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WBL

Heft 10, Oktober 2020, Band 34

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1864-3434

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Inhalt der Ausgabe

S. 541 - 551, Aufsatz

Isabella Breit / Gerwin Haybäck

Ist die restriktive EuGH-Judikatur im Schutzzertifikatsrecht gerechtfertigt?

Restriktive Tendenzen der neueren EuGH-Judikatur verwehren Medizinprodukt-Arzneimittel-Kombinationen (Grenzprodukten) sowie Neuformulierungen bekannter Wirkstoffe mit dem Ziel der Verbesserung der Arzneimittelwirkung eine Honorierung der durch sie verkörperten Innovationsleistung mittels ESZ-Erteilung. Die Autoren erörtern die Rechtsgrundlagen einschließlich der jüngsten Reform der ESZ-VO. Diskutiert werden zentrale Problemstellungen (wie etwa die Rolle von Hilfs- und Trägerstoffen oder die komplexe Frage der Einstufung eines Erzeugnisses als Medizinprodukt oder Arzneimittel) anhand jüngerer EuGH-E und der aktuellen Literatur dazu.

S. 552 - 559, Aufsatz

Hans-Georg Koppensteiner

Satzungsdurchbrechende Beschlüsse in der GmbH

Geprüft und bejaht wird, ob satzungsdurchbrechende Beschlüsse einen doppelten Inhalt – Änderung der Satzung für den Einzelfall, Ausführungsbeschluss – haben. Es folgen Überlegungen dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen Satzungsdurchbrechungen zulässig sind. Schließlich geht es um die Wirksamkeit von Maßnahmebeschlüssen.

S. 560 - 565, Aufsatz

Franz W. Urlesberger

Europarecht: Das Neueste auf einen Blick

S. 566 - 569, Rechtsprechung

Warenverkehrsfreiheit: Unzulässige nationale Maßnahme, die die Stromerzeuger verpflichtet, die gesamte verfügbare elektrische Energie ausschließlich auf einem zentralisierten wettbewerbsorientierten Markt des betreffenden MS an...

Die Art 35 und 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die in ihrer Auslegung durch die für ihre Anwendung zuständige Behörde die nationalen Stromerzeuger verpflichtet, die gesamte verfügbare elektrische Energie auf den von dem einzigen nominierten Strommarktbetreiber betriebenen Plattformen anzubieten, eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung ist, die nicht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit im Zusammenhang mit der Energieversorgungssicherheit gerechtfertigt werden kann, da diese Rechtsvorschriften nicht in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel stehen.

S. 569 - 572, Rechtsprechung

Kapitalverkehrsfreiheit: Zu einer nationalen Regelung, mit der eine Obergrenze für die Beteiligung am Kapital bestimmter Investmentgesellschaften eingeführt wird

Art 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Maßnahme entgegensteht, die eine Obergrenze von 5 % für die Beteiligung am Kapital einer Investmentgesellschaft vorsieht, wenn diese Maßnahme nicht durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

S. 573 - 575, Rechtsprechung

Verbraucherschutz: Zur Verpflichtung des Luftfahrtunternehmens, Fluggästen, deren Flug annulliert wurde, eine Hotelunterbringung anzubieten – Möglichkeit, die Haftung des Luftfahrtunternehmens wegen der Fahrlässigkeit des Hotel...

Art 9 Abs 1 lit b der VO (EG) Nr 261/2004 ist dahin auszulegen, dass die dem Luftfahrtunternehmen nach dieser Vorschrift obliegende Pflicht, den in ihr genannten Fluggästen unentgeltlich eine Hotelunterbringung anzubieten, nicht bedeutet, dass das Luftfahrtunternehmen die Unterbringungsmodalitäten als solche zu übernehmen hat.

Die VO Nr 261/2004 ist dahin auszulegen, dass ein Luftfahrtunternehmen, das nach Art 9 Abs 1 lit b der VO einem Fluggast, dessen Flug annulliert wurde, eine Hotelunterbringung angeboten hat, nicht auf der alleinigen Grundlage dieser VO verpflichtet sein kann, dem Fluggast die Schäden zu ersetzen, die durch ein Fehlverhalten des Hotelpersonals entstanden sind.

