Zum Vertretbarkeitsstandard beim Rechtsbruch: Einwand des beklagten Mitbewerbers, er habe mit guten Gründen die Unions- oder Verfassungswidrigkeit der von ihm übertretenen Norm annehmen können, ist unzulässig
- Originalsprache: Deutsch
- WBLBand 29
- Rechtsprechung, 3035 Wörter
- Seiten 52 -56
- https://doi.org/10.33196/wbl201501005201
30,00 €
inkl MwSt
Der Vertretbarkeitsstandard dient dazu, das Postulat der gleichen Rahmenbedingungen für alle Wettbewerber und deren für den Leistungswettbewerb charakteristische Handlungsfreiheit in ein angemessenes Verhältnis zu setzen. Diese Zielsetzung schließt es aus, diesen Standard auch auf die Frage anzuwenden, ob eine (eindeutig) verletzte Norm im konkreten Fall gegen Unionsrecht oder höherrangiges nationales Recht (insb Verfassungsrecht) verstößt, wobei Ersteres zur Unanwendbarkeit führte und Zweiteres – in welchem Verfahren auch immer – vom VfGH wahrzunehmen wäre. Denn die Anwendbarkeit bzw Geltung von staatlichen Normen, die in einem ordnungsgemäßen Verfahren erzeugt wurden, ist grundsätzlich zu vermuten. Dem Rechtsverletzer auch in diesem Punkt den Einwand des vertretbaren Zweifels zu gewähren würde die Gewährleistung gleicher Rahmenbedingungen für alle Wettbewerber entscheidend schwächen.
Dem belangten Mitbewerber ist daher der Einwand verwehrt, er habe mit guten Gründen die Unions- oder Verfassungswidrigkeit der von ihm übertretenen Norm annehmen können. Diese Frage ist vielmehr im lauterkeitsrechtlichen Verfahren zu prüfen. Dabei ist zu unterscheiden: Kommt das Gericht – allenfalls nach Befassung des EuGH – zur Überzeugung, dass die übertretene Norm wegen Unionsrechtswidrigkeit im konkreten Fall unanwendbar ist, wird es die Klage mangels Rechtsbruchs abweisen. Hat es hingegen Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder an der Gesetzmäßigkeit einer VO, ist ihm eine eigenständige Prüfung nach Art 89 B-VG verwehrt. Daher wird es die übertretene Norm nach Art 139 oder 140 B-VG beim VfGH anfechten und dann gegebenenfalls aufgrund der bereinigten Rechtslage entscheiden.
- OLG Linz, 07.07.2014, 3 R 118/14i-12
- WBl-Slg 2015/16
- OGH, 21.10.2014, 4 Ob 145/14y, „Landesausspielung“
- Allgemeines Wirtschaftsrecht
- LG Linz, 30.05.2014, 1 Cg 70/14f-4
- Art 140 B-VG
- Art 139 B-VG
- § 1 UWG
- Art 89 B-VG
Weitere Artikel aus diesem Heft