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Zur ausnahmsweisen Notwendigkeit eines Rechtsschutzbedürfnisses für die Beschlussanfechtung bzw des Vorliegens eines rechtlichen Interesses an der Feststellung der Nichtigkeit von Wahlbeschlüssen in der Hauptversammlung einer A...

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Für die Zulässigkeit der Beschlussanfechtungsklage bedarf es grundsätzlich keines individuellen Rechtsschutzbedürfnisses. Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ist davon unabhängig, ob der Kläger durch den geltend gemachten Anfechtungsgrund in seiner Rechtssphäre betroffen ist.

Am Anfechtungsinteresse fehlt es jedoch ausnahmsweise dann, wenn die Nachprüfung des Hauptversammlungsbeschlusses für niemanden mehr rechtlich bedeutsam sein kann.

Erlischt die Gesellschaft während des Anfechtungsprozesses, weil sie auf eine andere Gesellschaft verschmolzen wird, versteht sich das Rechtsschutzinteresse des Anfechtungsklägers nicht mehr von selbst. Denn die gerügte Gesetz- oder Satzungswidrigkeit bezieht sich auf die Verhältnisse einer Gesellschaft, die es nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr in ihrer bei der Beschlussfassung vorhandenen Gestalt gibt. Daraus kann abgeleitet werden, dass das Rechtsschutzinteresse des Anfechtungsklägers entfällt, sofern der angefochtene Beschluss nicht in der übernehmenden Gesellschaft fortwirkt, was im Einzelfall zu prüfen ist.

Nach Lehre und Rechtsprechung folgt aus der Qualifikation der Nichtigkeitsklage gemäß § 201 AktG als materiell-rechtliche Feststellungsklage, dass kein konkreter Nachweis eines rechtlichen Interesses im Sinn des § 228 ZPO erforderlich ist. Gleichwohl kann aber auch bei der Nichtigkeitsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen.

Da mit der Eintragung der Verschmelzung in das Firmenbuch die (ursprünglich beklagte) übertragende Gesellschaft erlischt, liegt die Annahme nahe, dass die Beschlüsse über die Wahl in den Aufsichtsrat dieser untergegangenen Gesellschaft für niemanden mehr rechtliche Bedeutung entfaltet.

Für die Fortsetzung des Verfahrens gegen die übernehmende Gesellschaft bedarf es daher ausnahmsweise der konkreten Prüfung des Vorliegens eines rechtlichen Interesses an der Feststellung der Nichtigkeit dieser Wahlbeschlüsse.

Dass die Feststellungsklägerin von ihrem Austrittsrecht gemäß § 10 EU-VerschG nicht Gebrauch gemacht hat und sie daher mit Wirksamwerden der Verschmelzung Aktionärin der übernehmenden Gesellschaft wurde, reicht dafür ebenso wenig aus wie deren Vorbringen, dass jene Aufsichtsratsbeschlüsse, die unter Mitwirkung der im Wege des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses gewählten Aufsichtsratsmitglieder gefasst wurden, unwirksam, anfechtbar oder nichtig sein könnten, ohne darzulegen, welche dieser in der Vergangenheit liegenden Beschlüsse in die Zukunft fortwirken würden.

  • § 199 AktG
  • OLG Wien, 28.03.2019, 1R 184/18p-34
  • § 195 AktG
  • HG Wien, 15.10.2018, 41 Cg 44/17d-28
  • OGH, 19.12.2019, 6 Ob 113/19i
  • § 201 AktG
  • Allgemeines Wirtschaftsrecht
  • WBl-Slg 2020/53
  • § 228 ZPO

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