S. 575 - 581, Rechtsprechung

Verbraucherschutz: Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Hypothekendarlehensvertrag – Klausel zur Beschränkung der Variabilität des Zinssatzes (Mindestzinssatzklausel)

Art 6 Abs 1 der RL 93/13/EWG ist dahin auszulegen, dass er es nicht verwehrt, dass eine Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags, deren Missbräuchlichkeit gerichtlich festgestellt werden kann, Gegenstand eines Novationsvertrags zwischen diesem Gewerbetreibenden und diesem Verbraucher sein kann, mit dem der Verbraucher auf die Wirkungen verzichtet, die die Feststellung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel nach sich ziehen würde, vorausgesetzt, dieser Verzicht beruht auf einer freiwilligen und aufgeklärten Zustimmung des Verbrauchers, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Art 3 Abs 2 der RL 93/13 ist dahin auszulegen, dass eine Klausel eines Vertrags, der zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossen wurde, um eine potenziell missbräuchliche Klausel eines früheren zwischen ihnen geschlossenen Vertrags zu ändern oder die Folgen der Missbräuchlichkeit dieser anderen Klausel zu regeln, selbst als nicht im Einzelnen ausgehandelt eingestuft und gegebenenfalls für missbräuchlich erklärt werden kann.

Art 3 Abs 1, Art 4 Abs 2 und Art 5 der RL 93/13 sind dahin auszulegen, dass das einem Gewerbetreibenden nach diesen Bestimmungen obliegende Transparenzerfordernis bedeutet, dass der Verbraucher beim Abschluss eines Hypothekendarlehensvertrags mit einem variablen Zinssatz, in dem eine Mindestzinssatzklausel festgelegt ist, in die Lage versetzt werden muss, ua durch die Bereitstellung von Informationen über die vergangene Entwicklung des Index, auf dessen Grundlage der Zinssatz berechnet wird, die wirtschaftlichen Folgen zu verstehen, die sich für ihn aus dem von dieser Mindestzinssatzklausel bewirkten Mechanismus ergeben.

Art 3 Abs 1 iVm Nr 1 lit q des Anhangs sowie Art 6 Abs 1 der RL 93/13 sind dahin auszulegen, dass:

die Klausel, die in einem zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag zur Beilegung einer bestehenden Streitigkeit vereinbart ist und mit der dieser Verbraucher darauf verzichtet, vor dem nationalen Gericht die Ansprüche geltend zu machen, die er ohne diese Klausel hätte geltend machen können, ua dann als „missbräuchlich“ eingestuft werden kann, wenn dieser Verbraucher nicht über alle relevanten Informationen verfügen konnte, die ihm ermöglichen, die sich daraus für ihn ergebenden Rechtsfolgen zu verstehen;

die Klausel, mit der dieser Verbraucher für zukünftige Streitigkeiten darauf verzichtet, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen, die auf Rechte gestützt sind, die er nach der RL 93/13 innehat, den Verbraucher nicht bindet.

S. 581 - 583, Rechtsprechung

Vergaberecht: Angebot eines Bieters zu einem Preis von null Euro

Art 2 Abs 1 Nr 5 der RL 2014/24/EU in der durch die Delegierte VO (EU) 2017/2365 der Kommission vom 18. Dezember 2017 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags keine Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Angebots eines Bieters allein aus dem Grund darstellt, dass der in dem Angebot vorgeschlagene Preis null Euro beträgt.

S. 585 - 587, Rechtsprechung

2. Niederlassungsfreiheit

S. 587 - 588, Rechtsprechung

Arbeitszeitbegriff bei Buslenkern

Eine Zeit, über die der Arbeitnehmer nach Belieben disponieren kann und sich in keiner Weise für seinen Arbeitgeber bereithalten muss, ist keine Arbeitszeit, mag sie auch allenfalls Einsatzzeit sein. Das gilt auch bei Vorliegen eines geteilten Dienstes für eine dreistündige Pause von Buslenkern, die sie zu Hause verbringen können. Mangels anderer Vereinbarung ist diese Zeit auch nicht zu bezahlen.

