Der VfGH hat sich mit Erkenntnis G 673/2015 vom 12.10.2016 in einem Verfahren, in dem mehrere „Gesetzesbeschwerden“ zusammengefasst wurden, nach mehreren Zurückweisungen konkret (nur) zur Verfassungskonformität zweier Normen des Mietrechts geäußert; nämlich zu § 2 Abs 3 RichtWG (Ausschluss eines Lagezuschlags in „Gründerzeitvierteln“ mit – seinerzeit – einfachen Wohnungen) und zu § 16 Abs 7 MRG (Mietzinsabschlag von 25% bei befristeter Vermietung). Weitere Anträge sind dem Vernehmen nach bereits eingebracht. Die hier vorgelegten Überlegungen und Argumente verstehen sich vor allem als Beitrag zu den im Vorfeld notwendigerweise anzustellenden zivilrechtlichen Abwägungen und Bewertungen. Nach Ansicht des Autors hat der VfGH einige dieser Aspekte nicht ausreichend beachtet.
- ISSN Online: 1613-7639
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Inhalt der Ausgabe
S. 345 - 354, Aufsatz
Ausschluss des Lagezuschlags und Befristungsabschlag: Das Mietrechtserkenntnis des VfGH G 673/2015 aus der Sicht eines Zivilrechtlers
Ein halbwegs geschickter Vertriebshändler, der für ein Mobilfunkunternehmen neue Privat- und Firmenkunden akquiriert und der auch mehrere Untervertriebspartner „beschäftigt“, kommt oftmals auf jährliche Provisionseinnahmen in Millionenhöhe. Gehen der Vertriebshändler und das Mobilfunkunternehmen in Folge getrennte Wege, bereiten Fragen des Bestehens und der Höhe eines allfälligen Ausgleichsanspruchs besondere Probleme. Dies deshalb, da es bisher so gut wie keine Rechtsprechung und Literatur gibt, die sich näher mit diesem Thema auseinander gesetzt hat und der strittige Betrag oft sehr hoch ist. Das Fehlen einer Rechtsprechung erklärt sich daraus, dass die in der Mobilfunkbranche tätigen Vertriebshändler eine gerichtliche Geltendmachung ihres Ausgleichsanspruchs scheuen und nur als ultima ratio betrachten, weil sie das Prozessrisiko – mangels „Präjudizien“ – und die Prozesskosten – aufgrund der Höhe des Anspruchs (Stichwort: Gerichtsgebühren) – als hoch betrachten. Die Folge ist, dass sich die Kontrahenten nach langen Verhandlungen häufig außergerichtlich auf einen Betrag „Daumen mal Pi“ einigen.
Der folgende Beitrag möchte – abweichend von der „Daumen mal Pi-Regel“ – dieses Thema juristisch ein wenig ausleuchten. Zu diesem Zweck werden die in der Mobilfunkbranche typischen Provisionsvereinbarungen auf ihre Auswirkung auf den Ausgleichsanspruch untersucht und Überlegungen angestellt, warum das Kriterium der Provisionsverluste im Mobilfunkvertrieb unpassend ist. Zuvor wird in einem ersten Schritt die bisherige, „klassische“, Berechnung des Ausgleichanspruchs dargestellt und auf ein Judikat des EuGH eingegangen, dessen Auswirkung auf die Ausgleichsberechnung in der österreichischen Lehre bislang kontrovers beurteilt wird.
§ 3 VbVG, BGBl I 151/2005 idF BGBl I 112/2007, (Bestimmungen über die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Verbandes für Straftaten seiner Entscheidungsträger bzw Mitarbeiter) verstößt nicht gegen das Sachlichkeitsgebot und das Recht auf ein faires Verfahren.
Die Verbandsverantwortlichkeit ist als strafrechtliche Kategorie eigener Art mangels eines entsprechenden verfassungsrechtlichen Gebotes nicht am Schuldprinzip zu messen.
Die Regelung ist angesichts des bestehenden Konnexes zwischen der juristischen Person und der natürlichen Person nicht unsachlich: § 3 VbVG konkretisiert – in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise – sowohl den sachlichen Zusammenhang zwischen der Anlasstat und der Sphäre des Verbandes als auch die sachlichen Zurechnungsmerkmale zwischen der Anlasstat und den Verbandsorganen. Angesichts der im Verantwortungsbereich des Verbandes, der in jedem Fall (nur) durch seine Entscheidungsträger agieren kann, liegenden Verantwortlichkeit, Entscheidungsträger auszuwählen, die für ein gesetzmäßiges Verhalten des Verbandes sorgen, kommt es weder zu einer Zurechnung „fremder“ Schuld noch zu einer Erfolgshaftung oder einer Schuldvermutung zu Lasten des Verbandes.
