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WBL

Heft 4, April 2022, Band 36

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1864-3434

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Inhalt der Ausgabe

S. 181 - 197, Aufsatz

Helene Hayden

Das (sachenrechtliche) Haftungskonzept des „mittelbaren Störers“: Wechselwirkungen zum Immaterialgüterrecht und Modifizierung durch das Unionsrecht

Während im Rahmen des „Grundmodells“ der Unterlassungsklage, dh bei unmittelbaren „Störern“, heute weitgehend Einigkeit betr die wesentlichen Voraussetzungen besteht, ist dies beim sog mittelbaren Störer anders. Zu den Grundlagen und Voraussetzungen dieses Haftungskonzepts werden bereits im allgemeinen Sachenrecht div Meinungen vertreten; für das Immaterialgüterrecht hat sich überhaupt eine gesonderte Dogmatik gebildet. Die Durchbrechung einer isolierten Betrachtungsweise beider Rechtsgebiete kann jedoch iSe klareren Definition der leitenden Prinzipien dieses Haftungskonzepts lohnend sein, auch wenn die – insb urheberrechtlichen – Entwicklungen auf EU-Ebene einer gänzlichen Vereinheitlichung im Wege stehen.

S. 198 - 206, Aufsatz

Daniel Madari

Ausgewählte Fragen zur aktienrechtlichen Sonderprüfung

In der österreichischen Literatur wird die aktienrechtliche Sonderprüfung nicht oft diskutiert. Jüngst hatten sich die heimischen Gerichte jedoch damit zu beschäftigen. Dies nimmt der Beitrag zum Anlass, ausgewählte Fragen zu untersuchen.

S. 207 - 210, Aufsatz

Franz W. Urlesberger

Europarecht: Das Neueste auf einen Blick

S. 211 - 214, Rechtsprechung

Freier Dienstleistungsverkehr: Entsendung von Arbeitnehmern – IMI-VO hat unmittelbare Wirkung (Österreich)

1. Art 20 der RL 2014/67/EU hat unmittelbare Wirkung, soweit er verlangt, dass die von ihm vorgesehenen Sanktionen verhältnismäßig sind, und kann somit vom Einzelnen vor den nationalen Gerichten gegenüber einem MS, der diesen Artikel unzulänglich umgesetzt hat, geltend gemacht werden.

2. Der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts ist dahin auszulegen, dass er die nationalen Behörden nur insoweit verpflichtet, eine nationale Regelung, von der ein Teil gegen das in Art 20 der RL 2014/67 vorgesehene Erfordernis der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen verstößt, unangewendet zu lassen, als dies erforderlich ist, um die Verhängung verhältnismäßiger Sanktionen zu ermöglichen.

S. 214 - 217, Rechtsprechung

Geschmacksmusterrecht: Klage vor den Gerichten des MS, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht – Folgeanträge zu einer Verletzungsklage – Anwendbares Recht

Art 88 Abs 2 und Art 89 Abs 1 lit d der VO (EG) Nr 6/2002 sowie Art 8 Abs 2 der VO (EG) Nr 864/2007 sind dahin auszulegen, dass die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte, die mit einer Verletzungsklage nach Art 82 Abs 5 der VO Nr 6/2002 wegen im Hoheitsgebiet eines einzigen MS begangener oder drohender Verletzungshandlungen befasst sind, die mit dieser Klage verbundenen Folgeanträge auf Schadenersatz, Auskunftserteilung, Belegherausgabe, Rechnungslegung und Herausgabe der nachgeahmten Erzeugnisse zum Zweck ihrer Vernichtung auf der Grundlage des Rechts desjenigen MS prüfen müssen, in dessen Hoheitsgebiet die Handlungen begangen worden sind oder drohen, von denen behauptet wird, dass sie das Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzen; dies ist bei einer nach Art 82 Abs 5 erhobenen Klage das Recht des MS, in dem diese Gerichte ihren Sitz haben.

