Für eine Vielzahl von Rechtsgebieten wird (häufig nur andeutungsweise) dargelegt wie Merkmale einer Norm durch Gegebenheiten bei einem Verbundglied zu ergänzen sind. Zu unterscheiden ist zwischen Zurechnungsgegenständen und Zurechnungsgründen.



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- 1864-3434
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Inhalt der Ausgabe
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S. 241 - 250, Aufsatz
Hans-Georg Koppensteiner -
S. 251 - 258, Aufsatz
Birgit SchrattbauerKrankheit ist kein gleichbehandlungsrechtlich geschütztes Merkmal, eine Kündigung wegen überhöhter Krankenstände stellt somit nicht schon für sich genommen eine unzulässige Diskriminierung dar. Sie kann aber dann problematisch sein, wenn die Krankenstände mit einer Behinderung iSd § 3 BEinstG in Zusammenhang stehen. Freilich ist gerade die Abgrenzung zwischen behinderungsbedingten und „schlichten“ Krankenständen in der Praxis nicht immer einfach. Davon zeugt auch eine rezente Entscheidung des OGH (OGH 9 ObA 45/21i, abgedruckt in wbl 1/2022, 44 ff), deren komplexer Sachverhalt gleich auf mehreren Ebenen Auslegungsprobleme aufwirft. Der OGH versucht, im konkreten Fall Klarheit zu schaffen, wirft aber mit seiner Entscheidungsbegründung auch neuerlich Fragen auf, denen im folgenden Beitrag nachgegangen werden soll.
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S. 259 - 263, Aufsatz
Franz W. Urlesberger -
S. 264 - 269, Rechtsprechung
1. Art 50 der Charta der Grundrechte der EU ist dahin auszulegen, dass er es nicht verwehrt, dass ein Unternehmen von der Wettbewerbsbehörde eines MS wegen eines Verhaltens, das im Hoheitsgebiet dieses MS einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgte oder eine wettbewerbswidrige Wirkung hatte, wegen Verstoßes gegen Art 101 AEUV und die entsprechenden Bestimmungen des nationalen Wettbewerbsrechts verfolgt und gegebenenfalls mit einer Geldbuße belegt wird, obwohl dieses Verhalten bereits von einer Wettbewerbsbehörde eines anderen MS in einer endgültigen Entscheidung erwähnt wurde, die sie in Bezug auf dieses Unternehmen am Ende eines Verfahrens wegen Verstoßes gegen Art 101 AEUV und die entsprechenden Bestimmungen des Wettbewerbsrechts dieses anderen MS erlassen hat, sofern diese Entscheidung nicht auf der Feststellung eines wettbewerbswidrigen Zwecks oder einer wettbewerbswidrigen Wirkung im Hoheitsgebiet des erstgenannten MS beruht.
2. Art 50 der Charta der Grundrechte der EU ist dahin auszulegen, dass ein Verfahren zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts, in dem wegen der Teilnahme des betroffenen Beteiligten am nationalen Kronzeugenprogramm ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht lediglich festgestellt werden kann, dem Grundsatz ne bis in idem unterliegen kann.
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S. 269 - 273, Rechtsprechung
Art 50 der Charta der Grundrechte der EU iVm deren Art 52 Abs 1 ist dahin auszulegen, dass er der Verhängung einer Geldbuße gegen eine juristische Person wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht der Union nicht entgegensteht, wenn gegen diese Person im Hinblick auf denselben Sachverhalt am Ende eines Verfahrens wegen eines Verstoßes gegen eine sektorspezifische Regelung über die Liberalisierung des betreffenden Marktes bereits eine endgültige Entscheidung ergangen ist, sofern es klare und präzise Regeln gibt, anhand deren sich vorhersehen lässt, bei welchen Handlungen und Unterlassungen eine Kumulierung von Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen in Frage kommt, und die eine Koordinierung zwischen den beiden zuständigen Behörden ermöglichen, sofern die beiden Verfahren in hinreichend koordinierter Weise und in engem zeitlichen Zusammenhang geführt wurden und sofern die Gesamtheit der verhängten Sanktionen der Schwere der begangenen Straftaten entspricht.
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S. 273 - 278, Rechtsprechung
1. Art 5 Abs 2 lit b der RL 2001/29/EG ist dahin auszulegen, dass der Ausdruck „Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern“ iS dieser Bestimmung die Erstellung von Sicherungskopien urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten Zwecken auf einem Server umfasst, auf dem der Anbieter von Cloud-Computing-Dienstleistungen einem Nutzer Speicherplatz zur Verfügung stellt.
