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WBL

Heft 9, September 2022, Band 36

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1864-3434

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Inhalt der Ausgabe

S. 481 - 490, Aufsatz

Diana Niksova

Das Urlaubsrecht im europäischen Wandel – Eine Analyse der EuGH-Judikatur zum Verfall und zur Verjährung von Urlaubsansprüchen sowie zur Urlaubsersatzleistung

Die EuGH-Judikatur zum „Verfall“ von Urlaubsansprüchen und zur Urlaubsersatzleistung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat große Wellen geschlagen. Die Rs Schultz-Hoff, KHS und Neidel zum „Verfall“ von Urlaubsansprüchen im Krankheitsfall des AN, die Rs King zum „Verfall“ von Urlaubsansprüchen bei der Scheinselbständigkeit sowie die Rs Max-Planck-Gesellschaft zum „Verfall“ von Urlaubsansprüchen bei unterbliebener Mitwirkungshandlung des AG beim Urlaubsverbrauch haben in den letzten Jahren im Urlaubsrecht ebenso viel Staub aufgewirbelt wie kürzlich die Rs job-medium GmbH bei der Urlaubsersatzleistung. Ein Ende ist aber nicht in Sicht. Derzeit sind drei weitere Verfahren zum „Erlöschen“ von Urlaubsansprüchen beim EuGH anhängig. Der vorliegende Beitrag analysiert die bisherige EuGH-Judikatur und untersucht deren Auswirkungen auf das österr UrlG, insb § 4 Abs 5 UrlG und § 10 Abs 2 UrlG.

S. 491 - 504, Aufsatz

Ulrich Torggler / Brigitta Zöchling-Jud / Andreas Baumgartner

GmbH-Anteilserwerb durch Miterben1)

S. 509 - 513, Rechtsprechung

Markenrecht: Verwirkung durch Duldung – Begriff der Duldung – Unterbrechung der Verwirkungsfrist

1. Art 9 der RL 2008/95/EG sowie die Art 54, 110 und 111 der VO (EG) Nr 207/2009 sind dahin auszulegen, dass eine Handlung – wie zB eine Abmahnung –, mit der sich der Inhaber einer älteren Marke oder eines sonstigen älteren Rechts der Benutzung einer jüngeren Marke widersetzt, ohne jedoch die für die Herbeiführung einer rechtsverbindlichen Lösung notwendigen Schritte zu unternehmen, die Duldung nicht beendet und dementsprechend nicht die Verwirkungsfrist iS dieser Bestimmungen unterbricht.

2. Art 9 der RL 2008/95 sowie die Art 54, 110 und 111 der VO Nr 207/2009 sind dahin auszulegen, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs, mit dem der Inhaber einer älteren Marke oder eines sonstigen älteren Rechts die Nichtigerklärung einer jüngeren Marke begehrt oder sich deren Benutzung widersetzt, die Verwirkung durch Duldung iS dieser Bestimmungen verhindert, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück zwar vor Ablauf der Verwirkungsfrist eingereicht wurde, aber aufgrund mangelnder Sorgfalt des Rechtsbehelfsführers nicht die Anforderungen des nationalen Rechts erfüllte, die für die Zwecke der Zustellung gelten, und die Mängel aus Gründen, die dem Rechtsbehelfsführer zuzurechnen sind, erst nach Ablauf der Verwirkungsfrist behoben wurden.

3. Art 9 der RL 2008/95 sowie die Art 54, 110 und 111 der VO Nr 207/2009 sind dahin auszulegen, dass der Inhaber einer älteren Marke oder eines sonstigen älteren Rechts iS dieser Bestimmungen bei Verwirkung seines Anspruchs auf Nichtigerklärung einer jüngeren Marke und auf Unterlassung ihrer Benutzung durch die Verwirkung auch daran gehindert ist, Neben- oder Folgeansprüche wie Ansprüche auf Schadensersatz, auf Auskunft oder auf Vernichtung von Waren zu erheben.

S. 513 - 518, Rechtsprechung

Verbraucherschutz: Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen – Durch ein ‚Thermofenster‘ begrenzte Reduzierung der Stickstoffoxid (NOx)-Emissionen – Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung der Emissionskontrol...

