Für das Terror-Bekämpfungs-Gesetz (TeBG) liegt mittlerweile die Regierungsvorlage vor. Die Abweichungen vom ME sind nur bei der gerichtlichen Aufsicht erheblich, sonst eher minimal, die Strafbestimmung des § 247b hinsichtlich religiös motivierter extremistischer Verbindungen blieb unverändert. Der Ministerialentwurf eines Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetzes 2021 ergänzt nun diese Terrorbekämpfung mit einer Ausdehnung des § 23 StGB über die gefährlichen Rückfallstäter hinaus auf „gefährliche terroristische Straftäter“. Gemeinsam mit dem Umbau des polizeilichen Staatsschutzes ist nun die Reaktion der Bundesregierung auf den Terroranschlag in der Wiener Innenstadt vom November 2020 vollständig und kann somit in den „Wettbewerb der besten Ideen“ treten. Wesentlich wichtiger als die Öffnung des § 23 StGB für Terroristen sind die Änderungen im Recht der Maßnahmen für geistig abnorme Rechtsbrecher: Diese betreffen nicht nur die Grundlagen in § 21 StGB, sondern auch die prozessualen und zum Teil die vollzugsrechtlichen Bestimmungen. In diesem Bereich geht es tatsächlich um eine Reform und nicht um populistischen Wählerfang.
- ISSN Online: 2312-1920
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Inhalt der Ausgabe
S. 349 - 356, Aktuelle Gesetzesvorhaben
Terrorbekämpfung und Maßnahmenvollzugsreform 2021
Die „Libro“-Entscheidung des OGH löste bekanntlich eine kontroverse Diskussion darüber aus, ob ein tatbestandsausschließendes Einverständnis zur vermögensschädigenden Tathandlung auch dann in Frage kommt, wenn der Machtgeber – zumindest vordergründig – eine juristische Person ist. Dieser Diskurs, wie auch die Materialien zur Novellierung des § 153 StGB im Jahr 2015, fokussiert sich vorrangig auf Kapitalgesellschaften. Hinsichtlich anderer juristischer Personen ist die Frage, wer ihr wirtschaftlich Berechtigter ist, in vielen Bereichen bislang ungeklärt. In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wer als wirtschaftlich Berechtigter eines Vereins nach dem VerG in Frage kommt.
Der Beitrag befasst sich mit der Frage nach der (gerichtlichen) Strafbarkeit diverser Manipulationen bei Prüfungen an Schulen und Universitäten, die nicht zuletzt durch die vielfach modifizierten Prüfungsmodalitäten im Zuge der COVID-19-Pandemie wieder verstärkt an Praxisrelevanz gewonnen hat.
“The difficulty of defining terrorism has led to the cliché that one man’s terrorist is another man’s freedom fighter. The phrase implies that there can be no objective definition of terrorism, that there are no universal standards of conduct in peace or war. That is not true.” Brian Michael Jenkins, The Study of Terrorism: Definitional Problems (1980).
S. 381 - 388, Aufsatz
Ökologische Folgen und kriminologische Aspekte des illegalen Artenhandels
Heutzutage sind weltweit mehr wildlebende Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht, als jemals zuvor. Der aktuelle Verlust an Biodiversität gilt – neben dem Klimawandel – als eine der ernsthaftesten Bedrohungen für die Umwelt. Da neben dem Verlust von natürlichen Lebensräumen, Umweltverschmutzung und klimatischen Veränderungen auch der illegale Artenhandel, also der illegale Handel mit geschützten Wildtieren und Wildpflanzen („wildlife trafficking“), einen wesentlichen Faktor für diese besorgniserregende Entwicklung darstellt, erscheint sowohl die konsequente Einhaltung artenhandelsrechtlicher Genehmigungs- und Bescheinigungspflichten als auch die Ahndung gravierender Verstöße gegen ebendiese mit den Mitteln des gerichtlichen Strafrechts wichtiger denn je. Vor diesem Hintergrund versucht der vorliegende Beitrag – anknüpfend an eine kürzlich in der ÖJZ erschienene Abhandlung von Mascha/Molterer zum illegalen Artenhandel aus strafrechtlicher Sicht –, die ökologischen Folgen und kriminologischen Aspekte dieser Deliktsform aufzuzeigen. Der Beitrag verfolgt dabei das Ziel, die Akzeptanz des Artenhandelsrechts zu fördern und einer – in der Praxis zu beobachtenden – Bagatellisierung strafbewehrter Verstöße gegen grundlegende Bestimmungen des Artenhandelsrechts entgegenzuwirken.
Während Begnadigungen in den USA spätestens beim Amtswechsel des Präsidenten zu öffentlichen Disputen führen (wenn es sich nämlich um Begnadigung von Unterstützern und Parteigängern handelt) und es in Deutschland Debatten um die Begnadigung einstiger RAF-Terroristen gab, führt das Institut der strafrechtlichen Begnadigung in Österreich ein relatives Schattendasein. Bestenfalls die nackten Zahlen der jeweiligen „Weihnachtsbegnadigungen“ werden – meist klein – massenmedial aufgegriffen. Manchmal gibt es parlamentarische Anfragen zum Thema. Der vorliegende Beitrag wirft einen genaueren Blick auf das Institut der Begnadigung.
