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WBL

Heft 2, Februar 2024, Band 38

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1864-3434

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Inhalt der Ausgabe

S. 57 - 65, Aufsatz

Johannes Lehner / Andreas Geroldinger

Dreißigjährige Verjährung von Ersatzansprüchen bei Entstehung des Schadens aus qualifiziert strafbarer Handlung

Dem Wortlaut des § 1489 Satz 2 ABGB zufolge findet die dreißigjährige Verjährungsfrist immer dann Anwendung, wenn „der Schade aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen [...] entstanden“ ist, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind. Teile der Rsp wollen die dreißigjährige Frist – unter Bezugnahme auf eine Glosse von P. Bydlinski – allerdings nur anwenden, wenn „der Schädiger gerade dem Geschädigten gegenüber ein entsprechendes Delikt begangen“ hat. Das OLG Wien folgerte aus dieser Formulierung jüngst, dass „der Eingriff in das Rechtsgut des Geschädigten zum Tatbild der qualifizierten Straftat gehören“ müsse, andernfalls die kurze Verjährungsfrist greife. Der vorliegende Beitrag untersucht, ob die Gegenausnahme zur dreijährigen Anspruchsverjährung tatsächlich derartigen Einschränkungen unterliegt.

S. 66 - 76, Aufsatz

Thomas Jaeger

Europarecht: Das Neueste auf einen Blick

Diesmal: Im Bereich Legistik werden die Anhebung der De minimis-Schwellen für Beihilfen um 50%, die Einigung auf Sicherheits- und Transparenzanforderungen für KI-Systeme sowie der definitive Rahmen für die Übertragung von Vorabentscheidungsbefugnissen an das EuG dargestellt. Aus der Rechtsprechung des Monats Dezember diskutiert der vorliegende Beitrag drei Urteile zur kartell-, missbrauchs- und grundfreiheitenrechtlichen Beurteilung der Reglements von Sportverbänden.

S. 77 - 81, Rechtsprechung

Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit: RL 2006/123/EG – Anwendungsbereich – Ausschluss von Finanzdienstleistungen – Langfristige Vermietung von Kraftfahrzeugen

1. Art 2 Abs 2 lit b der RL 2006/123/EG ist dahin auszulegen, dass Dienstleistungen, die im Rahmen eines langfristigen Mietvertrags über ein Kraftfahrzeug erbracht werden, das der Leasinggeber auf Wunsch des Leasingnehmers zu dem Zweck erworben hat, es Letzterem gegen Entgelt zu überlassen, keine „Finanzdienstleistungen“ iS dieser Bestimmung darstellen, es sei denn:

Der Mietvertrag ist mit der Verpflichtung verbunden, das Fahrzeug am Ende des Mietzeitraums zu kaufen,

das vom Leasingnehmer aufgrund dieses Vertrags geleistete Entgelt soll es dem Leasinggeber ermöglichen, die Kosten, die ihm durch den Erwerb des Fahrzeugs entstanden sind, vollständig zu amortisieren, oder

dieser Vertrag umfasst eine Übertragung der mit dem Restwert des Fahrzeugs am Ende der Vertragslaufzeit verbundenen Risiken.

2. Art 9 Abs 1 sowie Art 10 Abs 1 und 2 der RL 2006/123 sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines MS entgegenstehen, die zum einen eine Genehmigungsregelung iS von Art 4 Nr 6 dieser RL für die langfristige Vermietung von Kraftfahrzeugen im Rahmen eines Vertrags einführt, der nicht die Erbringung von Finanzdienstleistungen iS von Art 2 Abs 2 lit b der RL umfasst, und zum anderen die mit der Durchführung dieser Regelung betraute nationale Behörde ermächtigt, den Unternehmen, die solche Dienstleistungen erbringen, Anforderungen und Beschränkungen aufzuerlegen, es sei denn, diese Regelung entspricht den Anforderungen gemäß Art 9 Abs 1 und Art 10 Abs 1 und 2 dieser RL.

