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JBL

Heft 1, Januar 2019, Band 141

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1613-7639

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Inhalt der Ausgabe

S. 2 - 10, Aufsatz

Susanne Augenhofer

Das Gewährleistungsrecht in Österreich und Deutschland als Beispiele für eine holprige Harmonisierung des europäischen Kaufrechts

Die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie sollte zu einer Harmonisierung des Gewährleistungsrechts im Bereich B2C in der EU führen. Der Beitrag zeigt, dass dieses Ziel jedenfalls im Vergleich Deutschland und Österreich nicht erreicht wurde und analysiert die Gründe dafür.

S. 11 - 20, Aufsatz

Sebastian Reiter

Marken, Marktmacht, Missbrauch?

Im Herbst 2017 ist das neue EU-Markenrecht in Kraft getreten und wurde in Österreich bereits umgesetzt. Die europäische und die österreichische Rechtsordnung kennen seither neben Individualmarken, Verbands- bzw Unionskollektivmarken auch sogenannte Gewährleistungsmarken. Der vorliegende Beitrag nimmt diese Neuerungen zum Anlass, das Verhältnis von Markenrecht und Kartellrecht grundlegend zu verorten. Dabei zeigt sich, dass Verbands- und Unionskollektivmarken bzw Gewährleistungsmarken strukturell andere kartellrechtliche Fragen aufwerfen als Individualmarken.

S. 22 - 27, Rechtsprechung

Verfassungskonforme Interpretation von § 197 Abs 3 S 1 ABGB

Abweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung des § 197 Abs 3 S 1 ABGB idF BGBl I 179/2013 (Bestimmung betreffend den generellen Ausschluss von der Annahme an Kindesstatt gleichgeschlechtlicher Paare nach deren Trennung).

Angesichts der jüngeren Rechtsentwicklung in Bezug auf familienrechtliche Vorschriften hinsichtlich gleichgeschlechtlicher Paare ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, gleichgeschlechtliche Paare mit verschiedengeschlechtlichen Paaren hinsichtlich der Möglichkeiten zur Annahme an Kindesstatt während aufrechter Beziehung gleich zu behandeln, für den Fall der Trennung jedoch unterschiedliche Rechtsfolgen vorzusehen, zumal das geltende Adoptionsrecht Bestimmungen enthält, die sicherstellen, dass die Annahme an Kindesstatt nur in jenen Fällen bewilligt wird, in denen – trotz Trennung – ein stabiles Umfeld und die Wahrung des Kindeswohles gewährleistet werden kann. Die Wendung „durch einen Wahlvater (eine Wahlmutter)“ sowie „zum leiblichen Vater (zur leiblichen Mutter)“ in § 197 Abs 3 ABGB ist daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass im Fall der Einzeladoption durch den (ehemaligen) gleichgeschlechtlichen Partner des leiblichen Elternteils ein „Wahlvater“ an die Stelle der leiblichen Mutter und eine „Wahlmutter“ an die Stelle des leiblichen Vaters tritt.

S. 27 - 29, Rechtsprechung

Scheidungsunterhalt: Anspannung bei Bezug von Sozialhilfe

Wer – aus welchen Gründen immer (Krankheit, Haft, Schwangerschaft, Alter) – zu einer Erwerbstätigkeit nicht in der Lage ist, dem kann wegen der fehlenden Leistungsfähigkeit kein potenzielles Einkommen unterstellt werden. Der Bezug von Sozialhilfe indiziert im Allgemeinen, dass der Unterhaltspflichtige nicht in der Lage ist, einen Arbeitsplatz zu finden. Es ist aber durchaus möglich, dass auch bei rechtmäßigem Bezug der Sozialhilfe die Voraussetzungen für eine Anspannung des Unterhaltspflichtigen bestehen bleiben.

Bei der Beurteilung, ob der Anspannungsgrundsatz bei einer nach § 66 EheG Unterhaltsberechtigten zum Tragen kommt, ist auch deren Verhalten in den Vorzeiträumen jedenfalls dann beachtlich, wenn sie sich die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs vorbehalten hat.

