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JST

Heft 1, Januar 2021, Band 8

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 2312-1920

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Inhalt der Ausgabe

S. 5 - 9, Aktuelle Gesetzesvorhaben

Alexander Tipold

Hass im Netz und Anti Doping Recht – Regierungsvorlagen

Die Regierungsvorlagen zum Thema Hass im Netz kamen recht schnell nach Ende der Begutachtung. Da sich doch einiges im Detail geändert hat, soll diesem Thema noch einmal ein Beitrag gewidmet sein: Dabei werden die neuen Strafbestimmungen zur Gänze dargestellt, bei allen anderen Neuregelungen werden vor allem die Änderungen gegenüber den ME hervorgehoben. Auch für das ADBG 2021 liegt bereits die Regierungsvorlage vor. Alle Änderungen sollen mit 1.1.2021 in Kraft treten.

S. 10 - 20, Aufsatz

Alois Birklbauer

Teilweise Verfassungswidrigkeit der Mitwirkung am Selbstmord (§ 78 StGB): Erste Analyse des Erkenntnisses und weiterführende Überlegungen

Das am 11.12.2020 gefällte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), mit dem die in § 78 zweiter Fall StGB normierte Variante der Hilfeleistung beim Selbstmord als verfassungswidrig aufgehoben wurde, kann wohl als Paukenschlag bezeichnet werden. Das Höchstgericht ging im Jahre 2016 noch davon aus, dass es dem Gesetzgeber freistehe, dem Recht auf Leben oder dem Recht auf Selbstbestimmung, wozu auch das Recht gehört, über sein Leben zu verfügen, größere Bedeutung beizumessen. In seiner nunmehrigen Entscheidung hat der VfGH dem Recht auf Selbstbestimmung insofern einen Vorrang eingeräumt, als er es nicht (mehr) als verfassungskonform erachtet, einem Suizidwilligen jede Unterstützung für sein Vorhaben zu versagen. Der folgende Beitrag analysiert die Argumente der höchstgerichtlichen Entscheidung und geht auch der Frage nach, ob tatsächlich eine allfällige Reparatur der aufgehobenen Norm erforderlich ist, um vulnerable Personen hinreichend zu schützen.

S. 21 - 26, Aufsatz

Wolfgang Gratz

Anschläge gegen die Aufklärung

Zur Erklärung der Dynamik politischer Prozesse dient das „Multiple-Streams-Modell“, das drei Elemente beinhaltet: Problemstrom, Policy-Strom und Lösungsstrom. Bei der Verkoppelung dieser Ströme stellt die Steuerung von Zeit einen wichtigen Faktor dar. Als Beispiele dienen die Nicht-Reform des Maßnahmenvollzug, Aspekte der Message-Control sowie die Auswirkungen des Terroranschlags in Wien. Abschließend werden Gemeinsamkeiten zwischen dem radikalen Islamismus und anderen Formen des Rechtsextremismus sowie die Notwendigkeit, die Errungenschaften der Aufklärung zu verteidigen, angesprochen.

S. 27 - 33, Aufsatz

Julia Köpf

Der Enkeltrick-Betrug: Strafbarkeit bei bewusster Selbstschädigung des Getäuschten?

Spenden-/Bettel- oder Enkeltrick-Betrug, eines ist allen gemein: Der bewusst einseitigen Vermögensverfügung folgt keine Gegenleistung. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich einerseits damit, ob bei einer bewusst einseitigen Vermögensverfügung die Möglichkeit einer Betrugsstrafbarkeit besteht, und geht dabei unter anderem auf Motivirrtümer, Zweckverfehlungen sowie den Vermögensschaden ein. Andererseits wird mit Fokus auf den Enkeltrick-Betrug thematisiert, welche Rolle die Kenntnis der wahren Sachlage sowie Zweifel seitens des Getäuschten in der Kausalitätskette Täuschung – Irrtum – Vermögensverfügung spielen.

S. 34 - 40, Aufsatz

Désirée Pieringer

Terror(tour)ismus

Die globale terroristische Bedrohung macht auch vor Österreich keinen Halt. Dies zeigt der Anschlag in Wien am 2.11.2020. Besondere Bedrohung geht von sogenannten Foreign Terrorist Fighters aus, so soll auch der Attentäter von Wien zuvor versucht haben, nach Syrien zu reisen, um sich dort der Terrororganisation „Islamischer Staat“ anzuschließen. Dieser Beitrag untersucht die aktuelle terroristische Bedrohung und die Reaktion des nationalen Gesetzgebers mit Schaffung des Tatbestands des Reisens für terroristische Zwecke nach § 278g StGB. Besondere Berücksichtigung findet dabei die dadurch hervorgerufene Vorfeldkriminalisierung.

