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WBL

Heft 3, März 2020, Band 34

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1864-3434

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Inhalt der Ausgabe

S. 121 - 128, Aufsatz

Christian Illetschko LL.M (WU) MSc (WU) / Sebastian Mock

Verbraucherschutz in der stillen Gesellschaft

Verbraucherschutzrechtliche Aspekte sind für stille Beteiligungen insbesondere dann von Bedeutung, wenn sich Finanzierungsprojekte gezielt an Kleinanleger richten. Neben Auswirkungen auf die Gestaltungsmöglichkeiten im Gesellschaftsvertrag müssen sondergesetzliche Rücktrittsrechte berücksichtigt werden, die auch lange Zeit nach Vertragsabschluss bestehen und daher einen „Rücktrittsjoker“ begründen können. Der folgende Beitrag beantwortet die Frage, unter welchen Voraussetzungen verbraucherschutzrechtliche Bestimmungen auf stille Beteiligungsverträge Anwendung finden und konzentriert sich dabei insbesondere auf die Rücktrittsmöglichkeiten des Verbraucheranlegers vom Gesellschaftsvertrag sowie die Rechtsfolgen eines wirksamen Rücktritts.

S. 129 - 134, Aufsatz

Katrin Wetsch / Wolfgang Goricnik

(Un-)Zulässigkeit einer heimlichen Videoüberwachung am Arbeitsplatz im Lichte der EMRK – Kritische Anmerkungen zu EGMR (GK) López/Ribalda ua/Spanien

Während viele Jahrzehnte lang der Big Brother aus dem dystopischen Roman von George Orwell als Paradigma für „Überwachung“ iwS diente, führt uns die aktuell in atemberaubenden Tempo voranschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche vor Augen, dass es für unsere Privatsphäre auch sehr gefährlich werden kann, wenn sich viele „kleine“ Brüder unserer Datenspuren bemächtigen (wollen), die wir ubiquitär hinterlassen. Das hat bekanntlich auch schon der staatliche Sicherheitsapparat erkannt, wenn er zB gesetzlichen Zugriff auf Videoüberwachungsanlagen privater Rechtsträger anstrebt. Aber auch ohne diese handreichende Überwachungs-Weiterung ist evident, dass die leichte (und leistbare) Verfügbarkeit modernster digitaler Überwachungstechnologie, deren Auswertungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten in vergleichbarem analogem Verdichtungsgrad ehedem höchstens von staatlichen Geheimdiensten leistbar waren, gerade in Abhängigkeitsverhältnissen zu einer Zunahme struktureller Unterlegenheit kontrollierter Personen führt. Zygmunt Bauman spricht diesbezüglich trefflich von einem post-panoptischen (Kontroll-)Machtverhältnis. Das trifft natürlich auch auf das Arbeitsverhältnis mit seiner sowieso schon strukturellen Abhängigkeitssituation des AN zu. Insofern ist es erwartbar gewesen, dass diese neuen, auf die Privatsphäre gerichteten Angriffsvektoren letztlich auch unter dem Gesichtspunkt von Art 8 EMRK sowohl auf ihre Rechtmäßigkeit per se hin als auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit aus ihrem faktischen Einsatz abgeleiteter Folgen für die betroffenen AN geprüft werden. Mit den Wertungen des EGMR zu diesem gesellschaftlichen Umbruch (auch) im Arbeitsverhältnis setzt sich die folgende Entscheidungsbesprechung auseinander und will damit zur österreichischen Rezeption der jüngsten E der Großen Kammer des EGMR zur Überwachung am Arbeitsplatz beitragen.

