Der Bericht in den Medien vor wenigen Wochen, nach dem im so genannten BUWOG-Prozess nicht nur die Hauptverhandlung mit Bild- und Ton aufgezeichnet wurde, sondern auch Zeiten vor Verhandlungsbeginn und Verhandlungspausen, schlug Wellen. Dass Bild- und Tonaufnahmen von Verhandlungspausen rechtlich unzulässig sind, wurde letztlich sogar seitens des Gerichts eingeräumt, wenngleich die Verteidigung für das Verhalten eigenartig klang. Einerseits war davon die Rede, dass es sich um „keine Bild- und Tonaufnahmen“ handelte, sondern um eine „technische Unterstützung für die Protokollführung“ (wo immer der Unterschied auch liegen mag), andererseits wurde gebetsmühlenartig betont, dass sich das Gericht die Aufnahmen nicht angehört habe und nichts in die bisherige Verhandlungsführung eingeflossen sei. Dadurch ergebe sich auch keine Befangenheit. Der folgende Beitrag widmet sich der Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen in der Hauptverhandlung. Dabei wird vorweg festgehalten, dass der Autor von den Verteidigern eines der Beschuldigten auf diese Thematik hingewiesen wurde und in deren Auftrag ein Rechtsgutachten zu dieser Thematik erstattet hat, auf das vor Gericht und den Medien hingewiesen wurde. Da die Thematik nicht nur den genannten Prozess zu betreffen scheint, sondern sich in einer Vielzahl von Verhandlungen, in denen Aufzeichnungen erfolgen, eine ähnliche Problematik ergeben könnte, sollen die zentralen Argumente dargestellt werden. Dabei wird neben der Frage nach der Zulässigkeit von Aufnahmen auch darauf Bezug genommen, inwieweit durch eine unzulässige Aufzeichnung objektiv ein strafbares Verhalten von Gerichtspersonen vorliegen könnte. Der Beitrag soll den Diskussionsprozess über die Verwendung technischer Mittel zur Verfahrensvereinfachung im Bezug zu den Grundrechten der Verteidigung bereichern.
- ISSN Online: 2312-1920
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Inhalt der Ausgabe
S. 293 - 300, Aufsatz
Die Zulässigkeit von Ton- und Bildaufnahmen einer Hauptverhandlung in Spannungsfeld zwischen Erforderlichkeit und Fairness
Durch Inkrafttreten der DSGVO Mitte 2016 ist das Datenschutzrecht als eigene Rechtsmaterie (noch mehr) in den Mittelpunkt des juristischen und öffentlichen Interesses gerückt. Dies hatte den durchaus positiven Effekt, dass zahlreiche Unternehmen und auch öffentliche Stellen seither wesentlich sensibler mit personenbezogenen Daten umgehen.
Wenig Beachtung in Wissenschaft und Praxis fanden die zeitgleich eingeführten Änderungen im Strafprozess: Durch Änderungen in der StPO mit BGBl I 2018/32 als auch im DSG mit BGBl I 2018/24 wurden Betroffenenrechte in Bezug auf in Strafverfahren verarbeitete personenbezogene Daten präzisiert. Gerade aufgrund deren gesetzlicher Funktion, eben gerade auch personenbezogene Daten zu ermitteln und zu verwerten, verdient der rechtliche Rahmen eine genauere Betrachtung.
OGH 13 Os 115/18z-21 qualifiziert die unentgeltliche Übertragung von 6 Zins-Swaps (die im Zeitpunkt ihrer Übertragung einen negativen Barwert hatten) durch die Stadt an das Land Salzburg als Untreue. § 153 Abs 2 StGB definiert die Untreue (Befugnismissbrauch) ganz unbestimmt als „unvertretbaren Verstoß gegen solche Regeln, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen“. Diese Definition verbindet einen Verweis auf außerstrafrechtliche Regeln mit einem inhaltsleeren, unbestimmten Rechtsbegriff. Diese tatbestandliche Ungenauigkeit verstößt gegen § 1 StGB und Art 7 Abs 1 1. Satz EMRK und damit gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Grundsatz der Gewaltenteilung. Sogar der Vertreter, der die Interessen seiner Partei gewahrt und ein vorteilhaftes Geschäft abgeschlossen hat, wird in Haftung genommen: Jetzt nicht wegen eigener Untreue, sondern wegen Beitragstäterschaft zur Untreue des Bevollmächtigten auf der anderen Vertragsseite. Der OGH spricht in diesem Zusammenhang von einem „abgesprochenen Zusammenwirken, ... das von der Rechtsordnung nicht geduldet wird“. Belegt wird dies allein mit dem Zitat eines Senatsurteils, das einen Kollusionsfall betraf, in dem die Vertreter überhöhte Preise und Kickbacks vereinbart hatten.
