Der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gem § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO wird in der Praxis mitunter recht uneinheitlich gehandhabt. Auch im wissenschaftlichen Diskurs führt er – entgegen seiner überragenden praktischen Bedeutung – ein Schattendasein, weshalb er im Folgenden einer eingehenden Erörterung unterzogen werden soll.
- ISSN Online: 2312-1920
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Inhalt der Ausgabe
S. 5 - 8, Aufsatz
Zum Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gem § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO
Der Titel dieses Beitrags entspricht der Schlagzeile auf der Homepage des OGH anlässlich der Entscheidung des verstärkten Senats vom 15.11.2017, 12 Os 21/17f. Die Entscheidung hat tatsächlich positive Änderungen der Rechtsprechung gebracht, mag die Überschrift auch ein wenig übertrieben erscheinen: Die erste Neuerung betrifft die berühmt-berüchtigte „Abtrennungsjudikatur“: ein mittlerweile sattsam bekannter Begriff, der sogar vom OGH selbst verwendet wird (dazu 1.). Bei der zweiten Neuerung geht es um die Zulässigkeit des Strafaufschubs nach § 39 SMG, wobei diese Frage mit einer Spezialität der OGH-Judikatur, nämlich der Unterscheidung zwischen strafsatz- und strafrahmenändernden Vorschriften, verknüpft wird (dazu 2.).
§ 19a StGB als neueste vermögensrechtliche Sanktion birgt nicht unerhebliche dogmatische und kriminalpolitische Probleme. Seit der Einführung der Konfiskation durch das strafrechtliche Kompetenzpaket 2011 (BGBl I 2010/108) wird ihre Sinnhaftigkeit hinterfragt. Dahinter steht die Überlegung, ob und inwiefern Nebenstrafen überhaupt eine Bereicherung des strafrechtlichen Sanktionensystems darstellen können.
§ 153d stellt das betrügerische Anmelden zur Sozialversicherung unter Strafe. Obwohl das Delikt ohne die Verwirklichung eines Betruges iS des § 146 erfüllt werden kann, ist auch ein Zusammentreffen beider Tatbestände möglich. Konsequenterweise stellt sich aber die Frage, nach welcher Bestimmung bzw welchen Bestimmungen ein Täter zu bestrafen ist, wenn er mit ein und derselben Handlung sowohl § 153d als auch § 146 verwirklicht. Der OGH stellte nun fest, dass zwischen den Delikten echte Konkurrenz bestehe. Diese Arbeit wird zeigen, dass die Ansicht des OGH nicht zwingend ist und gute Gründe dafür sprechen, dass § 146 von § 153d konsumiert wird.
S. 30 - 38, Aufsatz
Strafrechtliche Implikationen des „WannaCry“-Angriffes - aus Sicht von Tätern und Opfern
In der heutigen, digitalisierten Welt steigt auch die Zahl an „digitalen Verbrechen“ stetig an. Dies hat zuletzt der weit verbreitete „WannaCry-Trojaner“ gezeigt. Wie derartige Angriffe nach österreichischem Strafrecht zu beurteilen sind und warum sich auch die Opfer sogenannter Ransomware strafbar machen können, soll dieser Beitrag aufzeigen.
S. 39 - 44, Aufsatz
Der Prüfungsausschuss der Gemeinde im Lichte des § 302 Abs 1 StGB
Die Delikte des Missbrauchs der Amtsgewalt und der Untreue im Gemeindebereich beschäftigen seit geraumer Zeit vermehrt die österreichische Justiz. In einigen Fällen kam es bereits zu Verurteilungen von Bürgermeistern, Mitgliedern des Gemeindevorstandes und Mitgliedern des Gemeinderates. Die Strafbarkeit des Prüfungs(Kontroll)ausschusses einer Gemeinde wurde bislang kaum behandelt, wirft jedoch einige Fragen auf, die anhand der uE kritischen Tatbestandmerkmale diskutiert werden.