S. 81 - 86, Rechtsprechung

Beihilfenrecht: Beihilfen für erneuerbare Energien – Errichtung eines Windparks – Mitteilung der Kommission ‚Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014–2020‘ – Begriffe ‚Beginn der Arbeiten‘, ‚Bauarbeiten...

1. Rdn 19 Abs 44 der Mitteilung der Kommission „Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014–2020“ iVm dem 42. Erwägungsgrund des Beschlusses C(2017) 8456 der Kommission vom 6. Dezember 2017 zu Änderungen der estnischen Beihilferegelung für erneuerbare Energiequellen und effiziente Kraft-Wärme-Kopplung (Staatliche Beihilfe SA.47354 [2017/NN]) ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Beginn der Arbeiten“ zum einen den Beginn der Bauarbeiten für die Anlage eines Investitionsvorhabens, das die Erzeugung erneuerbarer Energie ermöglicht, und zum anderen eine andere Verpflichtung, die nach ihrer Art und ihren Kosten das betreffende Investitionsvorhaben am 1. Januar 2017 in ein solches Entwicklungsstadium geführt hat, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit fertiggestellt werden kann, erfasst.

2. Rdn 19 Abs 44 der Mitteilung der Kommission „Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014–2020“ iVm den Erwägungsgründen 42 bis 44 des Beschlusses C(2017) 8456 ist dahin auszulegen, dass die zuständige nationale Behörde bei der Feststellung des „Beginns der Arbeiten“ iS von Rdn 19 Abs 44 verpflichtet ist, eine Analyse des Entwicklungsstadiums des betreffenden Investitionsvorhabens und der Wahrscheinlichkeit seiner Fertigstellung im Einzelfall vorzunehmen, die sich nicht auf eine rein tatsächliche oder formale Beurteilung beschränken darf und je nach Fall eine eingehende wirtschaftliche Analyse erfordern kann.

3. Rdn 19 Abs 44 der Mitteilung der Kommission „Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014–2020“ iVm dem 42. Erwägungsgrund des Beschlusses C(2017) 8456 ist dahin auszulegen, dass

der Begriff „Beginn der Arbeiten“ iS von Rdn 19 Abs 44 notwendigerweise voraussetzt, dass der Vorhabenträger über einen Rechtsanspruch auf die Nutzung des Grundstücks, auf dem das betreffende Investitionsvorhaben verwirklicht werden soll, und über eine erforderliche staatliche Genehmigung für die Durchführung dieses Vorhabens verfügt,

der in diesem 42. Erwägungsgrund verwendete Begriff „erforderliche staatliche Genehmigung für die Durchführung des Vorhabens“ im Licht des nationalen Rechts dahin auszulegen ist, dass sie als endgültige staatliche Genehmigung die Durchführung der mit dem betreffenden Investitionsvorhaben verbundenen Bauarbeiten erlaubt, und

ein am 1. Januar 2017 anhängiger Rechtsstreit über die Verweigerung einer solchen Genehmigung, der die Fortsetzung dieses Vorhabens behindert, bei der Beurteilung des Entwicklungsstadiums des Vorhabens zu diesem Zeitpunkt nicht zu berücksichtigen ist.

S. 87 - 92, Rechtsprechung

Markenrecht/Grundrechte-Charta: Strafverfahren – Anwendungsbereich – Dem Markeninhaber entstandene Schäden als Tatbestandsmerkmal der Straftat – Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Strafen

1. Art 49 Abs 1 der Charta der Grundrechte der EU ist dahin auszulegen, dass der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die im Fall der Benutzung einer Marke im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Inhabers des ausschließlichen Rechts vorsieht, dass ein und dasselbe Verhalten sowohl als Ordnungswidrigkeit als auch als Straftat eingestuft werden kann, ohne Kriterien zu enthalten, anhand deren sich die Ordnungswidrigkeit von der Straftat abgrenzen lässt, wobei der Tatbestand im Strafgesetzbuch und im Markengesetz einen ähnlichen, ja sogar identischen Wortlaut hat.

