Zwischen Peter Bydlinski und Andreas Riedler tobte ein lebhafter Streit, ob zwischen der Anfechtung eines Vertrages wegen laesio enormis und Gewährleistung Konkurrenz bestehe. Während der eine die Konkurrenz schlechthin verneint, bejaht sie der andere schlechthin auch bei behebbaren Mängeln. Reischauer versucht eine vermittelnde Lösung.
- ISSN Online: 1613-7639
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Inhalt der Ausgabe
S. 413 - 419, Aufsatz
Zur Konkurrenz von laesio enormis und Gewährleistung - media sententia
S. 420 - 432, Aufsatz
Ausschluss negatorischer Beseitigungsansprüche wegen übermäßigen Aufwands
In einer kürzlich ergangenen Entscheidung hat der OGH das schadenersatzrechtliche Kriterium der Untunlichkeit der Naturalrestitution nach § 1323 ABGB auf die Eigentumsfreiheitsklage übertragen. Demnach stehe bei analoger Anwendung der genannten Bestimmung auch aus dem Titel des negatorischen Beseitigungsanspruches nur der Ersatz der eingetretenen Wertminderung in Geld zu, wenn die reale Beseitigung der Störung gegenüber dem Geldersatz einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellt. Dieser Analogieschluss erscheint angesichts der grundlegenden Verschiedenheit der beiden Rechtsschutzsysteme allerdings problematisch. Der vorliegende Beitrag versucht, die systemwidrigen Auswirkungen der Übertragung eines schuldrechtlichen Sondertatbestandes wie der schadenersatzrechtlichen Untunlichkeit der Naturalrestitution in den dinglichen Rechtsschutz deutlich zu machen. Im Anschluss an eine kritische Auseinandersetzung mit den bisher vorgeschlagenen Lösungsansätzen soll dem Problem unverhältnismäßig aufwendiger Beseitigungspflichten auf dem Weg einer an sachenrechtlichen Wertungen orientierten Konkretisierung allgemeiner Grundregeln begegnet werden.
Abweisung von Parteianträgen auf Aufhebung von § 393 Abs 1 StPO idF BGBl 631/1975 und § 393a Abs 1 StPO idF BGBl I 71/2014 (Regelungen über den pauschalierten, vom Bund zu leistenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung bzw die allgemeine Kostentragungspflicht für Vertreter im Strafverfahren).
Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, ob er einem Angeklagten im Fall eines Freispruchs oder einer Einstellung einen Anspruch auf Ersatz seiner Verteidigungskosten einräumt oder nicht. Aus dem Umstand, dass StA und Angeklagter Prozessparteien des Hauptverfahrens sind, kann – schon angesichts des unterschiedlichen Verfahrenszwecks bzw Prozessgegenstandes und der gänzlich anderen Verfahrensgestaltung – nicht abgeleitet werden, dass die Grundsätze des Kostenersatzes im (strittigen) Zivilverfahren auf das Strafverfahren übertragbar sind (im Übrigen Hinweis auf den Amtshaftungsanspruch nach Art 23 B-VG). Die Festlegung von an der Gerichtszuständigkeit bzw an der Art des Strafverfahrens orientierten Kostenbeiträgen ist nicht unsachlich.
Nach Art 6 Abs 3 lit c EMRK besteht kein allgemeiner Anspruch eines Angeklagten auf Kostenersatz, auch kein Verstoß der angefochtenen Bestimmungen gegen Art 18 B-VG.
Zurückweisung der Anträge, soweit diese auf Aufhebung des § 393 Abs 4 StPO gerichtet sind, mangels Präjudizialität bzw untrennbaren Zusammenhanges.
Die zeitliche Beschränkung der Möglichkeit, eine Vaterschaft anzufechten, auf zwei Jahre gemäß § 154 Abs 2 ABGB ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Fristauslösend ist die Kenntnis von Umständen, die für die Nichtabstammung des Kindes sprechen. Dies ist nicht schon anzunehmen, wenn dem Antragsteller nur einzelne Verdachtsumstände zur Kenntnis gekommen sind; die Umstände müssen vielmehr von so großer Beweiskraft sein, dass der Vater die Nichtabstammung des Kindes als höchst wahrscheinlich ansehen und erwarten kann, seiner Beweispflicht im Bestreitungsprozess nachkommen zu können. Der bloße Umstand, dass ein Verkehr am ursprünglich angenommenen Datum nicht stattgefunden haben konnte, reicht nicht aus, dass die Nichtabstammung des Kindes als „höchst wahrscheinlich“ anzusehen gewesen wäre. Es wäre auch verfehlt, den Antragsberechtigten mit einer Erkundungs- und Nachforschungsobliegenheit zu belasten.
