Im Laufe eines Strafverfahrens verarbeiten Ermittlungsbehörden und Gerichte zahlreiche personenbezogene Daten. Erfolgt die Datenverarbeitung gesetzwidrig, sieht § 75 Abs 1 StPO die Löschung dieser personenbezogenen Daten vor. Trotz klarer Diktion wirft der Wortlaut der Bestimmung viele Folgefragen auf, die noch nicht abschließend geklärt wurden. Die Wurzel des Problems liegt im von teilweise antagonistischen Grundsätzen geprägten Strafverfahren: Einerseits wird die Löschung rechtswidrig ermittelter Daten verlangt. Andererseits können diese Daten jedoch Informationen beinhalten, die zur Aufklärung von Straftaten geeignet sind oder Ermittlungen zumindest wesentlich unterstützen und daher iS der materiellen Wahrheitsfindung verarbeitet werden sollten. Der vorliegende Beitrag unternimmt den Versuch, § 75 StPO und seine Konsequenzen für die Strafrechtspflege aus einer datenschutz- und beweisrechtlichen Sicht aufzuarbeiten. Dabei muss zunächst an den Begriffen der personenbezogenen Daten und der Löschung angesetzt werden, um in weiterer Folge beweisrechtliche Implikationen zu diskutieren.
- ISSN Online: 1613-7639
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Inhalt der Ausgabe
S. 409 - 421, Aufsatz
Die Löschung von rechtswidrig ermittelten personenbezogenen Daten in der Strafrechtspflege – Ein- und Auswirkungen von § 75 StPO
S. 422 - 435, Aufsatz
Variationen der Verhältnismäßigkeit: ein Konzept gestufter Kontrollintensität in der grundrechtlichen Gesetzesprüfung
Die mit Ablauf des 30.06.2024 aufgehobene Bestimmung erzielt mit den festzusetzenden Kosten des Einschaltungsentgelts im System der mediengesetzlichen Ausgestaltung des Gegendarstellungsrechts keinen verhältnismäßigen Ausgleich, der den grundrechtlichen Vorgaben der Art 8 und 10 EMRK im Hinblick auf den von einer für unwahr oder irreführend erachteten Tatsachenberichterstattung Betroffenen einerseits und den von seiner Medien- und Kommunikationsfreiheit Gebrauch machenden Medieninhaber andererseits Rechnung trägt. Das Einschaltungsentgelt für eine zu Unrecht erwirkte Gegendarstellung und für die Veröffentlichung des Berufungsurteils darf nicht eine Höhe erreichen (können), die von einer medialen Berichterstattung Betroffene davon abhält, ihr Recht auf Gegendarstellung in Anspruch zu nehmen. Weder wird diese Gefahr durch das richterliche Mäßigungsrecht zur Entgeltminderung im Härtefall abgemildert, noch hat der Betroffene eine Möglichkeit, das Zahlungsrisiko für den Fall, dass sich die Unrechtmäßigkeit der Gegendarstellung herausstellt, zu begrenzen.
Die Zuweisung eines der nachehelichen Aufteilung unterliegenden (Haus-)Tiers an einen der Ehegatten hat nach Billigkeit zu erfolgen. Dabei kommt es mangels erkennbarer Vermögensinteressen maßgebend darauf an, welcher Gatte die stärkere emotionale Beziehung zum Tier hat. Davon wäre nur abzuweichen, wenn eine solche Zuweisung mit tierschutzrechtlichen Bestimmungen unvereinbar wäre.
Bei teils privat, teils unternehmerisch genutzten Liegenschaften ist im Aufteilungsverfahren vorzugsweise eine Realteilung, allenfalls auch durch Begründung von Wohnungseigentum, vorzunehmen, damit der als eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnis der Aufteilung unterliegende Teil einem der Ehegatten zugewiesen werden kann. Bei Unmöglichkeit und Untunlichkeit einer Realteilung entscheidet iS eines beweglichen Systems das Überwiegen der Widmung, ob eine Liegenschaft mit gemischter Nutzung zur Gänze in die Aufteilungsmasse fällt oder nicht. Dabei spricht – außerhalb des Sonderfalls Ehewohnung – der Schutzzweck des § 82 Abs 1 Z 3 EheG im Zweifel für die Ausnahme einer Sache. Je nachdem kann ein Ausgleich im Rahmen der Billigkeit bzw § 91 EheG geboten sein. Die auf die Liegenschaft bezogenen Schulden und die zu ihrer Finanzierung abgeschlossenen Tilgungsträger teilen grundsätzlich das Schicksal der Liegenschaft.