S. 217 - 220, Rechtsprechung

Markenrecht: Zur ernsthaften Benutzung einer Marke – unzulässige nationale Verfahrensvorschrift, die die kl Partei verpflichtet, eine Recherche am Markt über die Benutzung der Marke vorzunehmen

Art 19 der RL (EU) 2015/2436 ist dahin auszulegen, dass er einer Verfahrensregel eines MS entgegensteht, die in einem Verfahren über den Antrag auf Erklärung des Verfalls einer Marke wegen Nichtbenutzung die klagende Partei verpflichtet, eine Recherche am Markt über die mögliche Benutzung dieser Marke durch ihren Inhaber vorzunehmen und hierzu, soweit möglich, zur Stützung ihrer Klage substantiiert vorzutragen.

S. 220 - 224, Rechtsprechung

Verfahrensrecht: Gerichtliche Zuständigkeit für Klagen, bei denen eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verf...

1. Art 7 Nr 2 der VO (EU) Nr 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass das Gericht des Ortes des Sitzes einer Gesellschaft, die die Forderungen ihrer Gläubiger nicht befriedigen kann, weil die Großmuttergesellschaft dieser Gesellschaft ihre Sorgfaltspflicht gegenüber deren Gläubigern verletzt hat, für die Entscheidung über eine Verbandsklage auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder aus Ansprüchen aus einer solchen Handlung, die der Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabe zur Verwertung der Insolvenzmasse zugunsten, jedoch nicht namens der Gesamtheit der Gläubiger erhoben hat, zuständig ist.

2. Die erste Vorlagefrage ist nicht anders zu beantworten, wenn berücksichtigt wird, dass im Ausgangsverfahren eine Stiftung zur Vertretung der kollektiven Interessen der Gläubiger tätig wird und die zu diesem Zweck erhobene Klage den individuellen Umständen der Gläubiger nicht Rechnung trägt.

3. Art 8 Nr 2 der VO Nr 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass das Gericht des Hauptprozesses, wenn es seine Entscheidung, mit der es sich für diesen Prozess für zuständig erklärt hat, aufhebt, automatisch seine Zuständigkeit für die vom Interventionskläger erhobene Klage verliert.

4. Art 4 der VO (EG) Nr 864/2007 ist dahin auszulegen, dass das auf eine Schadensersatzpflicht aufgrund der Sorgfaltspflicht der Großmuttergesellschaft einer insolventen Gesellschaft anzuwendende Recht grundsätzlich das Recht des Staates ist, in dem die Letztgenannte ihren Sitz hat, auch wenn das Bestehen einer Finanzierungsvereinbarung mit einer Gerichtsstandsklausel zwischen diesen beiden Gesellschaften ein Umstand ist, der eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat iS von Art 4 Abs 3 dieser VO aufweisen kann.

S. 224 - 226, Rechtsprechung

Auslegung eines Kollektivvertrages

Die DO.B ist ein Kollektivvertrag, dessen normativer Teil nach den §§ 6, 7 ABGB auszulegen ist. Eine systematische Interpretation ergibt, dass ein Sonderurlaub unter Verzicht auf die Bezüge, der dem Arbeitnehmer zur Begründung eines weiteren Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Arbeitgeber gewährt wird, nicht als Vordienstzeit für die Einstufung in das Gehaltsschema anzurechnen ist.

Diese Regelung des KollV verstößt auch nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz.

S. 226 - 228, Rechtsprechung

Begriff des Gehalts

Der Begriff des „Gehalts“ ist im Allgemeinen eng im Sinne eines Grundgehalts ohne jede Zulage zu verstehen. Das gilt auch für die Verfallsfrist von Gehaltsansprüchen iSd Pkt 6 lit c des Kollektivvertrages für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe. Ein Anspruch auf Abgeltung von Mehrarbeitsstunden unterliegt daher nicht dieser Verfallsfrist für Gehaltsansprüche.