S. 135 - 138, Aufsatz

Franz W. Urlesberger

Europarecht: Das Neueste auf einen Blick

S. 139 - 141, Rechtsprechung

Freizügigkeit: Zum Recht auf Daueraufenthalt – Erwerb vor Ablauf eines ununterbrochenen Aufenthaltszeitraums von fünf Jahren (Österreich)

Art 17 Abs 1 lit a der RL 2004/38/EG ist dahin auszulegen, dass die Voraussetzungen für den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt im AufnahmeMS vor Ablauf eines ununterbrochenen fünfjährigen Aufenthaltszeitraums, nämlich seine Erwerbstätigkeit dort zuletzt mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt zu haben und sich dort seit mindestens drei Jahren ununterbrochen aufgehalten zu haben, für einen Arbeitnehmer gelten, der zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das in diesem MS für die Geltendmachung einer Altersrente gesetzlich vorgesehene Alter erreicht hat.

S. 141 - 146, Rechtsprechung

Markenrecht: Nichteinhaltung der Erfordernisse der Klarheit und der Eindeutigkeit – Bösgläubigkeit des Anmelders – Fehlende Absicht, die Marke für die von der Eintragung erfassten Waren oder Dienstleistungen zu benutzen

Die Art 7 und 51 der VO (EG) Nr 40/94 in der durch die VO (EG) Nr 1891/2006 des Rates vom 18. Dezember 2006 geänderten Fassung sowie Art 3 der Ersten RL 89/104/EWG sind dahin auszulegen, dass eine Gemeinschaftsmarke oder eine nationale Marke nicht deshalb ganz oder teilweise für nichtig bzw für ungültig erklärt werden kann, weil die für die Bezeichnung der Waren und Dienstleistungen, für die die betreffende Marke eingetragen worden ist, verwendeten Begriffe nicht klar und eindeutig sind.

Art 51 Abs 1 lit b der VO Nr 40/94 in der durch die VO Nr 1891/2006 geänderten Fassung und Art 3 Abs 2 lit d der Ersten RL 89/104 sind dahin auszulegen, dass die Anmeldung einer Marke ohne die Absicht, sie für die von der Eintragung erfassten Waren und Dienstleistungen zu benutzen, bösgläubiges Handeln iS dieser Bestimmungen darstellt, wenn der Anmelder der betreffenden Marke die Absicht hatte, entweder in einer den redlichen Handelsbräuchen widersprechenden Weise Drittinteressen zu schaden oder sich auch ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken zu verschaffen. Bezieht sich die fehlende Absicht, die Marke entsprechend den wesentlichen Funktionen einer Marke zu benutzen, nur auf einige der von der Markenanmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen, stellt diese Anmeldung nur insoweit bösgläubiges Handeln dar, als sie diese Waren oder Dienstleistungen betrifft.

Die Erste RL 89/104 ist dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung des nationalen Rechts nicht entgegensteht, wonach der Anmelder einer Marke erklären muss, dass diese für die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen benutzt wird oder dass er die redliche Absicht hat, sie hierfür zu benutzen, sofern der Verstoß gegen diese Pflicht als solcher keinen Grund für die Ungültigkeit einer bereits eingetragenen Marke darstellt.

S. 146 - 151, Rechtsprechung

Gesellschaftsrecht: Spaltungen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung – Schutz der Interessen der Gläubiger der gespaltenen Gesellschaft – Nichtigkeit der Spaltung – Actio pauliana

Art 12 iVm den Art 21 und 22 der Sechsten RL 82/891/EWG in der durch die RL 2007/63/EG des EP und des Rates vom 13. November 2007 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft, deren Forderungen vor der Spaltung entstanden sind und die von den im nationalen Recht in Anwendung dieses Art 12 vorgesehenen Schutzinstrumenten keinen Gebrauch gemacht haben, nach der Spaltung eine actio pauliana erheben können, damit diese Spaltung ihnen gegenüber für unwirksam erklärt wird und Vollstreckungsmaßnahmen oder rechtserhaltende Maßnahmen hinsichtlich der auf die neu gegründete Gesellschaft übertragenen Vermögenswerte eingeleitet werden.

Art 19 der RL 82/891 in der durch die RL 2007/63 geänderten Fassung, der die Nichtigkeit von Spaltungen regelt, ist iVm den Art 21 und 22 dieser RL 82/891 dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die Gläubiger einer gespaltenen Gesellschaft nach einer Spaltung eine actio pauliana erheben, die nicht die Gültigkeit dieser Spaltung berührt, sondern lediglich dazu führen kann, dass ihnen diese Spaltung nicht entgegengehalten werden kann.

