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Heft 4, Juli 2015, Band 2015

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 2312-1920

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Inhalt der Ausgabe

S. 293 - 295, Aktuelle Gesetzesvorhaben

Alexander Tipold

StGB-Novelle 2015, Untreue, Weisungsrecht, Staatsschutz, Bekämpfung des Sozialbetruges

Das Begutachtungsverfahren zur StGB-Novelle 2015 ist beendet, noch liegt keine Regierungsvorlage vor. Kurz vor Ende der Begutachtung wurde eine Reform der Untreue durch einen Initiativantrag vorgelegt. Diese beiden Bereiche dominierten die strafrechtliche Diskussion. Aber es gab noch andere Ministerialentwürfe im Bereich des Straf- und Strafprozessrechts: Es wird eine kleine Reform des Weisungsrechts des Bundesministers für Justiz geben, und der „Weisenrat“ soll gesetzlich verankert werden. Es soll ein eigenes Polizeiliches Staatsschutzgesetz kommen, und im SPG wird der Einsatz von Vertrauensmännern geschaffen, das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzgesetz soll die Zusammenarbeit der vom Sozialbetrug betroffenen und zu seiner Bekämpfung zuständigen Behörden erleichtern und definiert näher den Begriff des Scheinunternehmens. Es ist zu erwarten, dass diese Gesetzesvorhaben noch vor der Sommerpause im Nationalrat beschlossen werden. Angesichts dessen sollen hier nur einige Hinweise gegeben werden.

S. 296 - 300, Aufsatz

Severin Glaser

Ausländische Straftäter in Österreich zwischen Auslieferung und Asyl

Wird ein Ausländer, der kein Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaates ist und der von seinem Herkunftsstaat aufgrund angeblicher Straftaten verfolgt und per internationalem Haftbefehl gesucht wird, in Österreich aufgegriffen, wo er einen Asylantrag stellt oder gestellt hat, wirft dies mehrere Fragen auf, die nicht nur das Strafrecht, sondern auch das Asylrecht und das Verhältnis beider Rechtsgebiete zueinander betreffen. Der vorliegende Artikel soll Probleme im Schnittbereich dieser beiden Materien unter Berücksichtigung neuerer europäischer Entwicklungen beleuchten. Teil 1 stellt die Grundlagen des Asylrechts sowie seine mit dem Auslieferungsrecht gemeinsamen Fragen dar und erörtert die Einflüsse von Asylentscheidungen auf Auslie-ferungsverfahren. Teil 2 wird die Einflüsse von Auslieferungsverfahren auf den internationalen Schutzstatus und die Rolle der stellvertretenden Strafrechtspflege thematisieren.

S. 301 - 304, Aufsatz

Christoph Sigl / Oliver Neuper

Der Vertrauensgrundsatz in der medizinischen Behandlung

Der Vertrauensgrundsatz hat nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch im arbeitsteiligen Zusammenwirken im Zuge der medizinischen Heilbehandlung Relevanz. Diese Arbeit legt den Fokus auf strafrechtliche Anwendungsfälle in Krankenanstalten unter Zugrundelegung von Lehre und Rechtsprechung. Insbesondere soll die bisher in Lehre und Rechtsprechung wenig beachtete Fragestellung, inwieweit der Vertrauensgrundsatz auch für Entscheidungsträger eines Krankenanstaltenträgers in Bezug auf Tätigkeiten von Mitarbeitern Anwendung findet, erörtert werden. Weitergehende Überlegungen zur Fahrlässigkeitsdogmatik bleiben dabei unberücksichtigt.

S. 305 - 308, Aufsatz

Lukas Staffler

Über die Grenze des Zurechenbaren bei der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang

Die Körperverletzung mit Todesfolge bildet nicht nur einen beliebten Prüfungsgegenstand in der juristischen Ausbildung, sondern brilliert auch in der Praxis als leistungsstarker Tatbestand: So treten die §§ 86, 87 Abs 2 StGB in der Rechtsprechung häufig dann in Erscheinung, wenn der Sachverhalt den Verdacht einer vorsätzlichen Tötung nahelegt, der konkrete Nachweis des Tötungsvorsatzes allerdings scheitert. Eine besondere Herausforderung bilden aber Fälle, in denen der Tod auf ungewöhnliche Kausalentwicklungen zurückgeht und damit an der Grenze zum zurechnungsausschließenden Zufall operiert. Der vorliegende Artikel beleuchtet die Entscheidungspraxis von solchen Grenzfällen im Lichte der Zurechnungsdogmatik.

