Zum Hauptinhalt springen
JBL

Heft 3, März 2020, Band 142

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1613-7639

60,00 €

inkl MwSt

Sofortiger PDF-Download

Inhalt der Ausgabe

S. 137 - 147, Aufsatz

Christoph Kronthaler

Ausgewählte Fragen zur Form von fremdhändigen letztwilligen Verfügungen

Fremdhändigen letztwilligen Verfügungen kommt vor allem in der anwaltlichen Praxis eine erhebliche Relevanz zu. Während das ABGB für Notare eigene Formvorschriften bereithält (vgl § 583 ABGB), gelten für Rechtsanwälte die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über private fremdhändige Verfügungen (also insbesondere § 579 ABGB). Eine letztwillige Verfügung, die von einem Rechtsanwalt errichtet wurde, muss der Verfügende daher „in Gegenwart von drei gleichzeitig anwesenden Zeugen eigenhändig unterschreiben und mit einem eigenhändig geschriebenen Zusatz versehen, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält“. Der vorliegende Beitrag soll einige Fragen beleuchten, die allgemein oder aufgrund der jüngeren höchstgerichtlichen Rsp von besonderer Bedeutung für die (anwaltliche) Praxis sind.

S. 160 - 164, Rechtsprechung

Regelung über Kostentransparenz in § 27d Abs 1 Z 6 letzter Halbsatz KSchG nicht verfassungswidrig

Die in § 27d Abs 1 Z 6 letzter Halbsatz KSchG idF BGBl I 58/2018 vorgesehene Verpflichtung, in Heimverträgen die vom Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe gedeckten Leistungen anzugeben, ist nicht unsachlich: Heimträger sind angesichts der Zwecke der Verhinderung von Doppelverrechnungen und der Kontrolle der Entgeltgebarung durch den Heimträger (lediglich) verpflichtet, sich um bestmögliche Kostentransparenz zu bemühen; liegt von Seiten der zuständigen Organe des Landes keine (bezifferbare) Aufstellung der vom Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe übernommenen Leistungen vor, ist dieser Verpflichtung bereits dadurch Genüge getan, dass der Heimträger den Verbraucher im Heimvertrag angemessen über den Inhalt der bestehenden landesrechtlichen Regelungen und deren Anwendung informiert.

§ 27d Abs 1 Z 6 letzter Halbsatz KSchG (Kompetenztatbestand Zivilrechtswesen) widerspricht nicht der bundesverfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung und ist hinreichend bestimmt iS des Art 18 B-VG. Die dem Konsumentenschutz dienende Regelung verstößt auch nicht gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbsausübung.

S. 164 - 168, Rechtsprechung

Rudolf Reischauer

Zivilrechtliche Haftung bei Notwehrüberschreitung

Die Notwehrlage entsteht durch einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf ein notwehrfähiges Gut; ob tatsächlich ein Angriff vorliegt, ist objektiv aus der hypothetischen Ex-ante-Perspektive eines besonnenen Beobachters (und nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Angegriffenen) zu beurteilen. Ist der Rechtfertigungsgrund der Notwehr gegeben, so gebührt dem durch die Notwehrhandlung des Angegriffenen beeinträchtigten Angreifer kein Schadenersatz.

Das Überschreiten der notwendigen Verteidigung (Notwehrexzess) oder eine offensichtlich unangemessene Verteidigung verpflichten zum Ersatz, wenn sie vorsätzlich oder sorgfaltswidrig geschahen und subjektive Vorwerfbarkeit gegeben ist. Wer irrtümlich eine Notwehrlage annimmt, hat die Handlung (Putativnotwehr) schadenersatzmäßig nach allgemeinen Grundsätzen nicht zu vertreten, wenn ihm bezüglich dieses Irrtums keine Sorgfaltsverletzung unterlaufen oder diese ihm nicht vorwerfbar ist.