S. 41 - 45, Aufsatz

Wilfried Ludwig Weh

Dringend verbesserungsbedürftiges Verfassungsgerichtshofgesetz

Die geheime Rechtsbelehrung an die Geschworenen bietet immer wieder Anlass für Kritik, kann sie doch zu einer erheblichen Beeinflussung der für die Beurteilung der Schuldfrage allein zuständigen Laienrichter führen. In zwei Normprüfungsanträgen wurde in jüngster Zeit versucht, die geheime Rechtsbelehrung vom VfGH auf seine Vereinbarkeit mit den Grundrechten überprüfen zu lassen. Beide Anträge wurden aus formalen Gründen zurückgewiesen. Der Beitrag stellt die beiden Erkenntnisse dar und schließt mit der rechtspolitischen Forderung nach mehr Grundrechtsschutz durch den VfGH bei Justiznormen.

S. 46 - 50, Europastrafrecht Aktuell

Fritz Zeder

Das Diskriminierungsverbot ereilt das (deutsche) Strafgesetzbuch

Kürzlich hat der EuGH – soweit überblickbar erstmals – eine Entscheidung des Inhalts getroffen, dass eine Bestimmung des materiellen Strafrechts mit dem Diskriminierungsverbot unvereinbar ist, nämlich bestimmte Teile des deutschen Straftatbestands „Entziehung Minderjähriger“ (§ 235 dStGB). Der Beitrag gibt einen Überblick über Wirkungen des Diskriminierungsverbots im Straf- und Strafverfahrensrecht und erörtert das Urteil des EuGH im Detail.

S. 51 - 61, Strafvollzug und Kriminologie

Isabel Haider

Hate Crimes gegen Frauen – eine Diskussion aus Sicht der strafrechtlichen Umsetzung und Strafverfolgungspraxis in Österreich

Der Beitrag verortet zunächst das Hate-Crime-Konzept innerhalb des breiteren Phänomenbereichs geschlechtsbezogener Gewalt gegen Frauen. In weiterer Folge erarbeitet er die Konzeptualisierung von Hate Crimes im österreichischen Strafrecht, gibt einen Einblick in die derzeitige Anwendungspraxis der österreichischen Strafverfolgungsbehörden und konzentriert sich sodann auf theoretische Überlegungen zur Anwendung dieser Konzeptualisierung auf Sexualstraftaten und Gewalt in Intimbeziehungen. Die praktische Relevanz des Konzepts wird anhand zweier Case Studies veranschaulicht.

S. 65 - 69, Judikatur

Ingrid Mitgutsch

Konkurrenz von Amtsmissbrauch und allgemein strafbaren Delikten

Der Einsatz physischer Gewalt kann Befugnisgebrauch bzw -missbrauch iS des § 302 Abs 1 StGB sein, wenn er intentional auf Durchsetzung durch Polizeibeamte vorzunehmender Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen gerichtet ist (hier: rechtswidriger Einsatz von Faustschlägen zur Durchsetzung der Durchsuchung und der Festnahme einer Person).

In einer solchen Konstellation kommt der Rechtsprechung, wonach eine Handlung, die sich nicht einmal äußerlich als Amtshandlung darstellt (hier: eine vorsätzliche Körperverletzung), kein Amtsmissbrauch sei, mag sie auch während oder unter Ausnützung der Amtsausübung verübt worden sein, keine Bedeutung zu. Vielmehr handelt es sich um einen gem § 302 Abs 1 StGB tatbildlichen Befugnisfehlgebrauch, der (auch) den Tatbestand einer allgemein strafbaren Handlung erfüllt.

Verdächtigt ein Polizeibeamter eine andere Person in einem Amtsvermerk (§ 95 StPO) wissentlich falsch einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, und erfüllt er dabei sämtliche (auch subjektive) Tatbestandsvoraussetzungen des § 302 Abs 1 StGB, ist er nicht auch wegen Verleumdung zu bestrafen.