S. 151 - 154, Rechtsprechung

Niederlassungsfreiheit

S. 154 - 156, Rechtsprechung

Klage auf Feststellung des aufrechten Fortbestandes des Dienstverhältnisses als gehörige Geltendmachung des Anspruches auf Insolvenz-Entgelt / Unterbrechung der Verjährung

Der Klage auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses kommt im Unterschied zu einer Kündigungsanfechtung nach § 105 ArbVG keine rechtsgestaltende Wirkung zu. Die Kündigung ist daher nicht schwebend unwirksam abhängig von der rechtskräftigen Entscheidung über die Berechtigung der Anfechtung. Vielmehr ist das Arbeitsverhältnis durchgehend mit allen Rechten und Pflichten sowohl des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers aufrecht. Dem Arbeitnehmer gebührt das Entgelt nach § 1155 ABGB, wobei die Fälligkeit nicht erst mit Rechtskraft des Urteils eintritt, sondern zu dem Zeitpunkt, zu dem es dem Arbeitnehmer gebühren würde, hätte er die Dienste verrichtet.

Eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestandes eines Dienstverhältnisses unterbricht die Verjährung hinsichtlich des geltend gemachten Rechtsverhältnisses und den daraus abgeleiteten Entgeltansprüchen. Diese Unterbrechungswirkung bezieht sich aber nicht auf bereits – vor der Erhebung der Feststellungsklage – bekannte und fällige Ansprüche.

§ 3a Abs 1 IESG verfolgt unter anderem die Absicht, die Ansprüche vor der Insolvenz zu begrenzen, wenn der Arbeitnehmer keine Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung trifft. Die Klage auf Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses ist als ein zur Sicherung von Ansprüchen nach § 3a Abs 1 IESG geeignetes Verfahren anzusehen, wenn nach Abschluss des Verfahrens eine Geltendmachung solcher Ansprüche beabsichtigt ist.

S. 156 - 158, Rechtsprechung

Betriebsübergang auf den Staat

Für die Auslegung von nationalen Rechtsvorschriften über einen Betriebsübergang ist auch die Rechtsprechung des EuGH für Betriebsübergangs-RL 77/187 EWG heranzuziehen. Demnach ist das Interesse des Staates anzuerkennen, dass bei einem Übergang eines Betriebes an ihn auch die übernommenen Arbeitnehmer den gleichen Dienst- und Gehaltsvorschriften unterliegen wie die übrigen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer. Allfällige Gehaltseinbußen, die sich aus der Anwendung der allgemeinen Regelungen des VertragsbedienstetenG ergeben, sind nicht durch Abschluss eines Sondervertrages auszugleichen.

S. 158 - 159, Rechtsprechung

Vorfinanzierung von Löhnen durch Dritte

Zahlt ein Dritter vor Antragsstellung auf Insolvenz-Ausfallgeld die Löhne an Stelle des Arbeitgebers und wird keine Rückzahlungspflicht mit den Arbeitnehmern vereinbart, sind diese mit der Zahlung lohnbefriedigt. Ansprüche auf Insolvenz-Entgelt bestehen daher nicht.

S. 159 - 159, Rechtsprechung

Unentschuldbare Ehrverletzung als Entlassungsgrund

Eine Ehrenbeleidigung eines Geschäftsführers durch einen Angestellten bildet nur dann keinen Entlassungsgrund, wenn sie in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem ungerechtfertigten Verhalten des Beleidigten steht.