Die rechtsdogmatischen Grenzen der Strafbarkeit beschäftigen seit jeher die Rechtslehre. Die Sozialadäquanz spielt für die Grenzen der Strafbarkeit – und zwar bereits auf deren Anfangsseite, dh für die Begründung einer solchen – eine konstitutive Rolle. Ihre Definition, ihr Wesen und ihre Einstufung sind aber, ebenso wie andere dogmatische Ansätze zur Einschränkung übermäßiger Strafbarkeitsausuferung, Gegenstand unterschiedlicher und kontroverser Interpretationen. Diese werden im gegenständlichen Beitrag beleuchtet.
Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz (StRÄG) 2018 ergänzte der Gesetzgeber in Umsetzung der RL (EU) 2017/541 die Terrorismustatbestände des StGB um ein weiteres Vorbereitungsdelikt, das Reisen für terroristische Zwecke nach § 278g StGB. Dieser Beitrag untersucht den Beginn der Versuchsstrafbarkeit und den Zeitpunkt der Vollendung bei § 278g StGB. Besondere Berücksichtigung finden dabei die Eigenschaft des § 278g StGB als Vorbereitungsdelikt und der Normzweck, die Bestrafung und Bekämpfung von Foreign Fighters. Weiters wird darauf Bedacht genommen, dass nun eine an sich sozialadäquate Handlung pönalisiert ist und das Unrecht dabei allein durch die Gedanken des oder der Reisenden begründet wird.
S. 330 - 332, Aufsatz
Die Einwirkungen der COVID-19 Pandemie auf das Finanzstrafrecht
Unmittelbar nach Einführung der Ausgangsbeschränkungen wegen der COVID-19 Pandemie am 16.3.2020 wurden in durchaus bemerkenswerter Raschheit Regelungen betreffend Fristunterbrechungen von bestimmten Fristenläufen des Finanzstrafrechts beschlossen und mittels 2. COVID-19-Gesetzes bereits am 21. März 2020 im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Im Gleichklang mit den Regelungen des Abgabenrechts (BAO) wurde – rückwirkend ab 15.3.2020 – im Verordnungswege zugelassen, dass – entgegen der Grundsatzbestimmung des § 56 Abs 2 FinStrG – bestimmte Anbringen ausnahmsweise auch in Form eines E-Mails an corona@bmf.gv.at eingebracht werden können. Ebenfalls im Verordnungswege wurden besondere Vorkehrungen im Anwendungsbereich des StVG getroffen, wonach es auch in diesem Bereich zu einer Unterbrechung von Fristen kommt, die entweder nach dem 22.3.2020 beginnen oder zum 22.3.2020 noch nicht abgelaufen waren. Diese Fristen werden bis zum 30.4.2020 unterbrochen und beginnen am 1.5.2020 wieder neu zu laufen. Diese Regelung hat insbesondere Auswirkungen auf den Strafantritt betreffend verhängte Freiheitsstrafen bzw – mangels Bezahlung der Geldstrafe – von Ersatzfreiheitsstrafen sowie elektronisch überwachten Hausarrest gem § 156b FinStrG und die Erbringung von gemeinnützigen Leistungen gem § 179 Abs 3 FinStrG. In weiterer Folge wurden durch das 3. COVID-19-Gesetz einerseits weitere Fristen in die Unterbrechung des Fristenlaufs miteinbezogen, die durch die COVID-19 Pandemie betroffen sind, und andererseits die Begleitregelungen zur Verschiebung der Organisationsreform der Finanzverwaltung beschlossen, welche sowohl das Inkrafttreten der Organisationsreform auf 1.1.2021 verschieben als auch Zuständigkeitsregelungen für Verfahren enthalten, die bereits vor dem Inkrafttreten der Organisationsreform bei den Strafverfolgungsbehörden anhängig waren. Ganz aktuell wurden mit dem 2. Finanz-Organisationsreformgesetz neben den Anpassungen des FinStrG an die neue Organisationsreform auch Übergangsregelungen für vor dem Inkrafttreten der Organisationsreform begangene Finanzvergehen getroffen. Der große Bereich der großen Organisationsreform der Finanzverwaltung – insbesondere der Schaffung eines eigenständigen Amts für Betrugsbekämpfung (ABB) – ist wegen seines Umfangs einem eigenen Beitrag vorbehalten, der in einer der nächsten Ausgaben erscheinen wird.
