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WBL

Heft 7, Juli 2018, Band 32

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1864-3434

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Inhalt der Ausgabe

S. 357 - 366, Aufsatz

Sebastian Schwamberger / Lukas Klever

Transportkostenvorschuss und Kosten der Mangelerhebung - Überlegungen aus Anlass der Neuerungen im deutschen Gewährleistungsrecht

Mit der jüngst in Kraft getretenen Baurechtsreform hat der deutsche Gesetzgeber der Reichweite des Gewährleistungsanspruchs schärfere Konturen verliehen. Dies gibt Anlass, die Frage nach dem Umfang der Nacherfüllung auch für das auf derselben Richtlinie beruhende österreichische Gewährleistungsrecht aufzuwerfen. Der Beitrag widmet sich zunächst den Transportkosten und insbesondere der Frage, ob diese Kosten vom Unternehmer vorzuschießen sind. Sodann wird geklärt, ob der Unternehmer Ersatz für im Rahmen einer vermeintlichen Nacherfüllung erbrachte Leistungen verlangen kann, wenn sich der Verdacht der Mangelhaftigkeit letztlich nicht bestätigt.

S. 367 - 373, Aufsatz

Johannes Mitterecker / Maximilian Breisch

Zur Wirksamkeit der Beurkundung eines GmbH-Gesellschaftsvertrags durch einen ausländischen Notar

In der heftig umstrittenen Frage, ob gesellschaftsrechtliche Grundlagengeschäfte wie Gesellschaftsverträge oder Satzungen durch ausländische Notare im Ausland beurkundet werden dürfen, hat das KG Berlin jüngst neue Bewegung in die Diskussionen gebracht und judiziert, dass die Beurkundung eines deutschen GmbH-Gesellschaftsvertrags durch einen Schweizer Notar aus dem Kanton Bern wirksam sei und dem deutschen Formerfordernis genüge. Dieser Beschluss bietet den Anreiz für eine tiefgreifende Untersuchung der gegenständlichen Rechtsproblematik auch in Österreich. Nach einer überblicksartigen Skizzierung der Entscheidung des KG Berlin sowie einem Problemaufriss und einer Darstellung der wichtigsten Aussagen in Judikatur und Lehre folgt eine rechtliche Analyse und Lösungsansätze für die Praxis, wie mit Beurkundungen im Ausland de lege lata und de lege ferenda umgegangen werden sollte.

S. 374 - 379, Aufsatz

Franz W. Urlesberger

Europarecht: Das Neueste auf einen Blick

S. 380 - 383, Rechtsprechung

Markenrecht: Zur Erschöpfung des Rechts aus der Marke

Art 13 Abs 2 der VO (EG) Nr 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [Unions]marke ist dahin auszulegen, dass sich der Inhaber einer Marke dem weiteren Vertrieb eines Medizinprodukts in seiner inneren und äußeren Originalverpackung durch einen Parallelimporteur nicht widersetzen kann, wenn vom Importeur ein zusätzlicher Aufkleber wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende angebracht wurde, der aufgrund seines Inhalts, seiner Funktion, seiner Größe, seiner Aufmachung und seiner Platzierung keine Gefahr für die Herkunftsgarantie des mit der Marke versehenen Medizinprodukts darstellt.

S. 383 - 387, Rechtsprechung

Vergaberecht: Zur Auslegung der RL über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Liefer- und Dienstleistungsaufträge

Art 2 der RL 2004/18/EG des EP und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen ist, dass

miteinander verbundene Bieter, die in ein und demselben Verfahren gesonderte Angebote einreichen, nicht verpflichtet sind, dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber von sich aus ihre Verbindungen offenzulegen, wenn in der Ausschreibung oder den Verdingungsunterlagen, die die Bedingungen für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags regeln, keine ausdrückliche normative Bestimmung oder spezifische Bedingung enthalten ist;

der öffentliche Auftraggeber, wenn er über Anhaltspunkte verfügt, die Zweifel an der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der von bestimmten Bietern eingereichten Angebote aufkommen lassen, zur Nachprüfung verpflichtet ist, ob deren Angebote tatsächlich eigenständig und unabhängig sind, und zwar gegebenenfalls dadurch, dass er zusätzliche Informationen von diesen Bietern anfordert. Stellt sich heraus, dass die Angebote nicht eigenständig und unabhängig sind, steht Art 2 der RL 2004/18 einem Zuschlag des Auftrags an die Bieter, die ein solches Angebot abgegeben haben, entgegen.