S. 69 - 73, Judikatur

Rechtsverletzung durch Verletzung der Informationspflichten sowie durch ein Rechtshilfeersuchen seitens einer StA

Das Unterbleiben der umgehenden Verständigung des Beschuldigten von einem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren verletzt diesen in seinen subjektiven Rechten gem § 49 Z 1, 4 und 6 StPO, § 50 Abs 1 StPO sowie Art 6 Abs 3 lit a EMRK.

Die Übermittlung eines Rechtshilfeersuchens an ein Gericht in Ankara ist an sich weder gesetzwidrig noch unverhältnismäßig. Wird das Ersuchen jedoch nicht nur mit den Vernehmungsprotokollen der türkischen Strafverfolgungsbehörden, sondern zusätzlich auch mit bisherigen Ermittlungen der österreichischen Kriminalpolizei begründet, so erweckt diese Formulierung fälschlich den Eindruck, dass der österreichischen Kriminalpolizei Ermittlungsergebnisse vorliegen würden, welche den Einspruchswerber im Sinne des in der Türkei gegen ihn erhobenen Vorwurfs der Beteiligung an einer Terrorgruppe belasteten.

S. 73 - 75, Judikatur

Adrian Eugen Hollaender

Selbstständiges Entschädigungsverfahren und Erneuerung des Strafverfahrens

Wenngleich der Wortlaut des § 363a Abs 2 StPO zwar mit der insoweit weit gefassten Bezeichnung („der von der festgestellten Verletzung Betroffene“) Privatankläger oder Antragsteller vom Kreis der – neben der Generalprokuratur – zu einem Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens Legitimierten nicht explizit ausnimmt, ist der Begriff des „Betroffenen“ infolge des Verbots einer Schlechterstellung rechtskräftig Freigesprochener oder durch das Gericht außer Verfolgung Gesetzter in der Weise teleologisch dahin zu reduzieren, dass Privatankläger (Antragsteller nach § 8a MedienG) nicht darunter fallen.

S. 75 - 76, Judikatur

Adrian Eugen Hollaender

Verlesung des Wahrspruchs, Verfahrensrüge

Der Verfahrensrüge nach § 345 Abs 1 Z 4 StPO ist Folge zu geben, wenn gegen die nichtigkeitsbewehrte Vorschrift des § 340 Abs 2 StPO dadurch verstoßen wurde, dass nach dem Inhalt des – über Antrag des Beschwerdeführers berichtigten – Hauptverhandlungsprotokolls der Obmann der Geschworenen nach Wiedereröffnung der Sitzung nicht – wie nach § 340 Abs 2 StPO geboten – die an die Geschworenen gerichteten Fragen, sondern lediglich deren Überschriften und den beigefügten Wahrspruch verlas.

S. 76 - 78, Judikatur

Adrian Eugen Hollaender

Deliktsnatur der Brandstiftung

Der Tatbestand des § 169 Abs 1 StGB stellt eine Kombination aus Gefährdungsdelikt und Erfolgsdelikt dar, bei dem die Gefährdung ex lege unwiderleglich vermutet wird.

S. 79 - 80, Judikatur

Suchtgift, Erwerb, Besitz, Vorschriftswidrigkeit, Compensan, Substitutionsmittel, Mitgaberegelung

Eine Person erwirbt und besitzt ein von einer Apotheke im Rahmen einer Substitutionsbehandlung an sie abgegebenes suchtgifthaltiges Arzneimittel legal, soweit dieser Umgang durch eine entsprechende ärztliche Verschreibung und den dort angeordneten Abgabemodus gedeckt ist.

Wird die Abgabe der Substitutionsmittel an eine vertrauenswürdige Person angeordnet, so ist auch deren Erwerb und Besitz des Suchtmittels sowie die Übergabe desselben an den Substitutionspatienten legal, soweit der Umgang durch die vom Arzt getroffene Mitgaberegelungen gedeckt ist. Hat die vertrauenswürdige Person dem Substitutionspatienten das ihm zugedachte Medikament überlassen, ist ein neuerlicher Erwerb und Besitz des Substitutionsmittels durch sie nicht mehr von § 23e Abs 2 Z 2 und Abs 8 SV gedeckt.

S. 80 - 81, Judikatur

Suchtgift, Erwerb, Besitz, Diversion

Diversion gem §§ 35, 37 SMG wird durch Schuldsprüche wegen anderer mit dem SMG in keinem Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen nicht gehindert.