S. 333 - 337, Judikatur
Besetzungsrüge bei fehlerhafter Geschäftseinteilung des Erstgerichts Sexualstraftaten als Anknüpfungstaten der fortgesetzten Gewaltausübung; Konkurrenz
Nichtigkeit gem § 281 Abs 1 Z 1 StPO liegt nur vor, wenn der Beschwerdeführer nach dem Zweck des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG iVm Art 6 Abs 1 EMRK) schutzbedürftig ist. Ein Verstoß gegen die Geschäftsverteilung oder ein Fehler der Geschäftsverteilung führt also ungeachtet des Umstands, dass er – bei Einhaltung der Rügeobliegenheit – zum Gegenstand oberstgerichtlicher Prüfung werden, also prozessförmig geltend gemacht werden kann, nur dann zur Urteilsaufhebung, wenn er eine Unfairness gegenüber dem Beschwerdeführer erkennen lässt, und entzieht sich solcherart einer bloß schematischen Beurteilung.
S. 337 - 341, Judikatur
Ersatzfähigkeit der Kosten gem § 393a StPO für die Beiziehung eines Privatgutachters
Eine Privatexpertise ist dann prozessual beachtlich, wenn sie zur Kontrolle des Gutachtens staatsanwaltschaftlich oder gerichtlich bestellter Sachverständiger eingesetzt wird, nämlich bei einer darauf gestützten Antragstellung auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen zum Nachweis von Unklarheiten, Widersprüchen, methodischen Mängeln oder logisch unhaltbaren Schlussfolgerungen in Befund und Gutachten des staatsanwaltschaftlich oder gerichtlich bestellten Sachverständigen und zur Vorbereitung und Unterstützung der Befragung des Sachverständigen durch den Angeklagten in der Hauptverhandlung.
Ersatzfähig sind die Kosten der Beiziehung eines Privatexperten im Zuge der Erörterung des Sachverständigengutachtens in der Hauptverhandlung, wobei diese neben den Kosten für die tatsächliche Teilnahme des Experten an der Hauptverhandlung auch den Aufwand für eine angemessene Vorbereitung des Privatexperten beinhalten.
S. 341 - 344, Judikatur
Bundespräsidentenwahl, Niederschriften als öffentliche Urkunden, Anklageüberschreitung
Bei den Niederschriften für den zweiten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl am 22.5.2016 handelt es sich um öffentliche Urkunden. Denn sie wurden von Beamten im Rahmen ihrer Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form errichtet und betrafen mit der Ermittlung des Ergebnisses der (Brief-)Wahl des Bundespräsidenten eine Angelegenheit der Hoheitsverwaltung. Sie sind Bestandteil des Wahlaktes und dienen insgesamt dem Ziel, die Stimmabgabe zweifelsfrei zu dokumentieren, damit verbundene Unklarheiten möglichst zu beseitigen sowie eine nachvollziehbare Zuordnung der Stimmen zu den einzelnen Wahlparteien und die Überprüfbarkeit des Wahlverfahrens beim Verfassungsgerichtshof sicherzustellen. Solcherart waren die Urkunden für den Rechtsverkehr nach außen bestimmt.
