Mit 1.1.2016 sind insbesondere das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 und das JGG-Änderungsgesetz 2015, BGBl I 2015/154, in Kraft getreten. Letzteres enthält auch einige Änderungen des StGB, die erst im Justizausschuss dazu gekommen sind und vor allem Redaktionsversehen betreffen. Die Änderung des § 84 Abs 5 StGB ist jedenfalls keine Fehlerbeseitigung. Die Regierungsvorlage zu einem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2015 liegt im Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrages noch nicht vor. Eine derzeit im Begutachtungsverfahren befindliche Novelle ua des Rechtspraktikantengesetzes betrifft die Verlängerung des „Gerichtsjahres“ von fünf auf sieben Monate.
- ISSN Online: 2312-1920
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Inhalt der Ausgabe
S. 93 - 93, Aktuelle Gesetzesvorhaben
Echte und vermeintliche Redaktionsversehen, Gerichtsjahr
Der Beitrag befasst sich mit dem Verhältnis der (konsequenten) Strafverteidigung in allen Verfahrensstadien einerseits, zum Grundsatz der materiellen Wahrheit im Strafverfahren andererseits und beleuchtet anhand mehrerer Causen aus der Rechtsprechung die dabei auftretenden Probleme für die Beteiligten.
Aus § 89 Abs 2b StPO wird von der hM eine generelle Neuerungserlaubnis im Verfahren über Beschwerden gegen gerichtliche Beschlüsse abgeleitet. Insoweit soll untersucht werden, ob diese pauschale Sichtweise nicht zu weit geht, sondern richtigerweise vielmehr eine (zumindest teilweise) Rückführung auf das früher vorherrschende Modell eines weitgehenden Neuerungsverbotes (mit historisch betrachtet variablem Umfang) geboten ist.
S. 109 - 113, Aufsatz
Selbstmord oder Fremdtötung: Unrecht, Abgrenzung und StRÄG 2015
Die Strafbarkeit der Mitwirkung am Selbstmord beschäftigt die Strafrechtswissenschaften seit vielen Jahren. Fragestellungen reichen vom Strafgrund über das Wesen des Deliktes bis zur konsequenten Abgrenzung. Dieser Beitrag versucht nicht nur den Unrechtsgehalt des § 78 StGB zu erkunden, sondern auch auf Änderungsvorschläge einzugehen und das Verhältnis zu erfolgsqualifizierten Delikten unter Berücksichtigung des StRÄG 2015 zu beleuchten.
Dieser Beitrag stellt die wichtigsten Ergebnisse der Strafenpraxis bei Jugendlichen in Österreich seit 1989 dar. Er beruht auf einem Vortrag, den der Verfasser am 14.10.2015 auf der 30. Tagung der österreichischen Jugendrichter in Gamlitz gehalten hat. Neben der Entwicklung für ganz Österreich wird auch die – teilweise höchst unterschiedliche – regionale Strafenpraxis bei Jugendlichen in Österreich analysiert.
S. 123 - 131, Aufsatz
Diversion im Jugendstrafverfahren: Tschechisch-Österreichischer Vergleich
Einer der zentralen Charakteristika des modernen Strafrechts ist die Schaffung von Möglichkeiten für die Anwendung der Diversion im Strafverfahren bei der Lösung weniger schwerwiegender Straftaten. Dies gilt in höherem Maße für die Straffälligkeit der jugendlichen Täter. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die tschechische Regelung der Diversion im Jugendstrafverfahren und bietet einen Vergleich mit der entsprechenden österreichischen Regelung.
S. 132 - 138, Aufsatz
Sachverständige im Strafverfahren – Eine unendliche Geschichte
Der Beitrag beleuchtet die seit längerem kontrovers diskutierte und praktisch aktuelle Frage der Bestellung von Sachverständigen im Strafverfahren vor dem Hintergrund des StPRÄG 2014, des VfGH-Erkenntnisses vom 10.3.2015 sowie der jüngsten Rspr des EGMR.