1. Art 2 Abs 2 lit d der RL 1999/44/EG des EP und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass ein Kraftfahrzeug, das in den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 715/2007 des EP und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge fällt, nicht die Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann, wenn es, obwohl es über eine gültige EG-Typgenehmigung verfügt und daher im Straßenverkehr verwendet werden kann, mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet ist, deren Verwendung nach Art 5 Abs 2 dieser VO verboten ist.

2. Art 5 Abs 2 lit a der VO Nr 715/2007 ist dahin auszulegen, dass eine Abschalteinrichtung, die insb die Einhaltung der in dieser VO vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius liegt, nach dieser Bestimmung allein unter der Voraussetzung zulässig sein kann, dass nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführungssystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen. Eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, kann jedenfalls nicht unter die in Art 5 Abs 2 lit a der VO Nr 715/2007 vorgesehene Ausnahme fallen.

3. Art 3 Abs 6 der RL 1999/44 ist dahin auszulegen, dass eine Vertragswidrigkeit, die darin besteht, dass ein Fahrzeug mit einer Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, deren Verwendung nach Art 5 Abs 2 der VO Nr 715/2007 verboten ist, nicht als „geringfügig“ eingestuft werden kann, selbst wenn der Verbraucher – falls er von der Existenz und dem Betrieb dieser Einrichtung Kenntnis gehabt hätte – dieses Fahrzeug dennoch gekauft hätte.

S. 518 - 521, Rechtsprechung

Verbraucherschutz: Nichtlebensmittel, die mit Lebensmitteln verwechselt werden können – Begriff – Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals

Art 1 Abs 2 der RL 87/357/EWG ist dahin auszulegen, dass es nicht erforderlich ist, durch objektive und belegte Daten nachzuweisen, dass es mit Risiken wie der Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals verbunden sein kann, wenn Erzeugnisse zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt werden, die zwar keine Lebensmittel sind, bei denen jedoch aufgrund ihrer Form, ihres Geruchs, ihrer Farbe, ihres Aussehens, ihrer Aufmachung, ihrer Etikettierung, ihres Volumens oder ihrer Größe vorhersehbar ist, dass sie von den Verbrauchern, insb von Kindern, mit Lebensmitteln verwechselt werden und deshalb zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt werden. Die zuständigen nationalen Behörden müssen jedoch im Einzelfall prüfen, ob ein Erzeugnis die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt, und begründen, warum dies der Fall ist.

S. 521 - 525, Rechtsprechung

Verfahrensrecht: Zustellung von Schriftstücken (Österreich)

Art 8 Abs 1 der VO Nr 1393/2007 iVm Art 47 der Charta der Grundrechte der EU ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung des MS, zu dem die Behörde gehört, die ein zuzustellendes Schriftstück ausgestellt hat, entgegensteht, wonach der Beginn der einwöchigen Frist nach Art 8 Abs 1 der VO Nr 1393/2007, innerhalb deren der Empfänger eines solchen Schriftstücks die Annahme aus einem der in dieser Bestimmung vorgesehenen Gründe verweigern kann, mit dem Fristbeginn für die Einlegung eines Rechtsmittels gegen dieses Schriftstück in diesem MS zusammenfällt.

S. 525 - 525, Rechtsprechung

Der lange Arm der EU

S. 525 - 527, Rechtsprechung

Dienstunfähigkeit als Entlassungsgrund

Der Verlust einer notwendigen Berechtigung für Berufsausübung kann den Entlassungsgrund der Dienstunfähigkeit bewirken. Verschulden des Arbeitnehmers ist dazu nicht erforderlich.

Ein Kollektivvertrag kann den Entlassungsgrund auf einen vom Arbeitnehmer verschuldeten Entzug der Berechtigung einschränken. Eine solche Einschränkung enthält der Kollektivvertrag für das Bordpersonal der AUA.