S. 588 - 589, Rechtsprechung

Nachtbetrieb iSd Kollektivvertrags für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe

Gastronomiebetriebe, die bloß auch in der Nacht bzw sogar rund um die Uhr geöffnet halten, sind keine Nachtbetriebe iSd Kollektivvertrags für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe. Es besteht daher kein Anspruch auf Nachtarbeitszuschlag.

S. 589 - 590, Rechtsprechung

Kosten für Leiharbeiter kein ersatzfähiger Schaden

Werden Arbeitnehmer von Dritten am Körper verletzt und hat der Arbeitgeber während des Krankenstandes das Entgelt fortgezahlt, kann er nur den Er-

satz dieses Aufwands vom Schädiger verlangen. Die Kosten für Beschäftigung von Leiharbeitern während der Dauer des Krankenstandes hat der Schädiger nicht zu ersetzen.

S. 590 - 591, Rechtsprechung

Transparenzgebot beim Rückersatz von Ausbildungskosten

Soll der Arbeitnehmer zum Rückersatz von Ausbildungskosten verpflichtet werden, muss eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden, aus der auch die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten hervorgeht. Diese Grundsätze gelten auch für eine Vereinbarung zur Rückforderung des während einer Ausbildung fortgezahlten Entgelts. Eine Vereinbarung der Rückforderung eines aliquoten Anteils „der Kosten der bezahlten Dienstfreistellung“ genügt diesen Anforderungen nicht.

S. 591 - 593, Rechtsprechung

Zur Übernahme einer gründungsprivilegierten Stammeinlage durch den an der Kapitalerhöhung beteiligten Neugesellschafter

Bei einer iSv § 10b GmbHG gründungsprivilegierten GmbH kann das Stammkapital auch höher als das Mindeststammkapital von 35.000 EUR (§ 6 Abs 1 GmbHG) sein. Eine GmbH kann auch während aufrechter Gründungsprivilegierung eine Kapitalerhöhung durchführen. Bei einem im Zuge einer Kapitalerhöhung neu hinzutretenden Gesellschafter sind nur der Betrag der übernommenen Stammeinlage und die darauf zu leistenden Einzahlungen zu beschließen. Ein solcher Gesellschafter kann keine gründungsprivilegierte Stammeinlage übernehmen, eine solche ist im Firmenbuch auch nicht einzutragen. In einer GmbH können im Gefolge einer Kapitalerhöhung auch während aufrechter Gründungsprivilegierung Gesellschafter mit gründungsprivilegierter Stammeinlage und Gesellschafter ohne solche nebeneinander bestehen. Hat der an der Kapitalerhöhung beteiligte Neugesellschafter nicht nur eine Stammeinlage, sondern auch eine gründungsprivilegierte Stammeinlage übernommen, ist ungeachtet, dass die gründungsprivilegierte Stammeinlage gleich hoch wie die Stammeinlage ist, das Eintragungsbegehren abzuweisen. Denn bei einem nach Gründung hinzutretenden Gesellschafter ist die Übernahme einer gründungsprivilegierten Stammeinlage unzulässig.

S. 593 - 595, Rechtsprechung

Zur Haftung des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH für fehlerhafte Steuererklärungen der KG gegenüber dem (ausgeschiedenen) Kommanditisten

Eine Personengesellschaft, die betriebliche Einkünfte erzielt, ist steuerlich gesehen eine sogenannte Mitunternehmerschaft. Sie ist zwar Gewinnermittlungssubjekt, aber – anders als die Kapitalgesellschaft – in ertragssteuerlicher Hinsicht nicht Steuersubjekt. Das bedeutet, dass der in einem Wirtschafts-/Kalenderjahr erzielte Gewinn/Verlust nicht bei der Gesellschaft selbst besteuert wird, sondern unmittelbar bei ihren Gesellschaftern nach Maßgabe deren Beteiligungen (§ 21 Abs 2 Z 2, § 22 Z 3, § 23 Z 2 EStG 1988). Der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung bildet die Grundlage für die Veranlagung der einzelnen Gesellschafter zur Einkommensteuer (§ 188 BAO). Bescheidbeschwerden gegen die Höhe des Gewinns bzw des Gewinnanteils können daher nur gegen den Feststellungsbescheid, nicht aber gegen die davon abgeleiteten Einkommensteuerbescheide der Gesellschafter erhoben werden. Kommt deshalb der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft seiner Verpflichtung zur (fristgerechten) Abgabe von (richtigen) Ertragsteuererklärungen für die Kommanditgesellschaft nicht nach und kommt es deshalb (etwa infolge einer Gewinnermittlung der Abgabenbehörde durch Schätzung) zu einem unrichtigen Feststellungsbescheid nach § 188 BAO, so wirkt sich diese überhöhte Gewinnfeststellung nicht im Vermögen der Kommanditgesellschaft, die kein Steuersubjekt ist, sondern im Vermögen deren Gesellschafter aus, denen aufgrund der überhöhten Gewinnfeststellung zu hohe Einkommensteuern vorgeschrieben werden (kein mittelbarer Schaden der Kommanditisten-Schadensverlagerung).