Die absolute Frist des § 153 Abs 3 ABGB wird analog auf den Antrag auf Unwirksamerklärung eines Vaterschaftsanerkenntnisses nach § 154 Abs 1 Z 3 ABGB angewendet, der daher nach dem 30. Geburtstag des Kindes nicht mehr gestellt werden kann. Für den Beginn des Fristenlaufs ist die Abgabe des Anerkenntnisses und nicht die Geburt des Kindes maßgebend, wenn die Vaterschaft erst nach dieser anerkannt („Änderung der Abstammung“) wurde. Die 30-jährige Frist für die Bekämpfung eines Vaterschaftsanerkenntnisses beginnt aber frühestens mit Inkrafttreten des FamErbRÄG 2004 am 01.01.2005 zu laufen.
Der Übergang der Unterhaltsschuld nach § 233 ABGB auf die Erben ergibt sich aus dem Recht der Vermögensnachfolge von Todes wegen und ist somit ein „erbrechtlicher Anspruch“ iS des § 176 AußStrG. Damit stellt sich die Frage einer analogen Anwendung der dortigen Sicherungsbestimmungen für Pflichtteile und Vermächtnisse nicht, sie sind vielmehr direkt anzuwenden.
Der Unterhaltsschuld kommt Vorrang gegenüber den Vermächtnissen, nicht aber gegenüber Pflichtteilsansprüchen zu, weil das Pflichtteilsrecht als nicht zu beschneidende Mindestgarantie der Familienerbfolge anzusehen ist.
S. 444 - 446, Rechtsprechung
Zustimmung aller Miteigentümer zur Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers erforderlich?
Die Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers ist eine Sachverfügung iS des § 828 Abs 1 ABGB und bedarf daher der Zustimmung sämtlicher Teilhaber. § 3 Abs 1 LiegTeilG, der sich seinem Wortlaut nach auf alle Personen bezieht, für die dingliche Rechte an dem Grundbuchskörper bücherlich eingetragen sind, ist daher teleologisch zu reduzieren. Es ist zwischen Miteigentümern und sonstigen Buchberechtigten zu differenzieren; für Miteigentümer gilt die darin normierte, der materiell-rechtlichen Regelung des Miteigentums widersprechende Befreiung von der Zustimmungspflicht nicht.
Zur Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers ist die Zustimmung aller Miteigentümer auch dann notwendig, wenn für das Trennstück eine neue Einlage eröffnet wird und die Eigentumsrechte der Miteigentümer in diese neue Einlage übertragen werden.
S. 446 - 448, Rechtsprechung
„Verbot“ des ultra alterum tantum auch für titelmäßig zugesprochene (lineare) Zinsen?
§ 1335 ABGB beinhaltet eine Art „Wuchergrenze“ und bezweckt damit den Schutz des Schuldners; die den Schuldner treffenden Zinsen sollen nicht in eine für ihn „bedenkliche“ Höhe anschwellen. Dieser Schutzzweck muss grundsätzlich unabhängig von der jeweiligen Gattung der Zinsen zum Tragen kommen.
Selbst wenn § 1335 ABGB auf Zinsen aus einem mit Urteil zugesprochenen Kapital anwendbar wäre, käme die Begrenzung der Zinsen nicht in Betracht, falls der Gläubiger, bevor diese die Höhe des Kapitalbetrags erreicht haben, in Ansehung der Zinsen zielführende Exekutionsschritte setzt.
Der Ersatzanspruch des Mieters nach § 8 Abs 3 MRG unterliegt der kurzen Verjährungsfrist von drei Jahren. Ein Schaden, der aus der laufenden Beeinträchtigung des Benützungsrechts des Bestandnehmers iS des § 8 Abs 3 MRG resultiert, ist als fortgesetzte Schädigung zu qualifizieren, für die die Verjährung jeweils (täglich) neu zu laufen beginnt.