S. 309 - 319, Aufsatz

Alexandra Richter

Zur Zulässigkeit von Veröffentlichungen von oder aus Ermittlungsakten – zugleich eine Besprechung von OGH 15.12.2014, 6 Ob 6/14x

Das Ermittlungsverfahren ist gem § 12 Abs 1 StPO nicht öffentlich. Dass die in diesem Verfahrensabschnitt gewonnenen Ermittlungsergebnisse im Interesse der Strafrechtspflege auf Vertraulichkeit angewiesen sind, bedarf keiner näheren Erörterung. Ebenso wenig, dass es in erster Linie in den Verantwortungsbereich der ermittelnden Behörden fällt, für den Schutz vertraulicher Strafakten zu sorgen. Wie ist aber der Fall zu beurteilen, wenn vertrauliche Aktenbestandteile auf irgendeine Weise in die Hände von unbeteiligten Dritten geraten, die diese dann auf einer privaten Website, einem Blog oä der Öffentlichkeit zugänglich machen? Unterliegen Ermittlungsakten einem strafrechtlichen bzw strafprozessualen Veröffentlichungsverbot, oder resultiert bereits aus der Nichtöffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens ein umfassendes Veröffentlichungsverbot für daraus stammende Akten? Hat ein Beschuldigter, gegen den ein Ermittlungsverfahren geführt wird, einen Anspruch auf Geheimhaltung des gesamten Strafaktes oder nur hinsichtlich persönlicher Daten, an denen ein schutzwürdiges Interesse besteht? Diese Fragen wurden nun vom OGH in der kürzlich ergangenen Entscheidung 6 Ob 6/14x beantwortet und bilden daher den Ausgangspunkt für den vorliegenden Beitrag über die Zulässigkeit von Veröffentlichungen von Teilen eines Ermittlungsaktes auf einer privaten Website.

S. 320 - 326, Aufsatz

Dietmar Bachmann / Norbert Wess

Strafrechtlicher Versicherungsschutz gegenüber Verbänden im Ermittlungsverfahren auch ohne (formellen) Beschuldigtenstatus?

Der Beitrag befasst sich mit der Frage, ob Rechtsschutzversicherer gegenüber versicherten Unternehmen Strafrechtsschutz im Rahmen eines strafgerichtlichen Ermittlungsverfahrens mit der Begründung ablehnen können, dass der versicherte Verband von der StA im aktuellen Stadium (noch) nicht formal als belangter Verband iSd VbVG geführt wird, wenngleich eine solche Einschränkung vertraglich nicht (ausdrücklich) vereinbart worden ist und bereits (strafrechtliche) Verfolgungshandlungen gegenüber natürlichen Personen stattfinden, die denkmöglich auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Verbandes zur Konsequenz haben könnten.

S. 327 - 332, Aufsatz

Gerald Ruhri

Untreue – Die unerträgliche Weite des Tatbestandes

Kein Tatbestand polarisiert aktuell so sehr wie jener der Untreue. Die von verschiedenen Seiten vorgebrachte Kritik an der gesetzlichen Regelung macht deutlich, dass dringend Bedarf besteht, sich mit der reformbedürftigen Norm auseinanderzusetzen. Der Gesetzgeber hat diesem Druck lange standgehalten. So hat etwa der Ministerialentwurf zum StRÄG 2015 keine Änderung des § 153 StGB vorgesehen. Ein wesentlicher Grund dafür war wohl der Umstand, dass vor allem Staatsanwälte und Richter in der teils sehr kontroversiell geführten Diskussion weitgehend eine Position eingenommen haben, nach welcher die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung abgelehnt, jedenfalls nicht als vordringlich angesehen wurde. Auch die „Arbeitsgruppe StGB 2015“ hat in ihrem Abschlussbericht – ausgenommen die alle Vermögensdelikte betreffende Regelung der Wertgrenzen – keinen Vorschlag für eine Überarbeitung des Tatbestandes der Untreue unterbreitet. Im Gegensatz dazu sind Verteidiger und maßgebliche Stimmen aus der Wirtschaft ebenso wie Vertreter der Lehre für eine Novellierung eingetreten.

