Der vorliegende Beitrag behandelt einige verfahrensrechtliche Fragen zur Anfechtung von verwaltungsbehördlichen und -gerichtlichen Entscheidungen über einen Mandatsverlust gemäß Art 141 B-VG. Dabei wird insbesondere erläutert, dass derartige Verfahren parallel zu einem unmittelbaren Mandatsverlustantrag des Vertretungskörpers an den VfGH möglich sind und dass der Mandatsverlust erst durch eine Entscheidung des VfGH (also nicht ex lege) eintritt.
- ISSN Online: 1613-7639
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Inhalt der Ausgabe
S. 545 - 560, Aufsatz
Die Anfechtung von Entscheidungen zum Mandatsverlust beim Verfassungsgerichtshof
S. 561 - 578, Aufsatz
Mangelhafte Aufsichtsratsbeschlüsse – ein Plädoyer für mehr Orientierungssicherheit
Die Rechtsfolgen mangelhafter Aufsichtsratsbeschlüsse sind weitgehend ungeregelt. Der OGH hat sich insoweit zwar für ein Nichtigkeitsmodell entschieden, die Klage der Aufsichtsratsmitglieder auf Feststellung der Beschlussnichtigkeit aber im Ergebnis nur in Ausnahmefällen zugelassen. Das wurzelt in einem 1953 entwickelten Verständnis von Corporate Governance, das heute herrschend verworfen wird. Die Alternativlösung der dhM („abgeschwächtes Nichtigkeitsmodell“) zeichnet sich vor allem durch eine zeitliche Beschränkung der Befugnis zur Geltendmachung „minderschwerer“ Beschlussmängel aus. Wegen der abweichenden Grundlagen in Österreich, namentlich §§ 41 f GmbHG, § 7 VerG und des Fehlens eines allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Verwirkungskonzepts, plädiert der Beitrag demgegenüber für die (gesamt-)analoge Anwendung des Gesellschafterbeschlussrechts (§§ 195 ff AktG, §§ 41 f GmbHG) auf mangelhafte Aufsichtsratsbeschlüsse. Dieser Ansatz leistet die Zurückdrängung der rechtssicherheitsabträglichen Nichtigkeitsfolge bei stärkerer Anbindung an das positive Recht. Er bietet die Erklärung für die verbreitet gezogenen Parallelen zum Gesellschafterbeschlussrecht und begünstigt die Beschlusssanierungspraxis.
Die die Entscheidung über die Ausschließung von (befangenen) Richtern während oder unmittelbar vor der Hauptverhandlung regelnden Bestimmungen der StPO verstoßen im Hinblick auf die vorgesehenen verfahrensrechtlichen Garantien, insbesondere auf das ordentliche Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde, nicht gegen Art 6 Abs 1 EMRK. Auch ist die an den Antragszeitpunkt geknüpfte unterschiedliche Entscheidungskompetenz nicht gleichheitswidrig und liegt es im gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, eine Anfechtung der Entscheidung über den Ablehnungsantrag erst mit der Enderledigung des Verfahrens vorzusehen.
Die Nichteinrechnung bestimmter Zeiten des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens in die Verjährungsfrist verstößt nicht gegen das Gebot angemessener Verfahrensdauer nach Art 6 EMRK: Gesetzliche Verjährungsfristen dienen in erster Linie anderen Zwecken als der Sicherstellung einer angemessenen Verfahrensdauer, welche durch strafprozessrechtliche Regelungen (etwa über die amtswegige Überprüfung der Dauer des Ermittlungsverfahrens) sichergestellt wird; die Frage der Verletzung des Gebots der angemessenen Verfahrensdauer ist stets im Einzelfall zu beurteilen.
S. 590 - 592, Rechtsprechung
Kein Eigentumserwerb des Bauführers nach § 418 S 3 ABGB ohne „abredewidriges Verhalten“ des Grundeigentümers
Zweck des § 418 S 3 ABGB ist vor allem eine Sanktionierung unredlichen Verhaltens des Grundeigentümers; die Bestimmung will den Versuch eines Teils, den anderen zu benachteiligen, verhindern und setzt daher eine „Willensdiskrepanz“ zwischen Grundeigentümer und Bauführer voraus.