Für das Vorliegen einer Notwehrsituation liegt die Beweislast beim Notwehr übenden Schädiger. Das Vorliegen eines Notwehrexzesses hat der Geschädigte zu beweisen (hier: Abwehr eines Zeltfestbesuchers, der sich mit erhobenen Fäusten und „tänzelnden Boxbewegungen“ einem Ordner gegenüber stellte, durch Versetzen eines Schlages ins Gesicht mit einer Stablampe aus Metall; Notwehrüberschreitung bejaht).

S. 168 - 173, Rechtsprechung

Familienbonus Plus und Unterhaltsbemessungsgrundlage

Jedenfalls in den Fällen, in denen das Ergebnis der vom Obersten Gerichtshof entwickelten Formel (Unterhaltsanspruch = Prozentunterhalt – [Prozentunterhalt x Grenzsteuersatz {als ganze Zahl} x 0,004] + Unterhaltsabsetzbetrag) ergibt, dass die ausreichende Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bereits durch den Unterhaltsabsetzbetrag erfolgte, ist es sachgerecht, die Erhöhung des Nettoeinkommens durch den Steuervorteil des Familienbonus Plus dadurch zu berücksichtigen, dass dieser der Unterhaltsbemessungsgrundlage zugeschlagen wird. Allenfalls aufgrund des Familienbonus Plus im Weg der „Negativsteuer“ anzurechnende andere Absetzbeträge sind hingegen erst im darauffolgenden Jahr als steuermindernd zu berücksichtigen. Auf den Bezug des halben Familienbonus Plus ist der Geldunterhaltspflichtige grundsätzlich anzuspannen; es steht ihm frei zu behaupten und zu beweisen, dass ihm der sofortige Bezug des Familienbonus Plus aus bestimmten Gründen unmöglich oder unzumutbar ist. Den Antrag auf den vollen Familienbonus Plus hat der Unterhaltspflichtige dann zu stellen, wenn er weiß oder wissen muss, dass der Familienbeihilfeberechtige keinen Anspruch auf Familienbonus Plus hat.

S. 173 - 177, Rechtsprechung

Familienbonus Plus nicht in Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen

Beim Familienbonus Plus handelt es sich – so wie beim Unterhaltsabsetzbetrag – um einen echten Steuerabsetzbetrag. Der Gesetzgeber hat den Familienbonus Plus mit der Zielsetzung eingeführt, die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung der Geldunterhaltspflichtigen nunmehr durch die erwähnten steuergesetzlichen Maßnahmen herbeizuführen. Dadurch findet eine Entkoppelung von Unterhalts- und Steuerrecht statt. Die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen erfolgt nunmehr durch den Familienbonus Plus und den Unterhaltsabsetzbetrag. Der Familienbonus Plus ist nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen; eine Anrechnung von Transferleistungen findet nicht mehr statt. Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag bleiben damit unterhaltsrechtlich neutral.

S. 177 - 182, Rechtsprechung

Grenzen der Duldungspflicht bei Immissionen, die von gemeinwichtigen Anlagen ausgehen

Auch bei gemeinwichtigen Anlagen ist der Betreiber nicht zu Immissionen jeglicher Art und Intensität berechtigt. Die Duldungspflicht der Nachbarn ist mit der Reichweite der erteilten Genehmigung begrenzt: Werden von der Behörde bestimmte Grenzwerte festgesetzt, sind diese jedenfalls einzuhalten; ansonsten sind von den Nachbarn (nur) solche Immissionen hinzunehmen, die für den Betrieb der genehmigten Anlage typisch sind und auch nicht durch wirtschaftlich zumutbare Vorkehrungen hintangehalten oder verringert werden können (hier: Lärm durch betriebspflichtige Gondelseilbahn).

S. 182 - 186, Rechtsprechung

Ungleichbehandlung von leiblichen und adoptierten Kindern des Erben nicht sittenwidrig

Die (gegen den Staat gerichteten) Grundrechte wirken nach heute anerkannter Auffassung mittelbar auf das Verhältnis Privater zueinander ein. Auch die allgemeinen Wertvorstellungen der Grundrechte sind bei der Konkretisierung der Generalklausel der „guten Sitten“ in § 879 Abs 1 ABGB zu berücksichtigen.