S. 403 - 408, Aufsatz
Strafaufschub zum Abschluss einer Berufsausbildung und nachträgliche Strafmilderung
§ 31a Abs 1 StGB sieht eine nachträgliche Milderung der Strafe vor, wenn nach dem Urteil Umstände eintreten oder bekannt werden, die zu einer milderen Bemessung der Strafe geführt hätten. Dies betrifft die nachträgliche Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze bei einer Geldstrafe, aber auch die Freiheitsstrafe kann nach dieser Bestimmung im Nachhinein einerseits in ihrem Ausmaß gemildert, andererseits auch teilweise oder gänzlich bedingt nachgesehen werden. Davon unabhängig kann der Vollzug einer Freiheitsstrafe aufgeschoben werden, etwa um vorher eine bereits begonnene Ausbildung abschließen zu können (vgl § 6 StVG). Der vorliegende Beitrag erörtert die Möglichkeit der Umwandlung einer unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe in eine bedingte Freiheitsstrafe iS des § 31a Abs 1 StGB nach Ablauf eines Strafaufschubes zum Abschluss einer Berufsausbildung und bespricht dabei eine mögliche, dem § 52 JGG (Aufschub des Strafvollzugs, um den Abschluss einer Berufsausbildung zu ermöglichen) vergleichbare, Regelung im StVG für Erwachsene.
S. 409 - 413, Aufsatz
Pflicht zur Durchführung eines (persönlichen) Parteiengehörs bei offenbar aussichtslosen (Frontdoor-)Anträgen auf Bewilligung eines elektronisch überwachten Hausarrests?
Das Recht auf Parteiengehör ist ein fundamentales Recht der Parteien eines Verwaltungsverfahrens. Wie bei allen subjektiven Rechten, kann es bei der Anwendung bzw Ausübung desselben zu Konflikten mit anderen, ebenso relevanten Rechten kommen. In diesem Aufsatz soll eine derartige Rechtekollision zunächst allgemein, in weiterer Folge an einem konkreten Beispiel aus dem Strafvollzug, beleuchtet werden.
S. 414 - 418, Strafvollzug und Kriminologie
Ich bin (k)ein Opfer. Über das Risiko, in Haft Opfer von Gewalt zu werden
Der Artikel präsentiert die zentralen Ergebnisse einer Dunkelfeldstudie zu Gewalt in Haft, bei der eine repräsentative Stichprobe von Inhaftierten in zehn österreichischen Justizanstalten befragt wurde. Der Artikel fokussiert auf die zentralen Faktoren, die das Risiko, in Haft Opfer psychischer, körperlicher oder sexueller Gewalt zu werden, erhöhen.
Ein Fortführungsantrag, der keine Angaben zur Rechtzeitigkeit enthält, ist zurückzuweisen, selbst wenn er rechtzeitig gestellt wurde.
S. 421 - 424, Judikatur
Husten einer nicht SARS-CoV-2-infizierten Person; Subsumtionsfreispruch
Das Husten einer nicht mit dem Erreger SARS-CoV-2 infizierten Person (Viruslast: null) ist nicht geeignet, die Gefahr der Verbreitung der übertragbaren Krankheit COVID-19 unter Menschen herbeizuführen und kommt solcherart als Tathandlung des § 178 StGB nicht in Betracht.
Der Freispruch vom Vorwurf des nach der Anklage tateinheitlich konkurrierenden demonstrativen Hustens in Richtung der maximal einen Meter entfernten Beamten trotz Aufenthalts in einem besonders betroffenen Gebiet innerhalb von 14 Tagen vor der Tat ist ein rechtlich verfehlter, aber prozessual bedeutungsloser unzulässiger Subsumtionsfreispruch.
Nicht jede COVID-19-Infektion einer Person geht mit einer potenziellen Ansteckungsgefahr für andere Personen einher. Die Frage der Ansteckungsgefahr ist letztlich aufgrund der Virenlast anhand des Laborbefundes zu klären.
Zwischen § 225a StGB und § 147 Abs 1 Z 1 StGB besteht echte Konkurrenz, wenn die Datenfälschung nicht bloß den Zwecken des (zumindest versuchten und) nach § 147 Abs 1 Z 1 4. Fall StGB qualifizierten Betrugs dient, der bereits durch die Erstellung von Benutzerprofilen mit erfundenen Namen und die Benützung gehackter Profile anderer Personen auf Online-Verkaufsplattformen verwirklicht ist, sondern auch als Unterstützung zur Verbergung der betrügerisch erlangten Vermögenswerte ausgerichtet war.
Zurechnungsunfähigkeit des Tatopfers ist keine Voraussetzung für die Subsumtion nach § 205 Abs 1 StGB.
