Vorgaben der EU führen zu zwei Ministerialentwürfen: Zum einen geht es um die Umsetzung der Richtlinie EU 2017/1371 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug, zum anderen um die Umsetzung der Richtlinie EU 2016/1919 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls und um die Umsetzung der Richtlinie EU 2016/800 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind. Zur Betrugsbekämpfung werden zwei neue Tatbestände geschaffen, die unter anderem Abgrenzungsprobleme eröffnen. Darüber hinaus verschwindet der Gemeinschaftsbeamte aus dem Rechtsbestand und wird durch den Unionsbeamten ersetzt. Sehr umfangreich sind die Änderungen im JGG.
- ISSN Online: 2312-1920
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Inhalt der Ausgabe
S. 389 - 394, Aktuelle Gesetzesvorhaben
Umsetzung von EU Vorgaben: Betrugsbekämpfung und die Richtlinien Jugendstrafverfahren und Prozesskostenhilfe – die Ministerialentwürfe
S. 395 - 401, Aktuelle Gesetzesvorhaben
Das dritte Gewaltschutzgesetz – der Ministerialentwurf
Der Entwurf eines dritten Gewaltschutzgesetzes ging am 15.5.2019 in Begutachtung, zwei Tage später war Österreich mit dem sogenannten „Ibiza“-Video konfrontiert. Vielleicht war die Erwartung, dass dieses Gesetz in dieser Form nicht beschlossen wird, der Grund dafür, dass nur 60 Stellungnahmen abgegeben wurden. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass diese Regelungen dennoch genau so kommen werden. Inhaltlich betrifft der Entwurf neben StGB, JGG und StPO auch das ABGB, das StRegG, das TilgG, die EO und die SPG-Novelle 2013. Die Änderungen im StGB betreffen vor allem das Strafzumessungsrecht – es geht letztlich um strengere Strafen. Gewaltschutzmaßnahmen finden sich noch in zwei weiteren Gesetzesvorhaben, nämlich zum Medizinbereich und zum SPG.
S. 402 - 408, Aufsatz
(Keine) strafbare Untreue (§ 153 StGB) durch korruptives Handeln
Der OGH hat sich in der im Titel genannten Entscheidung ua mit der Frage beschäftigt, inwieweit aktive Korruption durch einen Machthaber einen Befugnismissbrauch im Sinne des strafrechtlichen Untreuetatbestands (§ 153 StGB) bedeutet, und dies letztlich verneint. Dabei hat er sich eingehend mit den vorhandenen Literaturmeinungen auseinandergesetzt. Entsprechend dem Ultima-Ratio-Gedanken des Strafrechts hat er mit dieser Entscheidung die Anwendung strafbarer Untreue auf jenen Bereich zurückgedrängt, der diesem Delikt seit der Novelle im Jahre 2015 zukommt.
Immer wieder bekämpfen in praxi Beschuldigte die Stellung des Privatbeteiligten und beantragen die Nichtzulassung bzw nach Zulassung die Zurückweisung. Demgegenüber fand die Thematik in Lehre und Rspr bisher wenig Beachtung. Entgegen der Lehre besteht für derartige Anträge nicht nur kein Bedarf, vielmehr sind solche Anträge auch unzulässig.
S. 414 - 418, Aufsatz
Bankomatkartenmissbrauch als Einbruchsdiebstahl iS des § 129 Abs 1 Z 3 StGB durch das Öffnen einer Sperrvorrichtung
In der am 27.6.2016 ergangenen Entscheidung 15 Os 29/16b ließ der OGH anklingen, das Beheben von Bargeld mit einer entfremdeten Bankomatkarte bei einem Bankomaten künftig als Einbruchsdiebstahl gem § 129 Abs 1 Z 3 StGB qualifizieren zu wollen. Begründet wurde dieses Abgehen von seiner bisherigen Rspr insbesondere mit dem Wegfall des bislang in § 129 Z 3 StGB (aF) enthaltenen Wortes „sonst“ in § 129 Abs 1 Z 3 StGB im Rahmen des StRÄG 2015. Das OLG Wien folgte dieser neuen Rechtsansicht des OGH in seiner Entscheidung 20 Bs 117/18d vom 28.9.2018. Nun sprach der OGH in der aktuellen Entscheidung 13 Os 18/19z vom 29.5.2019 ausdrücklich aus, dass eine Bargeldbehebung unter Verwendung einer widerrechtlich erlangten Bankomatkarte unter § 129 Abs 1 Z 3 StGB zu subsumieren sei. Im nachfolgenden Beitrag soll näher untersucht werden, ob tatsächlich alleine aufgrund des Wegfalls des Wortes „sonst“ eine Beurteilung des Bankomatkartenmissbrauchs als Einbruchsdiebstahl iS des § 129 Abs 1 Z 3 StGB sachgemäß erscheint.