S. 527 - 528, Rechtsprechung

Kündigung wegen häufiger Krankenstände

Der besondere Kündigungsschutz des BEinstG setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis mindestens vier Jahre gedauert hat. Zeiten, in denen der gekündigte Arbeitnehmer beim Arbeitgeber als überlassene Arbeitskraft beschäftigt war, sind nicht anzurechnen.

Ein personenbedingter Kündigungsgrund kann auch durch lang andauernde oder häufige Krankenstände verwirklicht sein. Dabei muss der Arbeitgeber eine Zukunftsprognose über die weitere Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers anstellen. Entscheidend ist, ob ein verständiger und sorgfältiger Arbeitgeber davon ausgehen kann, dass Krankenstände in erhöhtem Ausmaß mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft zu erwarten sind.

S. 528 - 529, Rechtsprechung

Pflicht zur Mitteilung der Wohnanschrift

Es bildet eine gröbliche Verletzung der Dienstpflicht, wenn ein Dienstnehmer entgegen einem entsprechenden Verlangen des Dienstgebers keine zustellungsfähige Wohnanschrift bekannt gibt. Eine dem Dienstgeber bekannte E-Mail-Adresse des Dienstnehmers genügt nicht.

S. 529 - 530, Rechtsprechung

„Verlangen“ einer Kündigungsanfechtung

Das Recht auf Anfechtung einer Kündigung steht im Falle eines Widerspruchs des Betriebsrats gegen die Kündigung primär dem Betriebsrat zu. Der Arbeitnehmer kann selbst anfechten, wenn der Betriebsrat einem Verlangen der Anfechtung nicht nachkommt. Eine bloße Erkundigung des Arbeitnehmers nach den Gründen der Kündigung beim Betriebsrat ist kein Verlangen der Anfechtung.

S. 530 - 537, Rechtsprechung

Zuständigkeit zur Nominierung eines Ersatzerwerbers; Schutzzweck der Ersatzerwerbernominierung; Haftung des Vorstands

Ist für die Zustimmung zur Veräußerung von vinkulierten Aktien nach der Satzung die Hauptversammlung zuständig, so bedarf es auch für die Nominierung eines Ersatzerwerbers gemäß § 62 Abs 3 letzter Satz AktG der entsprechenden Zustimmung der Hauptversammlung.

Da für den Erwerb der Aktien durch die Nebenintervenientin Liegt die Zustimmung der Hauptversammlung nicht vor und kann der Hauptversammlungsbeschluss auch nicht binnen der einmonatigen Frist des § 62 Abs 3 letzter Satz AktG nachgeholt werden, so hat der vermeintliche Ersatzerwerber die Aktien nicht erworben.

Die Verpflichtung der Befassung der Hauptversammlung bei der Ersatzerwerbernominierung bei entsprechender Satzungsbestimmung bezweckt (primär) den Schutz der Gesellschaft und der (Alt-)Aktionäre, nicht aber denjenigen einer Aktionärsanwärterin.

S. 537 - 541, Rechtsprechung

Zum Rechnungslegungsbegehren – Präzisierung der Rechtsprechung

Die Stufenklage nach Art XLII EGZPO (im hier relevanten ersten Anwendungsfall des Abs 1) begründet keinen eigenen materiell-rechtlichen Anspruch auf Rechnungslegung, sondern setzt voraus, dass eine solche Verpflichtung schon nach bürgerlichem Recht besteht (RS0034986). Im Rahmen einer Stufenklage muss sich daher der Kl in Bezug auf die konkret vorgeworfene Verletzungshandlung auf eine taugliche gesetzliche oder vertragliche Rechtsgrundlage für die materielle Rechnungslegungspflicht berufen, aus der sich ergibt, worauf sich die Rechnungslegungspflicht hinsichtlich welcher möglicher (später zu beziffernder) Zahlungsansprüche bezieht.