Dem ausgeschiedenen Gesellschafter steht die actio pro socio nicht zu.

S. 593 - 593, Rechtsprechung

Zum Verbot der Einlagenrückgewähr

Zweck der Bestimmung des § 82 Abs 1 GmbHG ist es, das Stammkapital als „dauernden Grundstock der Gesellschaft“ und als einziges „dem Zugriff der Gläubiger freigegebenes Befriedigungsobjekt“ gegen Schmälerung durch Leistung an die Gesellschafter abzusichern. § 82 GmbHG verbietet im Prinzip jede Zuwendung der Gesellschaft an die Gesellschafter, die nicht Gewinnverwendung ist, und schützt damit das gesamte Gesellschaftsvermögen und nicht nur den dem Stammkapital entsprechenden Teil. Damit bewirkt § 82 GmbHG eine umfassende Bindung des gesamten Vermögens der GmbH. Die Kapitalerhaltungsvorschriften sollen nach ihrem Sinn und Zweck jede (unmittelbare oder mittelbare) Leistung an einen Gesellschafter erfassen, der keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und die wirtschaftlich das Vermögen verringert.

Der OGH hat bereits in der Entscheidung 4 Ob 2078/96h, die Bestellung von Sicherheiten durch die Gesellschaft für einen Kredit des Gesellschafters als unzulässige Einlagenrückgewähr qualifiziert. Wenn die Gesellschaft nicht bloß Sicherheiten stellt, sondern sogar selbst die Rückzahlung für einen Privatkredit des Gesellschafters leistet, kann nichts anderes gelten. Der OGH hat auch schon in der Entscheidung 4 Ob 2328/96y ausgesprochen, dass die Finanzierung von Privataufwendungen des Gesellschafters unzulässig ist.

Es kommt nicht darauf an, ob der Gesellschafter seine Stammeinlage „zurückfordert“. Nach § 82 GmbHG ist nicht nur das Einfordern, sondern die Empfangnahme von nach dieser Bestimmung verbotenen Leistung unzulässig.

Eine Aufrechnung gegen Ansprüche aus verbotener Einlagenrückgewähr mit Ansprüchen, die dem Gesellschafter aus für die Gesellschaft angeblich erbrachten Leistungen zustehen, ist nach st Rspr unzulässig.

S. 595 - 596, Rechtsprechung

Zur Nichtigkeit einer Pfandbestellung am Gesellschaftsvermögen einer GmbH zwecks Sicherstellung von Ansprüchen eines Dritten gegen einen Gesellschafter

Normadressaten des in § 82 GmbHG und § 52 AktG enthaltenen Verbots der Einlagenrückgewähr sind die Gesellschaft und der Gesellschafter (Aktionär), nicht aber auch ein Dritter.

Bei einem Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr fordert eine Abwägung der Interessen des Kreditgebers einerseits und der durch die verbotene Einlagenrückgewähr geschädigten Gesellschaft und ihrer Gläubiger andererseits, das Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Kreditgeber nicht nur auf Kollusion zu beschränken. Die Interessen der Gesellschaft und ihrer Gläubiger müssen jedenfalls auch den Interessen jenes Kreditgebers vorgehen, der weiß, dass er den Kredit einem (mittelbaren) Gesellschafter gewährt, der damit den Anteilskauf finanziert, und dass die Sicherheit am Gesellschaftsvermögen bestellt wird. Das gleiche muss auch für jenen Kreditgeber gelten, dem sich dieses Wissen „geradezu aufdrängen“ muss, dessen Unkenntnis demnach auf grober Fahrlässigkeit beruht. Eine allgemeine Erkundigungs- und Prüfpflicht der Bank besteht nicht für alle Fälle denkmöglicher Einlagenrückgewähr, sondern ist nur dort zu fordern, wo sich der Verdacht schon so weit aufdrängt, dass er nahezu einer Gewissheit gleichkommt.

