Paul Laband wird öfters als Entdecker des Dogmas der Abstraktheit der Vollmacht genannt. Die Entwicklung der Trennung des Innenverhältnisses (Auftrag) vom Außenverhältnis (Vollmacht) hat allerdings bereits wesentlich früher eingesetzt und wurde durch Laband nur mit besonderer Deutlichkeit und Konsequenz ausgeführt. Das ABGB konnte davon bereits profitieren und geht daher in § 1017 S 3 ABGB von einer getrennten Betrachtung aus. Aus der Bestimmung lassen sich Anhaltspunkte für die Frage gewinnen, unter welchen Voraussetzungen das Innen- auf das Außenverhältnis ausnahmsweise „durchschlägt“. Das ABGB kann daher als Grundlage für die Problematik des Fehlgebrauchs (Missbrauchs) der Vertretungsmacht im Privatrecht herangezogen werden, und zwar auch im Bereich des Unternehmensrechts iwS.
- ISSN Online: 1613-7639
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Inhalt der Ausgabe
S. 681 - 695, Aufsatz
Die Abstraktheit der Vollmacht iS des § 1017 S 3 ABGB als Grundlage für den Fehlgebrauch der Vertretungsmacht im Privatrecht
S. 705 - 708, Rechtsprechung
Zusammensetzung des Disziplinarausschusses nach § 19 VGWG verfassungswidrig
Die Bestimmungen des § 19 VGWG, LGBl 83/2012, betreffend die Zusammensetzung des Disziplinarausschusses (Abs 3 zum Teil, Abs 4 und 5 zur Gänze sowie Abs 6 S 1) sind verfassungswidrig.
Der Disziplinarausschuss nach § 19 VGWG entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art 135 Abs 1 und 2 B-VG, weil lediglich eines der Mitglieder von der Vollversammlung gewählt wird, während die übrigen zwei Mitglieder vom Präsidenten ernannt werden, eines auf Grund freier Entscheidung, eines auf Grund eines bindenden Vorschlages des Dienststellenausschusses.
S. 709 - 711, Rechtsprechung
Keine Auslagerung des Gefährdungsabklärungsverfahrens an das Pflegschaftsgericht
Weder das Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz (B-KJHG) 2013 noch das Wiener Kinder- und Jugendhilfegesetz (WKJHG) 2013 enthält ausdrückliche Bestimmungen zur Einschaltung des Gerichts für den Fall, dass die Erziehungsberechtigten an der Einschätzung des Gefährdungsrisikos nicht mitwirken. Damit ergibt sich keine unmittelbare Grundlage für ein Tätigwerden des Pflegschaftsgerichts im Gefährdungsabklärungsverfahren selbst. Dieses ist vielmehr unmissverständlich dem Kinder- und Jugendhilfeträger zugewiesen (vgl § 3 Z 4 und § 10 Abs 1 B-KJHG 2013). Einer Auslagerung des Gefährdungsabklärungsverfahrens an das Pflegschaftsgericht fehlt es an jeder Rechtsgrundlage.
Soll die Durchführung eines Hausbesuchs im Haushalt eines Elternteils nur zur Abklärung einer solchen Gefährdung erforderlich sein, kommt mangels Gefährdung des Kindeswohls und einer dadurch bedingten Notwendigkeit der Änderung eines bestehenden Zustands eine Verfügung nach § 181 Abs 1 ABGB nicht in Betracht.
§ 33 Abs 1 lit d GBG fordert (mangels Verweises auf § 32 Abs 1 GBG) nicht die genaue Angabe der Liegenschaft, in Betreff deren die Einverleibung erfolgen soll, sodass nach dem formellen Registerrecht die konkrete Bezeichnung der Liegenschaft im Europäischen Nachlasszeugnis (bzw dessen Abschrift) keine zwingende Voraussetzung für eine Einverleibung ist. Der Inhalt eines solchen Zeugnisses richtet sich ausschließlich nach Art 68 EuErbVO, der die darin aufzunehmenden Angaben abschließend regelt und die Bezeichnung der Liegenschaft ebenfalls nicht fordert, sodass allein das Fehlen dieser Angabe die Bewilligung der Einverleibung auf der Grundlage eines solchen Zeugnisses nicht hindert. Der Inhalt des von den Antragstellern vorgelegten Zeugnisses ist damit in formaler Beziehung unbedenklich und lässt auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keine Zweifel aufkommen, weil damit die (widerlegliche) Vermutung verknüpft ist, dass ihre im Zeugnis ausgewiesene Rechtsstellung tatsächlich besteht.