Ein zugunsten eines Dritten auf einer im Miteigentum der Gatten stehenden Liegenschaft eingetragenes Veräußerungsverbot (§ 364c ABGB) hindert im Aufteilungsverfahren nicht eine – allenfalls auch mit geringfügigen Anteilsverschiebungen verbundene – Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum. Eine über eine solche Realteilung hinausgehende Verschiebung von Anteilen (etwa durch Zuweisung eines Wohnungseigentumsobjekts an einen der Gatten) bedarf aber der Zustimmung des Verbotsberechtigten.
Der Zeugenzusatz stellt nach § 579 ABGB aF ein zwingendes Gültigkeitserfordernis dar. Der Zweck der Formvorschrift liegt einerseits darin, eine Verwechslung mit der Unterschrift des Erblassers zu vermeiden, und es anderseits Testamentsfälschern zu erschweren, Personen Unterschriften herauszulocken, die sie als Zeugenunterschriften ausgeben könnten.
Eine offenkundig versehentliche Bezeichnung der Testamentszeugen „als ersuchte Testamentserben“ schadet in Ermangelung anderer vernünftiger Deutungsmöglichkeiten der Gültigkeit eines die Formzwecke wahrenden Zeugenzusatzes nicht.
Die kurze Verjährungsfrist des § 1487a ABGB beginnt auch beim Anspruch auf Zahlung des Fehlbetrags gegen den Geschenknehmer (subsidiäre Haftung nach § 789 ABGB) frühestens ein Jahr nach dem Tod des Erblassers zu laufen.
S. 450 - 454, Rechtsprechung
Mitgliederversammlung eines Vereins als Schlichtungseinrichtung iS des § 8 VerG?
Die Mitgliederversammlung eines Vereins kann in den Statuten nicht als Schlichtungseinrichtung iS des § 8 VerG vorgesehen werden.
Die verpflichtende Einrichtung und Befassung einer vereinsinternen Schlichtungseinrichtung nach § 8 VerG bezweckt vor allem, die ordentlichen Gerichte von Prozessen in Vereinssachen zu entlasten. Dabei handelt es sich um ein Allgemeininteresse. Eine Bestimmung der Statuten, wonach das Vereinsschiedsgericht für den Ausschluss oder die Streichung eines Mitglieds nicht zuständig ist, ist daher nichtig. Ein Vereinsmitglied, dessen Schlichtungsversuch von der Schlichtungsstelle zurückgewiesen wurde, kann die Klage vor Ablauf der Sechs-Monatsfrist einbringen.
Sehen die Vereinsstatuten vor, dass die von der Mitgliederversammlung zu bestellenden und abzuberufenden Organmitglieder Vereinsmitglieder sein müssen, so kann der an sich für den Ausschluss von Vereinsmitgliedern zuständige Vereinsvorstand ein Organmitglied als Vereinsmitglied so lange nicht ausschließen, als nicht die Mitgliederversammlung das Organmitglied aus dieser Stellung abberufen hat.
Die Verletzung des rechtlichen Gehörs bei Beschlüssen von Vereinsorganen bewirkt Nichtigkeit des Beschlusses nach § 7 VerG.
Eine Nachrangabrede ist ein Rechtsgeschäft, bei dem der Gläubiger seine Forderung in der Liquidation oder im Insolvenzfall erst geltend machen kann, wenn alle nicht nachrangigen Gläubiger voll befriedigt wurden („einfache Nachrangabrede“). Ein qualifiziertes Nachrangdarlehen ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anleger nicht nur im Fall der Insolvenz nachrangig befriedigt wird, sondern auch dann keine Rückzahlung erhält, wenn sich die Gesellschaft in der Krise befindet. Sie bezweckt, dass die betreffende Verbindlichkeit bei der Prüfung der rechnerischen Überschuldung nicht berücksichtigt werden muss. Der Zweck eines qualifizierten Nachrangdarlehens liegt also darin, dass der Rückzahlungsanspruch nicht unbedingt zusteht, sondern der Darlehensgeber aufschiebend bedingt mit Eintritt eines negativen Eigenkapitals (bzw des Fehlens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses) auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs verzichtet; dies wiederum unter der auflösenden Bedingung des Wegfalls des negativen Eigenkapitals bzw des Vorliegens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses.