Durch den nunmehr vorliegenden Initiativantrag scheint der Bann insofern gebrochen, als die zu beantwortende Frage mittlerweile nicht mehr lautet, ob es zu einer Neufassung des Tatbestandes kommt, sondern vielmehr, wie diese erfolgen wird. Trotz teils unterschiedlicher Lösungsansätze wird in der Diskussion im Wesentlichen ein gemeinsames Ziel verfolgt: Die Gewährleistung von Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit, damit Entscheidungsträgern der für die erfolgreiche Führung von Unternehmen erforderliche Handlungsrahmen geboten wird und nicht jede unternehmerische Maßnahme unter dem Damoklesschwert einer drohenden späteren Strafverfolgung getroffen werden muss.

S. 333 - 336, Aufsatz

René Haumer / Teresa Simone Routil

13. Österreichischer StrafverteidigerInnentag – Tagungsbericht

Der im März 2015 in Linz stattgefundene 13. Österreichische StrafverteidigerInnentag sorgte mit seinem Hauptthema, die Struktur und Reform der Hauptverhandlung, für spannende und kontroverse Diskussionen innerhalb des bundesweiten Forums der österreichischen Strafverteidiger. Unabhängig von der dringenden Notwendigkeit einer Gesamtreform des Haupt- und Rechtsmittelverfahrens wurden das Fragerecht des Verteidigers, die Einführung von Prozessabsprachen, aber auch Probleme bei der Vernehmung und Übersetzung im Ermittlungsverfahren diskutiert.

S. 337 - 343, Aufsatz

Alois Birklbauer

Entsprechen Strafdrohungen und Strafen den gesellschaftlichen Wertungen? Ein Bericht über die strafrechtliche Diskussion am 19. ÖJT

Vom 7.–9.5.2015 fand in Wien der 19. Österreichische Juristentag statt. Die strafrechtliche Abteilung stand unter dem Thema: „Entsprechen die gesetzlichen Strafdrohungen und die von den Gerichten verhängten Strafen den aktuellen gesellschaftlichen Wertungen?“. Im Folgenden soll die Diskussion der Tagung zusammengefasst wiedergegeben werden. Zwar wird eine umfassende Dokumentation (nach einer Überarbeitung durch die Diskutanten) in einem eigenen Sammelband erscheinen; solche Bände bringen es aber mit sich, dass trotz allen Bemühens der Mitwirkenden eine gewisse Zeit bis zur Veröffentlichung verstreichen wird. Dadurch besteht die Gefahr, dass verschiedene Denkanstöße nicht mehr in aktuelle Diskussionen einfließen können. Dem soll durch die rasche Veröffentlichung dieses Tagungsberichts entgegengewirkt werden. Den Veranstaltern sei an dieser Stelle für die Zustimmung zur Veröffentlichung gedankt. Vorweg soll festgehalten werden, dass der vorliegende Bericht – insbes auch mit Blick auf die ausgewählten Themen – bei allem Bemühen um Objektivität von subjektiver Einstellung und aktiver Beteiligung des Autors an der Diskussion mitgeprägt ist.

S. 344 - 345, Aufsatz

Alexia Stuefer

Die Bilanzdelikte nach dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015

Vor fünf Jahren wurde an dieser Stelle gefragt, ob Bedarf für die Schaffung eines neuen Straftatbestandes für Bilanzdelikte besteht. Die Antwort scheint nun vorzuliegen.