2. Art 5 Abs 2 lit b der RL 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er der Umsetzung der Ausnahme iS dieser Bestimmung durch eine nationale Regelung, nach der die Anbieter von Dienstleistungen der Speicherung im Rahmen des Cloud-Computing keinen gerechten Ausgleich für Sicherungskopien leisten müssen, die natürliche Personen, die diese Dienste nutzen, ohne Erlaubnis von urheberrechtlich geschützten Werken zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke erstellen, nicht entgegensteht, sofern diese Regelung die Zahlung eines gerechten Ausgleichs an die Rechtsinhaber vorsieht.
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S. 278 - 280, Rechtsprechung
Art 2 lit a und Art 39 der VO (EU) Nr 1215/2012 sind dahin auszulegen, dass ein Beschluss mit einer Zahlungsanordnung, den ein Gericht eines MS auf der Grundlage von in einem Drittstaat ergangenen rechtskräftigen Urteilen erlässt, eine Entscheidung darstellt und in den anderen MS vollstreckbar ist, wenn er am Ende eines kontradiktorischen Verfahrens im UrsprungsMS erlassen und dort für vollstreckbar erklärt wurde, wobei dieser Charakter als Entscheidung dem Vollstreckungsschuldner nicht das Recht nimmt, nach Art 46 dieser VO die Versagung der Vollstreckung aus einem der in Art 45 der VO genannten Gründe zu beantragen.
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S. 280 - 283, Rechtsprechung
Art 16 lit l der RL 2011/83/EU ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht einem Verbraucher entgegengehalten werden kann, der mit einem Vermittler, der im eigenen Namen, aber für Rechnung des Veranstalters einer Freizeitbetätigung handelt, einen Fernabsatzvertrag über den Erwerb eines Zutrittsrechts zu dieser Betätigung geschlossen hat, sofern zum einen das Erlöschen der Verpflichtung gegenüber dem Verbraucher zur Erfüllung des Vertrags im Wege des Widerrufs gemäß Art 12 lit a der RL dem Veranstalter der betreffenden Betätigung das Risiko in Verbindung mit der Bereitstellung der hierdurch frei gewordenen Kapazitäten auferlegen würde und zum anderen die Freizeitbetätigung, zu der dieses Recht Zutritt gewährt, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum stattfinden soll.
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S. 285 - 286, Rechtsprechung
Wurde eine Kündigung vom Arbeitgeber wegen überhöhter Krankenstände des Arbeitnehmers ausgesprochen und erfolgreich angefochten, haftet der Arbeitgeber nicht automatisch auch für die progressionsbedingte höhere Steuerbelastung des Arbeitnehmers aus der Nachzahlung der Lohnansprüche. Bei der Beurteilung des Verschuldens des Arbeitgebers ist ein strenger Maßstab anzulegen.
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S. 286 - 287, Rechtsprechung
Ist die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses strittig, trifft den Arbeitgeber die Beweislast, die Gründe für den Ausschluss des Anspruchs auf Abfertigung zu beweisen. Ein Irrtum über die Pflicht zur Zahlung einer Abfertigung bei einvernehmlicher Auflösung ist ein unbeachtlicher Motivirrtum.
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S. 287 - 288, Rechtsprechung
Wird die Kündigung des Arbeitgebers infolge einer erfolgreichen Kündigungsanfechtungsklage durch das Erstgericht aufgehoben, bleibt das Arbeitsverhältnis vorläufig aufrecht. Der Arbeitnehmer kann daher während dieses Zeitraums keine Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen seinen Arbeitgeber geltend machen.
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S. 288 - 289, Rechtsprechung
Ein völliger Wegfall der Leistung von Überstunden durch längere Zeit auf Grund eines gesetzlichen Verbots führt zum Ruhen des Anspruchs auf eine Überstundenpauschale.
Diese Rechtsfolge des § 8 MSchG bewirkt auch keine unerlaubte Diskriminierung von schwangeren und stillenden Arbeitnehmerinnen.
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S. 289 - 291, Rechtsprechung
Die Unterscheidbarkeit von Firmen innerhalb desselben Ortes oder derselben Gemeinde als Frage der konkreten Irreführungseignung ist nicht nach § 18 Abs 2 UGB, sondern nur nach § 29 UGB als lex specialis zu prüfen.
Hinsichtlich des mit den Firmenteilen „Farm“ und „Landwirt“ assoziierten Wortsinns besteht eine ausreichende Unterscheidbarkeit, weil es sich bei „Farm“ (Bauernhof, landwirtschaftlicher Betrieb) um eine Betriebsart und bei „Landwirt“ um eine Berufsbezeichnung handelt.
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S. 289 - 289, Rechtsprechung
Ein Rechtsanwalt ist im Allgemeinen nicht verpflichtet, einen potenziellen Klienten in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten vor Annahme des Mandates auf die Möglichkeit einer kostenlosen Rechtsvertretung durch die Arbeiterkammer hinzuweisen. Ein diesbezüglicher Irrtum eines Arbeitnehmers ist ein unbeachtlicher Motivirrtum.