2. Art 49 Abs 3 der Charta der Grundrechte ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, die im Fall der wiederholten oder mit schwerwiegenden schädigenden Folgen einhergehenden Benutzung einer Marke im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Inhabers des ausschließlichen Rechts eine Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren vorsieht.

S. 92 - 99, Rechtsprechung

Datenschutzrecht: Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung – Art 9 Abs 1 bis 3 – Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten – Gesundheitsdaten – Beurteilung der Arbeitsfähigkeit eines Angestellten

1. Art 9 Abs 2 lit h der VO (EU) 2016/679 ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme unter dem Vorbehalt, dass die betreffende Datenverarbeitung die in lit h und in Art 9 Abs 3 ausdrücklich vorgeschriebenen Voraussetzungen und Garantien erfüllt, auf Situationen anwendbar ist, in denen eine Stelle für medizinische Begutachtung Gesundheitsdaten eines ihrer Arbeitnehmer nicht als Arbeitgeber, sondern als Medizinischer Dienst verarbeitet, um die Arbeitsfähigkeit dieses Arbeitnehmers zu beurteilen.

2. Art 9 Abs 3 der VO 2016/679 ist dahin auszulegen, dass der für eine auf Art 9 Abs 2 lit h dieser VO gestützte Verarbeitung von Gesundheitsdaten Verantwortliche gemäß diesen Bestimmungen nicht verpflichtet ist, zu gewährleisten, dass kein Kollege der betroffenen Person Zugang zu den Daten über ihren Gesundheitszustand hat. Eine solche Pflicht kann dem für eine solche Verarbeitung Verantwortlichen jedoch gemäß einer von einem MS auf der Grundlage von Art 9 Abs 4 dieser VO erlassenen Regelung oder aufgrund der in Art 5 Abs 1 lit f dieser VO genannten und in ihrem Art 32 Abs 1 lit a und b konkretisierten Grundsätze der Integrität und der Vertraulichkeit obliegen.

3. Art 9 Abs 2 lit h und Art 6 Abs 1 der VO 2016/679 sind dahin auszulegen, dass eine auf die erstgenannte Bestimmung gestützte Verarbeitung von Gesundheitsdaten nur dann rechtmäßig ist, wenn sie nicht nur die sich aus dieser Bestimmung ergebenden Anforderungen einhält, sondern auch mindestens eine der in Art 6 Abs 1 genannten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen erfüllt.

4. Art 82 Abs 1 der VO 2016/679 ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung vorgesehene Schadenersatzanspruch eine Ausgleichsfunktion hat, da eine auf diese Bestimmung gestützte Entschädigung in Geld ermöglichen soll, den konkret aufgrund des Verstoßes gegen diese VO erlittenen Schaden vollständig zu ersetzen, und keine abschreckende oder Straffunktion erfüllt.

5. Art 82 der VO 2016/679 ist dahin auszulegen, dass zum einen die Haftung des Verantwortlichen vom Vorliegen eines ihm anzulastenden Verschuldens abhängt, das vermutet wird, wenn er nicht nachweist, dass die Handlung, die den Schaden verursacht hat, ihm nicht zurechenbar ist, und dass Art 82 zum anderen nicht verlangt, dass der Grad dieses Verschuldens bei der Bemessung der Höhe des als Entschädigung für einen immateriellen Schaden auf der Grundlage dieser Bestimmung gewährten Schadenersatzes berücksichtigt wird.

S. 99 - 101, Rechtsprechung

Datenschutzrecht: Haftung und Recht auf Schadenersatz – Begriff, immaterieller Schaden‘

Art 82 Abs 1 der VO (EU) 2016/679 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift oder -praxis entgegensteht, die für einen durch einen Verstoß gegen diese VO verursachten immateriellen Schaden eine „Bagatellgrenze“ vorsieht. Die betroffene Person muss den Nachweis erbringen, dass die Folgen dieses Verstoßes, die sie erlitten zu haben behauptet, ursächlich für einen Schaden waren, der sich von der bloßen Verletzung der Bestimmungen dieser VO unterscheidet.

