Die im Zuge der Covid-19-Krise implementierten staatlichen Wirtschaftshilfen werfen zahlreiche EU-beihilferechtliche Fragen auf. Das gilt nicht erst seit dem offen zu Tage getretenen Konflikt zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Europäischen Kommission, wenngleich dieser die beihilferechtliche Dimension der aktuellen Covid-19-Krise zu visualisieren vermochte. Einige der zur Bewältigung der wirtschaftlichen Covid-19-Krise implementierten Wirtschaftshilfen in Österreich werden in diesem Aufsatz einer EU-beihilferechtlichen Beurteilung unterzogen. In einem ersten Schritt wird dargelegt, ob in den staatlichen Hilfen (zumindest zT) die bloße – nicht begünstigende – Kompensation staatlich veranlasster Schäden gesehen werden kann. Daran anschließend wird am konkreten Beispiel der Kurzarbeitsbeihilfen sowie anderer Hilfsprogramme gezeigt, dass im Besonderen dem Selektivitätskriterium maßgebliche Bedeutung bei der beihilferechtstatbestandlichen Beurteilung staatlicher Covid-19-Hilfsprogramme zukommt.
- ISSN Online: 1864-3434
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Inhalt der Ausgabe
S. 661 - 670, Aufsatz
Staatliche Covid-19-Wirtschaftshilfen: überall Beihilfen iSd Art 107 Abs 1 AEUV?
Die zunehmende internationale Vernetzung der Wirtschaft bringt es mit sich, dass die Anzahl der DG mit staatenübergreifenden Anknüpfungselementen bei der ÖGK kontinuierlich ansteigt. Aus beitragsrechtlicher Sicht ist in diesen Fällen zunächst die Frage zu klären, in welchem Staat die Eingliederung der DN in das System der sozialen Sicherheit und die Bezahlung der Beiträge zu erfolgen haben. Dabei sind die Vorschriften betreffend die Entsendung und die internationale Überlassung von Arbeitnehmern zu beachten. Für die Qualifikation als Dienstgeber kommt entweder die Gründungs- oder die Sitztheorie zur Anwendung. Die Unterscheidung wird anhand eines möglichen „Hard Brexit“ des Vereinigten Königreichs dargestellt. Müssen die Beiträge zwangsweise eingebracht werden, sind die Bestimmungen der (Durchführungs)VO (EG) zur Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit zu beachten. Für den Fall der Insolvenz greifen die EuInsVO und die Regeln über das Internationale Insolvenzrecht im achten Teil der IO. Schlupflöcher für Sozialbetrug sollen in der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit möglichst vermieden werden.
S. 685 - 689, Rechtsprechung
Wettbewerbsrecht: Verwertungsgesellschaft – Marktbeherrschende Stellung – Begriff der „unangemessenen Preise“
Art 102 AEUV ist dahin auszulegen, dass keine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung iS dieses Artikels vorliegt, wenn eine Verwertungsgesellschaft, die in einem MS ein faktisches Monopol innehat, gegenüber Organisatoren von Musikveranstaltungen eine Tarifskala für das Recht zur öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken zwingend festlegt, bei der
die nach dem Urheberrecht geschuldeten Gebühren anhand eines Tarifs berechnet werden, der auf die mit dem Verkauf von Eintrittskarten erzielten Bruttoeinnahmen abstellt, ohne dass von diesen Einnahmen die gesamten mit der Veranstaltung des Festivals verbundenen Ausgaben, die keinen Zusammenhang zu den dort aufgeführten Musikwerken aufweisen, abgezogen werden können, sofern unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls die von der Verwertungsgesellschaft unter Anwendung dieser Tarifskala tatsächlich verlangten Gebühren insb im Hinblick auf Artikel und Umfang der Nutzung der Werke, in Ansehung des durch diese Nutzung generierten wirtschaftlichen Wertes und in Anbetracht des wirtschaftlichen Wertes der von dieser Verwertungsgesellschaft erbrachten Leistungen nicht überhöht sind, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist, und
ein abgestuftes Pauschalsystem zugrunde gelegt wird, um den zum Repertoire dieser Verwertungsgesellschaft gehörenden Anteil der aufgeführten Musikwerke zu bestimmen, sofern es keine andere Methode gibt, die es erlaubt, die Nutzung dieser Werke präziser zu bestimmen und quantitativ genauer zu erfassen, und mit der dasselbe legitime Ziel erreicht werden kann, nämlich der Schutz der Interessen von Urhebern, Komponisten und Musikverlegern, ohne dass dies zugleich zu einer unverhältnismäßigen Zunahme der Kosten für die Verwaltung der Vertragsbestände und die Überwachung der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Musikwerke führt; dies ist vom nationalen Gericht vor dem Hintergrund des konkreten Falles, mit dem es befasst ist, und unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblichen Umstände zu prüfen, wozu auch die Verfügbarkeit und Verlässlichkeit der vorgelegten Daten sowie vorhandene technische Mittel zählen.
