen nur bei kumulativer Erfüllung zweier der Gefahr der Uferlosigkeit einer Haftung entgegenstehender Kriterien in Betracht: Einerseits muss es sich um eine vermögenswerte, übertragbare und zum intendierten Zweck verwertbare Rechtsposition handeln; andererseits muss ein Aufwand für eine zeitlich konkrete einmalige Nutzung der erworbenen Rechtsposition vorliegen (vgl bereits OGH 2 Ob 113/09w [explizit nur für Personenschäden]).

S. 248 - 250, Rechtsprechung

Ersatz des Wiederbeschaffungswerts bei Totalschaden auch ohne Wiederbeschaffungsabsicht

Bei Vorliegen eines (wirtschaftlichen oder „technischen“) Totalschadens ist die auf die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache gerichtete Absicht des Geschädigten keine Voraussetzung für die Abrechnung des Schadens nach dem Wiederbeschaffungswert (abzüglich eines allfälligen Restwerts).

Für den Wiederbeschaffungswert kommt es auf die Marktverhältnisse am Wohnort (Sitz) des Geschädigten an. Maßgeblich ist daher jener Betrag, der am Wohnort des Geschädigten aufgewendet werden muss, um sich eine gleichwertige Sache zu beschaffen. Dabei ist nicht entscheidend, ob in Österreich ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug erworben werden kann. Besteht die Möglichkeit, ein solches Fahrzeug im Ausland zu erwerben (hier: USA), ist maßgeblich, welche Kosten am Wohnort des Geschädigten dafür aufgewendet werden müssen.

S. 251 - 254, Rechtsprechung

Haftung des Steuerberaters bei Steuermehrbelastung des Erben?

Die Rechtsstellung als Erbe berechtigt ihn nur jene Nachteile geltend zu machen, die auch der Erblasser gegenüber einem Schädiger geltend zu machen berechtigt gewesen wäre. Der Nachteil aus der Einkommenssteuermehrbelastung für ein bestimmtes Veranlagungsjahr resultiert aus seiner persönlichen Steuerpflicht und zählt nicht dazu, sodass der Erbe insoweit auch nicht als unmittelbar Geschädigter betrachtet werden kann.

Der Erbe ist nicht in den Schutzbereich des Vertrages zur (allenfalls fehlerhaften) Erstellung der Einkommenssteuererklärung des Verstorbenen einzubeziehen.

S. 254 - 256, Rechtsprechung

Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Anlegern?

Bei der Frist des § 275 Abs 5 UGB handelt es sich um eine lex specialis zur allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 1489 ABGB, die als objektive, von der Kenntnis des Schadens und des Schädigers unabhängige Frist nicht nur die kurze, sondern auch die lange Frist des § 1489 S 2 Var 1 ABGB verdrängt. § 275 Abs 5 UGB gilt auch gegenüber geschädigten Dritten. Dabei beginnt nach einheitlicher Rsp die Verjährungsfrist für den (hier zu prüfenden) Bereich bloß fahrlässiger Schadensverursachung durch den Abschlussprüfer (erst) mit Eintritt des primären Schadens. Bei Ansprüchen Dritter ist das die durch den Bestätigungsvermerk veranlasste Vermögensdisposition.

Ein Vertrag zwischen einem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft ist ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, nämlich zu Gunsten jener (potentiellen) Gläubiger der geprüften Gesellschaft, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollen und dann bei ihren wirtschaftlichen Dispositionen davon ausgehen können, dass Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht ihres (potentiellen) Schuldners nach fachmännischer Ansicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Ein Abschlussprüfer, der die gebotene Sorgfalt vernachlässigt und deshalb einen unrichtigen Bestätigungsvermerk ausstellt, wird einem Dritten, der im Vertrauen auf die Verlässlichkeit des Bestätigungsvermerks disponiert und dadurch einen Schaden erleidet, ersatzpflichtig. Ein geschädigter Anleger hat zu behaupten und zu beweisen, dass er seine Anlageentscheidung im Vertrauen auf den erteilten Bestätigungsvermerk getroffen und diesen zur Grundlage seiner schadensauslösenden Disposition gemacht hat.