S. 387 - 392, Rechtsprechung

Arbeitsrecht: Zur Ungleichbehandlung von Stellenbewerbern eines kirchlichen Arbeitgebers wegen ihrer Religion oder Weltanschauung

Art 4 Abs 2 der RL 2000/78/EG ist iVm deren Art 9 und 10 sowie mit Art 47 der Charta der Grundrechte der EU dahin auszulegen, dass für den Fall, dass eine Kirche oder eine andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, zur Begründung einer Handlung oder Entscheidung wie der Ablehnung einer Bewerbung auf eine bei ihr zu besetzende Stelle geltend macht, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation, ein solches Vorbringen gegebenenfalls Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können muss, damit sichergestellt wird, dass die in Art 4 Abs 2 dieser RL genannten Kriterien im konkreten Fall erfüllt sind.

Art 4 Abs 2 der RL 2000/78 ist dahin auszulegen, dass es sich bei der dort genannten wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderung um eine Anforderung handelt, die notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten ist und keine sachfremden Erwägungen ohne Bezug zu diesem Ethos oder dem Recht dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie umfassen darf. Die Anforderung muss mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen.

Ein mit einem Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen befasstes nationales Gericht ist, wenn es ihm nicht möglich ist, das einschlägige nationale Recht im Einklang mit Art 4 Abs 2 der RL 2000/78 auszulegen, verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den dem Einzelnen aus den Art 21 und 47 der Charta der Grundrechte der EU erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lässt.

S. 392 - 395, Rechtsprechung

Verbraucherschutz: Zur Auslegung der Vertragsklausel-RL

Die RL 93/13/EWG ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, das nach innerstaatlichem Prozessrecht befugt ist, von Amts wegen zu prüfen, ob die Klausel, die Gegenstand der Klage ist, gegen zwingende nationale Bestimmungen verstößt, im Säumnisfall von Amts wegen prüfen muss, ob der Vertrag, der die Klausel enthält, in den Anwendungsbereich dieser RL fällt und gegebenenfalls, ob die Klausel missbräuchlich ist.

Vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht ist Art 2 lit c der RL 93/13 dahin auszulegen, dass eine freie Bildungseinrichtung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die mit einer ihrer Studierenden durch einen Vertrag Zahlungserleichterungen für Beträge vereinbart hat, die diese als Studiengebühren und als Beitrag für eine Studienreise schuldete, in Bezug auf diesen Vertrag als „Gewerbetreibender“ iS dieser Bestimmung anzusehen ist, so dass der Vertrag in den Anwendungsbereich dieser RL fällt.

S. 395 - 399, Rechtsprechung

Steuerrecht: Zur Auslegung der Mehrwertsteuer-RL (Österreich)

Art 141 lit c der RL 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die RL 2010/45/EU geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die dort genannte Voraussetzung erfüllt ist, wenn der Steuerpflichtige in dem MS, von dem aus die Gegenstände versandt oder befördert werden, ansässig und für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, aber für den konkreten innergemeinschaftlichen Erwerb die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer eines anderen MS verwendet.

Die Art 42 und 265 iVm Art 263 der RL 2006/112 in der durch die RL 2010/45 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie die Steuerverwaltung eines MS daran hindern, Art 41 Abs 1 der RL 2006/112 in der durch die RL 2010/45 geänderten Fassung mit der alleinigen Begründung anzuwenden, dass im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs, der für die Zwecke einer anschließenden Lieferung im Hoheitsgebiet eines MS getätigt wurde, die Abgabe der zusammenfassenden Meldung iS des Art 265 der RL 2006/112 in der durch die RL 2010/45 geänderten Fassung von dem im ersten MS für Mehrwertsteuerzwecke erfassten Steuerpflichtigen verspätet vorgenommen wurde.

S. 404 - 405, Rechtsprechung

Kein Anspruch auf aliquote Sonderzahlung

Entsteht ein Anspruch auf Jahresremuneration erst, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens zwei Monate gedauert hat, so gebührt kein aliquoter Anteil, wenn der Arbeitgeber während des Krankenstandes, aber vor dem Ablauf von zwei Monaten das Arbeitsverhältnis kündigt.

S. 405 - 406, Rechtsprechung

Kündigung wegen häufiger Krankenstände

Eine überhöhte, weit überdurchschnittliche Anzahl von Krankenständen kann auch bei älteren, langjährig beschäftigten Arbeitnehmern eine Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen.