Gestattet der Grundeigentümer dem Bauführer zwar die Errichtung eines Gebäudes auf seinem Grund, will er aber – wie dies insbesondere bei der unwirksamen Vereinbarung eines Superädifikats der Fall ist – erkennbar Eigentümer der Grundfläche bleiben, kommt § 418 S 3 ABGB mangels „abredewidrigen Verhaltens“ des Grundeigentümers nicht zur Anwendung. Für die Anwendbarkeit des § 418 Satz 3 ABGB reicht es nicht aus, wenn der Grundeigentümer bloß mit der Bauführung auf seinem Grund einverstanden ist, ohne „irgendwie“ ein (berechtigtes) Vertrauen des Bauführers auf einen (künftigen) Grunderwerb zu wecken.
S. 593 - 595, Rechtsprechung
Keine Schreibunfähigkeit eines Rechtshänders, der nur noch die linke Hand normal bedienen kann
Generell heißt „nicht schreiben können“ in der NO (hier: in § 68 Abs 1 lit g NO), seine Unterschrift nicht setzen zu können. Eine Partei oder ein Zeuge, der nicht schreiben, wohl aber seinen Namen eigenhändig niederschreiben kann, fällt nicht darunter. Wenn selbst ein Handzeichen von der Partei nicht gesetzt werden kann, ist dies von den Aktszeugen im Notariatsakt – bei sonstigem Verlust der Kraft einer öffentlichen Urkunde – ausdrücklich zu bestätigen. Der Notar hat im Notariatsakt die entsprechenden Feststellungen zu den aufgenommenen Erklärungen der Partei über ihre Schreib(un)fähigkeit zu treffen.
Schreibunfähigkeit iS des § 580 Abs 1 ABGB liegt nicht erst dann vor, wenn eine Unterschrift schlechthin unmöglich ist, sondern schon dann, wenn dem Erblasser eine Unterschrift nur unter solcher Anstrengung möglich wäre, dass es ihm billigerweise nicht zugemutet werden kann. Dies hat gleichermaßen im Anwendungsbereich des § 68 Abs 1 lit g NO für die Beurteilung der Schreibfähigkeit sowie der Fähigkeit, ein Handzeichen zu setzen, zu gelten.
Schreibfähige können sich im Anwendungsbereich der §§ 579, 580 Abs 1 ABGB auch unter Einhaltung der Kautelen des § 580 Abs 1 ABGB nicht eines Handzeichens bedienen. Auch im Anwendungsbereich des § 68 NO besteht im Hinblick auf den von der Norm explizit angedrohten Solennitätsverlust und die nur unter bestimmten Voraussetzungen eröffnete Möglichkeit, an Stelle der Unterschrift ein Handzeichen zu setzen bzw auch auf dieses zu verzichten, keine „Wahlfreiheit“ des Erblassers.
Der eindeutige Wortlaut des § 68 Abs 1 lit g NO stellt auf das (objektive) Vorliegen von Schreibunfähigkeit bzw Unfähigkeit, auch nur ein Handzeichen zu setzen, und nicht auf die Angaben der Partei gegenüber dem Notar ab. Inwieweit der Notar allenfalls zur Überprüfung der Angaben verhalten ist, spielt bei der Beurteilung der Formgültigkeit keine Rolle. Liegen die Voraussetzungen für einen Verzicht auch auf ein Handzeichen objektiv nicht vor, so ist ein solches bei sonstigem Solennitätsverlust unter Einhaltung der Vorgangsweise des § 68 Abs 1 lit g NO beizusetzen.
Es ist unerheblich, mit welchem Körperteil der Erblasser das Schreibgerät führt. Einem Rechtshänder, der die rechte Hand nicht mehr steuern kann, ist eine Paraphe oder die Beifügung von drei Kreuzen mit der linken Hand grundsätzlich zumutbar.
