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Bundespräsidentenwahl, Niederschriften als öffentliche Urkunden, Anklageüberschreitung

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Bei den Niederschriften für den zweiten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl am 22.5.2016 handelt es sich um öffentliche Urkunden. Denn sie wurden von Beamten im Rahmen ihrer Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form errichtet und betrafen mit der Ermittlung des Ergebnisses der (Brief-)Wahl des Bundespräsidenten eine Angelegenheit der Hoheitsverwaltung. Sie sind Bestandteil des Wahlaktes und dienen insgesamt dem Ziel, die Stimmabgabe zweifelsfrei zu dokumentieren, damit verbundene Unklarheiten möglichst zu beseitigen sowie eine nachvollziehbare Zuordnung der Stimmen zu den einzelnen Wahlparteien und die Überprüfbarkeit des Wahlverfahrens beim Verfassungsgerichtshof sicherzustellen. Solcherart waren die Urkunden für den Rechtsverkehr nach außen bestimmt.

Ob das Urteil die Anklage überschreitet, ist anhand des prozessualen Tatbegriffs zu beurteilen. Abzustellen ist also darauf, ob Anklage und Urteil denselben Lebenssachverhalt (dieselbe Tat) meinen. Gegenstand der Anklage war falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt in Bezug auf die „Niederschrift am Tag nach dem Wahltag für den zweiten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl“, welche nach Ansicht der StA im Falle eines Schuldspruchs wegen des (am Vortag begangenen) Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB verdrängt wird. Dass das Erstgericht die Angeklagten der wahrheitswidrigen Beurkundung weiterer, in der Anklage nicht ausdrücklich genannter Umstände schuldig erkannte, stellt den Nichtigkeitsgrund der Anklageüberschreitung nicht her. Denn die Falschbeurkundung aller vom Schuldspruch 2 umfassten Tatsachen erfolgte nach dem Urteilssachverhalt durch Unterfertigung der genannten Niederschrift, sohin durch ein und dieselbe (angeklagte) Tathandlung.

  • JST-Slg 2020/42
  • § 8 StPO
  • Strafrecht- und Strafprozessrecht
  • OGH, 29.04.2020, 14 Os 23/20v
  • § 281 Abs 1 Z 5 StPO
  • § 311 StGB
  • § 10a StPO
  • § 302 StGB

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