Diese für Kreditgeber (Kreditinstitute) als Dritte aufgestellten Grundsätze gelten auch für Dritte, die für andere Ansprüche als Kredite Sicherheiten empfangen.

Ob eine Erkundigungs- und Prüfpflicht bestand(en hätte), kann immer nur aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden.

Ein Rechtsanwalt, der für eine GmbH auftragsgemäß eine Pfandbestellungsurkunde errichten soll, die eine fremde Schuld besichern soll, ist wegen der im Raum stehenden Möglichkeit, die Pfandbestellung könnte gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen, vor allem angesichts der massiven Rechtsfolgen einer verbotenen Einlagenrückgewähr (absolute Nichtigkeit) verpflichtet, diese Verdachtsmomente zu prüfen. Denn er ist gemäß § 9 Abs 1 RAO verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Daher hat er auch dafür vorzusorgen, die von ihm vertretene Partei vor dem Abschluss möglicherweise nichtiger Rechtsgeschäfte abzuhalten.

Vermutet der Dritte, dass der mit der Vertragsgestaltung auf seiten der pfandbestellenden GmbH beauftragte Rechtsanwalt – unter dem Blickwinkel der unzulässigen Einlagenrückgewähr – eine gesetzeskonforme Pfandrechtseinräumung sicherstellen werde, mag die Vermutung als fahrlässig bezeichnet werden. Sie erreicht jedoch nicht die Qualität eines zwingenden und sich geradezu aufdrängenden Verdachts. Dies schließt nicht aus, dass in anderen Fällen trotz anwaltlicher Vertretung der pfandbestellenden GmbH beim dritten Sicherheitenempfänger eine Verdachtslage vorliegt, die nahezu einer Gewissheit gleichkommt.

S. 596 - 596, Rechtsprechung

Zum Bestand des Wiederkaufsrechts einer Gesellschaft bei Verschmelzung

Der Senat teilt die in OGH 5 Ob 136/19i vertretene Rechtsansicht, dass ein zugunsten der übertragenden Gesellschaft bestehendes Wiederkaufsrecht durch die Verschmelzung nicht untergeht, sondern zugunsten der aufzunehmenden Gesellschaft fortbesteht (ausdrückliche Abkehr von 5 Ob 106/95: dort gegenteilig für Vorkaufsrecht).

Für die Verschmelzung nach der SE-VO gilt nichts anderes.

S. 596 - 598, Rechtsprechung

Gröblich benachteiligende vertragliche Regelung des Kl

Ist die zugrunde liegende vertragliche Regelung, auf deren Verstoß durch die bekl Partei sich die kl Partei im Lauterkeitsprozess beruft (hier Ausschluss der Stellvertretung), zufolge Sittenwidrigkeit oder gröblicher Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB nichtig und damit unwirksam, so begründet der inkriminierte Verstoß keine lauterkeitsrechtlich relevante Täuschung.

Bei der Abweichung einer Vertragsklausel von den dispositiven Rechtsvorschriften liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners dann vor, wenn sie unsachlich und unangemessen ist. Dabei ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Es ist auf das Ausmaß, den Grund und die sachliche Rechtfertigung der zu Lasten des Kunden vorgenommenen Abweichungen vom dispositiven Recht ebenso Rücksicht zu nehmen, wie auf das Ausmaß der verdünnten Willensfreiheit des Kunden, der den für ihn nachteiligen Vertragsbestandteil nicht verhindern kann.

Das Verbot der Stellvertretung verstößt gegen § 879 Abs 3 ABGB.