Gemäß § 74 EheG verwirkt der Berechtigte den Unterhaltsanspruch, wenn er sich nach der Scheidung einer schweren Verfehlung gegen den Verpflichteten schuldig macht oder gegen dessen Willen einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt (hier: Verwirkung verneint, Vorwurf der Arbeitsunwilligkeit und der „Flucht in die Unterstützung durch den Sozialbereich“ trotz Arbeitsfähigkeit im Rahmen des Anspannungsgrundsatzes berücksichtigt).

S. 29 - 34, Rechtsprechung

Deckung des Pflichtteils durch Vorerbrecht?

Verschafft das letztwillig eingeräumte Vorerbrecht dem Berechtigten einen – wenn auch nur sukzessive zufließenden – Vermögensvorteil, ist dieser zur Deckung des Pflichtteils grundsätzlich geeignet, sofern dem Berechtigten die Nutzung auch zumutbar ist. Dann kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, worauf der Wille des Erblassers vorrangig gerichtet war.

Auch dem Vorlegatar stehen nur die Rechte und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers zu (§ 652 iVm § 613 ABGB), während der Nachlegatar – anders als der Nacherbe – nach dem Eintritt des Substitutionsfalls einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Vorlegatar bzw dessen Rechtsnachfolger auf Herausgabe des Substitutionsguts hat und erst durch dessen Erfüllung das unbeschränkte Eigentum an der Sache erwirbt. Die Zuwendung an den Vorlegatar (eingeschränktes Eigentumsrecht mit den Rechten und Pflichten eines Fruchtnießers) ist daher auch nicht identisch mit jener an den Nachlegatar, der letztlich das Vollrecht am Substitutionsgut erwerben kann.

Ist eine Legatsausschlagungserklärung dahin zu deuten, dass der Verzicht nur „für den Fall“ der rechtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf den Geldpflichtteil gelten sollte, ist ihnen eine unzulässige Bedingung immanent, die zur Unwirksamkeit der Ausschlagung (und nicht bloß der Bedingung) führen muss.

S. 34 - 38, Rechtsprechung

Schadenersatzanspruch bei diskriminierender Förderungsvergabe: stillschweigender Deckungsvorbehalt in Kulturförderungsgesetzen

Eine Gebietskörperschaft, die sich in einem Selbstbindungsgesetz zur Leistung unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet hat, ist grundsätzlich von Gesetzes wegen verpflichtet im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgebot bzw dem Diskriminierungsverbot, diese Leistung jedermann, der diese Voraussetzungen erfüllt, zu erbringen, wenn sie eine solche Leistung in anderen Einzelfällen bereits erbrachte. Auf eine solche Leistung besteht insoweit ein klagbarer Anspruch.

Eine Regelung in einem Selbstbindungsgesetz, die dem Einzelnen ein subjektives Recht auf die Gewährung von Förderung sowie auf eine bestimmte Art und Höhe der Förderung verwehrt (hier: „besteht kein Rechtsanspruch“ [§ 4 Abs 4 Burgenländisches Kulturförderungsgesetz]), schließt einen solchen Leistungsanspruch nicht aus; dient doch die Fiskalgeltung der Grundrechte im Privatrecht gerade der Begründung klagbarer Leistungsansprüche gegen den Staat.

§ 4 Abs 4 Burgenländisches Kulturförderungsgesetz zielt zwar darauf ab, den Förderungswerbern eine klagsweise Durchsetzung ihrer Förderungsanträge im Allgemeinen nicht zu ermöglichen; diese Bestimmung ist verfassungskonform aber dahin auszulegen, dass sie bei unsachlicher Verweigerung eines Förderungsantrags trotz der Subvention vergleichbarer Projekte Dritter einem Leistungsanspruch gegen die Beklagte wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht entgegensteht.

Gegen einen Schadenersatzanspruch wegen diskriminierender Förderungsvergabe kann grundsätzlich eingewendet werden, dass die Subventionsmittel erschöpft sind.

Ein Deckungsvorbehalt in der Kulturförderung liegt bereits dem Burgenländischen Kulturförderungsgesetz stillschweigend (immanent) zugrunde, zumal die Organe des Landes bei der Vollziehung (insbesondere des Landesvoranschlags) (stets) an die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gebunden sind.