S. 450 - 453, Rechtsprechung
Kein Rücktrittsrecht nach § 11 FAGG bei Geschäftsabschluss auf Jahresmesse
Auch der während der gesamten Messedauer benützte Messestand eines Unternehmers auf einer nur einmal jährlich stattfindenden Verkaufsmesse ist ein Geschäftsraum iSd § 3 Z 3 FAGG, sodass kein Rücktrittsrecht nach § 11 Abs 1 FAGG besteht. Für die Abgrenzung einer „für gewöhnlich“ betriebenen von einer nur ausnahmsweisen gewerblichen Tätigkeit ist maßgeblich, ob der Verbraucher am Ort des Geschäfts mit dem Auftreten des Unternehmers rechnen musste oder ob eine Überrumpelungssituation vorliegt.
Da eine geltungserhaltende Reduktion nicht ausgehandelter missbräuchlicher Klauseln im Individualprozess über ein Verbrauchergeschäft aufgrund der Rsp des EuGH nicht mehr in Frage kommt, entfällt dieser Vertragspunkt ersatzlos, sodass sich die Frage einer richterlichen Mäßigung der Stornogebühr nicht mehr stellt.
S. 453 - 459, Rechtsprechung
Betriebsunternehmer einer Eisenbahn durch Zurverfügungstellung von Waggons?
Die eisenbahnrechtliche Pflicht, für die Betriebssicherheit von Schienenfahrzeugen zu sorgen, traf jedenfalls vor Inkrafttreten der §§ 116 ff EisbG mit BGBl I 124/2011 nur das Eisenbahnverkehrsunternehmen, nicht auch den Halter der Waggons.
Wer lediglich Waggons zur Verfügung stellt, ohne selbst Eisenbahndienstleistungen (Verkehrsdienste) zu erbringen, ist – ebenso wie der bloße Halter eines Waggons – nicht als Betriebsunternehmer iS von § 5 Abs 1 EKHG anzusehen. Daran hat sich auch durch die unionsrechtlich bedingte Aufspaltung betriebswirtschaftlicher Teilbereiche der Eisenbahn in Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) nichts geändert.
Aufgrund der im Europäischen Kollisionsrecht gebotenen autonomen Qualifikation unterliegen auch Ansprüche aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter der Rom II-VO.
S. 459 - 461, Rechtsprechung
Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer nach Verkehrsunfall im Ausland?
Das nach Art 9 HStVÜ berufene Recht entscheidet, ob der Geschädigte seine nach dem Deliktsstatut zu beurteilenden Schadenersatzansprüche unmittelbar gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers geltend machen kann. Wie weit die Deckungspflicht des Versicherers reicht, ist nach dem Statut des Versicherungsvertrags zu beurteilen.
S. 461 - 465, Rechtsprechung
Benützung des Radfahrstreifens bei Befahren einer Einbahnstraße gegen die Einbahnrichtung
Voraussetzung für das Befahren einer Einbahnstraße gegen die Einbahnrichtung mit einem Fahrrad ist die Zusatztafel „ausgenommen Radfahrer“, die unter dem die Einbahn regelnden Hinweiszeichen angebracht sein muss.
Nach den Regeln über die allgemeine Fahrordnung (§ 7 Abs 1 und 5 StVO) dient der Radfahrstreifen nur dem gegen die Einbahn fahrenden Radverkehr. § 8a StVO trifft keine Regelung darüber, ob Radfahrstreifen in Einbahnstraßen in beiden Richtungen oder nur gegen die Einbahnrichtung befahren werden dürfen. Für die in Fahrtrichtung der Einbahn fahrenden Radfahrer besteht daher keine Pflicht zur Benützung des Radfahrstreifens iSd § 68 Abs 1 S 1 StVO („gemäß § 8a erlaubt ist“).
Erfolgte die notwendige Delegation gemäß § 30 JN zu einem Zeitpunkt, zu dem die sachliche Unzuständigkeit vom ursprünglich angerufenen Gericht noch wahrgenommen hätte werden können, ist auch das delegierte Gericht zu einer solchen Entscheidung berechtigt.