S. 139 - 144, Aufsatz
„Dies diem docet“ – Ein Tag lehrt den anderen. Oder: Insolvenz(straf-)rechtliche Fragestellungen aus der Sicht der Wirtschaftsforensik!
Im Fokus der Analyse der Wirtschaftsforensik steht die objektive Betrachtung eines in der Vergangenheit stattgefundenen Sachverhalts, dem ein potentielles Fehlverhalten zugrunde liegt. Der Einsatz von forensischen Analysen gelangt insbesondere beim Verdacht auf Vermögensverschiebungen zur Anwendung. Dies kann vor allem für Unternehmen in einer Krise oder wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde von Relevanz sein. (Computer-)forensische Untersuchungsmethoden tragen dazu bei, Unternehmensvertretern, Insolvenzverwaltern und Rechtsvertretern einen detaillierten Einblick in bestimmte Aspekte der Vermögenslage des Unternehmens zu verschaffen und Aufschluss über Ursachen der Krise sowie mögliche Fehlverhalten im Unternehmen zu geben.
S. 145 - 147, Aufsatz
Änderungen im Finanzstrafgesetz durch das Steuerreformgesetz 2015/2016
Wie im letzten Beitrag angekündigt, werden die durch das Steuerreformgesetz 2015/2016 bedingten Änderungen bezüglich der Erweiterung der Rechte der Finanzstrafbehörden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens (Untersuchungsverfahrens), die Etablierung eines Rechtsschutzbeauftragten sowie die Auswirkungen der Neuregelungen des Kontenregisters und der Konteneinsicht in diesem Beitrag fortgesetzt.
S. 148 - 153, Aufsatz
Hirst vs Delvigne: Wendepunkt für das aktive Wahlrecht von Straftätern in der EU?
„Die Würde des Menschen, scheint mir, besteht in der Wahl.“
Max Frisch
S. 154 - 158, Aufsatz
Absprachen im italienischen Strafprozess – eine kritische Bestandsaufnahme
Die Diskussion zu den Absprachen im Strafprozess wird in Österreich lebhaft und kontrovers geführt. Die italienische Strafprozessordnung blickt hingegen bereits auf eine langjährige Anwendung von Prozessabsprachen zurück. Die gegenständliche Abhandlung gibt einen Einblick zur italienischen Variante des plea bargaining, welches mit der Neukodifikation der iStPO im Jahr 1989 eingeführt wurde und neben anderen besonderen Verfahrensarten zur beschleunigten Erledigung des Strafverfahrens beiträgt. Damit soll ein Beitrag zum Absprachediskurs in Österreich beigesteuert werden.
Die Annahme von Bereicherungsvorsatz setzt nicht notwendigerweise ein auf immerwährende Zueignung der geraubten Sache gerichtetes Vorhaben des Täters voraus. Vielmehr genügt es, dass er diese im Tatzeitpunkt (nach seinem Tatplan) zumindest zeitweilig in sein Vermögen überführen und dieses somit um den entsprechenden Gegenwert vermehren wollte. Die Zufügung eines Dauerschadens ist demnach kein Deliktsmerkmal des Raubes und braucht daher auch vom Vorsatz des Täters nicht erfasst zu sein.
Auf dem Bildschirm erstellte und elektronisch unterfertigte Verträge sind mangels der für die Erfüllung des Urkundenbegriffs nach § 74 Abs 1 Z 7 StGB notwendigen schriftlichen Verkörperung der Gedankenerklärung keine Urkunden. Ausdrucke solcher Verträge sind als „originalvertretende Vervielfältigungen“ jedoch Urkunden.