Die Art 3 und 6 der VO (EU) Nr 1407/2013 sind dahin auszulegen, dass ein Unternehmen, dessen NiederlassungsMS ihm eine De-minimis-Beihilfe zu gewähren beabsichtigt, durch die wegen bestehender früherer Beihilfen der Betrag der diesem Unternehmen insgesamt gewährten Beihilfen den in Art 3 Abs 2 der VO Nr 1407/2013 vorgesehenen Höchstbetrag von 200 000 Euro in einem Zeitraum von drei Steuerjahren überschreiten würde, bis zur Gewährung dieser Beihilfe für die Verringerung der beantragten Mittel oder den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf frühere bereits erhaltene Zuschüsse optieren kann, um diesen Höchstbetrag nicht zu überschreiten.
Die Art 3 und 6 der VO Nr 1407/2013 sind dahin auszulegen, dass die MS nicht verpflichtet sind, den antragstellenden Unternehmen zu gestatten, ihren Beihilfeantrag vor der Gewährung der Beihilfe zu ändern, um den in Art 3 Abs 2 der VO Nr 1407/2013 vorgesehenen Höchstbetrag von 200 000 Euro in einem Zeitraum von drei Steuerjahren nicht zu überschreiten. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die rechtlichen Konsequenzen der fehlenden Möglichkeit für die Unternehmen zur Vornahme solcher Änderungen zu beurteilen, wobei diese nur zu einem Zeitpunkt vor der Gewährung der De-minimis-Beihilfe vorgenommen werden dürfen.
Art 108 Abs 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung der einzelstaatlichen Gerichte, dem Empfänger einer unter Verstoß gegen diese Bestimmung durchgeführten staatlichen Beihilfe die Zahlung von Zinsen für die Dauer der Rechtswidrigkeit dieser Beihilfe aufzuerlegen, auch dann gilt, wenn die Europäische Kommission mit ihrem endgültigen Beschluss gem Art 106 Abs 2 AEUV die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt feststellt.
Art 108 Abs 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung der einzelstaatlichen Gerichte, dem Empfänger einer unter Verstoß gegen diese Bestimmung durchgeführten staatlichen Beihilfe die Zahlung von Zinsen für die Dauer der Rechtswidrigkeit dieser Beihilfe aufzuerlegen, auch für Beihilfen, die der Empfänger an mit ihm verbundene Unternehmen übertragen hat, sowie für Beihilfen, die ihm von einem öffentlich kontrollierten Unternehmen gezahlt wurden, gilt.
Die VO (EG) Nr 261/2004 ist im Licht des Urteils vom 4. September 2014, Germanwings (C-452/13, EU:C:2014:2141 [= wbl 2014/239, 707; Anm d Red]), dahin auszulegen, dass zur Bestimmung des Ausmaßes der den Fluggästen bei der Ankunft entstandenen Verspätung die Zeitspanne zu berechnen ist, die zwischen der planmäßigen Ankunftszeit und der tatsächlichen Ankunftszeit – dh dem Zeitpunkt, zu dem mindestens eine der Flugzeugtüren geöffnet wird, sofern den Fluggästen in diesem Moment das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist – verstrichen ist.