Ob das Urteil die Anklage überschreitet, ist anhand des prozessualen Tatbegriffs zu beurteilen. Abzustellen ist also darauf, ob Anklage und Urteil denselben Lebenssachverhalt (dieselbe Tat) meinen. Gegenstand der Anklage war falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt in Bezug auf die „Niederschrift am Tag nach dem Wahltag für den zweiten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl“, welche nach Ansicht der StA im Falle eines Schuldspruchs wegen des (am Vortag begangenen) Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB verdrängt wird. Dass das Erstgericht die Angeklagten der wahrheitswidrigen Beurkundung weiterer, in der Anklage nicht ausdrücklich genannter Umstände schuldig erkannte, stellt den Nichtigkeitsgrund der Anklageüberschreitung nicht her. Denn die Falschbeurkundung aller vom Schuldspruch 2 umfassten Tatsachen erfolgte nach dem Urteilssachverhalt durch Unterfertigung der genannten Niederschrift, sohin durch ein und dieselbe (angeklagte) Tathandlung.
Im Fall einer § 27 Abs 1 und 2 SMG subsumierbaren Tat ist die vorläufige Einstellung des Verfahrens durch das Gericht nach § 37 iVm § 35 Abs 1 SMG an keine Überlegungen zur Schwere der Schuld oder zur Prävention geknüpft und unabhängig von der Verurteilung anderer, mit dem SMG nicht im Zusammenhang stehender Straftaten wahrzunehmen.
Versuchte Erzeugung von Suchtgift iS des § 28a Abs 1 1. Fall SMG erfordert eine dem Abschneiden der Cannabispflanzen unmittelbar vorangehende Handlung.
Ausführungshandlung des Erwerbs von Suchtgift ist die Erlangung des Gewahrsams am Suchtgift. Wenn nicht geplant war, dass der Suchtgiftverkäufer das Suchtgift, das erworben werden soll, zum Treffen mit dem Erwerber mitbringt und dort übergibt, fehlt es an einer ausführungsnahen Handlung zum Erwerb von Suchtgift.
S. 347 - 348, Judikatur
Kathsträucher, Cathin, Cathinon, Suchtgift, psychotroper Stoff
Das in den Zweigspitzen und jungen Blättern von Kathsträuchern enthaltene Cathin ist ein psychotroper Stoff iS des SMG, das darin enthaltene Cathinon ist ein Suchtgift iS des SMG. Die Einfuhr von Kathsträuchern verwirklicht daher die Vergehen gem § 30 Abs 1 5. Fall (bzw § 31a Abs 1 2. Fall) SMG und § 27 Abs 1 Z 1 5. Fall (bzw § 28a Abs 1 1. Fall) SMG.
Gem § 167 Abs 1 StVG ist § 144 StVG – im Gegensatz zur Bestimmung des § 126 StVG – nicht auf im Maßnahmenvollzug angehalten Personen anzuwenden. (1)
Wenn der Beschwerdeführer im Ansuchen erkennbar eine Vollzugslockerung anstrebt, kann der Umstand, dass eine für ihn unanwendbare Bestimmung angeführt wird, die Behörde nicht davon entbinden, über das Ansuchen meritorisch zu entscheiden. (2)
Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei (§ 71 Abs 1 Z 2 StVG). Nach der Rechtsprechung kann eine Rechtsmittelbelehrung aber auch schon dann Anlass für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sein, wenn sie nicht eindeutig falsch, aber irreführend ist. Maßgeblich dafür ist, ob sich die Rechtsmittelbelehrung für einen juristischen Laien bzw eine mit den Verwaltungsvorschriften nicht vertraute Person als irreführend darstellt. (1)
Vom Antragsteller darf erwartet werden, dass er aktiv am Erhebungsverfahren mitwirkt und allfällige Änderungen von für den elektronisch überwachten Hausarrest wesentlichen Umständen (Adresse, temporäre Abwesenheit) nach Einbringung des Antrags umgehend und unaufgefordert der zuständigen Behörde mitteilt. Unterlässt der Antragsteller derartige Mitteilungen, und ist er im Erhebungsverfahren für die Justizbehörden nicht greifbar, darf dieser Umstand in das Kalkül der vorzunehmenden Prognoseentscheidung (§ 156c Abs 1 Z 4 StVG) einfließen (2)
Die Beschwerde hat die angefochtene Entscheidung, Anordnung oder das Verhalten zu bezeichnen und die Gründe für die Erhebung der Beschwerde, soweit sie nicht offenkundig sind, darzulegen.