Bei jenen Kosten, bei deren Einbringung nun durch die Rechtsprechung und nicht mehr im Justizverwaltungsverfahren Entscheidungen zu treffen sind, besteht (weiterhin) genauso ein Bedürfnis für Stundungs- und Nachlassmöglichkeiten wie für jene Kosten, Strafen, Bußen und Gebühren, bei denen weiterhin eine Zuständigkeit der Justizverwaltung gegeben ist und ausdrückliche Stundungs- und Nachlassbestimmungen bestehen. Bei einem Zahlungsaufschub bietet sich daher eine analoge Anwendung des § 409a Abs 1 StPO an.
Wenn die Regelung eines Sachbereiches keine Bestimmung für eine Frage enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt werden müsste, ist von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen, zumal kein nachvollziehbarer sachlicher Grund für eine vom Gesetzgeber gewollte unterschiedliche Behandlung von Kosten und Gebühren, bei denen § 9 Abs 1 bis 4 GEG nach wie vor gilt und von Kosten des Strafverfahrens, welche nunmehr von der Regelung des § 9 GEG über Stundung und Nachlass im Justizverwaltungsverfahren ausgenommen sind, ersichtlich ist. Es liegt daher nahe, dass der Gesetzgeber einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen hat. Diese planwidrige Gesetzeslücke wurde mit zutreffender Begründung durch das Erstgericht mittels analoger Anwendung des § 409a StPO geschlossen.
Wenn der Vorsatz eines Angeklagten exakt auf Erlangen des sodann erhaltenen Entgelts gerichtet war, wird diesem Entgelt die Höhe des adäquaten Fuhrlohnes gegenüberzustellen sein. Nur wenn aus dieser Gegenüberstellung eine Überzahlung resultiert, kann wohl von einem auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz ausgegangen werden.
Unrechtmäßige Bereicherung setzt voraus, dass das Entgelt den für die jeweiligen Beförderungsleistungen adäquaten Fuhrlohn übersteigt.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Personen in der Rolle des Angeklagten, die die Schleppung unmittelbar durchführen, von ihren Hintermännern nicht im Detail informiert werden; zu Recht hat sich das Erstgericht auch auf die im Vorjahr intensive mediale Berichterstattung und das in ganz Europa bekannte Problem der unwürdigen Schleppung von Flüchtlingen in Not gestützt, sodass die Negation jeglichen dolus eventualis völlig lebensfremd wäre.
Durch die Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit der Anklage wird nicht endgültig über eine Rechtssache abgesprochen, sondern lediglich das Ermittlungsverfahren abgeschlossen und damit der Weg für eine Hauptverhandlung und die nachfolgende gerichtliche Entscheidung bereitet. Alle im Strafverfahren maßgeblichen Rechtsfragen, so auch Fragen der Verfassungsmäßigkeit der betroffenen Strafnormen, können sowohl in der Hauptverhandlung als auch noch im Rechtsmittelverfahren gegen das erstinstanzliche Urteil (und aus diesem Anlass dann auch mit Parteiantrag gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG) geltend gemacht werden.
Das Weiterreichen eines Joints an Minderjährige über eine andere Person verwirklicht den Tatbestand des § 27 Abs 1 Z 1 8. Fall SMG (Überlassen) in unmittelbarer Täterschaft und nicht in Form der Beitragstäterschaft.
Diversion nach § 35 Abs 2 SMG verlangt wie § 198 StPO, Verantwortung für das Tatgeschehen zu übernehmen und die diversionelle Vorgangsweise als Bestätigung der Normgeltung zu akzeptieren. Dafür genügt die grundsätzliche Einsicht in die Strafbarkeit der Handlung. Eine Einsicht in das Unrecht aller Begleiterscheinungen der Tat, die eine Qualifikation bewirken können, ist nicht erforderlich.
Ein und Ausfuhr (§ 28a Abs 1 2. und 3.Fall) sind als alternatives Mischdelikt aufzufassen, das Überlassen von Suchtgift (5. Fall) ist zu Ein- und Ausfuhr ein kumulatives Mischdelikt. Daher sind mehrere Ein- und Ausfuhrvorgänge betreffend verschiedener Suchtgiftquanten zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammenzufassen, mehrere Überlassensvorgänge zu einer anderen.