S. 45 - 49, Aufsatz
Entscheidungen des EuGH im Jahr 2017, Teil 1: Gegenseitige Anerkennung
Auch heuer soll sich zu Jahresbeginn die Rubrik „Europastrafrecht aktuell“ einem Überblick über die strafrechtlich relevanten Entscheidungen des EuGH widmen, die dieser im vergangenen Jahr erlassen hat. Zum Teil werden Entscheidungen dargestellt, die auf ein Vorabentscheidungsersuchen zurückgehen, das im JSt schon in der Rubrik „EuGH – Anhängige Verfahren“ vorgestellt wurde. Wegen der zunehmenden Zahl von Entscheidungen muss die Darstellung auf zwei Beiträge geteilt werden. Der erste Teil befasst sich mit den Entscheidungen zu Fragen der gegenseitigen Anerkennung.
Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bewilligung einer Durchsuchung durch das Beschwerdegericht hat sich auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch das Erstgericht zu beziehen („Ex-ante“-Perspektive). Nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Umstände, die aus späterer Sicht zur Annahme führen, es fehle an einer Durchsuchungsvoraussetzung, machen die seinerzeitige Entscheidung nicht rechtswidrig.
Eine Einvernahme als Partei in einem Zivilverfahren ist ein amtliches Schriftstück, das mit dem Ziel errichtet wurde, die Aussage der genannten (dort Klägerin und hier) Zeugin festzuhalten, und unterfällt daher dem (grundsätzlichen) Verlesungsverbot nach § 252 Abs 1 StPO.
Die Rechtsmittellegitimation des Anklägers und des Angeklagten zur Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe des § 468 Abs 1 Z 3 StPO hängt im bezirksgerichtlichen Verfahren nicht von einer „Rüge“ gegen den gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefassten Beschluss ab.
Einen Zeitpunkt für die Stellung eines Antrags auf Verhängung der Untersuchungshaft sieht die StPO nicht vor.
Die U-Haft ist regelmäßig nicht vor Ende der Strafhaft zu verhängen. Alternativ besteht die Möglichkeit, die Untersuchungshaft – am Tag bzw wenige Tage zuvor – „bedingt mit dem Ende der Strafhaft zum Verfahren ...“ zu verhängen. Das Ende der anderen Haft stellt (für den Fall der Anrechnung bzw Entschädigung) sodann den Beginn der neuen Haft dar. Einer vorangegangenen Festnahme des Beschuldigten bedarf es in keinem Fall, weil eine solche keine Voraussetzung der Untersuchungshaft ist.
Eine Vollziehung einer Festnahmeanordnung durch die Justizwache ist nicht möglich.
Die SIX Payment Services (Austria) GmbH ist nur aufgrund einer gerichtlich bewilligten Anordnung auf Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte nach § 109 Z 4 1. Fall iVm § 116 Abs 1 StPO zur Bekanntgabe von (vollständigen) Kontonummern oder anderer Kontodaten verpflichtet.
Die sogenannte „Abtrennungsjudikatur“ zu § 28a Abs 1 SMG wird aufgegeben. Der Täter, der durch (mit Additionsvorsatz begangenen) wiederkehrenden Verkauf von Suchtgift in Teilmengen die Grenzmenge mehrfach überschreitet, begeht das Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG nur mehr einmal.
Die „Gewöhnungsprivilegien“ betreffen den Strafsatz. Daher ist ein Aufschub des Strafvollzugs zwecks Durchführung einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gem § 39 SMG im Fall eines Schuldspruchs nach § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG möglich.
Gewöhnung liegt schon bei einem regelmäßigen, in zeitlich nahe liegenden Abständen vorgenommenen, nicht notwendig täglichen Konsum von Suchtmitteln vor. Eine krankheitswertige Sucht oder eine körperliche Abhängigkeit im Sinn einer medizinischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedürftigkeit ist nicht notwendig.
Da die Frage, ob § 28a Abs 3 SMG eine den Strafsatz bestimmende und damit die Subsumtion berührende Privilegierung oder eine die Strafbefugnis betreffende Strafrahmenvorschrift darstellt, in der Rechtsprechung des OGH nicht einheitlich beantwortet worden ist, ist die Befassung eines verstärkten Senats geboten.
Ein Erlass ist ein rein innerbehördliches Schreiben ohne jegliche Entfaltung einer unmittelbaren Außen- oder Drittwirkung und bildet per se keine taugliche Begründung für gegenüber dem Insassen getroffene Entscheidungen oder Anordnungen. Sowohl die Vollzugsbehörde 1. Instanz, als auch das Vollzugsgericht hat seine Entscheidung zu begründen.