S. 228 - 229, Rechtsprechung

Rückforderung rechtsgrundloser Gehaltszahlung

Werden einem Arbeitnehmer Bezüge irrtümlich angewiesen, obwohl sie nicht oder nicht in diesem Umfang gebühren, können sie vom Arbeitgeber zurückgefordert werden. Der Rückforderungsanspruch steht dem Arbeitgeber auch dann zu, wenn die Überweisung auf Grund eines Überweisungsauftrages erfolgte, der vom Arbeitgeber blanko unterfertigt wurde und nicht festgestellt werden kann, wer das Blankett rechtsmissbräuchlich ausgefüllt hat.

Ein gutgläubiger Verbrauch ist bereits dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm überwiesenen Betrages Zweifel haben musste.

S. 229 - 230, Rechtsprechung

Zulässige Stichtagsregelung

Die Regelungen des AVRAG über den Betriebsübergang und die dazu ergangene Judikatur finden auch auf eine Verschmelzung Anwendung.

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz steht Stichtagsregelungen nicht entgegen. Es ist daher zulässig, die bisher beschäftigten Arbeitnehmer aus Gründen des Vertrauensschutzes besser zu stellen als die durch Verschmelzung übernommenen Arbeitnehmer.

S. 230 - 231, Rechtsprechung

Vorgesellschaft; Schuldübernahme; Anforderung an die Mitteilung

Die Mitteilung der Schuldübernahme an den Gläubiger gemäß § 2 Abs 2 GmbHG kann auch konkludent selbst durch schlüssig erkennbares Stillschweigen erfolgen.

S. 231 - 232, Rechtsprechung

Abberufung Fremdgeschäftsführer; Notwendigkeit einer erfolglosen Beschlussfassung; Eigenkapitalersetzende Forderungen und Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit; Amtshaftung

Die gerichtliche Abberufung eines Fremdgeschäftsführers setzt nach überwiegender Lehre voraus, dass zuvor eine Abstimmung über eine Abberufung erfolgt ist.

Eine Eigenkapital ersetzende Forderung des antragstellenden Gläubigers ist bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen.

S. 232 - 234, Rechtsprechung

Adressaten des Rückgewähranspruches; Sicherheitenbestellung, betriebliche Rechtfertigung

Der Rückgewähranspruch nach § 83 Abs 1 GmbHG steht auch gegen einen begünstigten mittelbaren Gesellschafter und wirtschaftlichen Alleineigentümer zu.

Die Bestellung einer Sicherheit für eine Schuld des Gesellschafters ist zulässig, wenn die Gesellschaft eine angemessene Gegenleistung erhält, wie sie bei vergleichbaren Bankgeschäften üblich ist. Liegt keine objektive Wertäquivalenz vor, kann eine verdeckte Einlagenrückgewähr im Einzelfall damit gerechtfertigt werden, dass besondere betriebliche Gründe im Interesse der Gesellschaft vorliegen, also der Sicherheitenleistung ein gleichwertiger betrieblicher Vorteil der besichernden Gesellschaft gegenübersteht.

S. 234 - 235, Rechtsprechung

Erwachsenenvertreter; gerichtliche Genehmigung gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen; Prüfungsparameter; Notgeschäftsführung

Die Frage, ob ein Geschäft zum ordentlichen oder außerordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, kann regelmäßig nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls geklärt werden. Maßgebliche Parameter sind dabei eine gesamthafte Betrachtung, das wirtschaftliche Risiko, die Dauer und ob es sich um eine vorläufige oder endgültige Maßnahme handelt.

Die Bestellung eines Notgeschäftsführers kann auch in der Form erfolgen, dass dem (allein handlungsfähigen) verbleibenden Gesellschafter Alleinvertretungsbefugnis eingeräumt wird.