§ 28a Abs 4 Z 3 SMG ist eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz. Daher begründen gleichartige strafbare Handlungen nach § 28a Abs 1 SMG (die Ein- und Ausfuhren) hinsichtlich jedes Angeklagten nur ein einziges Verbrechen.
Missbrauch einer Vollzugslockerung ist dann gegeben, wenn der Strafgefangene die in Aussicht genommenen Lockerungen zur Begehung einer strafbaren Handlung oder eines sonstigen Verstoßes gegen die Sicherheit und Ordnung ausnützt oder wenn sich die Unterbringungsform im konkreten Fall nicht mit den Zwecken des Strafvollzuges (§ 20 StVG) in Einklang bringen lässt.
Die Strafprozessordnung entfaltet im Beschwerdeverfahren nach §§ 16 Abs 3, 16a StVG keine subsidiäre Wirkung, weshalb neben den Bestimmungen des StVG allein die in § 17 Abs 2 StVG vorgesehenen Normen des AVG und des VStG zur Anwendung gelangen, welche die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht vorsehen. (1)
Aus der Regelung über den Vollzugsplan (§ 135 StVG) können keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Strafgefangenen abgeleitet werden. (2)
Die Ausfolgung von Zeitungen oder Zeitschriften, die den Zwecken des Strafvollzuges zuwiderlaufen, ist nicht statthaft. (3)
Bei der Strafzeit im Sinne des § 156c Abs 1 Z 1 StVG iVm § 145 Abs 2 StVG ist darauf abzustellen, dass die noch zu verbüßende Strafzeit voraussichtlich zwölf Monate nicht übersteigt, sodass bei der Prüfung auf eine voraussichtliche bedingte Entlassung Bedacht genommen werden muss. Bei dieser Beurteilung hat der Anstaltsleiter unter anderem auch die Entscheidungspraxis der Vollzugsgerichte in Betracht zu ziehen und den Zeitpunkt zu wählen, zu dem mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer tatsächlichen Entlassung zu rechnen ist.
Bei der Strafbemessung ist im Hinblick auf die im Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes gemäß § 19 VStG stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, zu berücksichtigen.
Ein aufrechtes Rechtsschutzbedürfnis ist dann zu verneinen, wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer ohne objektiven Nutzen ist und die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen nur mehr von theoretischer Bedeutung sind.
Teilt die Staatsanwaltschaft dem Opfer bereits im Zuge der Verständigung von der Einstellung des Verfahrens mit, aufgrund welcher Tatsachenannahmen und Erwägungen die Einstellung erfolgte (§ 194 Abs 2 zweiter Satz StPO), und weist sie das Opfer darauf auch hin, so löst diese Verständigung jedenfalls die 14-tägige Frist für den Fortführungsantrag gemäß § 195 StPO aus (vgl Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 21. September 2011, BMJ-S604.000/0005-IV 3/2011).
Wohl sind nach dem in Österreich geltenden materiellen Beschuldigtenbegriff (§§ 1 Abs 2 und Abs 3, 48 Abs 1 Z 2 StPO) dem Verdächtigen bei konkretem Tatverdacht in der Strafprozessordnung vorgesehene Rechte (§ 49 StPO) einzuräumen. Daraus kann jedoch eine Disposition über die Prozessrolle einer beteiligten Person im Rechtshilfeverfahren nicht abgeleitet werden.
Ausgehend von dem das Rechtshilfeverfahren beherrschenden formellen Prüfungsprinzip (vgl Martetschläger in WK2 ARHG § 51 Rz 5; Göth-Flemmich ebendort ARHG § 33 Rz 3 ff mwN; RIS-Justiz RS0125233) fehlt für eine solche Dispositionsbefugnis eine gesetzliche Grundlage, etwa eine Vorschrift, die den inländischen Behörden die Überprüfung der materiellen Prozessrolle zu vernehmender Personen auftragen würde.