S. 101 - 103, Rechtsprechung

Konrad Grillberger

Kein Kündigungsschutz durch Betriebsvereinbarung

Betriebsvereinbarungen können nur in Angelegenheiten abgeschlossen werden, deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten ist.

Eine Vereinbarung zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat, der zur Folge nach 10 Dienstjahren jedem Arbeitnehmer ein erweiterter Kündigungsschutz gebührt, der von der Geschäftsführung als Zusatz zum Arbeitsvertrag schriftlich verankert wird, ist als Betriebsvereinbarung unzulässig und wird unwirksam.

S. 103 - 104, Rechtsprechung

Haftung bei Arbeitsunfällen

Eine juristische Person haftet den Sozialversicherungsträgern für den Ersatz ihrer Leistungen nicht nur dann, wenn der Arbeitsunfall vorsätzlich oder fahrlässig durch ein Mitglied ihres geschäftsführenden Organs, sondern auch dann, wenn er durch einen Repräsentanten verursacht wurde.

Repräsentant ist jeder, der in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion Tätigkeiten für die juristische Person erbringt. Das trifft zu auf einen Vorarbeiter, der mit der Leitung einer Baustelle betraut wurde.

S. 104 - 105, Rechtsprechung

Einvernehmliche Auflösung statt Entlassung

Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine einvernehmliche Auflösung an Stelle einer bereits ausgesprochenen Entlassung an, liegt keine unzulässige Druckausübung vor, wenn plausible und objektiv gerechtfertigte Gründe für eine Entlassung gegeben waren.

Selbst wenn auf eine derartige Vereinbarung § 104 a ArbVG anzuwenden wäre, könnte die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit der einvernehmlichen Auflösung nicht dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis fortbestünde. Mit dem Entfall der einvernehmlichen Auflösung wäre nämlich auch die damit verbundene Rücknahme der Entlassung beseitigt.

S. 105 - 106, Rechtsprechung

Wahrheitswidrige Arbeitszeitangaben – Entlassungsgrund

Eine wahrheitswidrige Eingabe in ein Arbeitszeiterfassungssystem ist keine bloße Ordnungswidrigkeit, sondern ein Vertrauensbruch, der den Arbeitgeber zur Entlassung berechtigt. Auf den Umstand, dass sich der Arbeitnehmer dadurch keinen Vorteil verschafft und dem Arbeitgeber daraus kein finanzieller Nachteil entsteht, kommt es nicht an.

S. 106 - 109, Rechtsprechung

Genossenschaft; Minimum der Haftsumme; Mindesthaftsumme und Stimmrecht investierender Mitglieder

§ 76 iVm § 11 GenG regelt zwingend das Minimum der Haftsumme der Genossenschafter. Danach haftet jedes Mitglied einer mit beschränkter Haftung errichteten Genossenschaft im Falle des Konkurses oder der Liquidation für deren Verbindlichkeiten, insofern der Gesellschaftsvertrag nicht einen höheren Haftungsbetrag festsetzt, nicht nur mit seinen Geschäftsanteilen, sondern auch noch mit einem weiteren Betrag in der Höhe derselben.

Eine satzungsmäßige Reduktion der Haftung kommt auch für (bloß) investierende Mitglieder iSd § 5a Abs 2 Z 1 GenG nicht in Betracht.

Eine Statutenbestimmung, wonach investierenden Mitgliedern von vornherein kein Stimmrecht zukommt, ist unzulässig.

S. 109 - 110, Rechtsprechung

Privatstiftung; Beirat; zwingender Regelungsort; gerichtliche Bestellung und Abberufung von Beiratsmitgliedern; Antragslegitimation

Die gerichtliche Bestellung oder Abberufung von Mitgliedern eines in der Stiftungsurkunde eingerichteten Beirats richtet sich nach § 27 PSG und den Grundsätzen der zu Mitgliedern des Stiftungsvorstands ergangenen Rsp.

