Mit dem folgenden Beitrag wird gezeigt, dass die Unterscheidung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen nicht nur das Beschlussrecht von Aktionären und GmbH-Gesellschaftern prägt. Sie sollte rechtsfortbildend auch für Beschlüsse anderer Organe, also Personengesellschafter des UGB, Aufsichtsräte und Geschäftsleiter akzeptiert werden.
Heft 1, Januar 2022, Band 36
- ISSN Online: 1864-3434
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Inhalt der Ausgabe
S. 10 - 19, Aufsatz
Digitalisierung von Schuldverschreibungen und deren Emission via digitale Finanzplattformen
In Fortführung des Aufsatzes – Digitale Finanzplattformen zur Emission von Schuldscheindarlehen wbl 2021, 73 – wird im gegenständlichen Aufsatz erörtert, welche rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, damit unverbriefte digitale Schuldverschreibungen auf Basis verteilter elektronischer Register in Österreich eingeführt werden können. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Digitalisierung von Schuldverschreibungen sollen in weiterer Folge für sämtliche Wertpapiere nach der Lehre des engen Wertpapierbegriffs sowie dem kapitalmarktrechtlichen Wertpapierbegriff gelten, die als unverbriefte Wertrechte mit wertpapierrechtlichem Charakter emittiert werden können sollen. Es werden daher im gegenständlichen Aufsatz einerseits die immanenten Schranken des österreichischen Wertpapierrechts aufgezeigt, die den uneingeschränkten Zugang zum digitalen Kapitalmarkt verhindern. Andererseits wird dargestellt, welche Schritte erforderlich sind, um Finanzinstrumente, insbesondere Schuldverschreibungen, zur Gänze zu digitalisieren. Dabei soll – auf das Schweizer „Bundesgesetz zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register“ und das deutsche „Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren“ im Hinblick auf deren rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz dezentraler Aufzeichnungssysteme eingegangen werden.
1. Art 101 Abs 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine Vereinbarung zwischen einem Anbieter und einem Vertriebshändler, nach der der Händler, der das potenzielle Geschäft mit dem Endnutzer zuerst registriert hat, während eines Zeitraums von sechs Monaten ab der Registrierung des Geschäfts einen „Vorrang für die Abwicklung des Verkaufsvorgangs“ genießt, sofern der Endnutzer nicht widerspricht, nicht als Vereinbarung eingestuft werden kann, die iS dieser Vorschrift eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs „bezweckt“, es sei denn, diese Vereinbarung kann angesichts ihres Wortlauts, ihrer Ziele und ihres Zusammenhangs als hinreichend schädlich für den Wettbewerb angesehen werden, um so eingestuft zu werden.
Stellt eine solche Vereinbarung keine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung iS von Art 101 Abs 1 AEUV dar, ist vom nationalen Gericht zu prüfen, ob in Anbetracht aller relevanten Umstände des Ausgangsverfahrens, dh insb des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem die betreffenden Unternehmen tätig sind, der Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen, der auf dem betreffenden Markt bestehenden tatsächlichen Bedingungen und der Struktur dieses Marktes, davon ausgegangen werden kann, dass sie den Wettbewerb aufgrund ihrer tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen hinreichend spürbar einschränkt.
2. Art 101 Abs 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine Vereinbarung zwischen einem Anbieter und einem Vertriebshändler, nach der der Händler, der das potenzielle Geschäft mit dem Endnutzer zuerst registriert hat, während eines Zeitraums von sechs Monaten ab der Registrierung des Geschäfts einen „Vorrang für die Abwicklung des Verkaufsvorgangs“ genießt, sofern der Endnutzer nicht widerspricht, für den Fall, dass sie eine Vereinbarung darstellt, die iS von Art 101 Abs 1 AEUV eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs „bezweckt“ oder „bewirkt“, nur dann nach Art 101 Abs 3 AEUV freigestellt werden kann, wenn sie die dort aufgeführten kumulativen Voraussetzungen erfüllt.
3. Art 101 Abs 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass das Vorliegen einer nach dieser Bestimmung verbotenen Vereinbarung nicht allein deshalb ausgeschlossen werden kann, weil die mit der Durchführung dieser Bestimmung betraute Behörde eine differenzierte Beurteilung der Frage, wie die Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung den Parteien dieser Vereinbarung zuzurechnen ist, vorgenommen hat.
1. Art 8 Abs 8 der RL 2014/40/EU ist dahin auszulegen, dass ein Bild, bei dem es sich zwar nicht um eine naturgetreue Wiedergabe einer Zigarettenpackung handelt, der Verbraucher es aber aufgrund seiner Gestaltung hinsichtlich Umrissen, Proportionen, Farben und Markenlogo mit einer solchen Packung assoziiert, ein „Bild von einer Packung“ iS dieser Bestimmung darstellt.