S. 235 - 238, Rechtsprechung

Unzulässige Gratisankündigung

Gratisankündigungen werden durch die Bestimmung nicht ausnahmslos verboten. Solange die Inanspruchnahme eines Angebots tatsächlich keine Kosten verursacht, steht es Unternehmern auch künftig frei, unter Beachtung der sonst geltenden lauterkeitsrechtlichen Schranken mit Aussagen zu werben, die auf die Unentgeltlichkeit hinweisen. Als „Kosten“ gelten dabei auch vergütungspflichtige Folgeverpflichtungen (zB kostenpflichtige Abonnements, Mitgliedschaften) oder – wie hier – entgeltliche Vertragsbindungen.

Der Unternehmer ist durch diesen Tatbestand der schwarzen Liste auch nicht grundsätzlich daran gehindert, gekoppelte Angebote und Gesamtangebote zu vertreiben (zB „buy two, get one free“), bei denen ein Teil als Gratisleistung beworben wird. In diesen Fällen wird der Unternehmer in aller Regel eine Mischkalkulation vornehmen. Dies erfüllt den Tatbestand noch nicht, weil ansonsten Gratisangebote kaum möglich wären. Verboten sind aber „im Gesamtangebot versteckte Kosten“, wenn der Unternehmer bei einer Werbung für „kostenlose“ Zugaben oder Teilleistungen gleichzeitig den Preis für die Hauptware erhöht oder die Qualität der Hauptware absenkt, ohne dies kenntlich zu machen.

S. 238 - 239, Rechtsprechung

Parteistellung des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans

Die Annahme, dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan komme in einem Fristverlängerungsverfahren nach § 112 Abs 2 WRG keinesfalls Parteistellung zu, widerspricht bereits dem Wortlaut des § 55 Abs 5 WRG. Das wasserwirtschaftliche Planungsorgan ist nicht Träger subjektiver Rechte, sondern als Amtspartei zur Wahrung bestimmter öffentlicher Interessen eingerichtet.

Im Gegensatz zu den Inhabern wasserrechtlich geschützter Rechte kommt ihm im Fristverlängerungsverfahren gem § 55 Abs 5 WRG Parteistellung zu, wenn durch die Fristverlängerung bestimmte wasserwirtschaftliche Interessen berührt werden.

Wasserwirtschaftliche Interessen iSd § 55 Abs 5 WRG werden von einem Vorhaben berührt, wenn nicht von vornherein auszuschließen ist, dass im Fall der Projektverwirklichung auf Gewässer in quantitativer oder qualitativer Hinsicht eingewirkt werden kann.

S. 239 - 240, Rechtsprechung

Krasse Fehlbeurteilung der Parteierklärung

Auf die Zurückziehung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht ist die Judikatur des VwGH zum Berufungsverzicht bzw der Zurückziehung von Berufungen nach § 63 Abs 4 AVG zu übertragen. Die Berufungszurücknahme muss ausdrücklich, das heißt eindeutig (zweifelsfrei) erklärt werden.

Nach stRsp des VwGH kann die in vertretbarer Weise vorgenommene fallbezogene Auslegung von Parteierklärungen nicht erfolgreich mit Revision bekämpft werden. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann erfolgreich mit Revision bekämpfbar, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung iS einer unvertretbaren Rechtsansicht unterlaufen ist.

Eine solche krasse Fehlbeurteilung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht die ausdrücklich auf einen Beschwerdepunkt eingeschränkte und alleine mit der Zahlung der begehrten Entschädigung begründete Beschwerdezurückziehung auf das ganze wasserrechtliche Bewilligungsverfahren bezieht.

S. 240 - 240, Rechtsprechung

Erfordernis eines Einvernehmensrechtsanwalts

Gem § 5 EIRAG dürfen dienstleistende europäische Rechtsanwälte in Verfahren, in denen sich die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen oder ein Verteidiger beigezogen werden muss, als Vertreter oder Verteidiger einer Partei nur im Einvernehmen mit einem in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt (Einvernehmensrechtsanwalt) handeln. Das Einvernehmen ist bei der ersten Verfahrenshandlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen. Die Vorlage der Verständigung der Tiroler Rechtsanwaltskammer iS des § 4 EIRAG ist kein Nachweis des Einvernehmens iS des § 5 EIRAG.