Wurde die Form nicht gewahrt, so führt dies gemäß § 601 ABGB selbst bei klarem und eindeutig erweisbarem Willen des Erblassers zur Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung. Denn der Grundsatz, dass dem wahren erblasserischen Willen zu entsprechen sei, hat dort seine Grenze, wo es sich um Formvorschriften für letztwillige Verfügungen im engeren Sinn handelt. Maßgeblich ist nur der gültig erklärte Wille.
Nach § 19 Abs 2 Sbg BauPolG dürfen bauliche Anlagen nur so verwendet werden, dass die Nutzung in Übereinstimmung mit den raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen steht. Stellt die Baubehörde eine diesen Grundsätzen widersprechende Benützung fest, so hat sie nach § 20 Abs 7 Sbg BauPolG die zur Abstellung der festgestellten Missstände erforderlichen Verfügungen zu treffen, also die Benützung des Objekts zu untersagen. Der Verstoß gegen ein solches Benützungsverbot kann nach § 23 Abs 1 Z 24 Sbg BauPolG mit Verwaltungsstrafen geahndet werden.
Darf ein Chalet aufgrund des Flächenwidmungsplans nicht zu dem im Kaufvertrag vereinbarten Zweck, nämlich zur touristischen Vermietung im Rahmen eines Betreibervertrags verwendet werden, so liegt ein Rechtsmangel vor, weil der Verkäufer dem Käufer nicht die nach dem Vertrag geschuldete rechtliche Position verschafft hat. Dies gilt unabhängig davon, ob die Behörde bereits eingeschritten ist oder nicht, weil eine widmungswidrige Nutzung des Objekts jedenfalls rechtswidrig ist und ein Einschreiten der Behörde deshalb jederzeit zu befürchten ist. Umgekehrt begründet aber die bloße Androhung der Behörde, die Anlage zu schließen und den Beklagten die Nutzung des Chalets zu untersagen, keinen Rechtsmangel, wenn dafür tatsächlich keine rechtliche Grundlage besteht.
S. 596 - 597, Rechtsprechung
Voraussetzungen der Rechtsnachfolge iS des § 9 EO bei der Herausgabeexekution
Eine Rechtsnachfolge iS des § 9 EO auf der Seite der Verpflichteten kann dann vorliegen, wenn die vom Titel erfasste Verpflichtung durch den Erwerbsvorgang auf den Erwerber übergeht. So gehen Ansprüche oder Verpflichtungen, die aus dem Eigentum an einer Liegenschaft abgeleitet werden, grundsätzlich auf den Erwerber der Liegenschaft über. Wird ein Bestandobjekt veräußert, so tritt der Erwerber gemäß § 1120 ABGB in die Position des Bestandgebers ein. Spätestens mit der Einverleibung seines Eigentumsrechts übernimmt der Erwerber die bestehenden Bestandverträge kraft Gesetzes, sodass zur Wirksamkeit des Vertragseintritts weder die Zustimmung noch die Kenntnis des Bestandnehmers erforderlich ist. Es kommt somit zu einer gesetzlichen Vertragsübernahme auf Bestandgeberseite.
Resultiert eine titelmäßige Verpflichtung zur Herausgabe von Geschäftsunterlagen zu Bestandverhältnissen aus der Position als Bestandgeber, in die der Verpflichtete unmittelbar aufgrund des Gesetzes (§ 1120 ABGB) anstelle des bisherigen Schuldners eingetreten ist, dann geht auch die titelmäßige Verpflichtung auf den Verpflichteten über.
S. 597 - 599, Rechtsprechung
Amtshaftung wegen Unterlassung der Verlegung eines Häftlings in einen anderen Haftraum
Auch eine Unterlassung kann eine Behörde zur Haftung verpflichten, wenn sie schuldhaft erfolgt ist. Nach § 102 Abs 1 S 2 StVG ist angemessene Vorsorge dafür zu treffen, dass die Begehung strafbarer Handlungen von und an Strafgefangenen hintangehalten wird. Strafbare Handlungen unter Strafgefangenen sind also keinesfalls hinzunehmen. Den Bund treffen diesen gegenüber vielmehr Schutz- und Fürsorgepflichten. Diese bestehen nicht nur aufgrund gesetzlich angeordneter (konkreter) Handlungspflichten, sondern ergeben sich allgemein aus der Verantwortung des Staats für die ihm anvertrauten Strafgefangenen, wobei insbesondere deren Gesundheit (vgl § 66 Abs 1 StVG) und körperliche Unversehrtheit zu schützen ist.