Gem § 93 Abs 2 2. Satz StVG dürfen Langzeitbesuchsgenehmigung keine Überwachungsbedenken entgegenstehen, zumal eine Überwachung gerade den angestrebten Zweck der in ihrer Intensität gesteigerten Stabilisierung des sozialen Umfeldes konterkarieren würde. (1)
Ermessensentscheidungen sind innerhalb des Beurteilungsspielraumes anhand der gesetzlichen Parameter zu begründen. (2)
Das Recht auf Tragen der eigenen Oberbekleidung steht nicht unbeschränkt zu. (1)
Gem § 20 Abs 2 StVG findet die Ausübung jedes im Strafvollzugsgesetz normierten subjektiven Rechtes ihre Grenze in der mit dem Strafvollzug wesensnotwendig verbundenen Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung. (2)
Über eine bereits in Rechtskraft erwachsene Entscheidung darf nicht mehr neuerlich entschieden werden. Eine Identität der Sache ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, welcher der formell rechtskräftigen Vorentscheidung zugrunde gelegt wurde, nicht geändert hat. Bei der Feststellung der Identität der Sache ist überwiegend durch Prüfung der rechtlichen Betrachtungsweise festzustellen, ob in den entscheidungsrelevanten Fakten eine wesentliche Veränderung eingetreten ist. (1)
Die in erster Instanz zuständige Behörde darf vor Rechtskraft, aber während eines anhängigen Berufungsverfahrens nicht neuerlich über die Sache entscheiden. Diese aus § 66 Abs 4 AVG abgeleitete Rechtslage gilt nur im Verhältnis der Behörde erster Instanz zu ihrer Berufungsbehörde. (2)
Ein Sicherstellungsauftrag für Geld- und Wertersatzstrafen hat sämtliche Voraussetzungen des § 232 Abs 2 BAO zu erfüllen.
Die Rechtmäßigkeit von Sicherungsmaßnahmen ist im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe zu beurteilen.
Unter dem Begriff des „Erzeugens“ von Suchtgift ist – nach der Intention des Gesetzgebers und im Einklang mit den bestehenden völkerrechtlichen (insb Art 3 Abs 1 lit a Z i des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen [Wiener Konvention 1988; BGBl III 1997/154]) und europarechtlichen (Art 2 Abs 1 lit a des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels [ABl L 2004/335, 8]) Verpflichtungen – das Gewinnen, Herstellen, Ausziehen und Zubereiten von Suchtgift zu verstehen (EBRV [zur SMG-Novelle 2007] 301 BlgNR 23. GP 9; 15 Os 102/08a; Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 27 Rz 44 iVm § 2 Rz 15 ff). Die „Zubereitung“ bedeutet das Vermengen von Suchtgiften mit anderen Substanzen wie etwa Verdünnungs- oder Streckmitteln (301 BlgNR 23. GP 9; Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 2 Rz 17 [mwN]).
Davon ausgehend ist die – von entsprechendem Vorsatz getragene – Übergabe von Koffein an einen anderen zum Zwecke der Vermengung mit MDMA und dem Versuch anschließender Herstellung von „Ecstasy-Tabletten“ den §§ 12 3. Fall, 15 StGB, § 27 Abs 1 Z 1 3. Fall SMG zu subsumieren.
Der Eintritt einer verjährungshemmenden Wirkung im Sinn des § 58 Abs 3 Z 2 StGB ist nicht vom Grad der Konkretisierung der staatsanwaltlichen Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen, sondern allein davon abhängig, dass diese der Klärung des gegen den Täter gerichteten Verdachts (bezogen auf eine bestimmte Tat) dienen. Demnach entfaltet auch ein hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen nicht näher spezifizierter Ermittlungsauftrag – wie etwa das Ersuchen um „vollständige Sachverhaltsermittlung“ – eine den Eintritt der Verjährung hemmende Wirkung im Sinn dieser Bestimmung.