S. 160 - 161, Rechtsprechung

Zum Enthebungsantrag des Notgeschäftsführers und zur Unbeachtlichkeit des Irrtums des Notgeschäftsführers über seinen Tätigkeitskreis und seine Entlohnung

Es ist zwar grundsätzlich zulässig, den Tätigkeitsbereich des Notgeschäftsführers auf einzelne dringend notwendig gewordene Rechtshandlungen zu beschränken. Eine solche vom Firmenbuchgericht verfügte Einschränkung des Tätigkeitsbereiches ist nur im Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Notgeschäftsführer, nicht aber gegenüber Dritten wirksam und kann auch nicht im Firmenbuch eingetragen werden. Ergibt sich die Einschränkung des Tätigkeitsbereiches nicht aus dem Spruch des Bestellungsbeschlusses, sondern lediglich aus dessen Begründung, wirkt sie nicht einmal im Innenverhältnis.

Ein Anspruch auf Entlohnung besteht grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegen die Gesellschafter.

Ein Notgeschäftsführer kann sich jedenfalls dann nicht als Enthebungsgrund darauf berufen, er erhalte für seine Tätigkeit (von den Gesellschaftern) keine angemessene Entlohnung bzw könne diese nicht durchsetzen, wenn er dies bei (uneingeschränkter) Zustimmung zu seiner Bestellung aufgrund der konkreten Umstände des Falles hätte vorhersehen können.

S. 161 - 162, Rechtsprechung

Zur ausnahmsweisen Notwendigkeit eines Rechtsschutzbedürfnisses für die Beschlussanfechtung bzw des Vorliegens eines rechtlichen Interesses an der Feststellung der Nichtigkeit von Wahlbeschlüssen in der Hauptversammlung einer A...

Für die Zulässigkeit der Beschlussanfechtungsklage bedarf es grundsätzlich keines individuellen Rechtsschutzbedürfnisses. Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ist davon unabhängig, ob der Kläger durch den geltend gemachten Anfechtungsgrund in seiner Rechtssphäre betroffen ist.

Am Anfechtungsinteresse fehlt es jedoch ausnahmsweise dann, wenn die Nachprüfung des Hauptversammlungsbeschlusses für niemanden mehr rechtlich bedeutsam sein kann.

Erlischt die Gesellschaft während des Anfechtungsprozesses, weil sie auf eine andere Gesellschaft verschmolzen wird, versteht sich das Rechtsschutzinteresse des Anfechtungsklägers nicht mehr von selbst. Denn die gerügte Gesetz- oder Satzungswidrigkeit bezieht sich auf die Verhältnisse einer Gesellschaft, die es nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr in ihrer bei der Beschlussfassung vorhandenen Gestalt gibt. Daraus kann abgeleitet werden, dass das Rechtsschutzinteresse des Anfechtungsklägers entfällt, sofern der angefochtene Beschluss nicht in der übernehmenden Gesellschaft fortwirkt, was im Einzelfall zu prüfen ist.

Nach Lehre und Rechtsprechung folgt aus der Qualifikation der Nichtigkeitsklage gemäß § 201 AktG als materiell-rechtliche Feststellungsklage, dass kein konkreter Nachweis eines rechtlichen Interesses im Sinn des § 228 ZPO erforderlich ist. Gleichwohl kann aber auch bei der Nichtigkeitsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlen.

Da mit der Eintragung der Verschmelzung in das Firmenbuch die (ursprünglich beklagte) übertragende Gesellschaft erlischt, liegt die Annahme nahe, dass die Beschlüsse über die Wahl in den Aufsichtsrat dieser untergegangenen Gesellschaft für niemanden mehr rechtliche Bedeutung entfaltet.

Für die Fortsetzung des Verfahrens gegen die übernehmende Gesellschaft bedarf es daher ausnahmsweise der konkreten Prüfung des Vorliegens eines rechtlichen Interesses an der Feststellung der Nichtigkeit dieser Wahlbeschlüsse.

Dass die Feststellungsklägerin von ihrem Austrittsrecht gemäß § 10 EU-VerschG nicht Gebrauch gemacht hat und sie daher mit Wirksamwerden der Verschmelzung Aktionärin der übernehmenden Gesellschaft wurde, reicht dafür ebenso wenig aus wie deren Vorbringen, dass jene Aufsichtsratsbeschlüsse, die unter Mitwirkung der im Wege des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses gewählten Aufsichtsratsmitglieder gefasst wurden, unwirksam, anfechtbar oder nichtig sein könnten, ohne darzulegen, welche dieser in der Vergangenheit liegenden Beschlüsse in die Zukunft fortwirken würden.

