Zu den Voraussetzungen einer zwangsweisen Vorführung
- Originalsprache: Deutsch
- JSTBand 2016
- Zur Erinnerung, 1101 Wörter
- Seiten 190 -191
- https://doi.org/10.33196/jst201602019001
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Die Erlassung eines Vorführungsbefehls stellt einen Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen auf persönliche Freiheit dar, weshalb deren Zulässigkeit im Lichte des PersFrG sowie der EMRK gesehen und interpretiert werden muss. Nach Art 1 Abs 3 PersFrG darf der Entzug der persönlichen Freiheit gesetzlich nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme erforderlich ist und nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen lassen die weiters anzuwendenden Vorschriften des Art 2 Abs 1 Z 4 PersFrG und des damit im Wesentlichen übereinstimmenden Art 5 Abs 1 lit b EMRK einen Freiheitsentzug zu, um die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen.
Unter dem in beiden vorangeführten Verfassungsbestimmungen enthaltenen Begriff der Erzwingung einer gerichtlichen Entscheidung kann sohin schon nach dem Wortsinn nur ein den entgegengesetzten Willen des Betroffenen steuerndes oder überwindendes behördliches Vorgehen verstanden werden. Bei verfassungskonformer Interpretation ist jede (sicherungsweise) Vorführung einer ausgebliebenen Person daher nur dann zulässig, wenn diese der Vorladung nicht Folge leisten will und demgemäß im „Ungehorsam“ verharrt. Der Sanktion der ungesäumten Vorführung ist solcherart nur unterworfen, wer ungeachtet der an ihn ergangenen (mithin nicht bloß zugestellten, sondern ihm tatsächlich zugekommenen) Vorladung nicht erscheint, diese also missachtet. Jede Anordnung der Vorführung ist sohin ihrem Wesen nach eine gegen den „Ungehorsam“ gerichtete Zwangsmaßnahme und setzt deshalb auch das Vorliegen eines „Ungehorsamstatbestandes“ in subjektiver Hinsicht voraus. Ein solcher kann aber nur dann gegeben sein, wenn die Ladung der Person überhaupt zugekommen ist. Die Vorführung darf daher nicht schon bspw bei Vorliegen des ordnungsgemäßen Nachweises einer (gesetzlich an sich gar nicht vorgesehenen) Ersatzzustellung (noch viel weniger daher dann, wenn überhaupt kein Zustellnachweis vorliegt), sondern vielmehr erst dann verfügt werden, wenn feststeht, dass die Ladung der vorgeladenen Person auch wirklich persönlich zugekommen ist, diese sie aber missachtet.
- Nimmervoll, Rainer
- Strafrecht- und Strafprozessrecht
- JST 2016, 190
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