S. 419 - 426, Aufsatz
Offene Fragen zur Korruption im privaten Sektor nach § 309 StGB
In einer kürzlich erlassenen Entscheidung vom 26.2.2019 (17 Os 8/18g) hatte sich der OGH erstmals mit einer erstgerichtlichen Verurteilung nach § 309 StGB auseinanderzusetzen. Dies gibt Anlass dazu, das relativ junge Delikt des § 309 StGB, zu dem noch zahlreiche offene Auslegungsfragen bestehen, näher unter die Lupe zu nehmen und wichtige Abgrenzungsfragen zum geschützten Rechtsgut, den erfassten Tatsubjekten und Konkurrenzfragen zu klären. Der Schwerpunkt der dargestellten Beispiele betrifft aufgrund der besonderen Strittigkeit im Schrifttum korruptives Verhalten im Gesundheitswesen.
S. 427 - 430, Aufsatz
Verfahrensvorschriften bei mittlerweile volljährigen Beschuldigten von Jugendstrafsachen
Das Jugendgerichtsgesetz 1988 zielt darauf ab, Personen, die auf Grund ihres Alters Konsequenzen ihres Handelns noch nicht vollends abschätzen können, zu schützen. Das zeigt sich in vielerlei Normen, die auf minderjährige Beschuldigte abstellen und besondere Verfahrensvorschriften enthalten. Bei Erreichen der Volljährigkeit verfällt der Schutz mancher Vorschriften, wogegen er bei anderen weiterwirkt, weil lediglich das Alter im Tatzeitpunkt zur Beurteilung herangezogen wird.
S. 431 - 436, Aufsatz
„Medio tutissimus ibis“ – US-Sanktionen als herausforderndes Compliance-Thema für europäische Finanzinstitute
Das Thema Wirtschafts- und Finanzsanktionen beschäftigt die Compliance-Abteilungen der Unternehmen in den letzten Jahren immer intensiver. Trotzdem herrscht auf diesem Gebiet große Rechtsunsicherheit, nicht zuletzt deswegen, weil es im europäischen Raum bis dato keine Präzedenzfälle gibt. Eine besondere Herausforderung stellen die US-Sanktionen dar. Europäische Unternehmen, insb Finanzinstitute, stehen vor dem Erfordernis zu verstehen, welche Bestimmungen einzuhalten sind und wie die daraus abzuleitenden Vorgaben bestmöglich in bestehende Compliance Management Systeme (CMS) eingebettet werden können.
S. 437 - 442, Aufsatz
Zur deutsch-österreichischen Zusammenarbeit bei der grenzüberschreitenden Vollstreckung von Geldsanktionen
Deutschland und Österreich sind Nachbarländer und arbeiten auf zahlreichen Gebieten eng zusammen. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Zusammenarbeit bei der Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen, die in einem der beiden Staaten verhängt und vom anderen Staat in seinem Hoheitsgebiet vollstreckt werden. Rechtsgrundlagen dafür sind ein EU-Rahmenbeschluss und ein bilateraler Vertrag.
S. 443 - 448, Aufsatz
Maßnahmen oder Menschen. Wessen Erfolg ist das Anliegen der Vollzugsforschung?