S. 162 - 162, Rechtsprechung

Zum Bestandschutz der eingetragenen verschmelzenden Umwandlung

Generalversammlungsbeschlüsse, die an Einberufungsmängeln leiden oder bei deren Fassung der die Feststellung der Unwirksamkeit begehrende Klägerin unwirksam vertreten war und durch die es ein Hauptgesellschafter darauf angelegt hat, die Klägerin sittenwidrigerweise um ihren Geschäftsanteil zu bringen, indem mit den gefassten Beschlüssen ein „squeeze out“ der Klägerin vorbereitet und durch die Kapitalerhöhung deren Geschäftsanteil auf unter 10% gesenkt worden sei, sind keine absolut nichtigen, von vornherein keine Wirksamkeit entfaltenden und unheilbaren Scheinbeschlüsse. Vielmehr handelt es sich um anfechtbare Beschlüsse.

§ 2 Abs 3 UmwG verweist auf die verschmelzungsrechtlichen Regelungen des AktG und des GmbHG. § 230 AktG regelt die Anfechtung (auch bezogen auf die Nichtigkeit) des Verschmelzungsbeschlusses der übertragenden Gesellschaft dahingehend, dass nach der Eintragung der Verschmelzung in das Firmenbuch eine Anfechtung des Verschmelzungsbeschlusses der übertragenden Gesellschaft gegen die übernehmende Gesellschaft zu richten ist, wobei allerdings Mängel der Verschmelzung – ungeachtet ihrer Schwere – die Wirkungen der Eintragung unberührt lassen („Bestandschutz“ der Verschmelzung). Sohin scheidet die Rückgängigmachung einer einmal wirksam gewordenen Verschmelzung aus. Die gleichwohl mögliche Geltendmachung von Verschmelzungsmängeln führt dazu, dass vor Eintragung erhobene Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen in Form der Geltendmachung von Schadenersatz- und Prozesskosten-Ersatzansprüchen, verfolgt werden müssen, ohne dass für die diesbezügliche Klagsänderung die sonst dafür nach § 235 ZPO erforderlichen Voraussetzungen vorliegen müssen.

S. 162 - 173, Rechtsprechung

Florian Schuhmacher

Kartellrechtliche Beurteilung von Gemeinschaftsunternehmen; Konzernprivileg; Beschlussfeststellung bei der GmbH; Stimmverbot; Treupflichten

Art 101 AEUV: ; Bei Gemeinschaftsunternehmen, die wirtschaftliche Tätigkeiten in zwei oder mehreren MS ausüben, ist „in der Regel ihrem Wesen nach“ davon auszugehen, dass sie geeignet sind, den Handel zwischen den MS zu beeinträchtigen.

Drogeriefachmärkte stehen untereinander in einem engen Wettbewerbsverhältnis, während die Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen Drogeriemärkten gegenüber entfernte Wettbewerber darstellen.

Maßnahmen zwischen herrschender und beherrschter Gesellschaft werden nicht von Art 101 AEUV erfasst, soweit die beherrschten Gesellschaften ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmen können, sondern Weisungen der beherrschenden Gesellschaft unterliegen. Die beherrschende Gesellschaft und die beherrschte Gesellschaft bilden unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Organisation eine wirtschaftliche Einheit und damit ein einheitliches Unternehmen iS des Art 101 AEUV.

Das Konzept der wirtschaftlichen Einheit findet auch auf gemeinsam beherrschte Gesellschaften Anwendung. Nach der Rsp reicht es für die Annahme einer gemeinsamen Leitung durch die Muttergesellschaften aus, dass sich diese in Bezug auf das Gemeinschaftsunternehmen abstimmen müssen und keine allein handeln kann. Eine nur „negative“ Natur der von den Muttergesellschaften ausgeübten Kontrolle steht der Annahme eines bestimmenden Einflusses deshalb nicht entgegen, weil jede der Muttergesellschaften das Gemeinschaftsunternehmen davon abhalten kann, bestimmte Entscheidungen zu treffen und damit dessen wirtschaftliches Verhalten entscheidend beeinflussen kann.

