Ende März 2023 hat der OGH in einem – selten einberufenen – verstärkten Senat zur auch innerhalb des Gerichtshofs bestehenden Kontroverse hinsichtlich einer Laesio-enormis-Anfechtung nach Einräumung eines Optionsrechts Stellung genommen. Der vorliegende Beitrag nimmt diese Entscheidung zum Anlass, sich diesem Problemfeld grundsätzlich und systematisch zu nähern, wobei auf ausufernde Diskussionsnachweise verzichtet wird. Das dabei erzielte zentrale Ergebnis dürfte dem des OGH durchaus ähneln; die Begründung weicht allerdings deutlich von der Argumentation des Höchstgerichts ab.
- ISSN Online: 1613-7639
60,00 €
inkl MwSt
Inhalt der Ausgabe
S. 692 - 698, Aufsatz
Laesio enormis und Optionsverträge – Anmerkungen zu OGH 4 Ob 217/21x
Mit der Entscheidung eines verstärkten Senats bringt der OGH Klarheit zur Frage, auf welche Werte abzustellen ist, wenn aufgrund einer Option ein Vertrag geschlossen wird und sich der Wert des Kaufgegenstands seit Einräumung der Option erheblich verändert hat. Statt auf den Zeitpunkt der Optionsausübung abzustellen, ist für die Anfechtung nach § 934 ABGB das Missverhältnis im Zeitpunkt der Vereinbarung der Option entscheidend. Das überzeugt vollkommen. Offen bleibt, was für unentgeltliche Optionen gilt.
Die Bekämpfung der Begehung von sogenannten Äußerungsdelikten im Internet liegt vor allem unter den Stichworten „Hass im Netz“ seit einiger Zeit im Fokus der Öffentlichkeit. In diesem Zusammenhang fanden vor allem die Ehrenschutzdelikte sowie die Verhetzung und Verstöße gegen das VerbotsG in der Literatur große Beachtung, nicht jedoch die mitunter ebenso einschlägige Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen iS des § 282 Abs 2 StGB. In folgendem Beitrag soll dieser Tatbestand daher einer grundlegenden Behandlung unterzogen werden. Insbesondere soll auf Besonderheiten der Tatbegehung über Internetseiten und soziale Medien eingegangen werden.
S. 710 - 713, Rechtsprechung
Kein Anspruch auf Erlassung einer Verordnung für Verkaufsverbot fossiler Brennstoffe
Einzelpersonen haben keinen Anspruch darauf, dass die/der zuständige Minister/in per Verordnung ein Verkaufsverbot für fossile Treibstoffe und Heizöl erlässt. Grundsätzlich kann den Staat die Pflicht treffen, wirksame Maßnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit sowie zum Schutz des Privatlebens und des Eigentums zu ergreifen. Der Gesetzgeber hat dabei jedoch einen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum. Ein Anspruch auf Erlassung einer Verordnung gemäß § 69 Abs 1 GewO 1994 kann aus den Grundrechten nicht abgeleitet werden; vielmehr ist es Aufgabe des Gesetzgebers, zur Erfüllung seiner Schutzpflicht eine Auswahl aus den geeigneten Maßnahmen zu treffen.
S. 713 - 716, Rechtsprechung
Analoge Anwendung des § 783 ABGB auf nicht konkret pflichtteilsberechtigte Geschenknehmer
Nach § 783 Abs 1 S 2 ABGB ist ein Geschenknehmer zur Erhebung eines Hinzu- und Anrechnungsbegehrens legitimiert, wenn er abstrakt pflichtteilsberechtigt ist, aber aufgrund Pflichtteilsverzicht oder Entschlagung nicht konkret pflichtteilsberechtigt ist. Nimmt ein konkret Pflichtteilsberechtigter einen von diesem Wortlaut nicht erfassten Geschenknehmer wegen nicht ausreichender Verlassenschaft nach §§ 789 ff ABGB in Anspruch, dann ist der auf diese Weise belangte Beschenkte in analoger Anwendung des § 783 Abs 1 S 2 ABGB ebenfalls zur Erhebung eines Hinzu- und Anrechnungsbegehrens legitimiert, kann also gegen den Pflichtteilskläger einwenden, dass sich dieser selbst eine andere Schenkung anrechnen lassen muss.