Zweck der Rechnungslegung nach § 55 MSchG ist es, den Kl in die Lage zu versetzen, die Grundlage für seine Zahlungsansprüche gegen den Bekl zu ermitteln, um sein Leistungsbegehren beziffern zu können. Der Rechnungslegungsanspruch dient grundsätzlich zur Vorbereitung aller in § 53 MSchG geregelten Zahlungsansprüche. In Betracht kommt eine Rechnungslegungspflicht etwa zur Ermittlung der Grundlagen für die Berechnung eines Entgelt-, Schadenersatz-, Herausgabe- oder Entschädigungsanspruchs nach Maßgabe der Erlöse aus den verkauften Eingriffsgegenständen oder des Entgelts für eine Nutzungslizenz. Ein Rechnungslegungsanspruch nach § 55 MSchG ist bereits aufgrund eines festgestellten Markenrechtseingriffs berechtigt.

Es würde der „ausforschenden Natur“ des § 55 MSchG iVm § 151 PatG gestützten Rechnungslegungspflicht widersprechen, wenn dieser Anspruch schon wegen einer bloßen Negativfeststellung zu den Grundlagen des Zahlungsbegehrens verneint werden müsste.

S. 541 - 543, Rechtsprechung

Zur Unterscheidungskraft der Marke HILFSWERK ÖSTERREICH

Eine Marke ist beschreibend, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen erschließen können und sie daher als Hinweis auf die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung, nicht jedoch als Herkunftsangabe, verstehen. Dabei müssen die beteiligten Verkehrskreise „sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von den Anmeldungen erfassten Waren und Dienstleistungen“ herstellen können. Lässt sich dagegen die Beziehung zwischen Ware/Dienstleistung und Zeichen nur im Wege besonderer Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen herstellen, dann ist die Registrierung des Zeichens auch ohne Verkehrsgeltung ebenso erlaubt, wie wenn es sich um eine bloße Andeutung irgendwelcher Eigenschaften der Ware/Dienstleistung, der Art ihrer Herstellung oder ihrer Zweckbestimmung handelt. Bei der Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen, abzustellen.

S. 543 - 544, Rechtsprechung

Übergang der Entscheidungsbefugnis auf das VwG

§ 16 Abs 1 VwGVG räumt der Verwaltungsbehörde die Möglichkeit ein, innerhalb der Frist von drei Monaten den Bescheid zu erlassen, ohne dass es erforderlich wäre, dass ihr dafür vom Verwaltungsgericht ausdrücklich eine Frist eingeräumt werden müsste. Diese Möglichkeit der Nachholung des Bescheides baut darauf auf, dass die Säumnisbeschwerde gem § 12 VwGVG bei der säumigen Verwaltungsbehörde einzubringen ist und setzt auch voraus, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung in der zu erledigenden Verwaltungsangelegenheit nicht schon allein aufgrund der Einbringung einer– zulässigen und berechtigten – Säumnisbeschwerde auf das angerufene Verwaltungsgericht übergeht (vgl VwGH 22. 11. 2017, Ra 2017/19/0421, mwN).

Infolge einer (zulässigen und berechtigten) Säumnisbeschwerde geht die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden (erst) nach Vorlage derselben oder ungenütztem Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs 1 VwGVG auf das Verwaltungsgericht über (vgl VwGH 30. 4. 2020, Ra 2019/12/0082, mwN).

S. 543 - 543, Rechtsprechung

Unterlassen der mündlichen Verhandlung wegen COVID-19

§ 3 des Verwaltungsrechtlichen COVID-19-Begleitgesetzes änderte nichts an den einfachgesetzlich in §§ 24, 25, 44 und 48 VwGVG verankerten allgemeinen Regelungen über die Durchführung mündlicher Verhandlungen. Die genannte Gesetzesbestimmung trug iVm § 6 Abs 1 erster Satz leg cit dem in Art 6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, welches regelmäßig die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebietet, grundsätzlich Rechnung, indem es die Regelung ermöglichte, mündliche Verhandlungen durchzuführen, soweit dies zur Aufrechterhaltung einer geordneten Verwaltungsrechtspflege unbedingt erforderlich war. In diesem Fall konnte diese gem § 3 letzter Satz leg cit auch in Abwesenheit aller anderen Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel durchgeführt werden (vgl VfGH 8. 10. 2020, E 1873/2020).