S. 38 - 44, Rechtsprechung

Schmerzengeld für ex ante unvorhersehbare Unfallfolgen nach Abfindungsvergleich mit Globalbemessung

Ist der Unfall für Schmerzen bloß „teilkausal“, so kann die bloße Mitursächlichkeit eines aus der Sphäre des Geschädigten stammenden Umstands (hier: krankhafte Anlage) den Schädiger nicht entlasten. Anderes würde nur dann gelten, wenn dieser Umstand (die „Anlage“) denselben Schaden zu einem späteren Zeitpunkt herbeigeführt hätte; dann beschränkt sich die Ersatzpflicht auf jene Nachteile, die durch die zeitliche Vorverlagerung entstanden sind. Dafür muss aber feststehen, dass der gleiche Erfolg auch ohne das (reale) schädigende Ereignis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetreten wäre. Die Behauptungs- und Beweislast dafür trägt der Schädiger.

Ein Abfindungsvergleich über Schmerzengeld erstreckt sich im Zweifel nur auf die schon bekannten oder doch vorhersehbaren Unfallfolgen. Bei der Ermittlung des Ergänzungsanspruchs auf Schmerzengeld infolge des nachträglichen Eintritts von ex ante unvorhersehbaren Unfallfolgen sind die durch einen Vergleich iS einer Globalbemessung bereits abgefundenen Schmerzen nicht mehr zu berücksichtigen.

Nur eine schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht kann zu einer Kürzung oder Ablehnung der Ansprüche des Geschädigten führen. Es begründet daher auch nur dann eine Verletzung der Schadensminderungspflicht, wenn der Geschädigte nach schuldhafter Lösung seines Dienstverhältnisses nur noch ein geringeres (oder gar kein) Einkommen erzielt.

S. 44 - 46, Rechtsprechung

Ehrverletzende Behauptungen im Gemeinderat und auf Facebook gegenüber Rechtsanwalt, der im Auftrag einer Gemeinde ein Vergabeverfahren durchführt

Der aus § 1330 ABGB abgeleitete Rechtfertigungsgrund steht nicht mehr zur Verfügung, wenn der Schädiger die in die Ehre des anderen eingreifenden Behauptungen öffentlich etwa in Presseaussendungen oder Zeitungsinterviews wiederholt, weil er dies nicht mehr im öffentlichen Interesse am Funktionieren der Rechtspflege tut. Dies muss auch dann gelten, wenn das Gemeinderatsmitglied seine Rede mit den inkriminierten Äußerungen auf Facebook postet, macht es doch damit – im Gegensatz etwa zu im Fernsehen übertragenen Nationalratsdebatten – seine Äußerungen erst der Öffentlichkeit bekannt.

Eine in die Ehre eingreifende politische Kritik auf Basis unwahrer Tatsachenbehauptungen verstoßt gegen § 1330 ABGB.

S. 46 - 48, Rechtsprechung

Unterbrechung der Verjährungsfrist durch auf höheres Schmerzengeld gerichtete Nachklage

Wenn keine besonderen Gründe für eine zeitliche Einschränkung bestehen, ist das Schmerzengeld grundsätzlich global zu bemessen. Dadurch soll insbesondere verhindert werden, dass der Schädiger ständig neuen Forderungen ausgesetzt ist, obwohl die Verletzungsfolgen schon im ersten Prozess hinreichend überschaubar waren. Begehrt der Kläger in einem weiteren Verfahren ergänzendes Schmerzengeld, so hat er darzulegen, aufgrund welcher besonderen Umstände eine solche „Nachklage“ ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Solche Umstände können auch im Prozessrecht begründet sein.

Der Geschädigte muss nach Vorliegen eines unerwartet günstigen Gutachtens eine Ausdehnung der Klage auf den danach angemessenen Betrag versuchen. Zweck dieser „Ausdehnungsobliegenheit“ ist die Ermöglichung einer Globalbemessung. Die Annahme einer Obliegenheit, die Klage wenigstens bis zur bezirksgerichtlichen Wertgrenze auszudehnen, wäre ein bloßer Formalismus, der durch keine materiell- oder verfahrensrechtlichen Gründe gedeckt wäre.