Die Bestellung und Abberufung von Beiratsmitgliedern ist in der Stiftungsurkunde zu regeln. Wenn Regelungsgegenstände des § 9 Abs 1 und dessen Abs 2 Z 1 bis 8 PSG in die Stiftungszusatzurkunde aufgenommen werden, sind sie grundsätzlich unwirksam und unbeachtlich, jedenfalls muss dies für Regelungen der Stiftungszusatzurkunde gelten, die im Widerspruch zu denjenigen der Stiftungsurkunde stehen.

Aktuell Begünstigte sind im Verfahren nach § 27 PSG antragslegitimiert. Ihnen kommt ein rechtliches Interesse am Vorhandensein vollständiger Stiftungsorgane auch dann zu, wenn sie keinen klagbaren Anspruch auf Zuwendung haben.

S. 110 - 111, Rechtsprechung

Liquidation einer GesbR; Gerichtliches Weisungungsrecht gegenüber dem Liquidator; Rechtsweg bei Streitigkeiten über Verteilung des und Zugehörigkeit zum Gesellschaftsvermögen

Es besteht weder gerichtliches Weisungsrecht gegenüber dem Liquidator noch können die Gesellschafter ein solches auf das Gericht übertragen.

Streitigkeiten, über die Verteilung und darüber welche Gegenstände zum GesbR-Vermögen zählen, sind mittels Klage im streitigen Verfahren zwischen den Gesellschaftern auszutragen.

S. 111 - 111, Rechtsprechung

Limited post Brexit; Rechtsnachfolge analog § 142 UGB auf den Alleingesellschafter; Parteiberichtigung statt Nichtigkeit des Verfahrens

Eine britische Limited, deren Anerkennungsgrundlage brexitbedingt weggefallen ist, ist dann, wenn der Sitz ihrer Verwaltungstätigkeit ein Inlandssitz ist, nach österreichischem Gesellschafterstatut als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen. Im Fall eines Alleingesellschafters ist von der Zuordnung an ihn als Einzelunternehmer auszugehen (§ 142 UGB analog).

Erfolgt keine Klagszurücknahme, so ist der anhängige Zivilprozess gegen den Gesamtrechtsnachfolger fortzusetzen und die Parteienbezeichnung amtswegig zu berichtigen.

S. 112 - 112, Rechtsprechung

Gerichtliche Genehmigung eines Mandatsvertrags zwischen Tochtergesellschaft einer Privatstiftung und Rechtsanwalts-GmbH; Rekurslegitimation der Begünstigten

Unmittelbar beeinflusst ist eine Person dann, wenn die in Aussicht genommene Entscheidung Rechte oder Pflichten dieser Person ändert, ohne dass noch eine andere Entscheidung gefällt werden muss. Reflexwirkungen allein reichen nicht aus, eine materielle Parteistellung zu begründen.

S. 112 - 114, Rechtsprechung

Zum Schutz einer weltbekannten Marke

Der Schutz der bekannten Marke setzt keine – hier ohnehin gegebene – Verwechslungsgefahr voraus, sondern nur eine solche Ähnlichkeit, dass das Publikum die Zeichen gedanklich miteinander verknüpft. Die einander gegenüberstehenden Zeichen müssen deshalb einander gleich oder ähnlich sein, weil es typischerweise nur dadurch zu einer Rufausbeutung, Rufbeeinträchtigung oder Verwässerung der bekannten Marke kommen kann. Der Grad der dafür erforderlichen Ähnlichkeit ist niedriger anzusetzen als der Grad der Ähnlichkeit, der für Verwechslungsgefahr verlangt wird; es reicht zudem aus, wenn die Ähnlichkeit in einem der drei Punkte Bild, Klang oder Sinngehalt besteht.