Die in Darlehensbedingungen enthaltene Nachrangabrede regelt die Hauptleistungspflichten der Parteien und ist daher einer Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen.
Als Schaden iS des § 1293 ABGB ist jeder Zustand zu verstehen, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht. Bei Erwerb eines mit einer iS des Art 5 VO (EG) 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs besteht dieses geringere rechtliche Interesse – den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechend – in der (objektiv) eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit. Ein Schadenseintritt wäre lediglich dann zu verneinen, wenn das objektiven Verkehrserwartungen nicht genügende Fahrzeug dennoch konkret dem Willen des Käufers entsprach.
Die Feststellung, der Kläger hätte das Fahrzeug gleichfalls gekauft, wenn er Kenntnis davon gehabt hätte, dass „eine Software eingebaut ist, welche eine Abschalteinrichtung betreffend die NOx-Emissionen in Bezug auf den Prüfzyklus darstellt“ bzw, er hätte es „bei Kenntnis der programmierten Abschalteinrichtung“ gleichfalls gekauft, reicht nicht aus, um daraus den Schluss zu ziehen, dem Kläger sei kein Schaden entstanden. Denn diese Feststellung lässt nicht ausreichend erkennen, welche von den objektiven Verkehrserwartungen abweichenden Umstände der Kläger konkret in Kauf genommen und das Fahrzeug dennoch erworben hätte: Die getroffene Feststellung gibt keine Auskunft darüber, ob er das Fahrzeug gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass es sich bei der vorhandenen Software („Umschaltlogik“) um ein verbotenes Konstruktionselement handelte, das der Typengenehmigungsbehörde verschwiegen wurde, sodass nur deshalb die EG-Typengenehmigung erteilt wurde; ebenso wenig lässt die Feststellung erkennen, ob der Kläger die Notwendigkeit des Software-Updates und die vom EuGH angesprochene Unsicherheit über die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs in Kauf genommen und den gegenständlichen Neuwagen dennoch erworben hätte.
S. 460 - 462, Rechtsprechung
Amtshaftung bei Verletzung von das BASG treffenden Aufsichts-, Überwachungs- und Informationspflichten
Die das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) treffenden Aufsichts-, Überwachungs- und Informationspflichten nach dem MPG 1996 hatten insbesondere den Zweck, das Leben und die Gesundheit von Patienten vor Gefahren durch Medizinprodukte zu schützen. Bei durch Verletzung dieser Pflichten verursachten Schäden kommt daher eine Haftung des Bundes nach dem AHG in Betracht.
S. 462 - 465, Rechtsprechung
Verpflichtung der Rechtsanwaltskammer zur Überwachung ihrer Mitglieder kein Schutzgesetz zugunsten von Mandaten
In einem Schutzgesetz ist eine konkrete und detaillierte Verhaltensnorm zu sehen, die das gebotene bzw verbotene Verhalten genauer umschreibt. Schutzgesetze haben insoweit eine „Verdeutlichungsfunktion“. Sie bezwecken durch die Umschreibung konkreter Verhaltenspflichten, einem Schadenseintritt vorzubeugen. Allgemein gehaltene Bestimmungen, die keine konkreten Verpflichtungen normieren, sind keine Schutzgesetze.
Die Verpflichtung der Rechtsanwaltskammer zur Überwachung ihrer Mitglieder (§ 23 Abs 2 RAO) dient nicht dem Schutz der Mandanten.
