Gewisse gesetzliche Unschärfen führen zur Unsicherheit sowohl über den Anwendungsbereich der Regelungen über die bedingt-obligatorische Festnahme als auch über die polizeiautonome Kompetenz hierzu. Der Beitrag versucht einen Lösungsweg aufzuzeigen.
- ISSN Online: 2312-1920
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Inhalt der Ausgabe
S. 458 - 465, Aufsatz
„Hass im Netz“ - Strafbarkeit von belästigenden Privatnachrichten als einzige Reaktionsmöglichkeit?
Mediale Brisanz zeigt das erstinstanzliche Urteil gegen eine ehemalige Nationalratsabgeordnete, die wegen übler Nachrede gem § 111 StGB nicht rechtskräftig schuldig gesprochen wurde. In zahlreichen medialen Stellungnahmen, die zu diesem Fall existieren, wird ua geäußert, dass es sich um eine „Täter-Opfer-Umkehr“ handle, Gesetzeslücken bestünden, die zu schließen seien, und Sich-Wehren schlimmer sei als die Belästigung selbst. Justizminister Moser teilte mit, dass er gegen Anlassgesetzgebung sei, aber das Themenfeld zurzeit behandelt werde. Doch welche Möglichkeiten bestehen tatsächlich, um gegen obszöne, sexistische und herabwürdigende Privatnachrichten vorzugehen?
S. 466 - 470, Aufsatz
Verfahrenseinstellung und transnationales Doppel-bestrafungsverbot im „europäischen Strafverfahren“ - Deutsche und österreichische Perspektiven
Der Beitrag zeigt die Leitlinien der EuGH-Rechtsprechung zum transnationalen Verbot der Doppelbestrafung nach Art 54 SDÜ/50 GRC in Bezug auf staatsanwaltliche Verfahrenseinstellungen aus deutscher und österreichischer Sicht auf. Der Schwerpunkt liegt auf der Frage, welche Mindestvoraussetzungen eine nationale Verfahrenseinstellung erfüllen muss, um grenzüberschreitend strafklageverbrauchend zu wirken.
S. 471 - 476, Aufsatz
Auslegungsfragen im Zusammenhang mit dem internationalen „Mülltourismus“ gem §§ 181b, c Abs 3 StGB
Bereits 2011 wurde ins österreichische Umweltstrafrecht ein neues Deliktspaar (§§ 181b, c Abs 3 StGB) für vorsätzlichen bzw grob fahrlässigen grenzüberschreitenden Mülltransport entgegen Bestimmungen der EU-Verbringungsverordnung eingefügt. Unklar ist seither nicht nur die Auslegung einiger in den neuen Delikten enthaltenen Begriffe, sondern auch der genaue Anwendungsbereich der nach den Intentionen des Gesetzgebers als subsidiäre Auffangdelikte konzipierten Bestimmungen.
S. 477 - 481, Aufsatz
Die Zulässigkeit der Abwehr von Drohnen aus strafrechtlicher Sicht
Die Vision eines von Drohnen erfüllten Luftraums, aus dem mithilfe der Foto- und Videofunktion des unbemannten Luftfahrzeugs eine permanente Überwachung durch nicht identifizierbare Personen zu befürchten ist, ist für viele eine Schreckensvorstellung, die schrittweise realer wird. Neben Befürchtungen im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre werden aber auch immer wieder Fälle bekannt, in denen Drohnen abstürzen und Menschen verletzen oder Sachen beschädigen. Der folgende Beitrag untersucht die Zulässigkeit der Abwehr von Drohnen, insb die Frage, ob eine daraus resultierende Sachbeschädigung durch Notwehr gerechtfertigt sein kann.
S. 482 - 487, Aufsatz
Durchführung von strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen durch Dritte
Die StPO sieht an verschiedenen Stellen vor, Ermittlungsmaßnahmen von Dritten durchführen lassen zu können oder zu müssen. Dabei stellt sich jedoch – mit Blick auf den Rechtsschutz – die Frage, wie es zu einer Handlungsverpflichtung des Dritten als sohin „Erfüllungsgehilfe“ der Strafverfolgungsbehörden kommt. Da eine Ex-lege-Bestellung nur für die Kriminalpolizei zutrifft, muss es sich e contrario um zivilrechtliche Bande handeln, welche durch eine staatsanwaltliche Anordnung aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung zwischen Bund und Dritten geknüpft werden (falsa demonstratio non nocet!). Soweit auch noch eine von der Ermittlungsmaßnahme betroffene Person hinzutritt, erweitert sich dieses ursprüngliche Innenverhältnis durch ein Außenverhältnis zwischen Bund und eben jenem, wobei die Vermittlung und Durchführung den Dritten trifft.