S. 81 - 82, Judikatur

Suchtgift, Einfuhr, Ausfuhr, Überlassen, tatbestandliche Handlungseinheit, Neue Psychoaktive Substanzen, Vorsatz auf Ziehen eines Vorteils

Mehrere Ein- und Ausfuhren verschiedener Suchtgiftmengen sowie mehrere Überlassungsvorgänge von Suchtgift können jeweils zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden.

Der von § 4 Abs 1 NPSG geforderte Vorsatz, aus der Tat einen Vorteil zu ziehen, muss kein eigener Vorteil (für den Täter selbst) sein.

S. 82 - 83, Judikatur

Subjektiv-öffentliche Rechte im StVG

Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Bekanntgabe der Dienstnummer ergibt sich aus dem StVG nicht.

S. 83 - 84, Judikatur

Formlose Entscheidungen im Anwendungsbereich des StVG (1) ; Subjektiv-öffentliche Rechte im StVG – Vollzuglockerungen (2)

Für die Anwendung des § 22 Abs 3 StVG ist es zunächst gleichgültig, ob durch die Anordnungen und Entscheidungen subjektiv-öffentliche Rechte der Strafgefangenen berührt werden oder nicht. Derartigen formlosen Entscheidungen und Anordnungen nach dem StVG kommen keine Bescheidqualität und keine Rechtskraft im Sinne des § 68 Abs 1 AVG zu; sie können jederzeit formlos widerrufen werden. (1)

Eine Ausführung nach § 98 Abs 2 StVG ist kein subjektiv-öffentliches Recht des Insassen. (2)

S. 83 - 83, Judikatur

Verwendung der Rücklage

Dem Strafgefangenen steht während der Haft nur derjenige Teil der Rücklage zur Verfügung, der das halbe Existenzminimum übersteigt. Dieser Teil darf für Zahlungen nach § 54a Abs 3 – das sind Anschaffungen, die das Fortkommen nach der Entlassung fördern – zur Gänze, für Zahlungen nach § 54a Abs 1 – soweit hier relevant, sind das Leistungen zur Schuldentilgung und an unterhaltsberechtigte Angehörige – zur Hälfte verwendet werden.

S. 84 - 85, Judikatur

Außerordentliche Arbeitsvergütung

Außerordentliche Arbeitsvergütungen dienen nur zur Honorierung überdurchschnittlicher und herausragender Arbeitsleistungen.

S. 85 - 85, Judikatur

Vollzugslockerungen

Gem § 7 Abs 1 der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über besondere Vorkehrungen im Anwendungsbereich des Strafvollzugsgesetzes zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 2020/16 idF BGBl II 2020/419 sind Freiheitsmaßnahmen nach den §§ 99, 99a, 126 Abs 2 Z 4, Abs 4 und 147 StVG bis zum Ablauf des 31.12.2020 grundsätzlich unzulässig.

S. 86 - 87, Judikatur

Aufgrund der zwischenzeitigen absoluten Verjährung sowie des Günstigkeitsprinzips in Bezug auf die Gewerbsmäßigkeit neu zu bemessende Geldstrafe

Ist die Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Erklärungsfrist des § 134 BAO in Kenntnis der Steuerpflicht eines Steuerpflichtigen (etwa aufgrund im Rahmen einer Hausdurchsuchung erlangter Unterlagen), kann sie eine Schätzung der Steuerlast vornehmen. Bei Nichtabgabe der Steuererklärung für das betroffene Jahr kann der Steuerpflichtige somit nicht mehr von einer möglichen Verletzung seiner abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bzw einer Verkürzung iS des § 33 Abs 1 FinStrG ausgehen.

Die Nichtabgabe einer Abgabenerklärung kann eine vollendete oder versuchte Abgabenhinterziehung darstellen, insb je nachdem, ob der Abgabenbehörde die Entstehung des Abgabenanspruchs dem Grunde nach bekannt ist oder nicht. Hat ein Steuerpflichtiger keine Abgabenerklärung eingereicht, und kannte die Abgabenbehörde die Einkunftsquellen des Steuerpflichtigen nicht, ist die Behörde nicht zur Vornahme einer Schätzung der Steuerlast in der Lage. Es ist daher aufgrund der Nichtabgabe der Abgabenerklärung vom Versuch der Abgabenhinterziehung auszugehen.