2. Art 8 Abs 8 der RL 2014/40 ist dahin auszulegen, dass ein Bild einer Zigarettenpackung, das unter diese Bestimmung fällt, auf dem aber nicht die gesundheitsbezogenen Warnhinweise gemäß Titel II Kapitel II der RL zu sehen sind, selbst dann nicht mit dieser Bestimmung vereinbar ist, wenn der Verbraucher vor dem Erwerb der Zigarettenpackung die Gelegenheit hat, diese Warnhinweise auf der dem Bild entsprechenden Zigarettenpackung wahrzunehmen.
1. Art 7 der RL 2003/88/EG iVm Art 31 Abs 2 der Charta der Grundrechte der EU ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Vorschrift entgegensteht, wonach eine Urlaubsersatzleistung für das laufende letzte Arbeitsjahr nicht gebührt, wenn der Arbeitnehmer bzw die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig beendet.
2. Der nationale Richter braucht nicht zu prüfen, ob der Verbrauch der Urlaubstage, auf die der Arbeitnehmer Anspruch hatte, für diesen unmöglich war.
1. Art 13 Abs 1 der RL 2002/58/EG in der durch die RL 2009/136/EG des EP und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Einblendung von Werbenachrichten in der Inbox eines Nutzers eines E-Mail-Dienstes in einer Form, die der einer tatsächlichen E-Mail ähnlich ist, und an derselben Stelle wie eine solche E-Mail, eine „Verwendung ... elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung“ iS dieser Bestimmung darstellt, ohne dass die Bestimmung der Empfänger dieser Nachrichten nach dem Zufallsprinzip oder die Belastung, die dem Nutzer auferlegt wird, insoweit von Bedeutung sind, da diese Verwendung nur unter der Voraussetzung gestattet ist, dass der Nutzer klar und präzise über die Modalitäten der Verbreitung solcher Werbung, namentlich in der Liste der empfangenen privaten E-Mails, informiert wurde und seine Einwilligung, solche Werbenachrichten zu erhalten, für den konkreten Fall und in voller Kenntnis der Sachlage bekundet hat.
2. Anhang I Nr 26 der RL 2005/29/EG ist dahin auszulegen ist, dass ein Vorgehen, das darin besteht, in der Inbox eines Nutzers eines E-Mail-Dienstes Werbenachrichten in einer Form, die der einer tatsächlichen E-Mail ähnlich ist, und an derselben Stelle wie eine solche E-Mail einzublenden, unter den Begriff des „hartnäckigen und unerwünschten Ansprechens“ der Nutzer von E-Mail-Diensten iS dieser Bestimmung fällt, wenn die Einblendung dieser Werbenachrichten zum einen so häufig und regelmäßig war, dass sie als „hartnäckiges Ansprechen“ eingestuft werden kann, und zum anderen bei Fehlen einer von diesem Nutzer vor der Einblendung erteilten Einwilligung als „unerwünschtes Ansprechen“ eingestuft werden kann.
Eine mittelbare Diskriminierung wegen Behinderung kann auch dann vorliegen, wenn eine Kündigung wegen häufiger Krankenstände erfolgt. Die Krankenstände müssen aber im Zusammenhang mit der Behinderung iSd § 3 BEinstG stehen. Diese muss auch im Zeitpunkt der Kündigung noch bestehen.
Auch bei einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Religion ist zu prüfen, ob es dem Arbeitgeber ohne zusätzliche Belastung für ihn oder andere Arbeitnehmer möglich ist, einen geeigneten anderen Arbeitsplatz anzubieten, statt zu kündigen. Das gilt auch dann, wenn es sich um religiöse Überzeugungen handelt, die für jene, die dieser Religionsgemeinschaft nicht angehören, schwer nachvollziehbar sind.
§ 6 Abs 2 GesAusG ist dahin auszulegen, dass nur die Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung, nicht aber die Beurteilung individueller Ansprüche, in das außerstreitige Überprüfungsverfahren nach § 225c ff AktG verwiesen wird.
Das Gericht hat im Überprüfungsverfahren die Unternehmensbewertung bzw die Angemessenheit der Barabfindung lediglich einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen.
Die Barabfindung ist zwei Monate nach dem Tag fällig, an dem die Eintragung des Ausschlusses gemäß § 10 UGB als bekannt gemacht gilt.
Die Barabfindung ist ab dem der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung folgenden Tag bis zur Fälligkeit mit jährlich zwei Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz und danach nach § 1000 ABGB zu verzinsen.
Ein Ausspruch über die Verzinsung ist im Überprüfungsverfahren nicht erforderlich.
Vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Überprüfungsverfahren kann der Lauf der Verjährungsfrist für die aus der baren Zuzahlung geschuldeten Zinsen nach dem GesAusG sowie allfälliger Verzugszinsen nicht einsetzen.
Für die Auslegung von § 11 GenRevG ist die zu § 276 UGB entwickelte Lehre und Rechtsprechung sinngemäß heranzuziehen.
Die Abbruchkosten von – nach dem Erwerb der Liegenschaft vom Erwerber errichteten und jahrelang vermieteten – Wohngebäuden sind nicht nach § 203 Abs 3 UGB als nachträgliche Herstellungskosten des Vermögensgegenstands „Grund und Boden“ zu qualifizieren.
S. 54 - 54, Rechtsprechung
Entsandte Geschäftsführer; Abberufung; Anfechtung; Sonderrecht; Vertretungsbefugnis
Der entgegen eines nach § 50 Abs 4 GmbHG zustimmungsberechtigten Gesellschafters gefasste Abberufungsbeschluss ist bloß anfechtbar.
Entsandte Geschäftsführer sind ebenso grundsätzlich gesamtvertretungsbefugt.
Eine Stufenklage nach Art XLII EGZPO (im hier relevanten ersten Anwendungsfall des Abs 1) begründet keinen eigenen materiell-rechtlichen Anspruch auf Rechnungslegung, sondern setzt voraus, dass eine solche Verpflichtung schon nach bürgerlichem Recht besteht. Die Verpflichtung zur Rechnungslegung muss sich entweder unmittelbar aus einer Norm des bürgerlichen Rechts (zB bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten) oder aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien ergeben.
Die Rechtsprechung bejaht als Lückenschluss im UWG in Fällen, in welchen es für die Verfolgung des Anspruchs gegen einen Rechtsverletzer erforderlich ist, einen Rechnungslegungsanspruch des Verletzten in Anlehnung an die Vorschriften des Immaterialgüterrechts. Auch bei einer Verletzung des UWG zielt die Rechnungslegung darauf ab, den Kläger in die Lage zu versetzen, die Grundlage für seine Zahlungsansprüche (auf Schadenersatz bzw Bereicherung) gegen den Beklagten zu ermitteln, um sein Leistungsbegehren beziffern zu können.
Ein Verstoß gegen § 1 UWG liegt auch dann vor, wenn die noch während eines aufrechten Dienstverhältnisses erworbenen vertraulichen Informationen erst nach der Beendigung des Dienstverhältnisses verwertet werden, sofern vor dem Ausscheiden ein „innerer Frontwechsel“ erfolgte. Das muss umso mehr gelten, wenn – wie im Anlassfall – Geschäftsgeheimnisse noch während des aufrechten Dienstverhältnisses bereits für einen Konkurrenten verwendet werden, dem bekannt ist, dass die von ihm verwerteten Geschäftsgeheimnisse aus einem Vertragsbruch der Handelsvertreterin resultieren.
Bei Beurteilung der Frage, ob ein anderes Geschmacksmuster in den Schutzumfang eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters fällt, ist nach stRsp der jeweilige Gesamteindruck unter Würdigung aller objektiven maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln und zu vergleichen. Es kommt nicht auf einen mosaikartig aufgespaltenen Vergleich von Einzelheiten an. Maßgeblich ist vielmehr die Würdigung des Gesamteindrucks unter dem Blickwinkel, ob sich bei einer Gegenüberstellung zweier Formgebungen insgesamt der Eindruck einer Übereinstimmung ergibt.
Die Frage der Schutzfähigkeit eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters und die Verletzungsfrage sind nach denselben Prüfungskriterien zu beurteilen, nämlich danach, ob beim informierten Benutzer ein anderer Gesamteindruck erweckt wird. Dieser Benutzer unterscheidet sich durch ein gewisses Maß an Kenntnissen und Aufgeschlossenheit für Designfragen vom „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“, wenn auch nicht Wissen und Fähigkeiten eines Fachmanns anzulegen sind. Ein hohes Maß an Eigenart gibt dabei Raum für einen großen Schutzumfang, umgekehrt führt geringe Eigenart auch nur zu einem kleinen Schutzumfang.
In den Fällen der Unterentlohnung (§ 29 Abs 1 LSD-BG) wird dem Kompetenzzentrum LSDB durch § 32 Abs 1 Z 1 LSD-BG ausdrücklich Parteistellung im Verwaltungsstrafverfahren eingeräumt. In einem Mehrparteienverfahren wie dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nach dem LSD-BG wird der Bescheid daher schon mit seiner Zustellung an das Kompetenzzentrum LSDB erlassen und somit bekämpfbar.