Überdies ist nach der österreichischen Prozessordnung die zeugenschaftliche Vernehmung einer Person, gegen die ein (anderes) Strafverfahren geführt wird, nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 157 Rz 5). Das verfassungsrechtlich begründete Verbot eines Zwangs zur Selbstbelastung wird durch das Recht des Zeugen auf Aussageverweigerung (§ 157 Abs 1 Z 1 StPO) abgesichert (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 157 Rz 2), sodass es zur Wahrung der Rechte der vernommenen Person keiner Änderung deren prozessualer Stellung bedarf, mögen auch einem Beschuldigten mehr prozessuale Rechte zustehen als einem Zeugen.
Ist Art 28 Abs 2 Satz 1 des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI [Vollstreckung von Freiheitsstrafen] dahin auszulegen, dass sich die dort genannte Erklärung lediglich auf Urteile beziehen darf, die vor dem 5.12.2011 ergangen sind, unabhängig davon, wann diese Urteile Rechtskraft erlangt haben, oder ist diese Vorschrift dahin zu verstehen, dass sich die Erklärung lediglich auf Urteile beziehen darf, die vor dem 5.12.2011 rechtskräftig geworden sind?
Darf ein Mitgliedstaat Art 4 Abs 6 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI [über den Europäischen Haftbefehl] in der Weise in sein nationales Recht umsetzen, dass
seine vollstreckende Justizbehörde ohne weiteres verpflichtet ist, die Übergabe zur Strafvollstreckung eines Staatsangehörigen des Vollstreckungsmitgliedstaats oder einer Person, die dort ihren Wohnsitz hat, zu verweigern,
diese Verweigerung ipso iure die Bereitschaft zur Übernahme der Vollstreckung der gegen diesen Staatsangehörigen oder diese wohnhafte Person verhängten Freiheitsstrafe begründet,
aber die Entscheidung über die Übernahme der Vollstreckung erst nach der Verweigerung der Übergabe zur Strafvollstreckung getroffen wird, und eine positive Entscheidung abhängt von (1) einer Grundlage in einem gültigen Übereinkommen zwischen dem Ausstellungsmitgliedstaat und dem Vollstreckungsmitgliedstaat, (2) den Voraussetzungen, die dieses Übereinkommen aufstellt, und (3) der Mitwirkung des Ausstellungsmitgliedstaats durch zB die Stellung eines entsprechenden Ersuchens,
so dass die Gefahr besteht, dass der Vollstreckungsmitgliedstaat nach der Verweigerung der Übergabe zur Strafvollstreckung die Vollstreckung nicht übernehmen kann, während diese Gefahr die Verpflichtung zur Verweigerung der Übergabe zur Strafvollstreckung unberührt lässt?
Falls Frage 1 verneint wird:
Kann das nationale Gericht die Bestimmungen des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI unmittelbar anwenden, obwohl dieser Rahmenbeschluss gemäß Art. 9 des Protokolls (Nr. 36) über die Übergangsbestimmungen nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon so lange seine Rechtswirkung behält, bis er aufgehoben, für nichtig erklärt oder geändert wird?
Bejahendenfalls: Ist Art 4 Abs 6 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI hinreichend genau und unbedingt, um vom nationalen Gericht angewendet werden zu können?
Falls die Fragen 1 und 2 lit b verneint werden: Darf ein Mitgliedstaat, dessen nationales Recht für die Übernahme der Vollstreckung der ausländischen Freiheitsstrafe eine Grundlage in einem entsprechenden Übereinkommen verlangt, Art 4 Abs 6 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI in der Weise in sein nationales Recht umsetzen, dass Art 4 Abs 6 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI selbst die verlangte vertragliche Grundlage bietet, um die mit dem nationalen Erfordernis einer vertraglichen Grundlage verbundene Gefahr der Straflosigkeit zu vermeiden (vgl. Frage 1)?