S. 716 - 719, Rechtsprechung
Eidesleistung und Anspruch auf Auskunft über das Verlassenschaftsvermögen sowie pflichtteilsrelevante Schenkungen
Am Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen die Verlassenschaft oder die Erben auf Auskunft über das vorhandene Verlassenschaftsvermögen und sämtliche pflichtteilsrelevante Schenkungen hat die Schaffung des Auskunftsanspruchs gegen die Geschenknehmer in § 786 ABGB idF des ErbRÄG 2015 nichts geändert, sollte doch damit nur klargestellt werden, dass auch vom Geschenknehmer Auskunft verlangt werden kann.
Voraussetzung für den Anspruch auf genaue und vollständige Ermittlung des Nachlasses ist (nur) die subjektiv begründete Besorgnis des Berechtigten, dass weiteres, ihm bisher nicht bekanntes Nachlassvermögen vorhanden ist, wofür schon der ungeklärte Verbleib von Vermögenswerten ausreichend sein kann. Trotz „begründeter Besorgnis“ wäre der Auskunftsanspruch nur dann zu verneinen, wenn aufgrund des Beweisverfahrens feststeht, dass die Besorgnis tatsächlich unbegründet ist.
Die urteilsmäßige Verpflichtung zur Auskunftserteilung ist erfüllt, wenn eine formell vollständige Auskunft erteilt wurde. Der darüber hinaus bestehende Anspruch auf vollständige und wahrheitsgemäße Auskunftserteilung kann – abgesehen von der Möglichkeit der Klage auf Eidesleistung nach Art XLII EGZPO – prozessual nicht erzwungen werden, sondern berechtigt nur zur Erhebung von Schadenersatzansprüchen. Das gilt auch im Titelprozess für die Beurteilung der Frage, ob ein Auskunftsanspruch erfüllt wurde. Liegt eine formell vollständige Auflistung vor, so ist der Anspruch erfüllt. Dass der Berechtigte diese Auflistung für unrichtig oder unvollständig hält, ändert daran nichts.
Die Abhängigkeit von der Informationserteilung durch Dritte bedeutet noch nicht eine zur Klagsabweisung führende, im Erkenntnisverfahren zu berücksichtigende Unmöglichkeit der (Eides-)Leistung nach Art XLII EGZPO. Diese liegt vor, wenn dem Schuldner die Bewirkung der versprochenen Leistung physisch oder rechtlich dauernd (endgültig) unmöglich ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Leistung ein dauerhaftes Hindernis entgegensteht. Ein solches ist anzunehmen, wenn nach der Verkehrsauffassung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden kann. Die Unmöglichkeit ist von demjenigen zu beweisen, der sich auf sie beruft. Besteht kein Grund zur Annahme, dass es der Beklagten unmöglich wäre die Mitwirkung des Dritten an der geschuldeten Leistung zu erreichen, steht auch eine mangelnde Vollstreckbarkeit des Begehrens gemäß § 354 Abs 1 EO einem stattgebenden Urteil nicht entgegen. Wer letztlich tatsächlich für die Verlassenschaft den Eid abzulegen hat, ist nicht im Erkenntnisverfahren zu beurteilen.
Für die Prüfung des Wertverhältnisses des im Optionsvertrag in Aussicht gestellten Hauptvertrags iS des § 934 ABGB ist auf den Zeitpunkt der Bindung des Verkürzten an seine Erklärung abzustellen, mit der er dem Optionsberechtigten das Optionsrecht einräumt; bei Zusammenfallen von Angebot und Annahme ist daher der Zeitpunkt der Einräumung des Optionsrechts maßgeblich.