Art 2 lit h und Art 7 lit a der RL 95/46/EG sowie Art 4 Nr 11 und Art 6 Abs 1 lit a der VO (EU) 2016/679 sind dahin auszulegen, dass es dem für die Verarbeitung von Daten Verantwortlichen obliegt, nachzuweisen, dass die betroffene Person ihre Einwilligung in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch aktives Verhalten bekundet hat und dass sie vorher eine Information über alle Umstände im Zusammenhang mit dieser Verarbeitung in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache erhalten hat, die sie in die Lage versetzt, die Konsequenzen dieser Einwilligung leicht zu ermitteln, so dass gewährleistet ist, dass die Einwilligung in voller Kenntnis der Sachlage erteilt wird. Ein Vertrag über die Erbringung von Telekommunikationsdiensten, der die Klausel enthält, dass die betroffene Person über die Sammlung und die Aufbewahrung einer Kopie ihres Ausweisdokuments mit Identifikationsfunktion informiert worden ist und darin eingewilligt hat, ist nicht als Nachweis dafür geeignet, dass diese Person ihre Einwilligung in die Sammlung und Aufbewahrung dieser Dokumente iS dieser Bestimmungen gültig erteilt hat, wenn
das Kästchen, das sich auf diese Klausel bezieht, von dem für die Verarbeitung der Daten Verantwortlichen vor Unterzeichnung dieses Vertrags angekreuzt worden ist oder wenn
die Vertragsbestimmungen dieses Vertrags die betroffene Person über die Möglichkeit, den Vertrag abzuschließen, auch wenn sie sich weigert, in die Verarbeitung ihrer Daten einzuwilligen, irreführen können oder wenn
die freie E sich dieser Sammlung und Aufbewahrung zu widersetzen, von diesem Verantwortlichen ungebührlich beeinträchtigt wird, indem verlangt wird, dass die betroffene Person zur Verweigerung ihrer Einwilligung ein zusätzliches Formular unterzeichnet, in dem diese Weigerung zum Ausdruck kommt.
Art 3 Abs 1 der RL 2001/29/EG ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff „öffentliche Wiedergabe“ nicht die auf elektronischem Weg an ein Gericht erfolgende Übermittlung eines geschützten Werks als Beweismittel im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zwischen Privatpersonen abdeckt.
Auch taxative Ausnahmeregelungen können analog angewendet werden, wenn sich die Analogie im Rahmen der ratio der Ausnahmeregelung hält. Arbeitnehmer einer freiwilligen Feuerwehr, die nach dem Feuerwehrgesetz NÖ eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist, sind nach dem Wortlaut der § 1 AZG und § 1 ARG nicht von diesen Gesetzen ausgenommen. Eine analoge Anwendung dieser Ausnahmeregelung widerspricht den Vorgaben des Art 1 Abs 3 Arbeitszeit-RL 2003/88 EG.
Eine Vereinbarung der Anwendung des GVBG-NÖ ist ein ausreichender Vorbehalt des Weisungsrechts zur Änderung der Lage der Arbeitszeit iSd § 19 c Abs 2 AZG.
Notwendige Umkleidezeit im Betrieb des Arbeitgebers ist Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer vertraglich verpflichtet ist, eine bestimmte Dienstkleidung zu tragen. Auch wenn dem Arbeitnehmer das Umkleiden zu Hause erlaubt ist, handelt es sich um Arbeitszeit, wenn die vorgeschriebene Dienstkleidung derart auffällig ist, dass ihr Tragen auf dem Weg zur Arbeit unzumutbar ist.
Besteht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine besondere Nahebeziehung, die dem Arbeitnehmer einen weitgehenden Einblick in die Geschäfte des Arbeitgebers verschafft, bewirkt das „Stehenlassen“ laufender Entgelte eine rechtsmissbräuchliche Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf den Insolvenzentgeltfonds.
Der OGH hat bereits zu den Rechtsgestaltungsklagen der §§ 117, 127 und 140 HGB in der Entscheidung 1 Ob 40/01s (verstärkter Senat) – von der Lehre weitgehend gebilligt – ausgesprochen, dass jene, die nicht als Mitkläger auftreten wollen, aber aus der Gesellschaft auch nicht ausgeschlossen werden sollen, als Mitbeklagte in das Prozessrechtsverhältnis einzubeziehen und auf Duldung der geltend gemachten Rechtsgestaltung in Anspruch zu nehmen sind. Sie bilden mit dem Entziehungs- bzw Ausschließungsbeklagten eine notwendige Streitgenossenschaft. Es sind daher keine Zustimmungs- und Ausschließungsprozesse zu führen.