S. 346 - 347, Aufsatz

Christian Huber

Neuerungen im Finanzstrafrecht durch das Abgabenänderungsgesetz 2014 und 2. Abgabenänderungsgesetz 2014

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Hauptaspekten der für das Finanzstrafgesetz relevanten Änderungen durch das Abgabenänderungsgesetz 2014 und 2. Abgabenänderungsgesetz 2014, wobei der zweite Teil eine Darstellung der Übernahme unionsrechtlicher Vorgaben umfasst.

S. 348 - 350, Aufsatz

Hubertus Seilern-Aspang / Alexander Lang

Die Änderungen des Bankgeheimnisses

Der Nationalrat hat am 7. Juli 2015 im Zuge der Steuerreform 2015/2016 das Bankenpaket veröffentlicht. Darin sind umfangreiche Einschränkungen des Bankgeheimnisses gegenüber inländischen und ausländischen Behörden enthalten. Die Änderungen bzw die De-Facto-Abschaffung des Bankgeheimnisses soll der Betrugsbekämpfung und zu leichteren Entdeckung von Schwarzgeldumsätzen sowie der Umsetzung der Vorgaben von EU und OECD dienen.

S. 351 - 355, Aufsatz

Fritz Zeder

Gegenseitiges Vertrauen der Mitgliedstaaten: Neuer EU-Verfassungsgrundsatz (© EuGH)

Das Spannungsfeld zwischen gegenseitiger Anerkennung (im Strafrecht und darüber hinaus) und Grundrechtsschutz wird im Lichte aktueller Rechtsprechung des EuGH und des EGMR beleuchtet. Als vorläufigen Schlusspunkt seiner dynamischen Rechtsprechung hat der EuGH in seinem Gutachten zum Beitritt der EU zur EMRK einen neuen Verfassungsgrundsatz der Union festgemacht, das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten.

S. 356 - 359, Judikatur

Klaus Schwaighofer

Überlassen von Suchtgift; Besitz von Suchtgift; Konsum; Beitragstäterschaft; Fahrlässigkeit; fahrlässige Tötung; straflose Mitwirkung an Selbstgefährdung; Auslieferung; beiderseitige Strafbarkeit

Das Überlassen einer Wohnung zum Zwecke des „ungestörten Suchtgiftkonsums“ durch andere begründet keine gerichtlich strafbare Handlung nach § 27 Abs 1 SMG.

Das Überlassen von Drogen sowie einer Wohnung zum Suchtgiftkonsum stellt einen Fall der straflosen Mitwirkung an eigenverantwortlicher Selbstgefährdung und daher auch kein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten im Hinblick auf den durch den Suchtgiftmissbrauch eingetretenen Tod dar.

S. 359 - 361, Judikatur

Rainer Nimmervoll

Anforderungen an die Prognosetat bei § 21 StGB

Die Prognosetat ist zwar ihrer Art nach näher zu umschreiben, der Annahme einer bestimmten Tatbegehung bedarf es hingegen nicht. Die zu befürchtende strafbare Handlung, die schwere Folgen nach sich zieht, muss sich nicht aus der Anlasstat ergeben. Fahrlässigkeitsdelikte stellen Prognosetaten im Sinn des § 21 StGB dar.

S. 361 - 365, Judikatur

Rainer Nimmervoll

Gefährlichkeitsprognose nach § 21 StGB ; Tatbegehungsgefahr gem § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO bei vorläufiger Anhaltung Fremdgefährdung iS des § 429 Abs 4 StPO verlangt schwere Tatfolgen

Zur Gefährlichkeitsprognose iSd § 21 StGB genügt die bloß hypothetisch-abstrakte Besorgnis einer (durch die höhergradige seelische Abartigkeit des Betroffenen bedingten) Tatwiederholung nicht. Eine solche Besorgnis muss vielmehr zu einer real-konkreten Befürchtung verdichtet sein, also mit so hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass bei realistischer Betrachtung mit ihrer Aktualität als naheliegend zu rechnen ist. Eine bloß abstrakt-hypothetische Möglichkeit genügt insoweit ebenso wenig wie eine bloß geringe Wahrscheinlichkeit. Nicht ausreichend ist insoweit eine hohe Wahrscheinlichkeit abermaliger aggressiver Vorgangsweisen des Betroffenen, vielmehr wird vom Gesetz eine gesteigerte Befürchtung im Sinn einer hohen Wahrscheinlichkeit der Verursachung schwerer Tatfolgen verlangt.