Der Günstigkeitsvergleich gem § 4 Abs 2 FinStrG betreffend die Gewerbsmäßigkeit nach § 38 FinStrG (alte Rechtlage bis 22.7.2019) und den Straf-Erschwerungsgrund der wiederkehrenden Begehung iSd § 23 Abs 2 FinStrG (neue Rechtslage ab 23.7.2019) führt – wenn Gewerbsmäßigkeit sowohl nach alter wie neuer Rechtslage vorliegt – dazu, dass die neue Rechtslage günstiger und damit anzuwenden ist: Die Geldstrafdrohung „alt“ beträgt das Dreifache, die Geldstrafdrohung „neu“ das Zweifache des maßgeblichen Verkürzungsbetrages (§ 33 Abs 5 FinStrG), dies bei gleichbleibender Ersatzfreiheitsstrafdrohung (§ 20 Abs 2 FinStrG) und ebenso gleicher Freiheitsstrafdrohung (§ 15 Abs 3 FinStrG).

S. 87 - 88, Judikatur

Sichert der steuerliche Vertreter die gesetzeskonforme Besorgung von steuerlichen Angelegenheiten zu, kann der Vertretene hierauf auch dann vertrauen, wenn der steuerliche Vertreter bereits ein steuerliches Versäumnis verursachte

Beauftragt ein Steuerpflichtiger zur Besorgung seiner steuerlichen Angelegenheiten einen steuerlich kompetenten Dritten (zB einen ausgebildeten Buchhalter), kann der steuerlich unerfahrene und mit den genauen steuerlichen Pflichten nicht vertraute Steuerpflichtige auch dann auf die korrekte Abwicklung seiner Steuerangelegenheiten durch den Dritten vertrauen, wenn ihm ein steuerliches Versäumnis des Dritten bekannt wird, der Dritte aber daraufhin die korrekte steuerliche Abwicklung zusichert.

S. 88 - 88, Judikatur

Einbringung von rechtsverbindlichen Eingaben per E-Mail unwirksam und nicht durch Mängelbehebungsverfahren sanierbar

E-Mail-Eingaben bei der Finanzverwaltung sind grundsätzlich unwirksam. Es handelt sich bei einer mittels E-Mail eingebrachten Beschwerde um kein Anbringen iS der § 85 Abs 1 BAO oder § 86a Abs 1 BAO, wodurch auch kein mittels Mängelbehebungsverfahren (§ 156 Abs 2, 4 FinStrG) behebbares Formgebrechen vorliegt. Rechtswirksam sind hingegen die Einbringung auf dem Post- oder Faxweg.

S. 93 - 93, Judikatur

Zur Überstellung inhaftierter Personen sowie zur gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung alternativer Ermittlungsmaßnahmen

1./ Die §§ 55 ff EU-JZG idF BGBl I 2018/28 (zuletzt geändert durch BGBl I 2020/20) dienen der Umsetzung der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL-EEA), wobei die §§ 55 bis 55m EU-JZG die – hier interessierende – Vollstreckung einer von einem anderen Mitgliedstaat erlassenen Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA) in Österreich regeln.

§ 55g Abs 1 sowie Abs 3, 4 und 7 EU-JZG enthalten – in Umsetzung des Art 22 RL-EEA – besondere Bestimmungen für Europäische Ermittlungsanordnungen, die auf die (zeitweilige) Überstellung in Österreich inhaftierter Personen „zur Durchführung bestimmter Verfahrenshandlungen in den Ausstellungsstaat“ gerichtet sind (vgl Art 22 Abs 1 RL-EEA: „zum Zwecke der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme zur Erhebung von Beweismitteln [...], bei der die Anwesenheit dieser Person im Hoheitsgebiet des Anordnungsstaats erforderlich ist“)

Bei der im Inland inhaftierten Person, um deren Überstellung ersucht wird, kann es sich grundsätzlich sowohl um einen Zeugen als auch um einen Beschuldigten im Verfahren des Ausstellungsstaats handeln (vgl Herrnfeld in Göth-Flemmich/Herrnfeld/Kmetic/Martetschläger, Internationales Strafrecht § 55g EU-JZG Rz 1). Weiters sind sämtliche Phasen des im Ausstellungsstaat geführten Strafverfahrens erfasst, einschließlich der Gerichtsphase (vgl RL-EEA Erw 25). Lediglich zum Zwecke der Verantwortung als Angeklagter in einem Hauptverfahren des Ausstellungsstaats kommt – mit Blick auf die Regelungen über den Europäischen Haftbefehl (vgl Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates bzw §§ 3 ff EU-JZG) – eine Überstellung nach § 55g Abs 1 EU-JZG nicht in Betracht (vgl RL-EEA Erw 25; Herrnfeld, aaO § 55g EU-JZG Rz 1).