Die Verjährungsfrist für die Anfechtung des im Optionsvertrag in Aussicht genommenen Hauptvertrags wegen laesio enormis läuft mit objektiver Möglichkeit der Geltendmachung; die Ungewissheit, ob und wann der Optionsberechtigte von seinem Optionsrecht Gebrauch macht, hat auf Beginn und Lauf der Verjährungsfrist keinen Einfluss. Nach Ablauf der Frist kann auch keine Einrede mehr erhoben werden.
Besteht zwischen Stiefelternteil und Stiefkind eine Beziehung, die einer „gelebten Kernfamilie“ entspricht (hier: unter anderem jahrelanges Leben in einer Hausgemeinschaft, Ersatz des leiblichen Vaters durch Stiefvater bei Erziehung, schulischen Belangen und anderen Angelegenheiten), ist der Stiefelternteil Angehöriger mit Anspruch auf „Schockschmerzengeld“ im Falle des Unfalltods des Stiefkinds.
S. 733 - 736, Rechtsprechung
Nachweis der Schadenskausalität eines vom Rettungsdienst unterlassenen Transports ins Krankenhaus
Bei Verletzung eines Schutzgesetzes iS des § 1311 ABGB fordert die stRsp keinen strengen Beweis des Kausalzusammenhangs. Das darf aber nicht dahin verstanden werden, dass im Falle einer Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB die Vermutung besteht, die Verletzung des Schutzgesetzes sei für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen. Es kommt zu keiner umgekehrten Beweislast. Vielmehr spricht in diesen Fällen der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der von der Norm zu verhindernde Schaden durch das verbotene Verhalten verursacht wurde. Es obliegt dann dem Schädiger, die Kausalität der Pflichtwidrigkeit – durch Außerkraftsetzen des ihn belastenden Anscheinsbeweises – ernstlich zweifelhaft zu machen. Die Entkräftung des Prima-facie-Beweises erfolgt durch den Beweis des Gegners, dass der typische formelhafte Geschehensablauf im konkreten Fall nicht zutrifft, sondern dass die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Ablaufs besteht.
Für den dem Patienten obliegenden Beweis der Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden genügt der Nachweis, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts durch den Fehler der Ärzte nicht bloß unwesentlich erhöht wurde. Ist dieser Beweis gelungen, hat der Geschädigte zu beweisen, dass im konkreten Behandlungsfall das Fehlverhalten mit größter Wahrscheinlichkeit für den Schaden unwesentlich geblieben ist. Insbesondere dann, wenn das schwerwiegende Verhalten in Unterlassungen besteht, genügt ein sehr hoher Grad von Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs für die Haftung. Das gilt auch dann, wenn dem Patienten eine Maßnahme vorenthalten wird, die dem in Fachkreisen anerkannten Standard der besten Versorgung entspricht.
Bei einer Streitigkeit zwischen zwei Ärzten über den Abschluss eines Kaufvertrags über eine Ordination handelt es sich um keine Streitigkeit „bei Ausübung des ärztlichen Berufes“, weshalb vor Einbringung der Zivilrechtsklage die Streitigkeit nicht einem Schlichtungsausschuss der Ärztekammer zur Schlichtung nach § 94 Abs 1 ÄrzteG 1998 vorzulegen ist.
S. 737 - 739, Rechtsprechung
Anfechtung von Zahlungen aus Mitteln des Schuldners, die er aus strafbaren Handlungen erlangt hat
Rechtshandlungen sind alle Handlungen, die rechtliche Wirkungen auslösen. Die angefochtene Rechtshandlung betrifft jedenfalls dann das Vermögen des Schuldners iS des § 27 IO, wenn der Insolvenzverwalter als Anfechtungskläger bewies, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Vornahme der angeführten Rechtshandlung Besitzer des Anfechtungsobjekts war und dem Anfechtungsgegner der Nachweis eines eigenen oder fremden Anspruchs auf Aussonderung dieses Vermögens misslang.