Auch die formellen Grundvoraussetzungen für eine Ausgangsgewährung gem § 147 StVG (hier: Anhaltung in Strafhaft) müssen im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Für eine bedingte Bewilligung bleibt kein Raum, zumal sich § 99 Abs 5 (iVm § 147 Abs 2 StVG) nicht auf formelle, sondern ausschließlich auf inhaltliche Bedingungen bezieht.
1. Die abgabenrechtlichen Offenlegungs- Wahrheits- und Anzeigepflichten verletzen bzw beschränken das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung (Nemo-tenetur-Prinzip) gem Art 6 EMRK nicht: Der Beschuldigte müsse zwar den Gesamtbetrag seiner Einkünfte bekannt geben, nicht aber, dass die zusätzlichen Einkünfte aus einer Straftat stammen.
2. Ergibt sich eine Abgabepflicht aus einer für einen steuerlichen Laien nicht vorhersehbaren steuerlichen Sonderkonstellation, ist aufgrund des im Finanzstrafverfahren anzuwendenden Zweifelsgrundsatzes idR der Nachweis eines vorsätzlichen oder allenfalls grob fahrlässigen Verhaltens nicht zu führen, vorausgesetzt aus den Lebensumständen des Abgabepflichtigen ist kein entsprechendes steuerliches Spezialwissen abzuleiten.
S. 354 - 355, Judikatur
Keine Abgabenhinterziehung bei Entdeckung und korrigierender Festsetzung vor Fälligkeit
1. Wird die unrichtige Berechnung einer Umsatzsteuervorauszahlung vor Einreichung einer unrichtigen Voranmeldung mittels Außenprüfung entdeckt und die Zahllast noch vor Fälligkeit mit Bescheid festgesetzt, entfällt die abgabenrechtliche Verpflichtung zur Einreichung einer Umsatzsteuervoranmeldung. Dies gilt auch dann, wenn sich die Festsetzung nachträglich als unrichtig herausstellen sollte.
2. Liegt die Ursache der zu niedrigen Festsetzung vor Fälligkeit darin, dass die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bei dieser Außenprüfung vorsätzlich verletzt wurde, um eine zu niedrige Festsetzung der Vorauszahlung an Umsatzsteuer herbeizuführen, erfüllt dies den Tatbestand einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 51 Abs 1 lit a FinStrG.
3. Insgesamt lägen allenfalls Vorbereitungshandlungen für die Hinterziehung der Umsatzsteuer für das diesbezügliche Veranlagungsjahr nach § 33 Abs 1 FinStrG vor. Unterlässt der Abgabepflichtige vorsätzlich die Richtigstellung auch im Zuge der Jahressteuererklärung, wäre der Tatbestand nach § 33 Abs 1 FinStrG erfüllt.
S. 356 - 356, Judikatur
Die Staatsanwaltschaft muss in der Anklage nicht jedes Ermittlungsergebnis würdigen
S. 357 - 357, Judikatur
Kein Recht auf zweite Rechtsmittelschrift bei Nichtigkeitsbeschwerde vor Urteilszustellung
S. 359 - 360, Judikatur
Zur Medieneigenschaft einer und Medieninhaberschaft für eine WhatsApp-Kommunikation
1. Nach § 1 Abs 1 Z 1 MedienG ist ein Medium jedes Mittel zur Verbreitung von Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt in Wort, Schrift, Ton oder Bild an einen größeren Personenkreis im Wege der Massenherstellung oder der Massenverbreitung. Die Auslegung dieser Begriffsbestimmung hat sich grundlegend daran zu orientieren, dass § 1 Abs 1 Z 1 MedienG demnach auf Formen der Massenkommunikation, nicht aber der Individualkommunikation abstellt (vgl Berka, Das Recht der Massenmedien [1989] 104 f; 4 Ob 4/13m).