Verbleibt dem Gemeinschaftsunternehmen allerdings ein eigenständiger Handlungsbereich der Geschäftsführung, ist das Konzernprivileg nicht anzuwenden.

Art 101 AEUV iVm FKVO: ; Kartellaufsicht und Zusammenschlusskontrolle greifen grundsätzlich nahtlos ineinander. Zur Kartellaufsicht gehört nicht die Ausübung interner gesellschaftsrechtlicher Machtbefugnisse, etwa Satzungsänderungen oder Vorstandsbestellungen. Alle Marktwirkungen, die sich wesensnotwendig aus dem Zusammenschluss ergeben, sind von der „Freistellungswirkung“ der FusionskontrollE erfasst. Die Prüfung eines Sachverhalts als Zusammenschluss schließt daher grundsätzlich die parallele Prüfung der für den Zusammenschluss tatbestandsmäßigen Sachverhaltselemente als Kartell aus.

Eine rückwirkende Anwendung von EU-Recht auf vor dem EU-Beitritt Österreichs erfolgte Zusammenschlüsse ist ausgeschlossen. Eine solche vom Unionsrecht gerade nicht gewollte nachträgliche Strukturkontrolle iS eines Zusammenschlusskontrollersatzes darf auch nicht über den Umweg der Prüfung einzelner Kontrollausübungsmaßnahmen nach Art 101 AEUV erfolgen.

§§ 34 ff GmbHG: ; Der Umstand, dass in der Generalversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kein Vorsitzender gewählt und das Beschlussergebnis selbst nicht ausdrücklich im Protokoll festgehalten wurde, schadet grundsätzlich nicht. Ist keine Ergebnisfeststellung erfolgt, ist der Gesellschafterbeschluss dennoch wirksam, weil die Feststellung – im Unterschied zum Aktienrecht – gerade kein Wirksamkeitserfordernis ist. Allerdings kann die (vorläufige) Verbindlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses nur dann eintreten, wenn alle Gesellschafter zumindest am Ende der Generalversammlung ein bestimmtes Beschlussergebnis übereinstimmend zugrunde legten. Nichts Anderes kann für den Fall gelten, dass zwar ein Vorsitzender gewählt wurde, dieser aber eine Ergebnisfeststellung unterlässt.

§ 228 ZPO; § 42 GmbHG: ; Einer Beschlussfeststellungsklage, die grundsätzlich nach § 228 ZPO erhoben wird und somit nur die Streitparteien binden würde, ist eine Rechtskrafterstreckung analog zu § 42 Abs 6 GmbHG zuzuerkennen. Sie wirkt daher nicht nur gegen die bekl Gesellschaft, sondern auch gegen die Mitgesellschafter.

§§ 39, 41 GmbHG: ; Aus dem Gesetz lässt sich kein generelles Stimmverbot für alle Fälle einer Interessenkollision ableiten. Es gibt auch kein per se wirkendes Stimmverbot aufgrund von Konzernverhältnissen.

Die Annahme einer Zustimmungsverpflichtung, die sich aus den Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft ergibt, ist regelmäßig nur ultima ratio. Der Beschluss muss also im Interesse der Gesellschaft unbedingt notwendig und dem widerstrebenden Gesellschafter auch zumutbar sein.

S. 173 - 176, Rechtsprechung

Elektronische Vermittlungsplattform für Fahrdienstleistungen (UBER-App) erfordert Gewerbeberechtigung für das Reisebürogewerbe; zur Sicherheitsleistung

§§ 2 Abs 1 und 5 Abs 1 Gelegenheitsverkehrsgesetz; § 126 Abs 1 Z 2 GewO: ; Für die Vermittlung von Personenbeförderungsdienstleistungen (System UBER) bedarf es keiner Konzession nach § 2 Abs 1 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes und auch keiner Niederlassung gem § 5 Abs 1 leg cit.