Die Feststellungen des Erstgerichts zum Vorsatz des Angeklagten auf den Reinheitsgrad des Kokains sind durch Hinweis auf dessen Aussage, er sei für den geplanten Suchtgiftankauf nach L. gekommen, weil „die Qualität des Kokains in Rumänien sehr schlecht sei“, und er habe deshalb eine gute Qualität des tatgegenständlichen Kokains billigend in Kauf genommen, zureichend begründet.
Strafbarkeit wegen Suchtgifthandels erfordert auch einen Vorsatz auf das Tatbildelement der Vorschriftswidrigkeit.
Die Feststellungen des Erstgerichts zum Reinheitsgrad des tatgegenständlichen Kokains wurden mit den als glaubwürdig erachteten Angaben eines in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen verdeckten Ermittlers, wonach Kokain aus den Niederlanden erfahrungsgemäß einen Reingehalt von 60 % bis zu 70 % aufweise, zureichend begründet.
S. 431 - 431, Judikatur
Elektronisch überwachter Hausarrest – geeignete Unterkunft und Beschäftigung
Ein aufrechtes Aufenthaltsverbot steht einer legalen Unterkunftnahme in Österreich und der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder einer ehrenamtlichen Tätigkeit in Österreich entgegen.
Grundsätzlich kommt für Anschaffungen während der Haft nur das Hausgeld in Betracht. Die Verwendung von Eigengeld ist in gesetzlich festgelegten Fällen gestattet und wird durch die Formulierung, die Strafgefangenen dürfen hierfür „auch Gelder verwenden, die ihnen sonst für die Beschaffung von Leistungen im Strafvollzug nicht zur Verfügung stehen“, zum Ausdruck gebracht. Eine darüber hinausgehende Verwendung von Eigengeld wäre nur im Rahmen einer Vergünstigung (§ 24 Abs 3 StVG) möglich.
Es kommt nicht darauf an, ob sich der Verdacht auf eine während des elektronisch überwachten Hausarrests oder schon davor begangene Handlung richtet, sondern nur ob die Vollzugsbehörde diesen mangels Kenntnis nicht in ihre Missbrauchsprognose einfließen habe lassen können.
S. 433 - 434, Judikatur
Einstellung eines Ordnungsstrafverfahrens – keine Rechtsmittellegitimation mangels Beschwer
Durch die Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens kann der Beschuldigte nicht beschwert sein.
Gerade bei Verschleierungskonstrukten ist es keinesfalls erforderlich, dass die Verdachtslage so verdichtet ist, dass dem Bf bestimmte Standorte, Zeiträume bzw Glückspielapparate zugeordnet werden können, da genau dies Gegenstand der Ermittlung und Auswertung der gegenständlich beschlagnahmten Beweismittel ist. Eine derartige enge Anforderung an eine Verdachtslage würde dem in einer Beschlagnahme gelegenen Gesetzeszweck der Sicherung und Gewinnung von Beweismitteln völlig zuwiderlaufen.
Dem Einwand der Bf, dass der Abgabenbehörde durch die (verspätete) Entrichtung der Umsatzsteuer kein Schaden erwachsen sei, kann vor dem Hintergrund, dass auch die nur vorübergehende Abgabenverkürzung den Tatbestand der Abgabenhinterziehung verwirklicht und daher die Tatbestandsverwirklichung an den jeweiligen Fälligkeitstagen eintritt, nicht gefolgt werden.
S. 438 - 439, Judikatur
Zur Anordnung von Maßnahmen nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO und Notwendigkeit der Urteilsaufhebung
S. 439 - 439, Judikatur
Das Gericht hat bei Antragstellung nach § 126 Abs 5 StPO die Zweckmäßigkeit nicht zu prüfen
S. 439 - 439, Judikatur
Aus nicht gestellten Fragen kann Nichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z 9 StPO nicht entwickelt werden
S. 440 - 440, Judikatur
Zur Zuständigkeit bei Gerichten unterschiedlicher Ordnung infolge Konnexität
Die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (EAW) ist für die Justizbehörden verbindlich, sofern keine Gründe für die Nichtvollstreckung vorliegen. Insofern ist der vom Gerichtshof entwickelte Grundsatz der Vermutung des gleichwertigen Grundrechtsschutzes im Rechtssystem der EU anzuwenden. Die zuständigen Behörden müssen aber prüfen, ob die Vollstreckung des EAW im Einzelfall zu einem offenkundig mangelhaften Schutz der Konventionsrechte führt. Die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung einer Person kann einen legitimen Grund für die Nichtvollstreckung eines EAW darstellen, wenn die Annahme einer solchen Gefahr auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruht.
Soll der in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte unmittelbar nach Ende der Hauptverhandlung durch das Gericht aus der Haft entlassen werden, weil lediglich eine bedingte Freiheitsstrafe verhängt wurde oder weil die unbedingt verhängte Freiheitsstrafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft bereits verbüßt ist, stellen sich Fragen zur praktischen Umsetzung, insbesondere wenn das Urteil nicht sofort in Rechtskraft erwächst.