Die sich aus § 390 Abs 1 und § 393 Abs 4 StPO im Fall eines Freispruchs ergebende Kostenersatzpflicht des Privatanklägers umfasst sowohl den Ersatz der Kosten der Verteidigung des vom Vorwurf eines Medieninhaltsdelikts Freigesprochenen als auch jener des – auf dessen Seite auftretenden – Medieninhabers, dem gemäß § 41 Abs 6 MedienG (auch) im Verfahren wegen eines Medieninhaltsdelikts (§ 1 Abs 1 Z 12 MedienG) die Rechte des „Angeklagten“ zukommen.
Im (vorschriftswidrigen) Überlassen von Suchtgift durch einen Täter und dem nachgelagerten Überlassen desselben Suchtgifts durch einen anderen Täter an weitere Suchtgiftabnehmer, mag dieser das Suchtgift auch unmittelbar von jenem erworben haben, kann – soweit dies (infolge Beteiligung nach § 12 StGB) nicht im Rahmen objektiver Konnexität erfolgt (§§ 26 Abs 1 erster Satz, 37 Abs 1 1. Satz StPO) – kein enger sachlicher Zusammenhang im Sinn der §§ 26 Abs 1 letzter Satz, 37 Abs 1 2. Satz StPO erblickt werden (vgl 11 Ns 63/17d sowie – zu § 26 StPO im Rahmen von Entscheidungen gemäß § 28 StPO – Gw 510/11z und Gw 62/13w, 63/13t; ebenso [§ 207a Abs 1 Z 2 bzw Abs 3 StGB betreffend] Gw 232/14x).
1. Ist Art 4 Z 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI dahin auszulegen, dass sich der Beschluss, wegen der Straftat, aufgrund deren der Europäische Haftbefehl (EHB) ausgestellt worden ist, kein Verfahren einzuleiten bzw das Verfahren einzustellen, ausschließlich auf die Straftat bezieht, aufgrund deren der EHB ausgestellt worden ist, oder ist diese Bestimmung dahin zu verstehen, dass sich der Verzicht auf das Verfahren oder die Einstellung des Verfahrens auch auf die gesuchte Person in ihrer Eigenschaft als Verdächtiger/Beschuldigter im Rahmen dieses Verfahrens beziehen muss?
2. Kann ein Mitgliedstaat die Vollstreckung eines EHB nach Art 4 Z 3 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI verweigern, wenn die Justizbehörde des anderen Mitgliedstaats beschlossen hat, wegen der Straftat, aufgrund deren der EHB ausgestellt worden ist, kein Verfahren einzuleiten oder das Verfahren einzustellen, und die gesuchte Person in diesem Verfahren die Stellung eines Zeugen und nicht eines Verdächtigen/Beschuldigten hatte?
3. Stellt der Beschluss, ein Verfahren einzustellen, in dem die gesuchte Person nicht die Stellung eines Verdächtigen hatte, sondern als Zeuge gehört wurde, für die anderen Mitgliedstaaten einen Grund zur Ablehnung der Vollstreckung des ausgestellten EHB gemäß Art 3 Z 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI dar?
4. In welchem Verhältnis zueinander stehen der in Art 3 Z 2 des Rahmenbeschlusses vorgesehene obligatorische Grund, eine Übergabe abzulehnen, wenn „sich aus den der vollstreckenden Justizbehörde vorliegenden Informationen ergibt, dass die gesuchte Person wegen derselben Handlung von einem Mitgliedstaat rechtskräftig verurteilt worden ist“, und der in Art 4 Z 3 vorgesehene fakultative Grund, eine Übergabe zu verweigern, wenn „gegen die gesuchte Person in einem Mitgliedstaat aufgrund derselben Handlung eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, die einer weiteren Strafverfolgung entgegensteht“?
5. Ist Art 5 Z 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI dahin auszulegen, dass der Vollstreckungsstaat verpflichtet ist, eine Entscheidung über jeden EHB, der ihm übermittelt wird, zu treffen, auch wenn er bereits über einen früheren, von der anderen Justizbehörde gegen dieselbe gesuchte Person im Rahmen desselben Strafverfahrens ausgestellten EHB entschieden hat und der neue EHB aufgrund einer Änderung der Umstände im Staat der Ausstellung des EHB ausgestellt worden ist (Verweisungsbeschluss – Einleitung des Strafverfahrens, strengere Beweisanforderung hinsichtlich der Begehung der Straftat, Zuständigkeit einer neuen Justizbehörde/eines neuen Gerichts)?