Auch der Anhaltegrund der Fremdgefährdung (§ 429 Abs 4 erster Satz dritter Fall StPO) verlangt die Befürchtung, der Betroffene werde eine Tat mit schweren Folgen iSd § 21 Abs 1 StGB begehen.

Der für die Prognose iSd § 21 StGB maßgebliche Begriff der strafbaren Handlung mit schweren Folgen richtet sich nach der Persönlichkeit des Rechtsbrechers, seinem Zustand im Entscheidungszeitpunkt und der Art der Anlasstaten, deren konkrete Umstände daher jedenfalls Berücksichtigung zu finden haben. Dessen Bedeutungsinhalt deckt sich mit jenem des § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO. Es sind daher nicht nur die tatbestandsmäßigen Folgen, sondern darüber hinaus alle konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu berücksichtigen, also Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für das einzelne Tatopfer als auch für die Gesellschaft im Ganzen, der gesellschaftliche Störwert einschließlich der Eignung, umfangreiche und kostspielige Abwehrmaßnahmen auszulösen und weitreichende Beunruhigung und Besorgnisse herbeizuführen.

Ein aggressiv-gewalttätiger Widerstand und nicht weiter qualifizierte (anders bei der Drohung mit dem Tode) gefährliche Drohungen gegen ihre Aufgaben vollziehende oder ihre Amtspflichten erfüllende Beamte, insb strafbare Handlungen nach §§ 269, 84 Abs 2 Z 4 StGB entsprechen nicht per se einer Tat mit schweren Folgen, und zwar auch dann nicht, wenn daraus bloß leichte Verletzungen resultieren.

S. 365 - 366, Judikatur

Verletzung der Begründungspflicht

Eine Verletzung der Begründungspflicht liegt aus dem Blickwinkel des Art 6 Abs 1 EMRK nur bei willkürlichen oder grob unvernünftigen („arbitrary or manifestly unreasonable) Urteils- (hier: Beschluss-) Annahmen vor. Dies ist dann der Fall, wenn die Begründung eindeutig unzureichend, offensichtlich widersprüchlich ist oder eindeutig einen Irrtum erkennen lässt, nicht also, wenn die Rechtsansicht des Gerichts bloß nicht mit jener des Antragstellers übereinstimmt.

S. 367 - 367, Judikatur

Nachträgliche Fortsetzung des Strafverfahrens; neuerlicher Rücktritt von der Verfolgung; Einstellung des Strafverfahrens

Wird ein wegen § 27 Abs 1 SMG von der StA gem § 35 Abs 1 SMG eingestelltes Verfahren gem § 38 Abs 1 Z 1 SMG fortgesetzt, weil ein neuerlicher Strafantrag gestellt wurde, so ist gem § 38 Abs 2 SMG neuerlich von der Verfolgung zurückzutreten, wenn das Verfahren wegen des neuerlichen Strafantrags nicht mit einem Schuldspruch beendet wird. Ist die ursprünglich festgesetzte Probezeit bereits abgelaufen, ist das Verfahren sofort endgültig nach § 38 Abs 3 SMG einzustellen.

S. 367 - 369, Judikatur

Klaus Schwaighofer

Überlassen von Suchtgift; Gewahrsam; Suchtgifthandel

Überlassen von Suchtgift gem § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG ist nicht nur die Übergabe an Endabnehmer, sondern auch die Rückgabe an den ursprünglichen Lieferanten des Suchtgifts, der seinen Gewahrsam inzwischen aufgegeben hatte.

Ein- und Ausfuhr von Suchtgift (§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG) bzw Beteiligung daran und das anschließende Überlassen dieses Suchtgifts (§ 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) stehen zueinander in echter Konkurrenz.