Die Auffassung, für mehrfach unterlassene Meldungen nach dem LSD-BG sei nur eine Geldstrafe zu verhängen, steht im Einklang mit der hg Rsp (VwGH 18.1.2021, Ra 2020/11/0206, mwN) und mit § 26 Abs 1 LSD-BG idF BGBl I 174/2021.
Es bedarf nicht einer eigenen gesetzlichen Anordnung, um die mehrfachen Einzeltathandlungen iSd § 26 Abs 1 Z 1 LSD-BG bei der Bemessung der zu verhängenden (Gesamt-)Geldstrafe erschwerend berücksichtigen zu können. Vielmehr ergibt sich schon aus § 19 Abs 1 VStG, dass für die Strafbemessung die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes – und die Intensität seiner Beeinträchtigung (die fallbezogen ua von der Anzahl der unterlassenen Meldungen abhängt) – zu beachten ist.
Es bedarf zufolge § 44a Z 1 VStG bereits im Spruch der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind. Wird die Anführung eines wesentlichen Tatbestandselementes im Spruch unterlassen, kann dies auch nicht durch eine entsprechende Begründung ersetzt werden.
Diesem Erfordernis wird der Spruch des eine Bestrafung nach § 90 Abs 1 Z 1 LMSVG aussprechenden Straferkenntnisses nicht gerecht, wenn er sich mit der Tatumschreibung begnügt, gewisse Höchstmengenbeschränkungen für Lebensmittelzusatzstoffe wären überschritten worden.
In der Gewerbeordnung wird der innergemeindliche Instanzenzug nicht ausgeschlossen, womit dieser auch dann in gewerberechtlichen (von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu vollziehenden) Angelegenheiten aufrecht bleibt, wenn er durch den Landesgesetzgeber (für Landesmaterien) ausgeschlossen wurde.
Art 118 Abs 4 zweiter Satz B-VG gilt über Art 112 B-VG – in Angleichung an alle übrigen Gemeinden – auch für Wien. Zwar mag es auf Grund der in Art 108 B-VG angeordneten Doppelfunktionalitäten und ungeachtet des in Art 112 B-VG an sich taxativ angeordneten Geltungsausschlusses bestimmter Regelungen des B-VG weitere Bestimmungen geben, die für Wien nicht anwendbar sind. Dazu werden etwa Bestimmungen wie Art 116 Abs 1 erster Satz B-VG (Gliederung des Landes in Gemeinden) und Art 116a B-VG (Gemeindeverbände) gezählt, die für Wien keine praktische Bedeutung haben, oder auch Art 116 Abs 3 B-VG, weil Wien der Status einer Stadt mit eigenem Statut gemäß Art 109 B-VG unmittelbar auf Grund des Bundes-Verfassungsgesetzes zukommt. Art 118 Abs 4 zweiter Satz B-VG fällt hingegen unter keine dieser Kategorien, die für eine implizite Ausnahme im obigen Sinn sprächen. Hätte der Bundesverfassungsgesetzgeber die Bundeshauptstadt Wien tatsächlich von der Geltung des Art 118 Abs 4 zweiter Satz B-VG ausnehmen wollen, wäre dies wohl auch in den Erläuterungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012 zum Ausdruck gekommen. Diese stellen jedoch im Gegenteil klar, dass der neu gefasste Art 118 Abs 4 gemäß Art 112 B-VG auch für die von der Bundeshauptstadt Wien zu besorgenden Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches gelten soll (vgl RV 1618 BlgNR 24. GP 11).
Aus dem bloßen Umstand der Auflösung der früheren Berufungsbehörden in den Übergangsbestimmungen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012 kann nicht der Schluss gezogen werden, der Bundesverfassungsgesetzgeber habe dadurch im eigenen Wirkungsbereich der Stadt Wien einen administrativen Instanzenzug generell ausschließen wollen. Diese Auflösung vermag somit eine Derogation des Art 118 Abs 4 B-VG betreffend die von der Bundeshauptstadt Wien zu besorgenden Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches nicht zu bewirken. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass es auch in Wien darauf ankommt, ob der Instanzenzug gemäß Art 118 Abs 4 zweiter Satz B-VG in Verbindung mit Art 115 Abs 2 B-VG gesetzlich ausgeschlossen ist oder nicht.
Da der zuständige Materiengesetzgeber von der ihm nach Art 118 Abs 4 zweiter Satz B-VG eingeräumten Ermächtigung nicht Gebrauch gemacht hat und demnach in der Gewerbeordnung der innergemeindliche Instanzenzug nicht ausgeschlossen ist, besteht ein solcher auch im Bereich der – dem eigenen Wirkungsbereich der Stadt Wien übertragenen – örtlichen Marktpolizei.
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