Wertpapiere auf einem Depot oder Guthaben auf einem Konto werden schon dadurch iS von § 943 ABGB, § 1 lit d NotAktsG wirklich übergeben, dass der Geschenkgeber dem Geschenknehmer – etwa durch Begründung einer Mitinhaberschaft – die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einräumt, darüber ohne sein weiteres Mitwirken zu verfügen. Das Einräumen einer ausschließlichen Verfügungsbefugnis ist nicht erforderlich.
S. 718 - 720, Rechtsprechung
Ärztliche Aufklärungspflicht: Selbstbestimmungsrecht und Patientenwohl bei typischem behandlungsimmanentem Risiko
Grundlage für eine Haftung des Arztes oder des Krankenhausträgers wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht ist in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, in dessen körperliche Integrität durch den ärztlichen Eingriff eingegriffen wird. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten von der Rsp von vornherein ein „Nachrang“ nach einer – hier – scheinbar im Patientenwohl liegenden Behandlung zugesonnen würde (hier: Untersuchung eines Karzinoms am Hoden, unzureichende Aufklärung über das Risiko aus einem möglicherweise falschen Testergebnis aufgrund des Schnellschnittverfahrens, Hodenverlust trotz gutartigen Tumors).
Grundsätzlich muss der Arzt nicht auf alle nur denkbaren Folgen einer Behandlung hinweisen. Bei Vorliegen sogenannter typischer Gefahren ist die ärztliche Aufklärungspflicht verschärft. Die Typizität ergibt sich nicht aus der Komplikationshäufigkeit, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist; der uninformierte Patient wird überrascht, weil er nicht mit der aufgetretenen Komplikation rechnete. Diese typischen Risiken müssen erhebliche Risiken sein, die geeignet sind, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen, ohne dass dabei nur auf die Häufigkeit der Verwirklichung dieses Risikos abzustellen wäre.
Den Personalämtern – (unter anderem) beim Vorstand der Österreichischen Post AG (§ 17 Abs 2 Poststrukturgesetz – PTSG) – kommt die Funktion einer obersten Dienst- und Pensionsbehörde unter anderem für die bei der Österreichischen Post AG beschäftigten Beamten zu. Die Republik Österreich hat daher für Maßnahmen der Personalämter nach amtshaftungsrechtlichen Grundsätzen einzustehen.
Für den Kläger, der seine Amtshaftungsansprüche auf die mit dem seiner Ansicht nach rechtswidrigen Ruhestandsversetzungsverfahren verbundene Dienstfreistellung zurückführt, war es von vornherein aussichtslos, die ihm bisher entgangenen Gehaltsbestandteile nachträglich im Verwaltungsweg zuerkannt zu bekommen. Daher liegt, trotz an sich bestehender Rettungspflicht, auch keine Unzulässigkeit des Rechtswegs vor. Daran kann auch der Umstand, dass der Kläger (ersichtlich aus besonderer Vorsicht) auch diesen (ungeeigneten) Verfahrensweg gewählt hat, nichts ändern.
Besteht die Möglichkeit, im dienstrechtlichen Verfahren die Ausstellung eines Bescheids (Verwendungsänderungsbescheid) zu beantragen, der über die Zuweisung des aktuellen „unterwertigen“ Arbeitsplatzes abspricht, diesen Bescheid sodann im bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren zu bekämpfen und damit das angestrebte Rechtsschutzziel zu erreichen, so ist ein solches Vorgehen zumindest abstrakt geeignet, die vom Kläger als „Mobbinghandlung“ angesehene unterwertige Verwendung zu beenden. Daraus folgt die Unzulässigkeit des Rechtswegs.
