Völker-, unions- und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen für militärische Kooperationen Österreichs
- Originalsprache: Deutsch
- JBLBand 145
- Aufsatz, 13661 Wörter
- Seiten 617 -636
- https://doi.org/10.33196/jbl202310061701
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Militärische Kooperationen mit anderen Staaten oder Organisationen sind neutralitätsrechtlich zulässig, soweit sie in Friedenszeiten stattfinden. Das gilt auch für die Luftraumüberwachung. Allerdings dürfen sich derartige Kooperationen nicht auf einen Kriegs- oder Angriffsfall erstrecken und müssen gegebenenfalls beendbar sein und im Anlassfall auch tatsächlich beendet werden.
In der EU gilt für militärische Kooperationen ein Sonderregime. Demnach sind Beteiligungen an der GASP ungeachtet ihrer neutralitätsrechtlichen Beurteilung verfassungsrechtlich erlaubt. Dies ist das Ergebnis mehrerer seit dem EU-Beitritt 1995 durchgeführter Verfassungsänderungen, durch welche dem NeutralitätsBVG (punktuell) materiell derogiert wurde. Es gilt die „irische Klausel“: Ob Österreich sich an einer solchen Maßnahme beteiligt, ist eine neutralitätspolitische Ermessensentscheidung.
Von dieser Erlaubnis zur Mitwirkung an GASP-Maßnahmen ausgenommen ist die Einführung einer gemeinsamen Verteidigung – auch einer gemeinsamen Luftraumverteidigung – durch die EU. Deren Einführung samt Teilnahme Österreichs würde entweder eine Änderung der EU-Verträge oder einen einstimmigen Beschluss des Europäischen Rates erfordern. Österreichs Zustimmung dazu bedürfte in beiden Fällen einer Verfassungsmehrheit sowohl im National- als auch im Bundesrat.
Kooperationen einschließlich der Errichtung einer Verteidigungsgemeinschaft außerhalb der EU unterliegen weiterhin dem (inhaltlich vagen) Neutralitätsregime vor dem EU-Beitritt. Die Einführung einer im Neutralitätsfall wirksamen Verteidigungsgemeinschaft erfordert, je nach Reichweite, verfassungsrechtlich eine Änderung oder Aufhebung des NeutralitätsBVG. Letzteres gilt jedenfalls für einen allfälligen NATO-Beitritt. Das Änderungs- oder Aufhebungserfordernis gilt auch für eine Verteidigungsgemeinschaft mit anderen EU-Mitgliedstaaten. Einer Volksabstimmung bedürfte es selbst für eine Beendigung der dauernden Neutralität nicht. Eine fakultative Volksabstimmung wäre aber möglich.
Völkerrechtlich wäre die Einführung einer gemeinsamen (Luftraum-)Verteidigung als (weitere) wesentliche Änderung des Neutralitätsstatus Österreichs zu qualifizieren, die je nach Reichweite sogar dessen Beendigung zur Folge haben kann. Soweit ein solcher Schritt durch die EU (Änderung der EU-Verträge oder Beschluss des Europäischen Rates) und unter Fortführung der „irischen Klausel“ gesetzt wird, könnte von einer Notifikation des Schrittes an die Staatengemeinschaft abgesehen werden. Wenn allerdings die „irische Klausel“ abbedungen oder eine Verteidigungsgemeinschaft ohne GASP-Maßnahme errichtet oder ein NATO-Beitritt beantragt wird, wäre eine Notifikation der Veränderung des Neutralitätsstatus an die Staatengemeinschaft geboten. In all diesen Konstellationen wäre ein allfälliger Widerspruch dritter Staaten möglich, der dann zu einem Dissens über die Rechtmäßigkeit der Änderung oder Beendigung der Neutralität führen würde.
- Griller, Stefan
- Obwexer, Walter
- NeutralitätsBVG
- Art 43 EUV
- militärische Kooperation
- Art 50 B-VG
- Art 23j B-VG
- Art 46 EUV
- Öffentliches Recht
- Art 42 EUV
- Luftraumüberwachung
- Art 44 Abs 1 B-VG
- Straf- und Strafprozessrecht
- Europa- und Völkerrecht
- Allgemeines Privatrecht
- JBL 2023, 617
- Abs 3 B-VG
- Neutralität
- Neutralitätspflichten
- Zivilverfahrensrecht
- Art 62 WVK
- Art 23f B-VG
- Arbeitsrecht
- Art 9 Abs 1 B-VG