Das Einklagen eines geringeren Betrags ist nach der Rsp dann nicht vorwerfbar, wenn das Ausmaß der Beeinträchtigungen bei Einbringen der Klage noch nicht vollständig überblickt werden konnte. Vorwerfbar ist das Einklagen eines zu geringen Betrags dann, wenn sich aus den unstrittigen Verletzungsfolgen ohne jeden Zweifel ein unverhältnismäßig höheres Schmerzengeld ergeben hätte (hier: der Kläger war als Kleinkind naturgemäß nicht in der Lage, Angaben zu seinen Schmerzen zu machen; für die Mutter waren konkrete Verletzungsfolgen, auch und gerade in Bezug auf die Schmerzperioden, vor Einlangen des Gutachtens nicht abschätzbar).

Bei Verbindung einer rechtzeitigen Leistungsklage mit einer später erfolgreichen Feststellungsklage wird die nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist erfolgte Ausdehnung eines Schmerzengeldbegehrens auch dann als zulässig angesehen, wenn sie nicht auf neue Schadenswirkungen, sondern auf die Ergebnisse eines für den Kläger (unverhofft) günstigen Sachverständigengutachtens gestützt wird Das bedeutet, dass sich die Unterbrechungswirkung des Feststellungsbegehrens auch auf die erst im Wege der Klageausdehnung geltend gemachten Schmerzengeldansprüche bezieht. Tritt aber die Unterbrechungswirkung ein, so begründet es aus verjährungsrechtlicher Sicht keinen relevanten Unterschied, ob der Geschädigte zur Durchsetzung des weiteren Anspruchs die Klage ausdehnt oder innerhalb angemessener Frist eine zweite Klage erhebt.

S. 48 - 50, Rechtsprechung

Verzicht des blinden Menschen auf die Einhaltung der Notariatsaktsform

Der Verzicht des blinden Menschen auf die Einhaltung der Form gemäß § 1 Abs 3 Z 2 NotAktG erfordert, dass er sich der Formpflicht des Rechtsgeschäfts infolge der Einschränkung seiner Sehfähigkeit bewusst ist. Der Begriff „ausdrücklich“ in § 1 Abs 3 Z 2 NotAktG ist iS von „hinreichend deutlich“ zu verstehen.

Die Verzichtserklärung bedarf keiner Annahme durch den Vertragspartner. Die Formpflicht bezweckt die Sicherung des Blinden, insbesondere vor Übervorteilung.

S. 50 - 51, Rechtsprechung

Zuständigkeit des OGH für die Anfechtung von Beschlüssen der Vollversammlung der Rechtsanwaltskammer

Nach § 24b Abs 2 RAO entscheidet der OGH über die Anfechtung der Wahl. Gemeint ist damit offensichtlich eine Wahl nach § 24 Abs 1 RAO. Die Möglichkeit der Anfechtung beliebiger Beschlüsse des Ausschusses, die im Zusammenhang mit einem Wahlvorgang stehen, sieht auch § 24b RAO nicht vor. Die Bekämpfbarkeit eines jeden im Zusammenhang mit dem Wahlvorgang stehenden Beschlusses würde wesentlich in die anwaltliche Selbstverwaltung eingreifen und die Zuständigkeit des OGH – ohne gesetzliche Grundlage – in Richtung eines allgemeinen Aufsichtsorgans erweitern; eine solche Rolle kommt in eingeschränktem Umfang lediglich dem Bundesminister für Verfassung, Reform, Deregulierung und Justiz zu (§ 27 Abs 6 RAO). Gerade gegen die Nichtdurchführung einer Wahl kann mit demokratischen Mitteln vorgegangen werden (§ 28 Abs 3 RAO: Einberufung einer außerordentlichen Plenarversammlung).

S. 51 - 52, Rechtsprechung

Verwertung einer mit einem Absonderungsrecht belasteten Sache: Vorrang von § 12 Abs 3 IO gegenüber § 307 EO

Findet die Verwertung einer mit einem Absonderungsrecht belasteten Sache (Forderung) bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt, ohne dass der Betreibende befriedigt wird, so ist der Teil des Erlöses, der auf das erloschene Absonderungsrecht entfällt, nicht dem betreffenden Gläubiger auszufolgen, sondern von Amts wegen in die Masse einzubeziehen. Insofern ist § 12 Abs 3 IO als Sonderbestimmung gegenüber den allgemeinen Verteilungsgrundsätzen der EO anzusehen.