Die Frage, ob im Licht der Judikatur des EuGH nach Nichtigerklärung einer Vertragsklausel eine ergänzende Vertragsauslegung zulässig ist, kann nicht im Verbandsprozess geklärt werden. Die Zulässigkeit und gegebenenfalls der Inhalt einer zur Lückenfüllung vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung müssen mangels Einigung der Parteien dem Gericht vorbehalten bleiben und erforderlichenfalls im Individualprozess geklärt werden.
Der mit einer „an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit“ festgestellte Ausschluss künftiger Unfallfolgen ist der Feststellung des („gänzlichen“ oder „absoluten“) Ausschlusses gleichzuhalten. Eine derartige Feststellung bedeutet kein Minus gegenüber einem „absoluten“ Ausschluss. Dies könnte ohne wörtliche Übernahme der Diktion des Sachverständigen mit einer (bloß) auf Ausschluss lautenden Tatsachenfeststellung verdeutlicht werden. Denn es kommt für das Feststellungsinteresse nur darauf an, ob die Möglichkeit künftiger Schäden ausgeschlossen ist oder nicht.
Einem nach § 781 ABGB idF des ErbRÄG 2015 Hinzurechnungsberechtigten ist im Hinblick auf § 786 ABGB idF des ErbRÄG 2015 ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme in die relevanten Aktenteile eines Akts, aus dem sich Informationen über die Höhe einer hinzuzurechnenden Schenkung ergeben, grundsätzlich zuzubilligen; ob und in welchem Ausmaß die Akteneinsicht zu gewähren ist, hängt davon ab, inwieweit überwiegende berechtigte Interessen eines anderen oder überwiegende öffentliche Interessen iS des § 26 Abs 2 S 1 DSG 2000 der Akteneinsicht entgegenstehen.
S. 730 - 734, Rechtsprechung
„Naturalrestitution“ bei Anlegerschäden und Bereicherungsausgleich im Insolvenzverfahren
Bei einer „Naturalrestitution“ von Anlegerschäden hat der Schädiger ohne Zahlung keinen Anspruch auf Herausgabe der Wertpapiere, den grundsätzlich die wechselseitige Verpflichtung Zug um Zug sichern soll. § 21 IO ist hier auch nicht analog anzuwenden, weil die Zug-um-Zug-Abwicklung hier keine Sicherungsfunktion wie das Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB hat, sondern eine Form des Bereicherungsausgleichs ist. Ihr Zweck ist nicht die Abwicklung von beiderseitigen Leistungspflichten (den geschädigten Anleger trifft keine Herausgabepflicht), sondern die Schadensberechnung „durch Naturalrestitution“.
Bei einer Zug-um-Zug-Verpflichtung liegt eine unbestimmte Forderung iS des § 14 Abs 1 IO vor. Der Wert einer „Zug-um-Zug-Einschränkung“ eines Schadenersatzanspruchs ist im Insolvenzverfahren daher zu schätzen und – falls nicht null – vom Schadenersatzbetrag abzuziehen.
Die Anmeldung einer Forderung Zug um Zug gegen die Übertragung der Finanzprodukte ist im Insolvenzrecht nicht vorgesehen. Im Falle eines Anspruchs auf Schadenersatz aus fehlerhafter Anlageberatung in Form der „Naturalrestitution“ Zug um Zug gegen Übergabe der unerwünschten Anlage ist der Wert der Finanzprodukte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung von den wegen Fehlberatung aufgewendeten Ankaufskosten abzuziehen und die Differenz als unbedingte Insolvenzforderung anzumelden.
S. 734 - 737, Rechtsprechung
„Autonomie der Gerichtsstandsvereinbarung“: Fehleridentität bei Missbrauch der Vertretungsmacht?
Nach dem Grundsatz der „Autonomie der Gerichtsstandsvereinbarung“ bildet diese eine vom Hauptvertrag unabhängige Übereinkunft. Demnach kann gegen ihre Gültigkeit nicht eingewendet werden, der Hauptvertrag sei ungültig. Dies gilt aber nur dann, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung ihrerseits wirksam zustande gekommen ist, denn es ist möglich, dass Gerichtsstandsvereinbarung und Hauptvertrag ausnahmsweise an demselben Wirksamkeitsmangel leiden („Fehleridentität“). Der Grundsatz der Unabhängigkeit vom Hauptvertrag bedeutet daher nicht, dass auch Streitigkeiten um das Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung als Teil des Hauptvertrags jedenfalls vor dem – scheinbar – prorogierten Gericht auszutragen wären.