Für die Arbeit an einem Feiertag, der gleichzeitig ein Sonntag ist, besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Feiertagsentgelt.
S. 714 - 715, Rechtsprechung
Kündigungshilfe durch vorbereitetes Kündigungsschreiben verstößt nicht gegen § 1 UWG
Die Verleitung zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung ist – im Gegensatz zur Verleitung oder Beihilfe zum Vertragsbruch – nicht schlechthin unlauter, sondern nur dann, wenn verwerfliche Mittel angewandt werden. Dies ist nach der Rsp dann der Fall, wenn die Aktion nicht darauf ausgerichtet ist, neue Kunden zu gewinnen, sondern wenn dadurch der Mitbewerber behindert werden soll. Dies kann nur in Ausnahmefällen angenommen werden, weil der Werbende regelmäßig anstrebt, neue Kunden zu gewinnen, wenn er anbietet, bei der Kündigung eines Vertrags mit einem Mitbewerber behilflich zu sein.
Ohne Hinzutreten besonderer verwerflicher Umstände ist es grundsätzlich zulässig, einem vertraglich noch gebundenen Kunden bei einer ordnungsgemäßen Kündigung dadurch zu helfen, dass ihm ein vorbereitetes Kündigungsschreiben vorgelegt wird, das nur noch unterschrieben werden muss.
S. 714 - 714, Rechtsprechung
Zum vereinsinternen Instanzenzug bei Beschlüssen gegenüber Nichtmitgliedern
Auch für eine Person, die zwar nicht Mitglied eines Vereins ist, sich jedoch dessen Satzung und Reglements vertraglich unterworfen hat, muss die Rechtsprechung zur Überprüfbarkeit von Vereinsbeschlüssen in formeller und materieller Hinsicht Anwendung finden.
Hat das ordentliche Gericht nach Erschöpfung des vereinsinternen Instanzenzuges einen Vereinsbeschluss (verurteilendes Disziplinarerkenntnis) aufgehoben und erlässt das zuständige Vereinsorgan im zweiten Rechtsgang wegen desselben Sachverhalts neuerlich ein verurteilendes Erkenntnis, ist es dem Betroffenen (hier schon wegen des Zeitablaufes: Zeitspanne zwischen Erst- und Zweiterkenntnis des Disziplinarsenates von zwei Jahren bei Sperre eines Profifußballers) nicht zumutbar, abermals vor Anrufung des ordentlichen Gerichts den verbandsinternen Instanzenzug auszuschöpfen.
S. 715 - 717, Rechtsprechung
Zum Verwendungsanspruch für sondergesetzlich nicht geschützte Leistungen
Für sonderrechtlich nicht geschützte Leistungen besteht dann ein Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB, wenn ein Rechtevorbehalt vereinbart wurde oder deutlich erkennbar ist und die ohne Zustimmung übernommenen Leistungen ohne nennenswerte Ergänzungen als Arbeitsergebnisse verwendbar und zudem nicht von vornherein naheliegend oder banal sind und auch nicht vom Auftraggeber vorgegeben wurden. Bei der bloßen Grundidee für ein Projekt handelt es sich um kein konkret verwendbares Arbeitsergebnis.
§ 136 Abs 3 Z 3 GewO 1994 idgF berechtigt Unternehmensberater nunmehr ausdrücklich zur „berufsmäßigen Vertretung“, weshalb entgegen der bisherigen Rsp zur alten Rechtslage nicht mehr von einer berufstypischen Beschränkung auf ein „Tätigwerden im Innenverhältnis“ auszugehen ist, sondern sich die Auftraggeber auch der Unternehmensberater als bevollmächtigte Vertreter zur Umsetzung der von ihnen erarbeiteten Konzepte und Problemlösungen bedienen können. Das Vertretungsrecht von Unternehmensberatern besteht jedoch auch nach der nunmehrigen Rechtslage weiterhin nur „im Rahmen der Gewerbeberechtigung“, also soweit es für die Durchführung der Beratung erforderlich ist. § 136 Abs 3 GewO1994 räumt den Unternehmensberatern nach wie vor keine allgemeine Vertretungsbefugnis ein.