S. 52 - 55, Rechtsprechung

Anfechtung einer unentgeltlich eingeräumten, widerruflichen Bezugsberechtigung aus einer Lebensversicherung

Der Anfechtungsanspruch wegen einer dem Anfechtungsgegner vom Schuldner unentgeltlich eingeräumten, widerruflichen Bezugsberechtigung aus einer Lebensversicherung richtet sich der Höhe nach auf die gesamte (allenfalls bereits ausbezahlte) Versicherungssumme.

S. 55 - 55, Rechtsprechung

Die Verjährung bei Medieninhaltsdelikten

Für ein Medieninhaltsdelikt iS des § 1 Abs 1 Z 12 MedienG gilt § 32 MedienG als lex specialis. Danach beginnt die Frist der Verjährung der Strafbarkeit eines Medieninhaltsdelikts zu der Zeit, da mit der Verbreitung im Inland begonnen wird. § 58 Abs 1 StGB, der eine Sonderregelung für Erfolgsdelikte enthält, ist ausdrücklich nicht anzuwenden. Unabhängig von der Dauer der Verbreitung beginnt die Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt des Beginns der Verbreitung (auch) im Inland.

S. 55 - 56, Rechtsprechung

Grundsatz der Spezialität nach dem EU-JZG; Einwilligung in eine vereinfachte Übergabe

Wurde die von einem Europäischen Haftbefehl betroffene Person von einem Drittstaat nach Österreich ausgeliefert, bleibt die Verpflichtung der Republik Österreich zur Beachtung des Grundsatzes der Spezialität nach § 38 Abs 2 EU-JZG auch bei anstehender Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen diese Person unberührt. Das zuständige Gericht hat in einer solchen Konstellation jene Unterlagen, die zur Erwirkung der Zustimmung des Drittstaats zur Übergabe der betroffenen Person erforderlich sind, unverzüglich dem Bundesministerium für Justiz vorzulegen.

Die Erklärung der Einwilligung in eine vereinfachte Übergabe ist nur dann wirksam, wenn sie alle Europäischen Haftbefehle und Ersuchen um Auslieferung (oder um Verhängung der Auslieferungshaft) gleichermaßen umfasst. Nur in diesem Fall ist das Gericht verhalten, über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls – soweit die Voraussetzungen vorliegen – gemäß § 20 Abs 2 EU-JZG zu entscheiden, und danach die Akten einschließlich des Übergabebeschlusses nach dem EU-JZG sowie der Zustimmung zur vereinfachten Auslieferung nach dem ARHG dem Bundesministerium für Justiz vorzulegen.

S. 56 - 60, Rechtsprechung

Auskunftspflicht: enge Auslegung von Ausnahmebestimmungen bei Medienanfragen; Gewährung des Zugangs zu Dokumenten

Zur Beurteilung der Frage, in welchem Umfang und in welcher Art Auskunft zu erteilen ist, kann – wie sich aus der neueren Rsp des EGMR ergibt – nicht außer Betracht bleiben, ob der Zugang zu den begehrten Informationen für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, vor allem die Freiheit zum Empfang und zum Mitteilen von Nachrichten oder Ideen, instrumentell ist, was anhand der vom EGMR genannten Kriterien zu prüfen ist. Jene Bestimmungen, die dem Auskunftspflichtigen nach den Auskunftspflichtgesetzen des Bundes und der Länder die Verweigerung einer begehrten Auskunft ermöglichen, sind daher insbesondere dann eng auszulegen, wenn ein Auskunftsersuchen als relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische oder andere Aktivitäten, mit denen ein Forum für eine öffentliche Debatte geschaffen werden soll, zu sehen ist, die begehrten Informationen im öffentlichen Interesse liegen und dem Auskunftswerber eine Rolle als „watchdog“ iS der Rsp des EGMR zukommt. Vor diesem Hintergrund kann es zur zweckmäßigen Erteilung einer Auskunft geboten sein, dem Auskunftswerber nicht bloß mündliche oder schriftliche Auskunft über den Inhalt von Dokumenten zu erteilen, sondern den Zugang zu den relevanten Dokumenten zu gewähren.