Fehleridentität liegt etwa vor, wenn die den Vertrag abschließende Partei nicht handlungsfähig oder nicht rechtswirksam vertreten war oder wenn der Hauptvertrag an einem grundlegenden Fehler in der Willensbildung, wie einem offenen Dissens leidet oder durch Furchterregung erzwungen wurde. Nicht darunter fallen hingegen beispielsweise die Fälle der „Übervorteilung“ nach Art 21 Schweizer Obligationenrecht (entspricht im Wesentlichen dem Wucher nach § 879 Abs 2 Z 4 ABGB), Irrtum oder absichtliche Täuschung, gröbliche Benachteiligung, Sitten- oder Gesetzwidrigkeit sowie Äquivalenzstörungen des Hauptvertrags. Bei Willensmängeln kommt es darauf an, ob auch die Gerichtsstandsvereinbarung bei isolierter Betrachtung von dem geltend gemachten Willensmangel betroffen ist. Auch in Fällen der Fehleridentität gibt es aber keinen Nexus oder ein Junktim zwischen den beiden Unwirksamkeiten, weil sie verschiedene Gegenstände haben.
Im Fall des behaupteten Missbrauchs der Vertretungsmacht ist eine gesonderte Beurteilung der Gerichtsstandsvereinbarung und des Hauptvertrags erforderlich. Ein Missbrauch wäre nur dann relevant, wenn er sich gerade auch auf die Gerichtsstandsvereinbarung bezieht und die Rechtsschutz- bzw Rechtsverteidigungsmöglichkeiten der Partei aus spezifisch prozessualen Gründen durch einen Nachteil von besonderem Gewicht beeinträchtigt.
Der im Zivilverfahren Beklagte (wie auch der im Strafverfahren Angeklagte) handelt grundsätzlich, aber nicht unter allen Umständen in Ausübung eines Rechts iS des § 114 StGB, wenn er zur Abwehr gegen ihn erhobener zivilrechtlicher Forderungen (oder strafrechtlich relevanter Vorwürfe) im entsprechenden Verfahren schriftlich oder mündlich zur Sache Stellung bezieht. Darunter fällt bei grundrechtsbewusstem Verständnis (Art 6 Abs 1 EMRK) nicht nur ein zur entsprechenden Rechtsverfolgung „notwendiges“, sondern jedes Vorbringen, das – ohne Anlegen eines strengen Maßstabs – aus der Sicht eines verständigen Beobachters in der Rolle der Prozesspartei der Aufklärung der Sache (vgl § 232 Abs 2 StPO) dienlich und zur Durchsetzung des eigenen Rechtsstandpunktes zweckmäßig sein kann, sofern es nicht bewusst wahrheitswidrig erstattet wird.
S. 740 - 741, Rechtsprechung
§ 3 Abs 1 VbVG als alternativer Mischtatbestand und die Bemessung der Verbandsgeldbuße im Finanzstrafverfahren
§ 3 Abs 1 VbVG normiert einen alternativen Mischtatbestand, womit es unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion insoweit gleichgültig ist, welche der Tatbestandsvarianten des § 3 Abs 1 VbVG verwirklicht worden ist, das heißt, ob die Tat zugunsten des belangten Verbandes begangen worden ist (§ 3 Abs 1 Z 1 VbVG) oder durch sie Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen (§ 3 Abs 1 Z 2 VbVG).
§ 5 VbVG regelt die Bemessung der „Anzahl der Tagessätze“ und ist auf Verbandsgeldbußen nach dem FinStrG nicht unmittelbar anwendbar. Einer Heranziehung der in § 5 Abs 2 und 3 VbVG genannten Erschwerungs- und Milderungsgründe bei der Bemessung einer nach dem FinStrG zu bestimmenden Verbandsgeldbuße steht nichts entgegen.
S. 741 - 744, Korrespondenz
Einseitige Vertragsergänzung als gesetzwidrige Geschäftspraxis
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