S. 405 - 405, Rechtsprechung

Unzulässiges Beurteilungssystem

Ein Bewertungsverfahren, bei dem ausschließlich „soft skills“ wie Neigungen, Interessen und andere Persönlichkeitsmerkmale, nicht aber die Fachkompetenz von Arbeitnehmern ermittelt werden, greift massiv in die Persönlichkeit der getesteten Arbeitnehmer ein. Der Einsatz eines solchen Verfahrens bedarf der Zustimmung des Betriebsrates.

S. 406 - 407, Rechtsprechung

Klage auf Bruttolohn

Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich berechtigt, den Bruttolohn einzuklagen. Wendet der Arbeitgeber im Verfahren über eine Bruttolohnklage ein, dass er Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeiträge bereits bezahlt hat, so ist dieser Einwand bereits im Titelverfahren zu prüfen.

S. 407 - 409, Rechtsprechung

Unzulässige Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs zwischen OG-Gesellschaftern ohne vorgängige Liquidation

Ist im Gesellschaftsvertrag keine andere Art der Auseinandersetzung vereinbart und fehlt es auch nicht am Liquidationsbedarf (zB, weil die Gesellschaft über kein Aktivvermögen verfügt), kann ein Ausgleichsanspruch zwischen OG-Gesellschaftern nicht ohne vorgängige Liquidation geltend gemacht werden.

S. 409 - 410, Rechtsprechung

Zur Bestellung eines Kollisionskurators, wenn bereits ein Notliquidator bestellt wurde

Liegt bei einem Gesellschafter eine Interessenkollision vor und kann die Gesellschaft ohne diesen Gesellschafter nicht vertreten werden, kann Abhilfe grundsätzlich nur durch eine Kuratorbestellung geschaffen werden. Im Stadium der Liquidation können die Beteiligten aber auch gemäß §§ 146 f UGB Abhilfe schaffen.

Die vom Gericht zum zusätzlichen Liquidator bestellte Person kann nach der Entscheidung des Gerichts gemeinsam mit dem Antragsteller, der eine Interessenkollision bei sich nicht behauptet, vertreten. Es ist daher eine Vertretung der Gesellschaft ohne den nach dem Antragsvorbringen von der Kollision betroffenen Liquidator möglich.

S. 410 - 411, Rechtsprechung

Keine organschaftliche Vertretung des „wirtschaftlichen Eigentümers“ einer GmbH/Echte Beweislastumkehr für sorgfaltswidrig handelnden GmbH-Geschäftsführer

Es entspricht der Rsp des OGH, dass für eine organschaftliche oder „quasi-organschaftliche“ Vertretung durch einen „faktischen Geschäftsführer“ kein Raum besteht; die Annahme einer solchen Vertretungsbefugnis würde in jedem Einzelfall zu Abgrenzungsproblemen und damit zu erheblicher Rechtsunsicherheit im Geschäftsverkehr führen, wohingegen den Bedürfnissen der Praxis dadurch ausreichend Rechnung getragen werde, dass die Zurechenbarkeit rechtsgeschäftlichen Handelns eines „faktischen Geschäftsführers“ nach den Grundsätzen des Vollmachtsrechts gelöst werden kann. Unter einem „faktischen Geschäftsführer“ wird dabei zumeist eine Person verstanden, die das Unternehmen leitet, ohne wirksam zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, ob der „faktische Geschäftsführer“ gleichzeitig auch Gesellschafter ist; regelmäßig wird ein „faktischer Geschäftsführer“ dann angenommen, wenn die eigentlich bestellten Geschäftsführer als Strohmänner ihre Organfunktionen nicht ausüben und stattdessen ein anderer (meist ein Mehrheitsgesellschafter) die Gesellschaft tatsächlich leitet, wobei zumeist auch ein nach außen erkennbares Gerieren wie ein Geschäftsführer als erforderlich erachtet wird.