Dagegen ist nach § 126 Abs 1 Z 2 GewO eine Gewerbeberechtigung für das Reisebürogewerbe erforderlich. Dabei handelt es sich nach § 94 Z 56 GewO um ein reglementiertes Gewerbe, wofür es neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Gewerbeausübung (§§ 8 ff GewO) eines Befähigkeitsnachweises (§ 16 GewO) bedarf.

§ 24 UWG: ; Eine Sicherheit kann insb dann angebracht sein, wenn der maßgebende Sachverhalt mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht verlässlich geklärt werden kann oder wenn die unionsrechtsbedingte Unanwendbarkeit einer Norm von tatsächlichen Umständen abhängt, die ebenfalls erst im Hauptverfahren geklärt werden können. In die Interessenabwägung ist auch die Wahrscheinlichkeit einzubeziehen, dass sich im Hauptverfahren das Nichtbestehen des zu sichernden Anspruchs ergibt. Je höher diese Wahrscheinlichkeit ist, umso eher ist eine Sicherheit aufzuerlegen.

S. 176 - 179, Rechtsprechung

Genehmigungskonzentration

Die rechtliche Wirkung, dass ein Betriebsanlagen(änderungs)genehmigungsbescheid auch als Genehmigung/Bewilligung nach anderen Verwaltungsvorschriften gilt, hängt letztlich davon ab, ob das Genehmigungsregime einer Verwaltungsvorschrift durch § 356b Abs 1 GewO 1994 zwingend in die Konzentration einbezogen worden ist. Im Fall der Rechtskraft eines solchen Bescheids ist es daher gleichgültig, ob die Gewerbebehörde die mitanzuwendenden materiellrechtlichen Genehmigungs-(Bewilligungs-)Regelungen hinreichend beachtet oder sogar übersehen hat, weil § 356b Abs 1 GewO 1994 die Genehmigungswirkung nicht an die Rechtmäßigkeit der Genehmigungserteilung knüpft.

S. 179 - 179, Rechtsprechung

Verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit im Unternehmen

Nach der Rsp ist ein verantwortliches Vertretungsorgan (§ 9 Abs 1 VStG) ex lege umfassend und kumulativ neben anderen Vertretungsorganen strafrechtlich verantwortlich. Seine Bestellung nach § 9 Abs 2 erster Satz VStG lässt seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Vertretungsorgan unberührt, sie bewirkt nur (nach Maßgabe ihres Umfanges) den Entfall der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der übrigen Vertretungsorgane bzw deren Einschränkung auf den Fall vorsätzlicher Nichtverhinderung. Ist somit ein Vertretungsorgan auch als verantwortlicher Beauftragter bestellt, ist er weiter als Vertretungsorgan verwaltungsrechtlich strafbar und kann nicht in beiden Funktionen zur Verantwortung gezogen werden.

Bei § 35 Abs 1 und Abs 2 FM-GwG handelt sich um unterschiedliche Tatbestände: Während die gem Abs 1 der juristischen Person zuzurechnende Pflichtverletzung direkt von der Führungsperson begangen wird, sieht Abs 2 vor, dass die Pflichtverletzung durch einen Mitarbeiter begangen wird, was erst dann der juristischen Person zurechenbar ist, wenn eine Führungsperson die Pflichtverletzung durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle ermöglicht hat. Umschreibt das VwG in Übernahme des Spruchs des Straferkenntnisses die Tathandlung als Erfüllung des Tatbestandes des § 35 Abs 1 FM-GwG 2017 „beziehungsweise“ jenes des Abs 2 leg cit, enthält diese Umschreibung einen unzulässigen Alternativvorwurf. Eine solche Tatumschreibung widerspricht dem Bestimmtheitsgebot des § 44a VStG und entspricht demnach nicht den Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG, der eine entsprechende Eindeutigkeit und Genauigkeit der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat fordert.