Einer Zustimmung der in Österreich inhaftierten Person zur Überstellung in den Ausstellungsstaat bedarf es nicht: Der insofern in Art 22 Abs 2 lit a RL-EEA vorgesehene Ablehnungsgrund wurde vom österreichischen Gesetzgeber bewusst nicht umgesetzt (vgl EBRV 66 BlgNR 26. GP 6). Gemäß § 55a Abs 1 Z 10 EU-JZG ist – in Umsetzung (lediglich) des Art 22 Abs 2 lit b RL-EEA – die Vollstreckung einer EEA zur Überstellung einer inhaftierten Person aus dem Bundesgebiet nur dann unzulässig, wenn die Überstellung geeignet ist, die Dauer der Anhaltung zu verlängern. Darüber hinaus gelten die in § 55a Abs 1 Z 1 bis 9 EU-JZG für jede EEA normierten Versagungsgründe (vgl Art 22 Abs 2 erster Halbsatz iVm Art 11 RL-EEA).

2./ § 55b EU-JZG regelt – in Umsetzung des Art 10 RL-EEA – die Vollstreckung einer EEA durch Rückgriff auf eine andere als die in ihr genannte Ermittlungsmaßnahme: Gemäß § 55b Abs 1 Z 2 EU-JZG ist ein derartiger Rückgriff vorzunehmen, wenn durch die Durchführung einer anderen Maßnahme, die die Rechte des Betroffenen weniger beeinträchtigt, das gleiche Ergebnis erzielt werden kann, wie es mit der in der EEA genannten Maßnahme erzielt werden soll. Diese Rückgriffsmöglichkeit ist in der RL-EEA bloß fakultativ vorgesehen (vgl Art 10 Abs 3 RL-EEA: „Die Vollstreckungsbehörde kann auch auf eine andere als die in der EEA angegebene Ermittlungsmaßnahme zurückgreifen, wenn die von der Vollstreckungsbehörde gewählte Ermittlungsmaßnahme mit weniger einschneidenden Mitteln das gleiche Ergebnis wie die in der EEA angegebene Ermittlungsmaßnahme erreichen würde“), war in Österreich jedoch aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs 2 StPO) als Verpflichtung umzusetzen (vgl EBRV 66 BlgNR 26. GP 7).

Nach dem klaren Wortlaut des Art 10 Abs 3 RL-EEA und seiner systematischen Stellung im Rahmen des das Verfahren und die Schutzgarantien für den Vollstreckungsstaat regelnden Kapitels III der RL soll die Möglichkeit des Rückgriffs auf eine Ermittlungsmaßnahme anderer Art bei jeder EEA iSd Art 1 RL-EEA bestehen. In diesem Sinne gilt auch die in Umsetzung dieser Regelung ergangene Bestimmung des § 55b Abs 1 Z 2 EU-JZG nach ihrem eindeutigen Wortlaut und mit Blick auf die vom Gesetzgeber intendierte Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs 2 StPO) für jede EEA iSd § 55 Abs 1 EU-JZG, somit auch für eine auf die Überstellung einer inhaftierten Person gerichtete EEA iSd § 55g Abs 1 EU-JZG (vgl auch Herrnfeld, aaO § 55g EU-JZG Rz 2).

Bei der Prüfung der Frage, ob das mit der in der EEA genannten Maßnahme angestrebte Ergebnis durch eine andere, die Rechte des Betroffenen weniger beeinträchtigende Maßnahme erreicht werden kann, sind insbesondere das Gewicht der tangierten schutzwürdigen Interessen des Betroffenen, dessen Rolle im Strafverfahren und die Effektivität der zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu beachten (vgl Wiederin, WK-StPO § 5 Rz 89 ff; Herrnfeld, aaO § 55b EU-JZG Rz 3). Diese Beurteilung liegt im Fall einer auf die Überstellung einer inhaftierten Person gerichteten EEA (§ 55g Abs 1 EU-JZG) im pflichtgemäßen Ermessen (vgl Schroll/Oshidari, WK-StPO § 23 Rz 5 mwN) des zuständigen Gerichts (§ 55c Abs 4 EU-JZG).

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