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S. 291 - 293, Rechtsprechung
Einer drohenden Verletzung eines Syndikatsvertrags kann mit vorbeugender Unterlassungsklage begegnet werden. Dieser Unterlassungsanspruch ist durch einstweilige Verfügung sicherbar.
Beschlüsse über den Ausschluss eines Gesellschafters nach dem GesAusG werden in der Rechtspraxis gemeinhin – nicht anders als jene betreffend eine Verschmelzung, Spaltung oder Umwandlung – zu den „strukturändernden“ Beschlüssen gezählt.
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S. 293 - 295, Rechtsprechung
Ein Feststellungsbegehren, mit dem für gewisse Abstimmungsgegenstände in Generalversammlungen ohne zeitliche Einschränkungen für die Zukunft das Stimmrecht eines Gesellschafters bindend festgestellt werden soll, ist schon grundsätzlich unzulässig. Ebenso ist es mit einem Leistungs- bzw Unterlassungsbegehren, mit dem einem Gesellschafter in Generalversammlungen zwar nicht die Ausübung des Stimmrechts in einer bestimmten Weise, aber doch sonstige Verhaltensweisen vorgeschrieben werden sollen. Zur Klärung der Fragen, ob sich die Gesellschafter oder der Versammlungsleiter in der Generalversammlung rechtmäßig verhalten haben, wer zu welchen Beschlussgegenständen sein Stimmrecht gültig ausüben durfte bzw ausgeübt hat und welche Beschlüsse letztlich wirksam zustande gekommen sind, steht die befristete Klage nach §§ 41 f GmbHG zur Verfügung.
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S. 295 - 296, Rechtsprechung
Dem „faktischen Geschäftsführer“, mag er auch Gesellschafter sein, kommt keine Befugnis zu, die GmbH im rechtsgeschäftlichen Verkehr organschaftlich zu vertreten. Die Beurteilung seiner Vertretungsbefugnis richtet sich ausschließlich nach vollmachtsrechtlichen Grundsätzen.
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S. 296 - 298, Rechtsprechung
Der Umstand, dass die Bekl ein Fußballspiel mit einem fremdsprachigen Kommentator aufgeführt hat, ändert nichts am Eingriff in die Exklusivrechte der Kl. Geht man davon aus, dass Kommentar und Bildmaterial ein untrennbares Ganzes bilden, sohin ein gemeinsam geschaffenes Werk vorliegt, dann ist der Austausch des Kommentars eine Bearbeitung; die Ausschließlichkeitsrechte der Kl werden durch eine solche nicht geschmälert. Handelt es sich hingegen um eine bloße Werkverbindung, ist der geänderte Kommentar im Anlassfall von vornherein ohne Relevanz.
Einem Rundfunkunternehmer ist es daher grundsätzlich nicht verboten, Verträge über den Erwerb von exklusiven territorialen Lizenzen abzuschließen. Die Beschränkungen dürfen nur keine absolute gebietsabhängige Exklusivität vorsehen, wenn damit jeglicher Wettbewerb zwischen verschiedenen Rundfunkunternehmern ausgeschaltet und nationale Märkte abgeschottet werden.
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S. 298 - 300, Rechtsprechung
§ 3 COVID-19-MG ermächtigt den Verordnungsgeber insb auf Grund des ihm übertragenen Einschätzungs- und Prognosespielraumes zu weitreichenden Grundrechtseingriffen.
Aus der Rsp des VfGH zu Art 18 Abs 2 B-VG folgt, dass bei einer solchen Verordnungsermächtigung, die weitreichende Grundrechtseingriffe ermöglicht, im Verordnungserlassungsverfahren nachvollziehbar zu machen ist, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fußt und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt ist.
Im Verordnungsakt zu BGBl II 455/2020 ist entgegen § 10 COVID-19-MG nicht dokumentiert, dass vor Erlassung der VO, und somit vor Anordnung der angefochtenen Maßnahmen gem § 6 Abs 1a, 1b und 3a COVID-19-MV, die Corona-Kommission gehört wurde oder dass diese auf Grund von Gefahr im Verzug nicht gehört werden konnte. Die VO wurde daher nicht in einem dem § 10 COVID-19-MG entsprechenden Verfahren erlassen. Im Übrigen ist aus dem vorgelegten Verordnungsakt nicht ersichtlich, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände, insb auf Grundlage welcher zum Zeitpunkt der Erlassung der VO BGBl II 455/2020 vorgelegenen epidemiologischen Situation, die angefochtene Verordnungsentscheidung fußt.