Der Beitrag schildert anhand deutscher Erfahrungen mehrere Aspekte der Vollzugsforschung und geht dabei zunächst auf Prävention und Empirie, auf den Gold-Standard und den telos der einschlägigen Gesetzesbestimmungen ein. Sodann gibt er einen Überblick über das Wiesbadener Verlaufsprojekt und die Verlaufs-Evaluation im allgemeinen.
S. 449 - 457, Aufsatz
Suchtgifttransport(e) durch mehrere Länder: eine oder mehrere strafbare Handlungen?
Der Beitrag untersucht anhand eines konstruierten Falles samt mehreren Abwandlungen verschiedene in der Praxis auftretende Rechtsprobleme des grenzüberschreitenden Suchtmitteltransports. Beleuchtet werden dabei ua der Transport über eine bzw mehrere Staatsgrenzen, die Zulässigkeit der Zusammenrechnung von Suchtgiftmengen sowie die rechtliche Subsumtion mehrerer Suchtgifteinfuhren.
S. 458 - 460, Judikatur
Amtsmissbrauch, Beginn des Ermittlungsverfahrens, Nutzung behördeninterner Informationsquellen, Anfangsverdacht
Befugnisfehlgebrauch bei Nutzung behördeninterner Informationsquellen iS des § 91 Abs 2 letzter Satz StPO liegt dann vor, wenn von vornherein keine Anhaltspunkte für einen Sachverhalt vorliegen, der in Richtung eines Geschehens deutet, das – als erwiesen angenommen – (zumindest) einem Tatbestand des materiellen Strafrechts subsumierbar ist, sodass die Abklärung, ob überhaupt ein Anfangsverdacht vorliegt, nicht in Betracht kommt.
Behördeninterne Informationsquellen iS des § 91 Abs 2 letzter Satz StPO sind alle Aufzeichnungen oder Speicherungen von Informationen, die bereits Gegenstand der Datenverarbeitung irgendeiner Behörde waren.
S. 460 - 464, Judikatur
Filmaufnahme von hoheitlichem Einsatz von Zwangsgewalt ist zulässig
Die Staatsgewalt muss bei einem hoheitlichen Einsatz mit Zwangsgewalt akzeptieren, dass diese Vorgänge festgehalten werden, zumal dadurch auch ein gewisser präventiver Effekt gegen allfällige rechtswidrige Übergriffe erreicht wird.
Die Veröffentlichung der Aufnahme der Amtshandlung ist unzulässig, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Veröffentlichung des Videos gerade dazu dienen sollte, die Staatsgewalt und somit auch den Kläger, der als Polizist für diese einschritt, herunterzumachen.
Gem § 284 Abs 1 1. Satz StPO ist die Nichtigkeitsbeschwerde – ebenso wie die Berufung (§ 294 Abs 1 1. Satz StPO) – binnen dreier Tage nach Verkündung des Urteils beim Landesgericht anzumelden. Eine verfehlte oder unterlassene Rechtsmittelbelehrung ändert nichts am Beginn dieser Frist.
Die in § 84 Abs 2 StPOaF vorgesehene generelle Möglichkeit protokollarischen Anbringens der Rechtsmittel in Strafsachen wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 beseitigt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde und auch die Berufung können aber weiterhin mündlich, wenngleich nur unmittelbar nach Urteilsverkündung gegenüber dem Verhandlungsrichter angemeldet werden.
S. 465 - 468, Judikatur
Ausgeschlossenheit von Rechtsmittelrichtern bei Vorbefasstheit mit der Schuldfrage im ersten Rechtsgang
Richter eines Rechtsmittelgerichts sind im einer Urteilsaufhebung nachfolgenden (zweiten) Rechtsgang nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO ausgeschlossen, wenn Umstände vorliegen, die objektiv gerechtfertigte Zweifel an deren unvoreingenommener und unparteilicher Dienstverrichtung erwecken. Solche Umstände können sich (ua) aus der Vorbefasstheit von Richtern eines Rechtsmittelgerichts mit der Schuldfrage ergeben, nicht aber wenn die Urteilsaufhebung im ersten Rechtsgang nur aufgrund eines Rechtsfehlers gem § 281 Abs 1 Z 9a StPO erfolgt war.