Auch solche Zahlungen aus Mitteln des Schuldners, die er aus strafbaren Handlungen erlangt hat, können gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen sein, deren Anfechtung befriedigungstauglich ist.
Die Vermengung der von der Republik Österreich zu Unrecht auf das Konto der Schuldnerin ausgezahlten Vorsteuerbeträge mit dem Vermögen der Schuldnerin schließt eine Eigentumsklage und einen Aussonderungsanspruch der Republik Österreich aus.
S. 739 - 747, Rechtsprechung
Ergebnisse einer von einer ausländischen Behörde durchgeführten Überwachungsmaßnahme – Verwendungsverbot?
Normadressat der StPO sind österreichische – und nicht auch ausländische – Strafverfolgungsorgane. Die Ergebnisse einer innerstaatlich als Überwachung von Nachrichten nach § 134 Z 3 StPO zu beurteilenden Vorgangsweise ausländischer Behörden – ohne deren Veranlassung durch österreichische Strafverfolgungsbehörden – unterliegen nicht dem in § 140 Abs 1 StPO normierten, vom taxativen Nichtigkeitsgrund der Z 3 abgesicherten Verwendungsverbot.
Einer nicht unter ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion stehenden Verwendung von Beweisergebnissen kann ein Angeklagter durch eine auf die Sicherung eines fairen Verfahrens iS des Art 6 EMRK abzielende Antragstellung entgegentreten. Solche Anträge haben sinngemäß den Begründungserfordernissen des § 55 Abs 1 StPO zu entsprechen. Darzulegen ist, zu welchem Zweck die beantragte Verfügung begehrt wird, warum die begehrte Verfügung zum angestrebten Zweck tauglich ist und warum der angestrebte Zweck mit einer (Fall-)Norm in Verbindung steht, die ihrerseits aus dem rechtlichen Zweck des Anklage und Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens zur Feststellung der entscheidenden Tatsachen auf die konkrete Verfahrenssituation hin gebildet wurde. Überdies setzt die Annahme von Nichtigkeit zufolge Missachtung eines Beweisverbots die Argumentation voraus, dass der Verstoß den ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Verfahrensfehlern nach Z 2 und 3 des § 281 Abs 1 StPO wenigstens annähernd gleichwertig ist. Bezugspunkt der Gleichwertigkeitsprüfung sind in erster Linie die mit den angeblich verletzten Gesetzesbestimmungen oder Verfahrensgrundsätzen im Systemzusammenhang stehenden, mit ausdrücklicher Nichtigkeitsdrohung ausgestatteten Vorschriften.
S. 747 - 749, Rechtsprechung
Strafrahmenänderung bei Begehung einer terroristischen Straftat – Wirkung der Deckelung
Die Anhebung der zeitlichen Höchststrafe bei Begehung einer terroristischen Straftat ist gemäß § 278c Abs 2 letzter Satzteil StGB iS des § 18 Abs 2 StGB gedeckelt. Die Bestimmung bewirkt nicht den Entfall einer für das Grunddelikt allenfalls angedrohten lebenslangen Freiheitsstrafe.
Sieht das VwG das Gutachten (eines nichtamtlichen Sachverständigen) als mangelhaft an, liegt es vor dem Hintergrund der Judikatur des OGH (vgl OGH 05.05.2004, 9 Ob 67/03y mwN) am VwG, unter Bedachtnahme auf das den Sachverständigen treffende Verschulden an der Mangelhaftigkeit des Gutachtens die Gebühr gemäß § 25 Abs 3 GebAG entweder gänzlich zu versagen oder auf den der mangelhaften Tätigkeit entsprechenden Betrag herabzusetzen. Die Überwälzung der gesamten Barauslagen auf den Antragsteller gemäß § 76 Abs 1 AVG, ohne die Vorgaben des § 25 Abs 3 GebAG zu berücksichtigen, erweist sich jedenfalls als rechtswidrig.
Weitere Hefte aus dieser Zeitschrift