Falls die Fragen 1 und 2 lit b verneint werden: Darf ein Mitgliedstaat Art 4 Abs 6 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI in der Weise in sein nationales Recht umsetzen, dass er für die Verweigerung der Übergabe zur Strafvollstreckung einer Person mit Wohnsitz im Vollstreckungsmitgliedstaat, die Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist, die Voraussetzung aufstellt, dass der Vollstreckungsmitgliedstaat die Gerichtsbarkeit hinsichtlich der im Europäischen Haftbefehl angeführten Taten hat und dass keine tatsächlichen Hindernisse für eine (eventuelle) Strafverfolgung im Vollstreckungsmitgliedstaat der dort wohnhaften Person wegen dieser Taten vorliegen (wie die Weigerung des Ausstellungsmitgliedstaats, dem Vollstreckungsmitgliedstaat die Strafakten zu übertragen), während er eine solche Voraussetzung für die Verweigerung der Übergabe zur Strafvollstreckung eines Staatsangehörigen des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht aufstellt?
Die Erlassung eines Vorführungsbefehls stellt einen Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen auf persönliche Freiheit dar, weshalb deren Zulässigkeit im Lichte des PersFrG sowie der EMRK gesehen und interpretiert werden muss. Nach Art 1 Abs 3 PersFrG darf der Entzug der persönlichen Freiheit gesetzlich nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme erforderlich ist und nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen lassen die weiters anzuwendenden Vorschriften des Art 2 Abs 1 Z 4 PersFrG und des damit im Wesentlichen übereinstimmenden Art 5 Abs 1 lit b EMRK einen Freiheitsentzug zu, um die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen.
Unter dem in beiden vorangeführten Verfassungsbestimmungen enthaltenen Begriff der Erzwingung einer gerichtlichen Entscheidung kann sohin schon nach dem Wortsinn nur ein den entgegengesetzten Willen des Betroffenen steuerndes oder überwindendes behördliches Vorgehen verstanden werden. Bei verfassungskonformer Interpretation ist jede (sicherungsweise) Vorführung einer ausgebliebenen Person daher nur dann zulässig, wenn diese der Vorladung nicht Folge leisten will und demgemäß im „Ungehorsam“ verharrt. Der Sanktion der ungesäumten Vorführung ist solcherart nur unterworfen, wer ungeachtet der an ihn ergangenen (mithin nicht bloß zugestellten, sondern ihm tatsächlich zugekommenen) Vorladung nicht erscheint, diese also missachtet. Jede Anordnung der Vorführung ist sohin ihrem Wesen nach eine gegen den „Ungehorsam“ gerichtete Zwangsmaßnahme und setzt deshalb auch das Vorliegen eines „Ungehorsamstatbestandes“ in subjektiver Hinsicht voraus. Ein solcher kann aber nur dann gegeben sein, wenn die Ladung der Person überhaupt zugekommen ist. Die Vorführung darf daher nicht schon bspw bei Vorliegen des ordnungsgemäßen Nachweises einer (gesetzlich an sich gar nicht vorgesehenen) Ersatzzustellung (noch viel weniger daher dann, wenn überhaupt kein Zustellnachweis vorliegt), sondern vielmehr erst dann verfügt werden, wenn feststeht, dass die Ladung der vorgeladenen Person auch wirklich persönlich zugekommen ist, diese sie aber missachtet.
S. 192 - 192, Zur Erinnerung
Zu den verjährungsrechtlichen Folgen der Begehung einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung in einem Medium
Werden mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlungen „durch den Inhalt (und nicht bloß in Bezug auf ein Medium) eines Mediums“ begangen, werden sie als „Medieninhaltsdelikte“ bezeichnet und unterliegen den vom Gesetz vorgesehenen besonderen Konsequenzen betreffend Zuständigkeit, Verfahren, Verjährung, Einziehung, Beschlagnahme, Urteilsveröffentlichung, Haftung, Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren, ohne damit aber die Rechtsnatur des durch das Medium begangenen Deliktes und der dafür bestimmten Sanktion zu ändern.