Der in § 136 Abs 3 Z 3 GewO 1994 verwendete – im Gegensatz zum Begriff „Verwaltungsbehörden“ – weitgefasste Begriff „Behörden“ umfasst die Organe der Vollziehung (Verwaltung und Gerichtsbarkeit), somit auch Gerichte.
Entgegen der Rechtsansicht des VwG berechtigt § 136 Abs 3 Z 3 GewO 1994 im Rahmen der Gewerbeberechtigung zur berufsmäßigen Vertretung des Auftraggebers nicht nur in Administrativverfahren, sondern auch in Verwaltungsstrafverfahren, soweit – wie oben dargelegt – ein enger Zusammenhang mit der im Rahmen der Gewerbeberechtigung für den Auftraggeber ausgeübten Beratungstätigkeit besteht.
Bei Nachweis der erforderlichen Berufserfahrung ist die jeweilige Berufsqualifikation für das betreffende reglementierte Gewerbe anzuerkennen und wird dadurch der österreichische Befähigungsnachweis ersetzt. Dadurch wird jedoch noch keine Gewerbeberechtigung begründet; der ersetzte Befähigungsnachweis ist nur eine Voraussetzung dafür. Soll daher ein inländischer Gewerbestandort begründet werden, so muss auch eine Gewerbeberechtigung nach den allgemeinen Regeln erlangt werden.
Angesichts der im Zeitpunkt der Erlassung der Stammfassung des AVG im Jahr 1925 nicht vorhandenen technischen Möglichkeiten der zeitnahen Wort- und Bildübertragung ist davon auszugehen, dass der historische Gesetzgeber für die mündliche Bescheiderlassung iSd § 62 Abs 1 AVG außerhalb der mündlichen Verhandlung die Gegenwart (physische Anwesenheit) der Partei voraussetzte.
Dementsprechend hat der VfGH zur „telefonischen Bescheiderlassung“ ausdrücklich festgehalten, dass „das AVG 1950 die Form der Verkündung eines Bescheides durch Fernsprecher nicht kennt und daß ein mündlich verkündeter Bescheid nur dann vorhanden ist, wenn die von der Bescheidform umfaßte Willensentschließung der Behörde in Gegenwart der Parteien verkündet und niederschriftlich beurkundet worden ist (VfSlg 5329/1966).
Es ist nicht anzunehmen, dass dieses Verständnis des historischen Gesetzgebers von der physischen Anwesenheit (Gegenwart) unmittelbar vor dem den Bescheid mündlich verkündenden Behördenorgan durch die nunmehr hinzugekommenen Möglichkeiten der Verwendung technischer Einrichtungen zur (zeitnahen) Wort- und Bildübertragung ohne ausdrückliche Regelung des Gesetzgebers fortentwickelt wurde.
Angesichts der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und des zwischenmenschlichen Kontakts auf Grund der COVID-19-Pandemie dehnte der Gesetzgeber mit dem erst nach der gegenständlichen Bescheidverkündung in Kraft getretenen COVID-19-VwBG die Verwendung von technischen Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung gem § 3 Abs 2 leg cit in der Fassung BGBl I Nr 42/2020 auf „mündliche Verhandlungen, Vernehmungen, Augenscheine und dergleichen“ (lit a), „mündliche Verhandlungen, die andernfalls an Ort und Stelle abzuhalten wären“ (lit b) sowie die Aufnahme von „Beweise(n)“ (lit c) zeitlich befristet bis 31. Dezember 2020 aus. Diese auf den Sonderfall der COVID-19-Pandemie beruhende Novelle ist schon deshalb keine Klarstellung des Gesetzgebers zur bisherigen Rechtslage, weshalb daraus keine Schlüsse für die Auslegung des § 62 AVG getroffen werden können.
Demnach setzt (im Zeitpunkt vor Inkrafttreten des COVID-19-VwBG) eine mündliche Bescheiderlassung gem § 62 Abs 1 AVG nach wie vor die Bescheidverkündung in Gegenwart (physischer Anwesenheit) der Partei voraus.
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