S. 369 - 370, Judikatur

Zulässigkeit einer Vollzugsortsänderung

Eine Strafvollzugsortsänderung ist nur dann zulässig, wenn dadurch die Resozialisierung des Strafgefangenen gefördert wird und gleichzeitig weder die zweckmäßige Auslastung der Vollzugseinrichtungen noch Sicherheitsbedenken dagegen sprechen. Hier sind die Gründe nicht gegeneinander abzuwägen, sondern bereits ein dagegen sprechender Grund schließt eine Strafvollzugsortsänderung aus. Die Interessen zur Förderung der Resozialisierung sind jedenfalls nicht von vornherein höherwertig als etwa Sicherheitsinteressen.

S. 370 - 371, Judikatur

Unterbrechung der Freiheitsstrafe zur Pflege einer im Ausland wohnhaften Angehörigen

Nach dem Wortlaut des § 99 Abs 1 Z 1 StVG ist eine Unterbrechung der Freiheitsstrafe nur zur Regelung von angeführten Angelegenheiten im Inland zulässig. Eine Diskriminierung ist darin schon deshalb nicht zu erblicken, weil diese Gesetzesbestimmung für österreichische Staatsbürger ebenso wie für ausländische Staatsangehörige gilt.

S. 371 - 372, Judikatur

Zwecke eines Ausganges, besondere Gefährlichkeit im Sinne des § 99 Abs 1 StVG

Die Gewährung von Besuchen nach § 93 Abs 2 StVG kann der Bewilligung von Ausgangsersuchen zur Aufrechterhaltung familiärer und sonstiger persönlicher Bindungen nicht entgegenstehen, da Besuche unter der Rahmenbedingung eines Kontaktes in der Justizanstalt nicht persönlichen Kontakten unter den Bedingungen einer Vollzugslockerung (im privaten Umfeld) gleichgesetzt werden können. Alleine der Umstand, dass der Strafgefangene nicht bereit ist, an den Zielen und Zwecken des Strafvollzuges mitzuwirken, begründet keine besondere Gefährlichkeit.

S. 372 - 373, Judikatur

Unzulässigkeit einer Unterbrechung der Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB

Ist weder die Unterkunft noch der Unterhalt für die Zeit der Unterbrechung der Unterbringung gesichert, und wird aufgrund der persönlichen Umstände und eines vorangegangenen Missbrauchs von Vollzugslockerungen von einer besonderen Gefährlichkeit im Sinne des § 99 Abs 1 StVG ausgegangen, kann eine Unterbrechung der Unterbringung nach § 166 Z 2 StVG nicht gewährt werden.

S. 373 - 374, Judikatur

Ein Ausspruch nach § 266 Abs 1 StPO hindert eine Frontdoor-Bewilligung des elektronisch überwachten Hausarrests

Ein gerichtlicher Ausspruch nach § 266 Abs 1 StPO hat zur Folge, dass der elektronisch überwachte Hausarrest nicht vor dem Verbüßen einer Mindeststrafzeit in der Anstalt in Betracht kommt.

S. 379 - 380, Judikatur

Zur örtlichen Zuständigkeit für ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verhetzung auf einer Website

Die im strafrechtliche Bestimmungen regelnden Fünften Abschnitt des Mediengesetzes enthaltene Bestimmung des § 40 Abs 1 (erster Satz) MedienG sieht als lex specialis gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 25 StPO eine Sonderregelung der örtlichen Zuständigkeit für das Ermittlungsverfahren wegen eines Medieninhaltsdeliktes vor (vgl Nordmeyer, WK-StPO § 25 Rz 18; Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Praxiskommentar MedienG3 § 40 Rz 2).

Medieninhaltsdelikt ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs 1 Z 12 MedienG eine durch den Inhalt eines Mediums begangene, mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die in einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung besteht. Eine Website ist als ein Medium, das auf elektronischem Wege abrufbar ist, nach § 1 Abs 1 Z 5a lit b MedienG ein periodisches elektronisches Medium.