S. 544 - 544, Rechtsprechung

Ermessensentscheidung und Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung

Bei der Verfügung einer Löschung im Gewerberegister (bzw nunmehr im GISA) nach § 363 Abs 4 GewO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Eine Verfügung der Löschung ist gem § 363 Abs 4 Z 2 GewO nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung gem § 363 Abs 1 leg cit gegeben sind. Die Nichtigerklärung nach § 363 Abs 1 GewO bildet einen Fall der Nichtigkeit nach § 68 Abs 4 Z 4 AVG, daher ist auch das Verfahren ein solches nach § 68 Abs 4 AVG.

Nach der Rsp des VwGH ist eine solche Nichtigerklärung nach § 68 Abs 4 AVG als Ermessensentscheidung auch ausreichend zu begründen. Für eine Nichtigerklärung auf Grund ihres Charakters als Ermessensentscheidung reicht es daher nicht aus, dass die Tatbestandsmerkmale des § 68 Abs 4 AVG erfüllt sind. Vielmehr hat die Behörde darüber hinaus im Zuge der Ermessensausübung die nachteiligen Wirkungen des Bescheides in Bezug auf das öffentliche Interesse, das durch die verletzte Norm geschützt ist, gegen allfällige Nachteile, welche die Nichtigerklärung des Bescheides für die rechtlichen Interessen des Betroffenen, der auf die Rechtssicherheit, das heißt auf den durch die Rechtskraft gesicherten Bestand des Bescheides vertraut, mit sich brächte, abzuwägen (vgl VwGH 23. 11. 2016, Ra 2016/04/0119).

Dabei handelt es sich um eine rechtliche Abwägung der fallbezogenen Umstände. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Leitlinien der Rsp des VwGH nicht beachtenden Weise vorgenommen hätte.

S. 544 - 544, Rechtsprechung

Konkretisierung der als erwiesen angenommenen Tat

Nach der stRsp des VwGH zu § 44a Z 1 VStG hat die Tatumschreibung so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (vgl dazu etwa VwGH 29. 11. 2021, Ra 2020/11/0134, mwN).

Bereits die belangte Behörde nahm als Tatzeit(raum) den in beiden Spruchpunkten des Straferkenntnisses ausdrücklich angeführten Beschäftigungszeitraum an. Das Verwaltungsgericht nahm an dieser Umschreibung der Tatzeit keine Änderung vor. Insb ließ das Verwaltungsgericht nicht „jegliche Tatzeit“ entfallen, sondern lediglich den von der belangten Behörde ebenfalls in beide Spruchpunkte seines Straferkenntnisses aufgenommenen Kontrollzeitpunkt. Eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von den Leitlinien zu den Anforderungen an die Tatumschreibung gem § 44a Z 1 VStG ist nicht ersichtlich.

S. 544 - 544, Rechtsprechung

Richtige Zitierung der verletzten Norm

Gem § 44a Z 2 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu enthalten. § 44a Z 2 VStG räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint (vgl VwGH 25. 4. 2019, Ra 2018/09/0113, mwN).

Nach der Rsp des VwGH wird dem Gebot des § 44a Z 2 VStG dann nicht entsprochen, wenn die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift nicht unter Zitierung der entsprechenden Norm im Spruch angeführt wird. Hierzu zählt auch die Angabe ihrer – richtigen – „Fundstelle“.

Dem Gebot der ausreichend deutlichen Angabe der Fundstelle der verletzten Verwaltungsvorschrift wird nur dann Rechnung getragen, wenn die Fundstelle jener Novelle angegeben wird, durch welche die als verletzt betrachtete Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten hat. Ein diesbezüglich unrichtiger oder unvollständiger Ausspruch im Spruch kann durch Ausführungen in der Begründung des Straferkenntnisses nicht ersetzt werden (vgl VwGH 29. 3. 2021, Ra 2021/02/0023, mwN).

Die Anführung einer konkreten Bestimmung mit dem Zusatz „idgF“ erfüllt diesen Anspruch nicht, weil es hiezu der Angabe der Fundstelle jener Novelle bedurft hätte, durch welche die als verletzt betrachtete Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten hatte (vgl VwGH 6. 8. 2020, Ra 2020/09/0013, und VwGH 26. 4. 1995, 92/07/0175).