In diesem Sinn liegt Massenverbreitung dann vor, wenn ein Inhalt durch ein und dasselbe Kommunikationsmittel gleichzeitig von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden kann, sodass etwa (einzelne) E-Mails oder Internetchats zwischen zwei Personen oder innerhalb einer geschlossenen Gruppe von wenigen, einander persönlich bekannten und miteinander kommunikativ individuell verbundenen Teilnehmern (etwa auch über WhatsApp) – als Individualkommunikation in einem engen, individuell begrenzten Personenkreis mit internem Bezug – keine Medien darstellen (vgl Koukal in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Praxiskommentar MedienG4 § 1 Rz 11 und 12). Demgegenüber erfüllen „Massen-E-Mails“ – die solcherart als nicht bloß singuläre elektronische Mitteilung an nur einen oder nur wenige Empfänger das Merkmal der Massenverbreitung verwirklichen – die Kriterien eines Mediums (vgl ErläutRV 784 BlgNR 22. GP 4 f; Rami in WK2 MedienG § 1 Rz 1/2 und 13 mwN).
Auch für die Einordnung einer WhatsApp-Kommunikation als Medium (§ 1 Abs 1 Z 1 MedienG) ist gemäß den zuvor dargelegten Grundsätzen nach den im Folgenden genannten, im Sinne eines beweglichen Systems gegeneinander abzuwägenden Kriterien (vgl OLG Wien 18 Bs 81/15s = MR 2015, 188; OLG Wien 17 Bs 283/18v; Gw 450/15g; eingehend instruktiv Koukal in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Praxiskommentar MedienG4 § 1 Rz 7 und 10; Rami in WK2 MedienG § 1 Rz 1/2) neben der Größe des erreichbaren Personenkreises auch die ex-ante-Bestimmbarkeit des – nämlich nach der Intention entweder individuell abgegrenzten oder aber nicht durch individualisierende Merkmale determinierten – Adressatenkreises sowie die angestrebte Kommunikationsbeziehung, dh ein „organisatorischer Sachverhaltsbezug“ von Inhalt und Absender zum Empfänger, zu berücksichtigen.
Bei der nach diesen Kriterien im Einzelfall vorzunehmenden Abgrenzung der Individual- von der Massenkommunikation ist grundlegend zu beachten, dass das Phänomen der „Masse“ durch die zahlenmäßige Vielheit und die mangelnde Individualität und Eigenständigkeit deren Angehörigen gekennzeichnet ist (vgl Koukal in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Praxiskommentar MedienG4 § 1 Rz 11), der Begriff der „Masse“ somit das Gegenstück zu jenem des „Individuums“ darstellt. Gemäß diesem Massenphänomen ist mit der steigenden Zahl an simultan angesprochenen Kommunikationsempfängern in der Regel eine entsprechende Verringerung der Individualität der Kommunikation verbunden, sodass im Sinne des zuvor dargelegten beweglichen Systems ein entsprechend großer Rezipientenkreis einer zwar numerisch, nicht aber mehr individuell abgegrenzten Gruppe den Ausschlag für die Annahme einer Massenkommunikation (§ 1 Abs 1 Z 1 MedienG) geben kann.
Dem hier zu entscheidenden Fall (§ 28 Abs 1 dritter und vierter Satz StPO) liegt der Verdacht zugrunde, der Verdächtige habe sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem er als Teilnehmer der insgesamt 157 Personen umfassenden WhatsApp-Gruppe mit der Bezeichnung „SendStickers“ mehrere den Nationalsozialismus verherrlichende, vorteilhaft darstellende und dessen Verbrechen verharmlosende Bilder und Texte einstellte.