S. 488 - 490, Aufsatz
Änderungen im Finanzstrafgesetz durch das Jahressteuergesetz 2018
Durch das Jahressteuergesetz 2018 (BGBl I 2018/62) erfolgten einerseits Novellierungen im Zusammenhang mit der Übernahme der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.4.2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen in nationales Recht und andererseits Anpassungen an die höchstrichterliche Rechtsprechung sowie Anpassungen an legistischen Maßnahmen im Bereich des Kriminalstrafrechts und des öffentlichen Sicherheitswesens.
S. 491 - 495, Aufsatz
„Pecunia Non Olet“ - Kryptowährungen im Lichte der Änderung der 4. Geldwäscherichtlinie
Virtuelle Währungen bieten ihren Nutzern die Möglichkeit Transaktionen außerhalb des regulären Finanzsystems durchzuführen und waren bislang nicht von geltenden Geldwäschebestimmungen umfasst. Dies ändert sich mit der am 30. Mai 2018 beschlossenen Änderung der 4. Geldwäscherichtlinie. Trotz dieser neuen Regelungen bietet das virtuelle Währungssystem nach wie vor Möglichkeiten, den wahren Eigentümer und die Herkunft von Mitteln zu verschleiern.
Eine Einschränkung der Privilegierung in Bezug auf Fälle, in denen der Täter die Ehe in Wahrheit allein zum Zwecke der Deliktsbegehung sowie zeitlich begrenzt bis zum Eintritt des gewollten Erfolgs anstrebt und durch Täuschung darüber erreicht, findet im äußersten Wortsinn des § 166 StGB keine Deckung. Einer entsprechenden Lückenschließung durch teleologische Reduktion steht § 1 StGB entgegen.
Eine Vertagung der Hauptverhandlung zum Zweck, Beweisergebnisse abzuwarten, die in einem anderen Strafverfahren erst gewonnen werden sollen, entspricht nicht dem Gesetz.
Anvertraut iSd § 136 Abs 4 StGB meint die Erteilung einer generellen Fahrerlaubnis, mag sie auch bestimmten Einschränkungen unterliegen, nicht aber die bloß fallweise oder vorübergehende, einem einzelnen Auftrag oder bestimmten Zweck dienende Überlassung eines Fahrzeugs. Besteht die Arbeitspflicht des Dienstnehmers im Lenken eines Fahrzeugs, das ihm vom – nicht bloß vorübergehend – verfügungsberechtigten Dienstgeber übergeben wurde, so ist es in der Regel anvertraut.
Nach einer nachträglichen Fortsetzung des Strafverfahrens gem § 205 StPO ist eine auf § 203 Abs 4 StPO gestützte Verfahrenseinstellung unzulässig.
Die Verbindung zweier Hauptverfahren gem § 37 Abs 3 StPO setzt die Rechtswirksamkeit (§ 4 Abs 2 StPO) beider Anklagen voraus. Im Fall des § 37 Abs 3 zweiter Halbsatz iVm Abs 2 zweiter Satz StPO zuständigkeitsbegründend zuvorgekommen ist jenes Gericht, bei dem die Anklage zuerst rechtswirksam wurde.
Im bezirksgerichtlichen Verfahren ist von Rechtswirksamkeit eines Strafantrags (sofern sie bei ein und demselben Gericht eingebracht wurden: beider Strafanträge) bereits dann auszugehen, wenn das damit angerufene Bezirksgericht die Verbindung des Verfahrens über diesen Strafantrag mit jenem über den anderen Strafantrag verfügt, ohne das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen infrage zu stellen. Ebenso ist Rechtswirksamkeit eines Strafantrags anzunehmen, wenn das damit angerufene Bezirksgericht „sein“ Verfahren – iSd § 37 Abs 3 StPO – einem anderen Gericht zur Verbindung mit einem dort anhängigen Hauptverfahren überweist.
Die Beurteilung der besonderen Gefährlichkeit im Sinne des § 99 StVG ist bei Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Im Verfahren gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Die Beweiswürdigung ist jedoch insofern nicht frei, als der maßgebende Sachverhalt vollständig erhoben und die Beweisführung tragfähig sein muss
Anordnungen sind dem Strafvollzugsbediensteten zuzurechnen, der sie dem Strafgefangenen gegenüber tatsächlich trifft, wobei es unmaßgeblich ist, wer allenfalls eine Weisung hierzu erteilt hat.
Eine Identität der Sache im Sinne des § 68 AVG liegt dann vor, wenn sich der für die Entscheidung relevante Sachverhalt nicht geändert hat.
Inhaftierten Personen sind Gegenstände, die der Körperpflege dienen, nur insoweit zu überlassen, als diese ungefährlich sind. (1)
Es gibt kein Recht auf ein gleiches (allenfalls vorliegendes) behördliches Fehlverhalten. (2)
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ist der maßgebliche Sachverhalt festzustellen und den Parteien die Gelegenheit zu geben, ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen.
Wenn davon ausgegangen werden kann, dass der steuerlichen Vertretung sämtliche Entnahmen des Alleingesellschafters der GmbH bekannt gewesen waren und nachweislich keine Aufklärung über die Kapitalertragsteuerpflicht aufgrund verdeckter Gewinnausschüttungen erfolgt ist, ist von keiner Hinterziehung der Kapitalertragsteuer auszugehen.