S. 179 - 179, Rechtsprechung

Bindungswirkung von Straferkenntnissen

Die Einziehung gem § 54 Abs 1 Glücksspielgesetz (GSpG) hängt von der Verwirklichung eines objektiven Tatbildes nach § 52 Abs 1 GSpG ab und das Verwaltungsgericht trifft daher im Einziehungsverfahren nach GspG die Verpflichtung, nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens nähere Feststellungen zum Vorliegen der Verwirklichung des objektiven Tatbildes zu treffen.

Nach st Rsp des VwGH entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Diese Bindung besteht allerdings nur hinsichtlich jener Personen, denen gegenüber das Strafurteil ergangen ist, nicht aber gegenüber Dritten. Auch im Verwaltungsstrafverfahren ist von der Beschränkung der Bindungswirkung von Straferkenntnissen auf Parteien, denen gegenüber sie ergangen sind, auszugehen.

S. 180 - 180, Rechtsprechung

Unverhältnismäßiger Nachteil für Umweltorganisationen

Unter einem für die antragstellende Partei iSd § 30 Abs 2 VwGG „unverhältnismäßigen Nachteil“ ist im Fall der gem § 19 Abs 1 Z 7 UVP-G 2000 anerkannten Umweltorganisation ein Eingriff in die von den in § 19 Abs 4 bzw Abs 10 UVP-G 2000 genannten Umweltschutzvorschriften geschützten Interessen zu verstehen (vgl VwGH 4.2.2019, Ra 2018/04/0179, mwN). Gleiches gilt für eine Umweltorganisation aus einem anderen Staat, welche die Voraussetzungen des § 19 Abs 11 UVP-G 2000 erfüllt, und für Bürgerinitiativen gem § 19 Abs 4 UVP-G 2000.

Auch bei Anwendung der vom EuGH entwickelten Grundsätze für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist nicht nur zu prüfen, ob die Notwendigkeit einstweiliger Maßnahmen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht wird, sondern auch, ob die beantragten Maßnahmen in dem Sinn dringlich sind, dass sie zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gut zu machenden Schadens für die Interessen des Antragstellers bereits vor der Entscheidung in der Hauptsache erlassen werden und ihre Wirkung entfalten müssen. Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen, nicht aber, dass einem Rechtsbehelf automatisch (unabhängig von sonstigen Gegebenheiten) aufschiebende Wirkung zukommt oder dass ihm jedenfalls – ohne Durchführung der in § 30 Abs 2 VwGG vorgesehenen Abwägung – aufschiebende Wirkung zuzuerkennen wäre (vgl VwGH 9.10.2013, AW 2013/10/0036, mwN).

S. 180 - 180, Rechtsprechung

Identität der Tat im Verwaltungsstrafverfahren

Eine nicht ausreichende Umschreibung der Tat iSd § 44a Z 1 VStG berechtigt das VwG nicht, das Straferkenntnis zu beheben. Es ist vielmehr verpflichtet, in der Sache selbst zu entscheiden und dabei die Tat in einer dem § 44a Z 1 VStG entsprechenden Weise zu präzisieren, darf aber dabei die Tat nicht auswechseln. Ein unzulässiges Austauschen des Tatvorwurfs stellt nach den Grundsätzen der hg Judikatur eine im Beschwerdeverfahren durch das VwG vorgenommene Erweiterung des Tatvorwurfs bzw die Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts dar.

Eine Befugnis der VwG zur Ausdehnung des Gegenstands des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens iSd § 50 VwGVG hinaus besteht nicht. So stellt etwa eine Ausdehnung des Tatzeitraumes erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem VwG eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Verfahrens iSd § 50 VwGVG dar.

Nach dieser Judikatur kommt ein Austausch des Täters durch das VwG einer unzulässigen Erweiterung/Änderung des Tatvorwurfs und der Sache des Verfahrens iSd § 50 VwGVG gleich, weil unter Tat iSd § 44a Z 1 VStG ein und dasselbe Verhalten eines bestimmten Täters zu verstehen ist.