Das Erfordernis einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung (§ 1 Abs 1 Z 12 MedienG) meint nicht eine auf eine derartige Publizität gerichtete Absicht (§ 5 Abs 2 StGB), sondern vielmehr die inhaltliche Ausrichtung der – für Medieninhaltsdelikte stets essentiellen – Äußerung an einen größeren Personenkreis (vgl Heindl, aaO § 28 Rz 2, 5). Solcherart stellt auch eine in einem Einzelkommentar in einem Diskussionsforum auf einer Website geäußerte Verhetzung (§ 283 StGB) ein Medieninhaltsdelikt dar (vgl Rami in WK2 MedienG § 1 Rz 76 mwN; Heindl, aaO § 28 Rz 5; Noll in Berka/Heindl/Höhne/Noll, Praxiskommentar MedienG3 § 1 Rz 45 mwN). Ein von der überwiegenden Lehre und einem Teil der Rechtsprechung für die Verwirklichung eines Medieninhaltsdeliktes geforderter auch auf die Begehungsform „durch den Inhalt eines Mediums“ gerichteter Tätervorsatz (vgl jeweils mwN Heindl, aaO § 28 Rz 4; Rami, aaO § 1 Rz 72) erfordert (nach dem allgemeinen Grundsatz des § 5 Abs 1 StGB) nicht die Vorsatzform der Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2 StGB), sondern lässt Eventualvorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) genügen.

Demzufolge ist nach der ausdrücklich für Ermittlungsverfahren (vgl § 91 Abs 1 StPO) wegen eines Medieninhaltsdeliktes (vgl ErläutRV zur Mediengesetznovelle 2005 [BGBl I 2005/49] 784 BlgNR 22. GP 26; Heindl, aaO § 40 Rz 1) geltenden Bestimmung des § 40 Abs 1 (erster Satz) MedienG die Staatsanwaltschaft örtlich zuständig, in deren Sprengel der Medieninhaber seinen Wohnsitz, seinen Aufenthalt oder seinen Sitz hat. Medieninhaber einer Website ist der für deren inhaltliche Gestaltung Letztverantwortliche (§ 1 Abs 1 Z 8 lit d MedienG; RIS-Justiz RS0125859), bei moderierten Diskussionsforen im Internet mithin derjenige, der – etwa als Betreiber einer Facebook-Seite – die Auswahl der Diskussionsbeiträge besorgt (vgl Noll, aaO § 1 Rz 30 mwN).

S. 382 - 384, Judikatur

Fritz Zeder

Vorabentscheidungsersuchen des Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia, Bulgarien) im Verfahren über die Vollstreckung eines im Ausland gegen Atanas Ognyanov verhängten Strafurteils vom 15.12.2014, C-614/14 („Ognyanov II“)

1. Liegt ein Verstoß gegen das Unionsrecht (Art 267 Abs 2 AEUV in Verbindung mit Art 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art 47 und Art 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union oder andere anwendbare Bestimmungen) vor, wenn das Gericht, das ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt hat, nach Erlass der Vorabentscheidung das Verfahren fortsetzt und eine Entscheidung in der Sache selbst erlässt, ohne sich abzulehnen; Grund für die Ablehnung wäre, dass das Gericht im Vorabentscheidungsersuchen einen vorläufigen Standpunkt zur Sache selbst geäußert hat (indem es einen bestimmten Sachverhalt als feststehend und eine bestimmte Rechtsvorschrift als auf diesen Sachverhalt anwendbar angesehen hat)?

Die Vorlagefrage wird unter der Annahme gestellt, dass bei der Feststellung der Tatsachen und des anwendbaren Rechts zwecks Vorlage des Vorabentscheidungsersuchens alle verfahrensrechtlichen Bestimmungen zum Schutz des Rechts der Beteiligten, Beweismittel anzuführen und zu plädieren, beachtet wurden.

2. Falls auf die erste Vorlagefrage geantwortet wird, dass es rechtmäßig ist, das Verfahren fortzusetzen, liegt dann ein Verstoß gegen das Unionsrecht vor, wenn

A) das Gericht alles, was es in dem Vorabentscheidungsersuchen festgestellt hat, ohne Änderungen in seiner endgültigen Entscheidung wiedergibt und es im Hinblick auf diese tatsächlichen und rechtlichen Lösungen ablehnt, neue Beweise zu erheben und die Beteiligten anzuhören; faktisch würde das Gericht nur zu solchen Fragen neue Beweise erheben und die Beteiligten anhören, die im Vorabentscheidungsersuchen nicht als feststehend angesehen wurden?