Der Schutz der bekannten Marke gilt sowohl im Bereich einander ähnlicher als auch einander nicht ähnlicher Waren und Dienstleistungen. Der Schutzbereich bekannter Marken wird damit über die Waren oder Dienstleistungsähnlichkeit hinaus erweitert, ohne dass es auf eine Verwechslungsgefahr ankommt.

S. 114 - 116, Rechtsprechung

Örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts und Zulässigkeit von Feststellungsanträgen

Hat ein Unternehmen seine Niederlassung bzw seinen Sitz im Ausland und beliefert von dort Unternehmen in ganz Österreich, fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit nach § 3 Z 2 oder § 3 Z 3 AVG. Lässt sich die Zuständigkeit gem § 3 AVG nicht bestimmen, führt dies gem § 3 Abs 3 VwGVG zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien.

Nach der stRsp des VwGH kann Gegenstand eines – ohne Vorliegen einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage – begehrten Feststellungsantrages nur die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses (der antragstellenden Partei) sein. Darüber hinaus kann die Behörde weder über die Anwendbarkeit von gesetzlichen Vorschriften noch über ihre Auslegung oder über das Vorliegen von Anspruchsvoraussetzungen spruchmäßig entscheiden. Auch die rechtliche Qualifikation eines Sachverhaltes kann nicht Gegenstand eines Feststellungsantrages sein (vgl VwGH 6.5.2020, Ra 2020/02/0048 und 0049; 27.4.2020, Ra 2019/02/0229; jeweils mwN).

Die Erstrevisionswerberin begehrt die Feststellung, das gesetzliche Verbot des Inverkehrsetzens von Kunststofftragetaschen nach § 13j AWG 2002 sei auf Kunststofftaschen mit einer Mindestwandstärke von 50 Mikron nicht anwendbar. Sie wolle derartige Produkte in Zukunft wieder in Verkehr setzen. Damit wird keine Feststellung eines „Rechts oder Rechtsverhältnisses“ begehrt, sondern die Auslegung einer generellen Norm. Ein derartiges Begehren kann nicht Gegenstand eines Feststellungsantrages sein und ist daher unzulässig.

S. 116 - 116, Rechtsprechung

Verbot der unentgeltlichen Abgabe von geldwerten Leistungen an Wettkunden

Gem § 18 Abs 2 Wiener Wettengesetz ist die unentgeltliche Abgabe von Getränken, Speisen oder anderen geldwerten Leistungen an Wettkunden in sämtlichen Betriebsstätten von Wettunternehmern verboten.

Wie der VwGH zu § 18 Abs 2 Wiener Wettengesetz bereits ausgeführt hat, ist dem klaren Wortlaut des Gesetzes zunächst nicht das Erfordernis zu entnehmen, dass Wettkunden die vom Wettunternehmer abgegebenen (geldwerten) Leistungen im Wirtschaftsverkehr in einen Geldbetrag umwandeln können; vielmehr stellt das Gesetz darauf ab, dass die an die Kunden abgegebenen Leistungen (irgend) einen Geldwert haben (VwGH 23. 10. 2023, Ro 2021/02/0007, 0008).

Es ist davon auszugehen, dass eine „Aktion“, die aus zwei Gastronomieprodukten und einem Wettgutschein von EURO 3,00 besteht und um einen Preis von EURO 4,70 verkauft wird, nur so zu verstehen ist, dass der Wettgutschein zusätzlich zu den Gastronomieprodukten abgegeben wird. Dieser Wettgutschein stellt genau jenen „vermeintlichen“ Vorteil dar, der zu zusätzlichen Wetten animiert und den der Gesetzgeber in § 18 Abs 2 Wiener Wettengesetz verboten hat. Auf die tatsächliche Kalkulation des reinen Einkaufspreises der Gastronomieprodukte kommt es dabei gerade nicht an. Die Gewährung eines derartigen Wettgutscheins stellt daher eine verbotene unentgeltliche „geldwerte Leistung“ iS des § 18 Abs 2 Wiener Wettengesetz dar.