Ein Haftaufschub wegen eines Kindes unter einem Jahr dient in erster Linie dem Kindeswohl und soll sicherstellen, dass dem Kind in seinem ersten Lebensjahr die entsprechende Aufmerksamkeit und Fürsorge zuteilwird. Gesetzliche Regelungen, die bei der Ermöglichung eines Haftaufschubs wegen eines Kindes unter einem Jahr zwischen Vätern und Müttern differenzieren und dabei die besondere Bindung zwischen Müttern und Kindern in dieser Zeit berücksichtigen, können im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot von Art 14 iVm Art 8 EMRK gerechtfertigt sein.
Die fehlende Möglichkeit der Verteidigung, Belastungszeugen in einem kontradiktorischen Verfahren zu befragen, muss sachlich gerechtfertigt sein, um den Anforderungen eines fairen Verfahrens gem Art 6 Abs 1 und Abs 3 lit d EMRK zu genügen. Darüber hinaus ist zu klären, ob die Aussage eines abwesenden Belastungszeugen der einzige bzw ausschlaggebende belastende Beweis für die Verurteilung eines Angeklagten ist sowie ob hinreichende ausgleichende Faktoren, wie effektive verfahrensrechtliche Rechtsschutzgarantien, eine faire und sorgfältige Überprüfung der Zuverlässigkeit der Beweismittel gewährleisten.
Im Fall des Todes eines Häftlings während eines Hungerstreiks im Gefängnis wurden weder Art 3 EMRK (Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) im Hinblick auf die Haftbedingungen noch Art 2 EMRK (Recht auf Leben) in seiner verfahrensrechtlichen Ausgestaltung im Hinblick auf die Untersuchung der Todesumstände verletzt.
S. 78 - 81, Zur Erinnerung
Zur „Einigung“ über Vertretungskosten iS des § 395 Abs 1 StPO
Der in einem offiziosen Strafverfahren schuldig gesprochene Angeklagte hat dem mit seinem Anspruch zumindest zum Teil durchgedrungenen Privatbeteiligten die – zur zweckmäßigen Durchsetzung des Anspruchs notwendigen – Kosten der Vertretung zu ersetzen (§ 389 Abs 1 iVm § 381 Abs 1 Z 8, § 393 Abs [statt 3 nunmehr:] 4 StPO). In Ansehung der Höhe dieses Kostenersatzes räumt das Gesetz in der Bestimmung des § 395 Abs 1 StPO (verbo: [früher] „Übereinkommen“, [nunmehr: „Einigung“]) den Beteiligten vorweg die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung ein; gelingt diese nicht, fällt die Kostenbestimmung in den Zuständigkeitsbereich des in erster Instanz entscheidenden Gerichtes.
Aus dem klaren gesetzlichen Auftrag, dem ersatzberechtigten Privatbeteiligten unter Ausklammerung des Zivilgerichtes einen Exekutionstitel (§ 1 Z 8 EO) zu verschaffen, ergibt sich die dem Strafgericht obliegende Verpflichtung, in all jenen Fällen seine Entscheidungskompetenz wahrzunehmen, in denen das Vorliegen einer rechtswirksamen, einen Exekutionstitel sohin von vornherein entbehrlich erscheinen lassenden außergerichtlichen Übereinkunft über die Höhe der zu ersetzenden Kosten nicht klar zu Tage tritt, wobei schon die Einbringung eines diesbezüglichen Kostenbestimmungsantrages in der Regel die mangelnde Willensübereinstimmung der Beteiligten indiziert. Demgemäß ist nur dann die Zuständigkeit des Strafgerichts zu einer Kostenbestimmung gemäß § 395 Abs 1 StPO nicht gegeben, wenn ein solches Übereinkommen getroffen wurde. Es obliegt daher dem Strafgericht [im Falle entsprechender aktenkundiger Hinweise bzw Behauptungen] die Prüfung, ob eine Einigung zwischen der Privatbeteiligten und dem Verurteilten über die Höhe der Kosten der Privatbeteiligung erzielt wurde.