Im Einzelfall hängen die erforderlichen Schutzmaßnahmen davon ab, inwieweit eine konkrete Gefahr erkennbar war und mit zumutbaren Maßnahmen abgewendet werden hätten können. Maßgeblich für das Entstehen einer Handlungspflicht ist also – bei Fehlen konkreter gesetzlicher Verhaltensvorgaben – die Erkennbarkeit einer naheliegenden und voraussehbaren Gefahr. Je größer eine bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbare potentielle Gefahr für Leib und Leben ist, umso eher muss zur Gefahrenabwehr eingeschritten werden und umso geringer ist das Gewicht, das der Zumutbarkeit von Abwehrmaßnahmen zukommt (hier: Unterlassung der Verlegung des Opfers in einen anderen Haftraum, obwohl die Justizwacheorgane von bereits erfolgten körperlichen Auseinandersetzungen wussten).
Das Unterlassen von Urgenzen begründet im Allgemeinen keinen Verstoß gegen die Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG.
S. 599 - 605, Rechtsprechung
Britische Limited mit Verwaltungssitz in Österreich nach dem Brexit
Das zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (vorläufig) abgeschlossene Handels- und Kooperationsabkommen vom 24.12.2020 regelt insbesondere den Zugang britischer Unternehmen zum Binnenmarkt, gewährt aber keine Rechtsposition, die der Niederlassungsfreiheit in der Ausprägung der EuGH-Rsp zur freien Wahl von Sitz und anwendbarem Gesellschaftsrecht gleichkommt. Aus österreichischer Sicht besteht infolge des Brexit kein Rechtsgrund mehr zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer britischen limited liability company (in Folge: Limited) mit Hauptverwaltungssitz in Österreich als eine solche Limited.
Die Rechtsform einer britischen Limited, die nach europarechtlichen Vorgaben als eigenständiger Rechtsträger anzuerkennen war, bei der diese Anerkennungsgrundlage Brexit-bedingt aber weggefallen ist, ist dann, wenn der Sitz ihrer Verwaltungstätigkeit ein Inlandssitz ist, nach österreichischem Gesellschafterstatut als GesbR anzusehen. Im Fall eines Alleingesellschafters ist von der Zuordnung an ihn als Einzelunternehmer auszugehen (§ 142 UGB analog).
In einem Prozess vor österreichischen Gerichten, in dem eine Limited als Partei auftritt, ist die Parteibezeichnung auf deren (Allein-)Gesellschafter zu berichtigen.
Einsatzfahrzeugen kommt nach § 19 Abs 2 StVO immer der Vorrang zu, gleichgültig woher sie kommen und wohin sie fahren. Der Lenker eines Einsatzfahrzeugs ist nach § 26 Abs 2 StVO nicht an Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen gebunden. § 26 Abs 5 S 1 StVO verpflichtet vielmehr jeden Straßenbenützer, für den das Herannahen eines Einsatzfahrzeugs erkennbar ist, diesem Platz zu machen. Diese Vorrangregelung gilt aber nicht im Anwendungsbereich des § 26 Abs 3 StVO. Bei einer durch Lichtzeichen geregelten Kreuzung ist § 19 StVO nicht anwendbar, hier gelten die §§ 38 und 26 Abs 3 StVO.