Keine Verletzung der Verfahrensgarantien der EMRK.
S. 374 - 384, Rechtsprechung
Begrenzung der Verpflichtung zur Tragung von Aus- und Einbaukosten im Rahmen der Gewährleistung
Ein Unternehmer als Verkäufer darf gegenüber einem Verbraucher als Käufer auch bei hohen Aus- und Einbaukosten die einzig mögliche primäre Abhilfe nicht per se ablehnen; vielmehr kann er nur die Herabsetzung seiner Verpflichtung auf den anhand des Vertrags unter Berücksichtigung von dessen Gegenstand und Zweck im Hinblick auf die Vertragswidrigkeit und den Wert der Sache in vertragsgemäßen Zustand zu ermittelnden „angemessenen Beitrag“ fordern.
Die in § 932 Abs 4 S 1 ABGB enthaltene Wendung „mit einem unverhältnismäßigen Aufwand für den Übergeber verbunden“ kann in richtlinienkonformer Interpretation beim Verbrauchergeschäft so verstanden werden, dass ein solcher unverhältnismäßiger Aufwand (nur) der über den angemessenen hinausgehende (noch unbeschränkte) (Gesamt-)Aufwand ist.
Nur wenn der Käufer den auf ihn entfallenden angemessenen Anteil der Kosten nicht selbst tragen will und der Austausch oder die Verbesserung samt Aus- und Einbaukosten dann für den Verkäufer mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre, kann dieser den Käufer gemäß § 932 Abs 4 ABGB auf die sekundären Behelfe beschränken.
Lautet eine bereits vor Fahrtantritt gelöste Fahrkarte nicht auf eine bestimmte Strecke oder Zeit, stelle das Einsteigen einen besonderen Akt der Konkretisierung des Schuldverhältnisses iS eines Gläubigerwahlrechts nach § 906 ABGB dar.
Kommt der Inhaber einer Jahreskarte eines Beförderungsunternehmens nach Ausstieg aus einem Transportmittel (womit er den Vorgang des Leistungsabrufs aus dem Beförderungsvertrag beendet hatte) auf dem Weg zu einer anderen Einstiegsstelle (zur Fortsetzung der Transportleistung mit einem anderen Verkehrsmittel) im Bereich einer Haltestelle zu Sturz, an der er jedoch keine Beförderungsleistung abzurufen beabsichtigt, dann bleibt er bis dahin insoweit „einfacher“ Fußgänger, sodass ihm gegenüber im Unfallbereich weder allgemeine noch besondere vertragliche Verkehrssicherungspflichten aus dem Beförderungsvertrag bestehen.
S. 385 - 390, Rechtsprechung
Kurze Verjährungsfrist bei Leistungskondiktion wegen ungerechtfertigt in Anspruch genommener Haftrücklassgarantie
Die Ablösung des Haftrücklasses durch die Haftrücklassgarantie soll nach dem Parteiwillen zu keiner Verschlechterung der Rechtsposition des Werkbestellers führen.
Da der bei einem Haftrücklass zurückbehaltene Werklohn grundsätzlich nach § 1486 Z 1 ABGB verjährt, hat Entsprechendes auch für die Rückforderung der zu Unrecht in Anspruch genommenen Garantiebeträge zu gelten; andernfalls wäre der Werkunternehmer bei der Haftrücklassgarantie ohne sachlichen Grund besser gestellt als beim Haftrücklass.
Ein Fremdwährungskredit liegt vor, wenn der Kredit ganz oder teilweise in einer anderen Währung als in Euro gewährt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kredit in einer anderen Währung als Euro ausbezahlt wird. Maßgebend ist allein, dass die fremde Währung die Rechnungsgrundlage für die Rückzahlungsverpflichtung des Kreditnehmers bildet. Im Fall vereinbarter Endfälligkeit erfolgt die Rückführung der laufenden Zinsen und des Kapitalbetrags zum Laufzeitende in der Fremdwährung.