S. 466 - 467, Rechtsprechung
Publizianisches Unterlassungsbegehren keine Klage aus einem „dinglichen Recht“ iS des Art 24 Nr 1 EuGVVO
Wenn bereits eine aus dem Eigentumsrecht abgeleitete Unterlassungsklage keine Klage aus einem „dinglichen Recht“ iS des Art 24 Nr 1 EuGVVO (Brüssel Ia-VO) ist, muss dies erst recht für ein bloß publizianisches Unterlassungsbegehren (§ 372 ABGB) gelten. Für dieses steht der Gerichtsstand nach Art 24 Z 1 EuGVVO somit nicht zur Verfügung.
Der sogenannte Anfechtungswiderspruch ist eine selbständige Form der Ausübung des Anfechtungsrechts auch nach der IO. Dessen Geltendmachung durch Erhebung eines solchen Widerspruchs iS des § 213 Abs 1 EO steht dem Insolvenzverwalter sowohl in der Meistbotsverteilungstagsatzung als auch in der Tagsatzung zur Verteilung nach der freihändigen Verwertung nach § 120 IO offen. Es handelt sich dabei um eine angriffsweise Rechtswahrung, weshalb der Widerspruch innerhalb der Präklusivfrist des § 43 Abs 2 IO erhoben werden muss. Im Fall der Verweisung auf den streitigen Rechtsweg nach § 231 Abs 1 EO hat die Fristwahrung nur dann Bestand, wenn die Widerspruchsklage innerhalb der Monatsfrist des § 231 Abs 2 EO anhängig gemacht wurde. Bei Versäumung der Monatsfrist ist der Anfechtungsanspruch nicht erloschen, solange die Frist des § 43 Abs 2 IO noch offen ist.
S. 471 - 473, Rechtsprechung
Tätigkeit als Wahlzeuge bei einer Betriebsratswahl als Dienstverhinderungsgrund
Die Tätigkeit als Wahlzeuge bei einer Betriebsratswahl dient den Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens und damit letztlich auch den betrieblichen Interessen am gesetzmäßigen Ablauf einer Betriebsratswahl und ist so wie die Tätigkeit des Wahlzeugen bei allgemeinen Wahlen für das Funktionieren einer demokratischen (Betriebs-)Gemeinschaft von essentieller Bedeutung. Sie stellt damit für den einzelnen Arbeitnehmer wenn auch keine Rechtspflicht, so doch eine so wesentliche gesellschaftliche Verpflichtung dar, dass vom Vorliegen eines Dienstverhinderungsgrundes iS des § 8 Abs 3 AngG auszugehen ist.
Als (iS des § 302 Abs 2 S 2 StGB) tatbestandsmäßige Vermögensschäden sind nur solche anzusehen, die unmittelbar durch den Befugnisfehlgebrauch (§ 302 Abs 1 StGB) entstanden sind.
In concreto trifft dies auf den gerade durch die missbräuchliche Ausgabe von Parkklebern bewirkten, nicht aber auf (erst) infolge späterer (rechtswidriger Inanspruchnahme von Parkflächen unter) Verwendung des durch die Tat erlangten Parkklebers hervorgerufenen Abgabenausfall zu. Die rechtliche Annahme eines (iS des § 302 Abs 2 S 2 StGB) tatbestandsmäßigen Vermögensschadens hängt weder davon ab, ob der Empfänger des jeweiligen Parkklebers Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs 4 StVO gehabt hätte, noch davon, ob er (gesetzt diesen Fall) eine solche auch rite beantragt haben würde.
Die Rechtsansicht, ein vorläufiger Rücktritt von der Verfolgung durch die StA nach § 35 Abs 9 SMG hindere – per se – die Annahme eines ordentlichen Lebenswandels und demzufolge des besonderen Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 2 StGB, ist verfehlt. Damit wird dem Angeklagten der Sache nach ein gerichtlich strafbares Verhalten ohne gesetzlichen Schuldnachweis (Art 6 Abs 2 MRK) nachteilig zugerechnet und solcherart beim Ausspruch über die Strafe eine für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsache offenbar unrichtig beurteilt.
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