Ein in kurzer zeitlicher Abfolge bei einheitlicher Motivationslage erfolgter Suchtgifttransport über mehrere Staatsgrenzen stellt eine tatbestandliche Handlungseinheit dar und erfüllt nur ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 2. und 3. Fall SMG.
Auch mehrere gleichartige Begehungen nach § 28a Abs 1 SMG, die nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG qualifiziert sind, begründen bloß ein einziges Verbrechen.
Bei § 28a Abs 4 Z 3 SMG handelt es sich um eine Deliktsqualifikation, weshalb sich der Vorsatz des Täters auf eine diese gesetzlichen Voraussetzungen erfüllende Menge beziehen muss.
S. 470 - 470, Judikatur
Suchtgifthandel; Einfuhr; Ausfuhr; Suchtgifttransport über mehrere Grenzen; mehrere Verbrechen
Die mit deliktsspezifischem Vorsatz erfolgte, mehrere Grenzüberschreitungen umfassende und sohin mehrfache Aus- und Einfuhr ein und derselben, das 25-fache der Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge Suchtgifts verwirklicht mehrere real konkurrierende Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 2. Fall StGB, § 28a Abs 1 2. und 3. Fall, Abs 4 Z 3 SMG.
Durch die erstmalige Klassifizierung und durch amtswegige Vollzugsortsänderungen werden keine subjektiven Rechte berührt.
S. 471 - 471, Judikatur
Neuerungen im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Wien als Höchstgericht in Strafvollzugssachen
Bei Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts gem § 16 Abs 3 StVG ist das OLG Wien die zweite gerichtliche Beschwerdeinstanz. Es besteht Neuerungsverbot. [1]
Bei Beschwerden gegen einen Bescheid des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz entscheidet das OLG Wien als erste gerichtliche Beschwerdeinstanz. Es besteht kein Neuerungsverbot. [2]
S. 472 - 473, Judikatur
Ordnungsstrafverfahren / Beweisaufnahme und Erhebung des maßgebenden Sachverhaltes
Der maßgebende Sachverhalt muss vollständig erhoben und die Beweisführung tragfähig sein. Erst nach vollständiger Beweiserhebung kann eine freie Beweiswürdigung einsetzen.
Die Gelegenheit für inhaftierte Personen tagsüber in Gemeinschaft angehalten zu werden besteht nur „solange wie möglich“ und somit nicht grundsätzlich. Konkret erforderliche Einschränkungen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung sind zulässig.
Eine für eine bestimmte Tat rechtskräftig schuldig gesprochene Person kann nicht zusätzlich für diese Tat als Beitragstäterin bestraft werden, da die unmittelbare Täterschaft und die Beitragstäterschaft für dieselbe Tat nicht in gleicher Person vereint sein können.
Inhalt einer Strafverfügung ist mitunter die gem § 145 FinStrG zu erteilende Belehrung über das Einspruchsrecht. Es muss darauf hingewiesen werden, dass der Einspruch bei jener Finanzstrafbehörde einzubringen ist, welche die Strafverfügung erlassen hat. Da im Belehrungsabschnitt keine anderen Adressen oder Einbringungsstellen genannt waren, sah die Partei die im Kopf der Strafverfügung angeführten Adressen und Nummern richtigerweise als für die Einbringung des Einspruches relevant an. Diese Angaben sind als Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung aufzufassen.
Medizinische Behandlung iSd § 51 Abs 3 StGB ist jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete eigenverantwortliche Ausführung der im § 2 Abs 2 Z 1 bis Z 5 ÄrzteG 1998 demonstrativ an-geführten Tätigkeiten (Schroll in WK2 StGB § 51 Rz 39), wozu nach § 2 Abs 2 Z 2 ÄrzteG 1998 auch die Beurteilung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Missbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind, bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel zählt.
Die im Zuge eines Haarkontrolltests erforderliche Probeentnahme erfolgt durch Abschneiden eines bleistiftdicken Haarstrangs möglichst nahe der Hautoberfläche und anschließende Laboranalyse, wodurch die Rekonstruktion des Alkoholkonsums für den – von der Haarlänge abhängigen – Beobachtungszeitraum möglich ist (vgl dazu Bicker, Forensisch-toxikologische Haaranalytik, DAG 2014/18; Fous, Haaranalyse im Dienste der FSG-GV: Ein neuer Weg, ZVR 2012/176).