Macht der Erblasser eine Zuwendung in Form einer Nacherbschaft davon abhängig, dass der (Vor-)Erbe keine leiblichen (ehelichen) Nachkommen hinterlässt, kann daraus keine Ungleichbehandlung abgeleitet werden, die die Ausübung der Testierfreiheit in diesem Umfang als sittenwidrig iS des § 879 Abs 1 ABGB erscheinen ließe. Den seit 1960 unveränderten Bestimmungen über die Rechtsfolgen der Adoption ist daher keine Grundwertung zu entnehmen, leibliche Kinder und Wahlkinder hinsichtlich der Erbfolge nach den Eltern des Annehmenden gleich zu behandeln.

S. 186 - 190, Rechtsprechung

Rückforderungsanspruch bei unberechtigter Inanspruchnahme einer „Erfüllungsgarantie“ im Bauwesen

Ein allfälliger Rückforderungsanspruch aus schlicht unberechtigter Inanspruchnahme der Bankgarantie im Verhältnis zwischen Garantieauftraggeber und dem ursprünglich begünstigten Zedenten wäre zwischen diesen beiden abzuwickeln. Dem Klagebegehren der Bank könnte nur im Falle eines dem beklagten Zessionars vorzuwerfenden Rechtsmissbrauchs Berechtigung zukommen (hier: Rechtsmissbrauch verneint).

S. 190 - 194, Rechtsprechung

Andreas Geroldinger

Haftung des Ofensetzers ohne Gewerbeschein und des Gewerbeberechtigten wegen falscher Endbefundung

Auch derjenige haftet nach § 1299 ABGB, der, ohne Fachmann zu sein, eine Arbeit übernimmt, die in der Regel wegen der notwendigen Kenntnisse nur von einem Fachmann besorgt zu werden pflegt. Auch das Fehlen einer Gewerbeberechtigung entlastet daher nicht.

Die in der BauO enthaltenen Schutzgesetze verfolgen einen bestimmten Schutzzweck, nämlich die Hintanhaltung von Schädigungen oder Gefährdungen. Die BauO bezweckt primär den Schutz der Allgemeinheit vor durch nicht fachgerechte Ausführung von Bauarbeiten ausgelöste Schäden. § 29 Abs 1 letzter Satz Sbg BauTG bezweckt generell den Brandschutz.

Der vorgeschriebene (positive) Endbefund des Hafners bei Fertigstellung eines Ofens soll den Stand der Technik (und somit die Betriebssicherheit) im jeweils konkreten Fall sicherstellen und bezweckt somit jedenfalls (auch) den Schutz der Güter der Personen, die von Mängeln des Gewerks betroffen sein können.

S. 195 - 196, Rechtsprechung

Angehörige im Erwachsenenschutzverfahren nicht rechtsmittellegitimiert

Angehörigen des Betroffenen kommt im Erwachsenenschutzverfahren (außerhalb der Sondernorm des § 127 Abs 3 AußStrG) keine Rechtsmittellegitimation zu (hier: Genehmigung der Wohnsitzverlegung).

Soweit im Erwachsenenschutzverfahren über gegenläufige Anträge zu entscheiden ist, kann auf § 78 AußStrG zurückgegriffen werden, sodass ein erfolgloser Rechtsmittelwerber dem Betroffenen die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung zu ersetzen hat.

S. 196 - 198, Rechtsprechung

Zulässigkeit des Rechtswegs bei Streitigkeit über Witwenpension nach dem ÄrzteG

Bei einer Witwenpension nach dem ÄrzteG handelt es sich um eine gesetzliche Versorgungsleistung eines Selbstverwaltungskörpers, die nach ihrer Rechtsnatur mit den Pensionsleistungen eines gesetzlichen Sozialversicherungsträgers vergleichbar ist. Für die Frage, ob es sich bei einer Streitigkeit über eine Versorgungsleistung nach dem ÄrzteG um eine Verwaltungssache oder eine gerichtliche Rechtssache handelt, ist § 65 ASGG analog anzuwenden.