Diese Überlegungen gelten erst recht für einen „wirtschaftlichen Eigentümer“ einer Kapitalgesellschaft, der nicht auch deren Vertretungsorgan oder (zumindest) Bevollmächtigter ist. Die von der Rsp zum „faktischen Geschäftsführer“ ventilierten Abgrenzungsprobleme würden hier nämlich erst recht gegeben sein, kann es doch im Einzelfall schwierig sein festzustellen, wer tatsächlich „wirtschaftlicher Eigentümer“ ist. Daran vermag auch der Hinweis der Revision auf das am 15.9.2017 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Einrichtung eines Registers der wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften, anderen juristischen Personen und Trusts (Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz – WiEReG), BGBl I 136/2017, nichts zu ändern: Dieses dient der Transparenz und der Verhinderung von Geldwäsche sowie Terrorismusfinanzierung (vgl ErläutRV 1660 BlgNr XXV. GP, 1), enthält aber keine Regelung betreffend Vertretungskompetenzen derartiger wirtschaftlicher Eigentümer.

Den Geschäftsführer trifft die Beweislast, dass er die ihm nach § 25 GmbHG obliegende Sorgfalt angewendet hat. Es ist seine Sache zu behaupten und zu beweisen, dass sein Verhalten weder subjektiv noch objektiv sorgfaltswidrig war; er hat sich sowohl hinsichtlich des Verschuldens als auch hinsichtlich der Rechtswidrigkeit seines Verhaltens zu entlasten. Dabei handelt es sich um eine echte Beweislastumkehr, weshalb es beispielsweise für seine Entlastung nicht ausreicht, dass er bloß Umstände dartut, die seine Verantwortlichkeit ernstlich in Frage stellen. Die Gesellschaft hat den Schaden dem Grunde und der Höhe nach, die Kausalität, die adäquate Verursachung und die inhaltliche Pflichtwidrigkeit oder die objektive Sorgfaltspflichtverletzung, nicht aber ein Verschulden zu behaupten und zu beweisen; dem Geschäftsführer obliegt dagegen der Beweis, dass sein Verhalten (jedenfalls) subjektiv nicht sorgfaltswidrig war.

S. 411 - 412, Rechtsprechung

Zur Verbraucher- oder Unternehmereigenschaft eines Gesellschafters

Die Verbraucher- bzw Unternehmereigenschaft eines Gesellschafters ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen; eine formelle Geschäftsführerstellung ist für den beherrschenden Einfluss und damit die Qualifikation eines Gesellschafters als Unternehmer nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit der Gesellschafter Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nehmen kann.

Bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und bei der Beurteilung, welchen Einfluss eine bestimmte Person auf die Geschäftsführung nehmen kann, kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an.

Nach Teilen der Lehre sind Gesellschafter einer Personen- oder Kapitalgesellschaft im Innenverhältnis (zB im Zusammenhang mit der Gründung der Gesellschaft und der internen Willensbildung) nicht als Verbraucher anzusehen, es sei denn, dass die Gesellschaft als Publikumsverband zur Kapitalveranlagung ausgestaltet ist Für die Abtretung von Geschäftsanteilen enthält das Gesellschaftsrecht allerdings keine Sonderregeln, die als eigenständige Schutzvorschrift einen Rückgriff auf das Verbraucherrecht jedenfalls erübrigen würden. In diesem Zusammenhang kann jedenfalls nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass ein Vertragspartner spezifischen Schutzes, wie ihn das Verbraucherrecht vorsieht, bedarf.

S. 411 - 411, Rechtsprechung

Zur Frage des Fortwirkens der durch zugeführte Neukunden entstandenen Vorteils im Fall der Unternehmensveräußerung

Bei Veräußerung des Unternehmens, dem der Handelsvertreter neue Kunden zugeführt hat, durch den Geschäftsherrn, besteht die Vermutung, dass der Wert des Kundenstocks wertbildend Berücksichtigung gefunden hat. Dem Geschäftsherrn steht jedoch der Gegenbeweis offen.

S. 412 - 414, Rechtsprechung

Zur Beweislastverteilung bei behaupteter Erschöpfung des Markenrechts

Die Erschöpfung des Markenrechts ist nur auf Einwand des Bekl zu prüfen. Der Bekl hat dabei zu behaupten und zu beweisen, dass die betroffenen Waren vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung im EWR auf den Markt gebracht wurden. Statt dessen kann er auch behaupten und beweisen, dass – etwa wegen eines ausschließlichen Vertriebssystems – eine Abschottung der Märkte innerhalb des EWR droht, wenn er seine Bezugsquellen offenlegen müsste. Gelingt ihm dieser Beweis, hat sodann der Kl zu behaupten und zu beweisen, dass die betroffenen Waren erstmals außerhalb des EWR auf den Markt gebracht wurden. Gelingt dem Kl dieser Beweis, müsste dann der Bekl die Zustimmung des Markeninhabers zu einem (weiteren) Inverkehrbringen im EWR beweisen.