Nach § 2 Abs 2 ÄrzteG 1998 umfasst die Ausübung des ärztlichen Berufs jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird. Als medizinisch sind Tätigkeiten zu verstehen, die durch ein bestimmtes Ziel determiniert sind, nämlich der Diagnose, Behandlung, Operation etc von Krankheiten dienen (Wallner in Resch/Wallner, Medizinrecht2 [2015] Kap XXI Rz 16). Die vorliegend angeordnete Haaranalyse erfolgt – basierend auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen – zur Überwachung einer (möglichen) Alkoholkrankheit des Verurteilten und fällt damit in das außerordentlich weit gezogene (vgl dazu Aigner in Aigner/Kletečka/Kletečka-Pulker/Memmer, Handbuch Medizinrecht Kap. III.1.1.3.1.) ärztliche Berufsfeld.
Nach § 3 Abs 4 ÄrzteG 1998 ist die Ausübung des ärztlichen Berufs ausschließlich Ärzten vorbehalten, sodass ein mit einer Weisung aufgetragener Haarkontrolltest im Hinblick auf das – unter Einsatz medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse verfolgte – Ziel der Überwachung des Gesundheitszustands eine – zustimmungspflichtige – medizinische Behandlung iSd § 51 Abs 3 StGB darstellt.
Die Notwendigkeit der Zustimmung des Verurteilten zu einer solchen Weisung ergibt sich vorliegend zudem auch unter dem Aspekt der Eingriffsintensität (vgl dazu Schroll in WK2 StGB § 51 Rz 38 und 46), stellt doch das Abschneiden eines fingerdicken Haarstrangs einen Eingriff in die körperliche Integrität des Betroffenen dar (Stricker in WK2 StGB § 127 Rz 18; vgl zum Abschneiden von Fingernägeln Birklbauer, WK-StPO § 117 Rz 35). Das für derartige Eingriffe grundsätzlich bestehende Zustimmungserfordernis hat der Gesetzgeber in § 123 Abs 4 StPO zum Ausdruck gebracht, indem die Zulässigkeit einer – im Übrigen gemäß § 123 Abs 5 StPO unter Arztvorbehalt stehenden (vgl Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 7.330) – körperlichen Untersuchung iSd § 117 Z 4 dritter Fall StPO („andere Eingriffe“ in die körperliche Integrität) an die ausdrückliche Zustimmung der zu untersuchenden Person geknüpft wird.
S. 477 - 482, Judikatur
Kriterien im Umgang mit einer Sprachbarriere bei einer psychisch kranken Person in Haft
Bei der Inhaftierung von psychisch kranken Personen gem Art 5 Abs 1 lit e EMRK besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung und der Angemessenheit der im Hinblick auf die jeweilige Erkrankung zur Verfügung stehenden Behandlung. Unabhängig davon, in welcher Einrichtung die betroffenen Personen untergebracht werden, müssen sie mit adäquaten medizinischen und therapeutischen Maßnahmen mit dem Ziel der Vorbereitung auf eine mögliche Entlassung versorgt werden.
Um die Verletzung positiver Pflichten gem Art 2 EMRK nachzuweisen, muss dargelegt werden, dass die Behörden von einer unmittelbar drohenden Gefahr für Leib und Leben einer Person durch strafbare Handlungen einer anderen Person wussten bzw wissen hätten müssen und es vernachlässigten, Maßnahmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu setzen, die dieses Risiko aus objektiver Sicht minimiert hätten. Dies kann nur anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden.
Wird der Angeklagte verurteilt, so ist im Urteil (§§ 260 Abs 1 Z 5 und 270 Abs 2 Z 4 StPO) über die privatrechtlichen Ansprüche des Privatbeteiligten zu entscheiden (§§ 395, 407 und 409 ZPO; § 366 Abs 2 erster Satz StPO).