B) das Gericht zu allen relevanten Fragen neue Beweise erhebt und die Beteiligten anhört, einschließlich der Fragen, zu denen es seinen Standpunkt bereits im Vorabentscheidungsersuchen geäußert hat, und es in seiner endgültigen Entscheidung seinen abschließenden Standpunkt äußert, der sich auf alle erhobenen Beweise stützt und nach Erörterung aller Argumente der Beteiligten gebildet wurde, gleichgültig, ob die Beweise vor der Vorlage des Vorabentscheidungsersuchens oder nach Erlass der Vorabentscheidung erhoben und die Argumente davor oder danach vorgetragen wurden?

3. Falls auf die erste Vorlagefrage geantwortet wird, dass es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, das Verfahren fortzusetzen, ist es dann mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn sich das Gericht dafür entscheidet, das Ausgangsverfahren nicht fortzusetzen, sondern sich wegen Befangenheit abzulehnen, weil die Fortsetzung des Verfahrens gegen das nationale Recht verstoßen würde, das ein höheres Maß an Schutz für die Interessen der Beteiligten und der Rechtspflege bietet; wenn nämlich die Ablehnung darauf beruht, dass:

A) das Gericht im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens vor Erlass seiner endgültigen Entscheidung einen vorläufigen Standpunkt zum Verfahren geäußert hat, was zwar nach dem Unionsrecht, nicht jedoch nach dem nationalen Recht zulässig ist;

B) das Gericht seinen endgültigen Standpunkt in zwei Rechtsakten und nicht in einem bilden würde (falls man davon ausgeht, dass das Vorabentscheidungsersuchen keinen vorläufigen, sondern einen endgültigen Standpunkt darstellt), was zwar nach dem Unionsrecht, nicht aber nach dem nationalen Recht zulässig ist?“

S. 385 - 386, Forschungssplitter

Alois Birklbauer / Helmut Hirtenlehner

„Schnupperhaft“ – wirksam oder doch nur populistisch?

In den letzten Jahren wird gerne das Instrument der „Schnupperhaft“ (die Inhaftierung junger Straftäter für ein paar Tage) als Maßnahme zur Verhinderung von Rückfallskriminalität, insb bei Jugendlichen, angedacht. Ein solcher Ansatz erscheint verlockend: „Schnupperhaft“ (auch: Schockstrafe) ist rasch durchgeführt, gestaltet sich entsprechend kostengünstig und harmoniert gut mit Alltagsmythen und Laienannahmen über die Abschreckungswirkung von Gefängnissen. Aussagen im Sinne von „Schnupperhaft schreckt jugendliche Rechtsbrecher vor weiteren Straftaten ab und bewahrt Täter wie Bevölkerung vor einer kriminellen Karriere“ werden durch die kriminologische Forschungslage aber nicht gestützt. Was diesbezüglich an empirischen Befunden vorliegt – und das ist im angelsächsischen Raum gar nicht so wenig – weckt erhebliche Zweifel an der kriminalpräventiven Wirksamkeit von „Schnupperhaft“. Die Mehrzahl der vorhandenen Studien erteilt der Wirkungsannahme eine Absage.

S. 387 - 388, Zur Erinnerung

Rainer Nimmervoll

Zur (unzulässigen) Unterbrechung der Untersuchungshaft

Gemäß § 189 Abs 1 erster Satz StPO stehen alle Anordnungen und Entscheidungen, die sich auf den Verkehr der angehaltenen Beschuldigten mit der Außenwelt (§§ 86 bis 100 StVG) beziehen, mit Ausnahme der Überwachung der Paketsendungen (§ 91 StVG), im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, im Hauptverfahren dem Gericht zu. Unter den Verkehr mit der Außenwelt fallen zB auch Ausführungen des Untersuchungsgefangenen iSd § 98 StVG. Eine Unterbrechung der Untersuchungshaft in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 99 StVG kommt als dem Zweck der Untersuchungshaft widersprechend hingegen überhaupt nicht in Betracht.

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