Die Erkundigung bei einem deutschen Arbeitgeber und daraus resultierend die unterlassene Erwähnung von nicht selbständigen Einkünften in Deutschland gegenüber dem österreichischen Steuerberater ist nicht als bedingt vorsätzliches Handeln zu werten.
S. 508 - 508, Judikatur
Die Frage nach der Vertretbarkeit eines allfälligen Regelverstoßes ist eine Rechtsfrage
Aus der EMRK ist kein Recht darauf ableitbar, dass nationale Gerichte eine Sache an ein anderes nationales Gericht übertragen oder dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen. Die Weigerung eines nationalen Gerichts, eine Sache zu übertragen bzw dem EuGH vorzulegen, kann allerdings die Fairness eines Verfahrens gem Art 6 Abs 1 EMRK beeinträchtigen, wenn sie willkürlich erfolgt. Willkür liegt in diesem Zusammenhang vor, wenn die relevanten gesetzlichen Bestimmungen keine Ausnahme von der Pflicht zur Übertragung oder Vorlage vorsehen, wenn die Weigerung auf anderen als den gesetzlich vorgesehenen Gründen basiert oder wenn die Weigerung nicht hinreichend begründet ist.
Es ist die Aufgabe der am Verfahren beteiligten Behörden, im Besonderen der nationalen Gerichte, zu beurteilen, ob der Grundsatz eines fairen Verfahrens es erfordert, einer angeklagten Person einen Dolmetscher unterstützend zur Verfügung zu stellen. Diese Pflicht beschränkt sich nicht nur auf jene Fälle, in denen eine ausländische angeklagte Person ausdrücklich nach einem Dolmetscher verlangt. Angesichts der großen Bedeutung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens in einer demokratischen Gesellschaft besteht diese Verpflichtung immer dann, wenn der Verdacht besteht, dass eine angeklagte Person die bei Gericht verwendete Sprache nicht hinreichend beherrscht.
Nach § 38 Abs 1 Z 2 StGB (§ 23 Abs 5 lit b FinStrG) sind nicht nur (in- oder ausländische) Vorhaften anzurechnen, die der Täter nach der (den Gegenstand des Schuldspruches bildenden) Tat in einem anderen Verfahren erlitten hat, sondern (unabhängig davon, ob das Verfahren mit einer Verurteilung endete) alle Vorhaften, die ihm in einem anderen, noch nach der (nunmehr bestraften) Tat anhängigen Verfahren – sodass (an sich bzw wenigstens theoretisch) die Voraussetzungen einer gemeinsamen Führung der Verfahren nach § 37 StPO gegeben waren – widerfuhren, mögen diese Haftzeiten auch schon vor der (nunmehr bestraften) Tat gelegen sein (maW ist es gleichgültig, ob diese Vorhaftzeiten vor oder nach der Anlasstat für das spätere Urteil liegen), soweit die Haft nicht bereits auf eine andere Strafe angerechnet oder der Verhaftete dafür entschädigt worden ist. Dabei genügt es, dass nur ein Teil der Tathandlungen, die Gegenstand der aktuellen Verurteilung sind, vor der erlittenen Vorhaft verübt wurde und somit nur insoweit eine Einbeziehung in jenes Verfahren, in welchem die Vorhaft verhängt wurde, möglich gewesen wäre. Insoweit ist auch die in einer anderen Strafsache erlittene U-Haft in dem Ausmaß, als sie die dort ausgesprochene Strafe überstieg (sog „Überhaft“), anzurechnen.
Unabdingbare Voraussetzung der Vorhaftanrechnung ist somit, dass die Verfahren (zumindest in Ansehung eines Teils der hievon erfassten Straftaten) zu irgendeinem Zeitpunkt gem § 37 StPO hätten vereinigt werden können. Dieser Satz greift angesichts der durch das StPRG 2004 (BGBl I 2004/19) geänderten Normsituation insoweit zu kurz, als nunmehr eine Verbindung eines Ermittlungs- mit einem Hauptverfahren nicht mehr in Frage kommt. In solcherart zwingend nebeneinander zu führenden Verfahren wegen Straftaten, die aber (isoliert betrachtet) nach dem Zeitpunkt ihrer Begehung gemeinsam hätten abgeurteilt werden können, ist gleichwohl der eingangs erwähnte Grundgedanke des § 38 Abs 1 Z 2 StGB in Anschlag zu bringen, weshalb eine Vorhaft aus einem (noch) im Ermittlungsstadium verbliebenen Verfahren ebenfalls anzurechnen ist.
Lag hingegen zu keinem Zeitpunkt eine Vereinigungsmöglichkeit nach den Konnexitätsregelungen der StPO vor, ist eine (doppelte) Vorhaftanrechnung ausgeschlossen.