S. 598 - 599, Rechtsprechung

Ausländerbeschäftigung als Inlandssachverhalt

Um eine gebotene Verdrängung nationalen Rechts annehmen zu können, ist das Vorliegen eines Sachverhalts mit Unionsrechtsbezug erforderlich, in dem der freie Dienstleistungsverkehr nach Art 56 AEUV zum Tragen kommt. Voraussetzung ist somit ein Sachverhalt, dem eine zwischen MS der EU erbrachte Dienstleistung iSd Art 57 AEUV zugrunde liegt.

Ein solcher Sachverhalt war hier jedoch nicht zu beurteilen. So wurden die – der Arbeitnehmerfreizügigkeit noch nicht unterliegenden – kroatischen Staatsangehörigen im Inland von einer inländischen Arbeitgeberin beschäftigt. Die Arbeitnehmer wurden weder von einem Arbeitgeber in einen anderen MS überlassen noch von einem solchen entsandt. Wie die revisionswerbende Partei daher zutreffend ausführt, liegt ein reiner Inlandssachverhalt vor.

S. 599 - 600, Rechtsprechung

Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten

Weder das Wiener WettenG noch das VStG kennt eine dem vom VwG herangezogenen Rechtsgrundsatz vergleichbare Bestimmung, wonach die zur Vertretung nach außen Berufenen bei der Bestellung einer verantwortlichen beauftragten Person eine über ihre Vertretungsbefugnis hinausgehende Befähigung aufweisen müssten, andernfalls die Bestellung aus diesem Grunde unwirksam wäre. Zudem werden durch eine Bestellung nach § 9 Abs 2 VStG keine Rechte übertragen, sondern eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung übernommen.

S. 600 - 600, Rechtsprechung

Vermitteln von Wettkunden

Wie der VwGH bereits zum Vorarlberger Wettengesetz ausgesprochen hat, entzieht sich die Vermittlungstätigkeit selbst einer gesetzlichen Definition, weil die an sie zu stellenden Anforderungen je nach Geschäftszweig und Lage des Falles sehr variieren; es ist jedoch selbstverständlich, dass der Begriff „Vermitteln“ bedeutet, zwei potentielle Vertragspartner zusammenzubringen und zum Geschäftsabschluss zu bewegen.

Das Vermitteln von Wettkunden erfordert dabei ein Tätigwerden des Vermittlers zur Zuführung von Wettkundinnen und Wettkunden an Buchmacher oder Totalisateure, das typischerweise durch eine Provision für jede abgeschlossene Wette honoriert wird. Die Vermittlung von Wettkunden an Buchmacher und Totalisateure ist eine der Tätigkeit der Buchmacher und Totalisateure vorgeschaltete Tätigkeit. Sie erfolgt mittlerweile vielfach über Wettterminals und das Internet. Der Wettkundenvermittler schließt dabei nicht unmittelbar eine Wette ab oder vermittelt eine solche, sondern vermittelt vielmehr den Wettkunden an den Buchmacher oder den Totalisateur. Der Vermittler nimmt im Namen des Buchmachers oder Totalisateurs die Wetteinsätze ein und zahlt einen allfälligen Gewinn in dessen Namen auch wieder aus.

Das Aufstellen oder der Betrieb von Wettterminals ist dabei zweifellos eine Tätigkeit im Rahmen der gewerbsmäßigen Vermittlung von Wettkunden.

S. 600 - 600, Rechtsprechung

Einziehungsbescheid

Nach der stRsp des VwGH stellt das Verfahren zur Erlassung des Einziehungsbescheides eine „Verwaltungsstrafsache“ dar, sodass im Hinblick auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung § 44 VwGVG anzuwenden war.

Das VwG hat in Verwaltungsstrafsachen gem § 44 Abs 1 VwGVG grds eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs 2 bis 5 leg cit finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Gem § 44 Abs 2 VwGVG entfällt die mündliche Verhandlung, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Diese Voraussetzungen lagen im Revisionsfall angesichts der Abweisung der Beschwerde durch das LVwG nicht vor. Gem § 44 Abs 3 VwGVG kann das VwG in bestimmten Fällen von einer Verhandlung absehen, wenn keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Die revisionswerbende Partei hat in ihrer Beschwerde jedoch ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Da das LVwG mit Erkenntnis entschieden hat, kommt auch ein Absehen nach § 44 Abs 4 VwGVG nicht in Betracht.