Auch Leistungsbescheide anderer Selbstverwaltungskörper als den Sozialversicherungsträgern, insbesondere der Wohlfahrtseinrichtungen von Kammern, sind ein Exekutionstitel.

S. 198 - 200, Rechtsprechung

Zuständigkeit zur Bewilligung einstweiliger Verfügungen bei Hauptverfahren im Ausland

Bei Anhängigkeit der Klage im Ausland kann die Zuständigkeit zur Bewilligung der einstweiligen Verfügung nach § 387 Abs 2 EO in Anspruch genommen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Entscheidung im ausländischen Hauptverfahren in Österreich anerkannt und vollstreckt wird.

Wenn das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluss als nichtig aufgehoben und den Sicherungsantrag selbst zurückgewiesen hat, kommt eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über den Rekurs nicht in Betracht.

S. 200 - 202, Rechtsprechung

Klage auf Ersatz eines Einzelschadens nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens

Der ehemalige Insolvenzverwalter kann nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wegen eines Einzelschadens nur vom Geschädigten geklagt werden.

S. 202 - 203, Rechtsprechung

Akteneinsicht, Antragslegitimation und das Erneuerungsverfahren

Der Kreis der zu einer Antragstellung nach § 363a StPO legitimierten Personen ist beschränkt. Ankläger (StAen, Privat- oder Subsidiarankläger, Antragsteller iS des MedienG), Anzeiger oder Opfer (Privatbeteiligte) stellen keine von der „festgestellten Verletzung Betroffenen” iS des § 363a Abs 2 StPO dar.

Gleiches gilt für Antragsteller, denen Akteneinsicht im Verfahren nach § 77 Abs 1 StPO verweigert wurde. Die Parteistellung im Erneuerungsverfahren ist Dritten nur insoweit zuerkannt, als diese von Zwangsmaßnahmen betroffen waren. Eine solche Beeinträchtigung liegt bei der Ablehnung von Akteneinsicht nicht vor.

S. 203 - 207, Rechtsprechung

Beigabe eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer vor dem VwG

Der Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer im Verfahren der VwG kommt – vor dem Hintergrund der Manuduktionspflicht, der auch für nicht rechtskundige Bürger grundsätzlich zu bewältigenden Einhaltung der Formvorschriften und des Amtswegigkeitsprinzips sowie der durch § 8a Abs 1 VwGVG angeordneten ausdrücklichen Beschränkung der Gewährung der Verfahrenshilfe auf Fälle, in denen dies nach Art 6 Abs 1 EMRK oder Art 47 GRC geboten ist, Ausnahmecharakter zu.

Zur Beurteilung, ob auf Grund des Art 6 EMRK bzw des Art 47 GRC die Beigebung eines Rechtsanwaltes „geboten ist“, kommt es iS der Judikatur des EGMR und des EuGH darauf an, ob dies für den „effektiven Zugang“ der Partei zum Gericht unentbehrlich ist. Dies ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Partei die Kosten eines Rechtsanwaltes ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten könnte oder die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung offenbar mutwillig oder aussichtslos ist. Sind diese Voraussetzungen aber erfüllt, ist maßgeblich, ob im Verfahren – insbesondere in Hinblick auf die Komplexität des Falles – Schwierigkeiten zu erwarten sind, die es der Partei verunmöglichen, ihre Interessen ohne Unterstützung eines Rechtsanwaltes wahrzunehmen. Dabei sind die persönlichen Umstände der Partei, wie ihr allgemeines Verständnis und ihre Fähigkeiten bzw ihre Rechtskenntnisse zu berücksichtigen. Ergänzend ist in die Erwägungen auch die Bedeutung des Rechtsstreits für die Partei miteinzubeziehen.