§ 27 KSchG, der ein Rücktrittsrecht des Verbrauchers für „Vorauszahlungskäufe“ unter ganz bestimmten Voraussetzungen vorsieht, ist auf Fremdwährungskredite nicht, auch nicht analog, anwendbar. Die Einräumung eines Rücktrittsrechts des Verbrauchers mit der Wirkung, dass sich dieser bis zur Erfüllung eines (endfälligen) Fremdwährungskredits vom Vertrag lösen könnte, ohne dass ein relevanter Willensmangel behauptet werden müsste oder dem Kreditgeber die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten vorzuwerfen wäre, kann weder mit dem Wortlaut dieser Bestimmung noch mit den Wertungen und dem Zweck dieser Regelung in Einklang gebracht werden.
Versuchen von Anlageberatern, nach Kursverlusten nervös gewordene Anleger zu beschwichtigen, kann in zweifacher Hinsicht Bedeutung zukommen: Sie können die Erkennbarkeit des Schadenseintritts und damit den Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben oder dazu führen, dass dem Verjährungseinwand des Schädigers die Replik der Arglist entgegengehalten werden kann.
S. 394 - 397, Rechtsprechung
Produkthaftung: kein neues Endprodukt durch das Verpacken für den Transport
Das Endprodukt ist das Produkt in jener Form, in der es nach der Verkehrsauffassung für den Vertrieb bestimmt ist und in der es der Abnehmer verwenden kann. Dient die Verpackung eines bereits hergestellten, fertigen Produkts, ohne Einfluss auf die Substanz dieses Produkts zu nehmen, lediglich der Vorbereitung des Transports und der Sicherstellung, dass das Produkt selbst dabei nicht beschädigt wird, und somit bloß dem Produktvertrieb, dann entsteht durch das Verpacken kein neues Endprodukt. Durch die Verwendung mehrerer – für sich allein als fertige Produkte anzusehender – Verpackungsmaterialien entsteht insbesondere kein neues Produkt „Transportverpackung“.
Allgemein fehlt die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen gegen einen ausländischen Staat, wenn sich der geltend gemachte Anspruch auf einen hoheitlichen Akt dieses Staats bezieht. Solche acta iure imperii sind von privatrechtsgeschäftlichem Handeln des Staats (acta iure gestionis) abzugrenzen, das nicht der Immunität unterliegt. Die Qualifikation erfolgt dabei nicht nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht, sondern nach allgemeinem Völkerrecht. Allgemein sind als acta iure gestionis all jene Akte anzusehen, die auch ein Privatrechtssubjekt, und zwar ohne Unterschied in den Wirkungen und Konsequenzen, gleichermaßen vornehmen könnte.
Die Informationspolitik der (hier: Schweizerischen) Nationalbank im Rahmen der Geld- und Währungspolitik in Bezug auf geldpolitische Entscheidungen und Absichten gehört zum hoheitlichen Bereich iS des Art 27 Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität.
Die Durchsetzung eines auf die Abrechnungspflicht iS des § 20 Abs 3, § 34 WEG gestützten Anspruchs auf Rechnungslegung gegen einen die Verwaltungstätigkeit bloß faktisch ausübenden Mit- und Wohnungseigentümer oder Dritten hat daher, wenn nicht ohnehin ein Verwalter bestellt ist, analog § 52 Abs 1 Z 6 WEG auf dem außerstreitigen Rechtsweg zu erfolgen.
S. 399 - 404, Rechtsprechung
Vermögensschaden beim Betrug; Anknüpfungsgegenstand des Verfalls
In der wahrheitswidrigen Vorgabe, die in einem Krankenhaus beschäftigten Ärzte entsprechend einer Vereinbarung über die Verteilung einem Arzt von der Krankenhausverwaltung für die Behandlung von Privatpatienten gezahlter „Sonderklassegebühren“ an diesen zu beteiligen, sowie durch Übermittlung inhaltlich unrichtiger Abrechnungen, liegt eine Täuschung über Tatsachen gemäß § 146 StGB vor. Dadurch wurden die Ärzte zu Unterlassungen verleitet, nämlich zur Abstandnahme von der Geltendmachung berechtigter Nachforderungen, wodurch sie am Vermögen geschädigt wurden.