Auf die Schutzwirkungen des zwischen der Gesellschaft und dem Abschlussprüfer geschlossenen Vertrags können sich Personen, deren Anlegerentscheidung nicht im Zusammenhang mit dem erteilten Bestätigungsvermerk steht, nicht berufen.

S. 256 - 259, Rechtsprechung

Michael Otti

Zurückweisung der Revision bei Klärung der erheblichen Rechtsfrage durch den EuGH in einer Vorabentscheidung, die aus Anlass dieser Revision vom OGH eingeholt wurde

Eine zur Unzulässigkeit der Revision führende Klärung der Rechtslage kann im Anwendungsbereich des Unionsrechts auch durch eine – gegebenenfalls (wie hier) erst im Revisionsverfahren eingeholte – Vorabentscheidung des EuGH erfolgen. Wird mit der Vorabentscheidung die Rechtslage zur einzigen im Revisionsverfahren strittigen Frage geklärt und hat das Berufungsgericht in diesem Sinn entschieden, ist die Revision zurückzuweisen.

Konnte der Revisionsgegner bei Erstattung der Rechtsmittelbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision nicht erkennen, weil zu diesem Zeitpunkt die zur Unzulässigkeit führende Entscheidung des OGH oder (wie hier) des EuGH noch nicht ergangen war, so stehen ihm in analoger Anwendung von § 50 Abs 2 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung auch dann zu, wenn er auf die Unzulässigkeit nicht hingewiesen hat.

S. 259 - 261, Rechtsprechung

Zuerkennung eines Prozesskostenvorschusses und Gewährung von Verfahrenshilfe

Im Verfahren wegen Ehegattenunterhalts ist bei Beurteilung der Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Prozesskostenvorschusses im Wege einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 2 Z 8a EO primär zu prüfen, ob der Unterhaltsberechtigte die Prozesskosten selbst decken kann – und sei es aufgrund seines Anspruchs auf Sonderbedarfsunterhalt. Für den Anspruch auf Prozesskostenvorschuss ist nicht maßgeblich, ob der Unterhaltsberechtigte zunächst Verfahrenshilfe beantragt und bewilligt erhalten hat oder nicht.

S. 261 - 266, Rechtsprechung

Monika Stempkowski

Strafaufschub nach § 39 SMG auch bei sofortiger Übernahme in den Strafvollzug

Der Strafaufschub nach § 39 Abs 1 SMG ist bis zum Beginn des Vollzugs der betreffenden Strafe zulässig. Für die unverzügliche Übernahme in den Strafvollzug (§ 3 Abs 4 StVG) sieht § 39 Abs 1 SMG eine Ausnahme vor. Bei einer bis dahin erfolgten Antragstellung des Verurteilten oder von Amts wegen begonnenen Prüfung ist der Strafvollzug auch noch nach diesem Zeitpunkt aufzuschieben, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen.

S. 266 - 267, Rechtsprechung

WGG trifft keine Regeln zum Vermögensschutz nach § 153 StGB

Ist der Machtgeber eine GmbH, kann ein die Tatbestandsverwirklichung ausschließendes Einverständnis von den Gesellschaftern gegeben werden. Diese Grundsätze gelten auch für privatrechtlich organisierte gemeinnützige Bauvereinigungen nach dem WGG, die in der Rechtsform der GmbH geführt werden.

Die im WGG normierten vermögensbezogenen Pflichten der Gesellschaft zur Kapitalerhaltung (§§ 1, 10, 10a und 11 WGG) dienen ebenso wenig dem untreuerelevanten Vermögensschutz der Gesellschafter wie das in § 29 WGG normierte Aufsichtsrecht der Landesregierung. Die Regelungen des WGG führen weder dazu, dass Verwaltungsbehörden oder Dritte neben den Gesellschaftern zu wirtschaftlich Berechtigten werden, noch dazu, dass die Anteilseigner ihre Position als wirtschaftlich Berechtigte verlieren oder die Gesellschaft selbst zur wirtschaftlich Berechtigten wird.