S. 465 - 466, Rechtsprechung
Bonitätsprüfung bei Kreditvergabe: Mitwirkungspflichten des Verbrauchers
Vor Abschluss eines Kreditvertrags hat der Kreditgeber nach § 9 Abs 1 HIKrG eine eingehende Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers vorzunehmen. Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung sind die Faktoren, die für die Prüfung der Aussichten relevant sind, dass der Verbraucher seinen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nachkommt, in angemessener Form zu berücksichtigen. Den Kreditgeber trifft eine (in § 9 HIKrG näher geregelte) aktive Ermittlungspflicht, deren konkretes Ausmaß aber in jedem Fall von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig ist.
Der Verbraucher hat bei der Beschaffung der vorvertraglichen Informationen zur Kreditwürdigkeitsprüfung mitzuwirken (§ 10 Abs 2 HIKrG). Demnach muss er „korrekte Angaben“ machen, wobei diese „Angaben so vollständig sein müssen“, damit eine ordnungsgemäße Kreditwürdigkeitsprüfung möglich ist. Gegen die Mitwirkungspflicht verstößt, wer von der Bank nach „Verbindlichkeiten“ gefragt wird und dabei offene und nicht unbeträchtliche Abgabenschulden verschweigt.
Das Verfahren über den Ersatz von Kosten der vollen Erziehung und der Betreuung von jungen Erwachsenen nach § 43 B-KJHG 2013 fällt als Unterhaltsverfahren in die Zuständigkeit der Rechtspfleger.
S. 469 - 470, Rechtsprechung
Ausschluss des Sofortkaufs bei Internetversteigerung eines gepfändeten wertvollen Gemäldes
Dem Begriff „Sache mit Liebhaberwert“ in § 277b EO idF BGBl I 100/2016 kommt eine zumindest ähnliche Bedeutung wie dem „Wert der besonderen Vorliebe“ nach § 1331 ABGB zu. Dabei handelt es sich somit um jenen Wert, der sich unter Bedachtnahme auf die Gefühlsverbundenheit einer Person oder eines Personenkreises mit der Sache ergibt, was etwa bei einem Kunstwerk, einem Familienerbstück oder einer Sache mit besonderem Erinnerungswert der Fall ist.
Der Liebhaberwert muss nicht im Schätzgutachten angeführt sein; er kann sich auch aus allgemein bekannten Gepflogenheiten bestimmter Publikumskreise, etwa von Kunstsammlern oder Kunstliebhabern, ergeben.
Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass der Gerichtsvollzieher aufgrund der besonderen Gegebenheiten in Ansehung der Pfandsache (hier: wertvolles, angeblich von Leonardo da Vinci stammendes Gemälde) den Sofortkauf hätte ausschließen müssen und das Unterlassen dieser Maßnahme einen krassen Verfahrensverstoß bilde, ist nicht zu beanstanden.
S. 471 - 473, Rechtsprechung
Einstweilige Verfügung und Sicherheitsleistung: „Nicht ausreichende Bescheinigung des Anspruchs“ bei Vertragsauslegung allein auf Basis von Urkunden
Wenn aufgrund der im Rahmen eines Sicherungsverfahrens vorgenommenen Vertragsauslegung, die allein auf der Basis des Inhalts von Urkunden und ohne umfassende Berücksichtigung des von den Parteien vorgetragenen Verhaltens der Vertragsteile sowie des behaupteten Parteiwillens erfolgte, der Anspruch aus den so bescheinigten Tatsachen rechtlich nicht ableitbar ist, liegt eine nicht ausreichende Bescheinigung des Anspruchs iS des § 390 Abs 1 EO vor, sodass der Erlag einer Sicherheitsleistung anzuordnen ist. Die Auferlegung der Sicherheitsleistung ist auch ohne einen in erster Instanz gestellten Antrag erst durch das Rechtsmittelgericht zulässig.
Die als Moment der Entschuldigung angesprochene Entrüstung über das Verhalten eines anderen stellt auf dessen Wahrnehmung durch den Entrüsteten ab. Für die Eignung eines Verhaltens, eine als allgemein begreiflich beurteilbare Entrüstung auszulösen, kommt es nicht auf den Zeitpunkt des die Entrüstung auslösenden Verhaltens des Beleidigten an, sondern auf dessen Kenntnisnahme durch den Täter. Diese kann durch unmittelbare eigene Perzeption oder aber mediatisiert durch Erfassung fremder Berichterstattung erfolgen.
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