Voraussetzung für ein Einfahren in eine Kreuzung trotz Rotlichts, dass die Fahrzeuglenker in jedem Fall vor dem Einfahren anhalten, um sich zu vergewissern, dass sie ohne Gefährdung anderer die Kreuzung durchfahren können. Der Lenker eines Einsatzfahrzeugs, der wegen Rotlichts anhalten muss, darf daher erst dann in die Kreuzung einfahren, wenn er sich überzeugt hat, dass hiebei nicht Menschen gefährdet oder Sachen beschädigt werden. Ein Vorrang gegenüber dem Querverkehr, für den grünes Licht gilt, kommt ihm nicht zu. Eine analoge Anwendung der zu § 19 Abs 7 StVO ergangenen Rsp, nach der sich ein benachrangter Kraftfahrzeuglenker zur Wahrung des Vorrangs des Querverkehrs bei Sichtbehinderung äußert vorsichtig vorzutasten hat, um die notwendige Sicht zu gewinnen, scheidet schon mangels einer für einen Analogieschluss notwendigen Gesetzeslücke aus.
§ 290 EO ist auf Ansprüche auf Beihilfen der COFAG nicht analog anzuwenden.
S. 609 - 612, Rechtsprechung
Aufgabe des Schutzes vor medialer Indiskretion durch Beteiligung an öffentlicher Diskussion
Wer Informationen aus seinem Privatleben bewusst an eine mediale oder sonst große Öffentlichkeit adressiert, hat seinen höchstpersönlichen Lebensbereich verlassen und kann sich nicht mehr auf den Schutz des § 7 MedienG berufen. Dies gilt auch dann, wenn der Betroffene Informationen mit Bezug zum höchstpersönlichen Lebensbereich aus den Medien aufnimmt, sie kommentiert und sich an einer Diskussion über Details seines Intimlebens beteiligt.
Die Vernehmung eines Zeugen unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung ist gemäß § 247a StPO (unter anderem) zulässig, wenn dessen Aufenthaltsort außerhalb des Sprengels des zuständigen Gerichts gelegen ist, soweit der Ankläger und Verteidiger – im Verfahren vor dem Einzelrichter der (unvertretene) Angeklagte – einverstanden sind. Ein die Verlesungen iS des § 252 Abs 1, 2 StPO substituierender Vortrag gemäß § 252 Abs 2a StPO setzt die Zustimmung der Beteiligten des Verfahrens voraus. Aus dem Fernbleiben eines gesetzeskonform geladenen Angeklagten von der Hauptverhandlung kann weder auf die Zustimmung des Angeklagten zur Vernehmung eines Zeugen unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung gemäß § 247a StPO, noch auf die Zustimmung zu einem Vortrag gemäß § 252 Abs 2a StPO geschlossen werden.
Wird jemand wegen einer strafbaren Handlung verurteilt, die er vor Ablauf der Probezeit einer bedingten Nachsicht begangen hat, so hat das erkennende Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs 1 S 1 StGB die bedingte Nachsicht zu widerrufen. Ein Widerruf durch ein sachlich zuständiges Gericht darf nicht erfolgen, wenn die gemäß § 494a Abs 3 StPO vorgesehene Anhörung des Angeklagten und des Bewährungshelfers sowie die Einsicht in die Akten über frühere Verurteilungen unterblieben ist. Dem Angeklagten wird durch die Zustellung des den Widerrufsantrag beinhaltenden Strafantrags ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Dessen darüber hinausgehende Anhörung in der Hauptverhandlung ist für eine Entscheidung gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nicht erforderlich.
Nach dem klaren Wortlaut des § 13 Abs 1 TROG 2022 ist für das Vorliegen eines Freizeitwohnsitzes nicht erforderlich, dass an einem anderen Wohnsitz stärkere familiäre, soziale oder berufliche Beziehungen oder sonstige Anknüpfungspunkte bestehen. Entscheidungsrelevant ist nur, ob der verfahrensgegenständliche Wohnraum der Befriedigung eines ganzjährigen Wohnbedürfnisses dient und dort der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen liegt. Wenn in der Rsp des VwGH in diesem Zusammenhang das „deutliche Übergewicht der beruflichen und familiären Lebensbeziehungen“ genannt wird, dient dies der Feststellung des Mittelpunktes der Lebensbeziehungen. Liegt jedoch diese Kombination aus einem ganzjährigen Wohnbedürfnis verbunden mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen nicht vor, ist von einem Freizeitwohnsitz iS des § 13 Abs 1 TROG 2022 auszugehen.
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