Nach den für die Zuständigkeitsprüfung maßgeblichen (vgl Nordmeyer, WK-StPO § 26 Rz 8) bisherigen Ermittlungsergebnissen ist vorliegend zwar von einer numerisch geschlossenen Gruppe an Teilnehmern auszugehen, doch ist eine über den Austausch von diversen (auch strafrechtlich nicht relevanten) „Stickern“ hinausgehende Beziehung zwischen den Kommunikationsteilnehmern dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Dieser Gegenstand der weder in persönlicher noch in sachlicher Hinsicht individualisiert geführten Kommunikation und die vorliegend exzeptionell große Zahl an Gruppenteilnehmern deutet vielmehr auf den Austausch innerhalb einer intentional nicht nach Einzelpersonen abgegrenzten, sondern potentiell offenen Gesinnungsgemeinschaft im Sinne einer Massenkommunikation hin. Bei Abwägung der genannten Kriterien ist daher vorliegend von einem Medium im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 MedienG auszugehen. Die Übermittlung der inkriminierten „Sticker“ im Wege der gegenständlichen WhatsApp-Gruppe ist somit als Medieninhaltsdelikt (§ 1 Abs 1 Z 12 MedienG) anzusehen.
2. Die – als Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit bei Vorliegen eines Medieninhaltsdelikts maßgebliche (§ 40 Abs 1 MedienG) – Medieninhaberschaft (§ 1 Abs 1 Z 8 MedienG) kommt indes nicht den Administratoren der WhatsApp-Gruppe, sondern dem jeweiligen Aussender der Nachrichten zu:
Für die Medieninhaberschaft (in sämtlichen Unterfällen des § 1 Abs 1 Z 8 MedienG mit Ausnahme des Mediendienstes [lit a zweiter Fall leg cit]) ist das Kriterium der Besorgung der inhaltlichen Gestaltung des Mediums essentiell. Medieninhaber ist demnach, wem die inhaltliche und redaktionelle Letztverantwortung für die verbreiteten Inhalte zukommt (Rami in WK2 MedienG § 1 Rz 47 mwN).
Eine über den Messenger-Dienst WhatsApp gesendete Nachricht entspricht im Grunde einer E-Mail-Aussendung an einen oder (bei Gruppen-Chats) mehrere Adressaten. Fallbezogen sind die gesendeten Nachrichten aufgrund der Größe des Empfängerkreises und der Art der Kommunikationsbeziehung mit „Massen-E-Mails“ (als Medium iSd § 1 Abs 1 Z 1 MedienG) vergleichbar, in welchem Fall der Versender zugleich auch Medieninhaber (§ 1 Abs 1 Z 8 lit d MedienG) ist.
Anders als der Inhaber eines Facebook-Profils oder der Betreiber eines Online-Diskussionsforums, deren Medieninhaberschaft maßgeblich darauf gründet, dass sie ua die Befugnis haben, jeden Kommentar ganz zu löschen oder für andere User unsichtbar zu machen (vgl 15 Os 14/15w; vgl auch Koukal in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Praxiskommentar MedienG4 § 1 Rz 30g und 30h), hat (nach dem Ergebnis einer Internet-Recherche [s https://faq.whatsapp.com]) der Administrator einer WhatsApp-Gruppe keine Möglichkeit, einzelne von anderen Gruppenmitgliedern gesendete Nachrichten (für andere Teilnehmer) zu löschen (und kann diese auch nicht – insoweit freilich nicht anders als der Administrator der Facebook-Seite in Bezug auf dort gepostete Nachrichten – vor der Übermittlung an andere Teilnehmer überprüfen). Demgegenüber vermag der Umstand allein, dass der Administrator der WhatsApp-Gruppe einzelne (oder zwecks Löschung der Gruppe: alle) Teilnehmer der Gruppe „entfernen“ kann, die Medieninhaberschaft ebenso wenig zu begründen wie seine Befugnis, (neue) Teilnehmer zu einer Gruppe hinzuzufügen, zumal die Administratoreneigenschaft beliebig an andere Gruppenmitglieder (ohne deren Zustimmung) vergeben werden kann und bei Austritt des einzigen Administrators aus der Gruppe sogar per Zufallsprinzip einem anderen (verbleibenden) Mitglied zukommt.
Eine inhaltliche Letztverantwortung des Administrators in Bezug auf die in der Gruppe versendeten Inhalte ist aus alldem nicht abzuleiten; diese kommt vielmehr dem jeweiligen Aussender der Nachrichten zu, der daher für diese Medieninhaber ist.