Die (frühere) Abschöpfung der Bereicherung (idF vor BGBl I 108/2010) ist im konkreten Einzelfall für den Angeklagten insgesamt günstiger als der Verfall gemäß § 20 StGB (BGBl I 108/2010).
Anknüpfungstatbestand des Verfalls gemäß § 20 StGB sind nicht bloß Gegenstände, sondern „Vermögenswerte“, mithin alle wirtschaftlichen Vorteile, die in Zahlen ausgedrückt werden können. Durch mit Strafe bedrohte Handlungen erlangte geldwerte Dienstleistungen sind vom Begriff „Vermögenswerte“ ebenso erfasst wie ersparte Aufwendungen oder Nutzungen von Gebrauchsvorteilen.
S. 399 - 399, Rechtsprechung
Unechter Vertrag zugunsten Dritter: vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten zugunsten des begünstigten Dritten
Die Spaltung der Rechtsposition zwischen materieller Rechtsträgerschaft und formeller Verfügungsberechtigung beim Versicherungsvertrag für fremde Rechnung hat rein versicherungsrechtliche Gründe und dient vor allem dem Schutz des Versicherers. Ihm ist aber von vornherein klar, dass die Interessen von Dritten, den Versicherten, geschützt werden sollen und ihnen schon nach dem Vertragszweck auch die Hauptleistung zukommen kann. Auch ein solcher unechter Vertrag zugunsten Dritter kann Schutzwirkungen zugunsten des begünstigten Dritten entfalten. Es besteht kein Unterschied zur Interessenlage beim (echten) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
Eine Gebäudebündelversicherung der Wohnungseigentümergemeinschaft entfaltet daher als (unechter) Vertrag zugunsten Dritter Schutz- und Sorgfaltspflichten zugunsten der Versicherten (das heißt der einzelnen Wohnungseigentümer).
Der Berechtigte eines auf einen ideellen Miteigentumsanteil, mit dem Wohnungseigentum an einer bestimmten Wohnung verbunden ist, einverleibten Fruchtgenussrechts übt anstelle des formellen Eigentümers alle Gebrauchs- und Verwaltungsbefugnisse aus und wirkt damit in der Regel auch an dessen Stelle an der Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft mit. Der Fruchtgenussberechtigte ist damit der Beschlussfassung in Angelegenheiten der Verwaltung an Stelle des Eigentümers der ideellen Miteigentumsanteile beizuziehen. Beim Mit- und Wohnungseigentümer verbleiben lediglich jene Befugnisse, die mit den Gebrauchs- und Verwaltungsrechten des Fruchtnießers nicht kollidieren.
S. 404 - 406, Rechtsprechung
Fahrlässige Verletzung der Freiheit der Person oder des Hausrechts als Erfolgsdelikt
§ 303 StGB ist als (verhaltensgebundenes) Erfolgsdelikt konzipiert. Tatbestandserfüllung setzt voraus, dass durch ein der gesetzlichen Handlungsumschreibung (hier: „gesetzwidrige Entziehung der persönlichen Freiheit“) entsprechendes Verhalten eine von diesem (zumindest gedanklich) abtrennbare Wirkung in der Außenwelt herbeigeführt wird. Gesetzesverletzungen bei Entziehung (oder Beeinträchtigung) der persönlichen Freiheit sind nur dann von Bedeutung, wenn sie haftrelevante Vorschriften betreffen.
Liegt dem Beamten gesetzwidrige Entziehung der persönlichen Freiheit zur Last, wird der davon Betroffene nur dann an seinem Recht auf persönliche Freiheit geschädigt, wenn er einen von der Rechtsordnung in der konkreten Situation anerkannten Anspruch, auf freiem Fuß zu bleiben (oder enthaftet zu werden), hat. Tatbildlicher Erfolg ist bloß bei Nichtvorliegen der materiellen Haftvoraussetzungen zur Tatzeit gegeben.
Der Umstand, dass die Stellungnahme einer Partei beim VwG nach Ablauf der von ihm gesetzten Frist eingelangt ist, vermag an der Pflicht, auf Parteivorbringen einzugehen, nichts zu ändern, wenn sich das Schreiben zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses bereits in der Sphäre des VwG befunden hat.
S. 408 - 411, Korrespondenz
§ 303 StGB: Keine Strafbarkeit bei Verfahrensfehlern Bemerkungen zu OGH 03.10.2016, 17 Os 17/16b (17 Os 18/16z)
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