S. 415 - 415, Rechtsprechung

Nachbarn und UVP-Feststellungsverfahren

Da sich aus § 3 Abs 7 und 7a UVP-G 2000 in der Fassung BGBl I 95/2013 ergibt, dass Nachbarn im Feststellungsverfahren weder ein Antragsrecht, noch Parteistellung, noch ein Beschwerderecht eingeräumt wird, besteht die Möglichkeit, die UVP-Feststellungsentscheidung im Rahmen eines gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten.

S. 415 - 416, Rechtsprechung

Vergaberechtliche Nachprüfung: Beschwerdeergänzung und Kostenersatz

Die Vergabekontrollbehörde hat auch auf späteres, neues Vorbringen der Partei Bedacht zu nehmen, wenn sich der genannte Einwand innerhalb des geltend gemachten Beschwerdepunktes bewegt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Vorbringen selbst weder einen neuen Nachprüfungsantrag in Hinblick auf die Anfechtung der Ausscheidensentscheidung darstellt, noch über den fristgerecht erhobenen Anfechtungsantrag hinausgeht.

Gemäß § 47 Abs 5 VwGG ist der dem Revisionswerber zu leistende Aufwandersatz von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in dem Verwaltungsverfahren gehandelt hat, das dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangen ist. Bei der vergaberechtlichen Nachprüfung liegt ein derartiges Handeln einer Behörde nicht vor. Da dem Gesetzgeber des VwGG nicht unterstellt werden kann, er wollte für diese Fälle von einem Aufwandersatz nach den §§ 47 ff leg cit absehen, ist diese Lücke dahingehend zu schließen, dass der Kostenersatz von jenem Rechtsträger zu tragen ist, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Beschwerdesache gehandelt hat. Danach ist entscheidend, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen der vergaberechtlichen Nachprüfung in einer Angelegenheit tätig wurde, die nach den Zuständigkeitsregeln des B-VG in den Vollzugsbereich des Bundes oder der Länder fällt.

S. 416 - 416, Rechtsprechung

Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers

Nach § 39 Abs 1 GewO 1994 ist der gewerberechtliche Geschäftsführer gegenüber der Behörde für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Regelungen über die strafrechtliche Verantwortlichkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer (§ 39, § 370 Abs 2 GewO 1994) beziehen sich daher nur auf die Einhaltung der Verpflichtungen, die sich aus den gewerberechtlichen Vorschriften für die Gewerbeausübung ergeben. Regelungen, die nicht dem Kompetenztatbestand des Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG „Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie“ zugehören, fallen selbst dann, wenn sie in Beziehung zur Gewerbeausübung stehen, nicht in den Bereich der Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers. Eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit wegen Einhaltung solcher (im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes relevanter) Rechtsvorschriften ist durch besondere gesetzliche Vorschrift anzuordnen.

S. 416 - 416, Rechtsprechung

Gesetzesauslegung und Gesetzesmaterialien

Die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Absicht des historischen Gesetzgebers ist weder das einzige noch das wichtigste Mittel der Gesetzesauslegung. Stehen die Materialien in eindeutigem Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes, sind sie für die Auslegung bedeutungslos. Auf Erkenntnisquellen außerhalb des kundgemachten Gesetzes (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage, Parlamentarische Protokolle etc) darf nur zurückgegriffen werden, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzgebers Zweifel aufwirft; für sich allein können sie über den normativen Inhalt einer Rechtsvorschrift nichts aussagen.

Die Behörde kann gem § 84 Abs 3 Z 3 StVO Ausnahmen vom Verbot erteilen, Werbungen und Ankündigungen außerhalb des Ortsgebiets aufzustellen (Abs 2 leg cit), wenn diese in einem Gebiet errichtet werden sollen, das nach den Raumordnungsgesetzen bzw Bauordnungen der Länder als Bauland gewidmet ist. Dass die Materialien allenfalls lediglich „grundsätzlich“ auf die Widmungsart Bauland abstellen und postulieren, dass darüber hinaus auch anders gewidmete Flächen in § 84 Abs 3 Z 3 StVO miteinbezogen werden sollten, ist angesichts des klaren Wortlauts dieser Regelung unbeachtlich und findet in der zitierten Regelung keine Deckung.