Zum Zahlungsverbot bei materieller Insolvenz einer GmbH, insb zur Frage, inwieweit die hypothetische Insolvenzquote des Zahlungsempfängers bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen ist
- Originalsprache: Deutsch
- WBLBand 31
- Unternehmensrecht, 3178 Wörter
- Seiten 712 -715
- https://doi.org/10.33196/wbl201712071201
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Als Parallelbestimmung zu § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG verbietet § 84 Abs 3 Z 6 AktG grundsätzlich Zahlungen nach Eintritt der materiellen Insolvenz. Im Hinblick auf den übereinstimmenden Zweck der beiden Normen ist es sachgerecht, in analoger Erweiterung das Zahlungsverbot auch bei der GmbH grundsätzlich mit dem Eintritt der materiellen Insolvenz beginnen zu lassen und nicht uU erst 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.
§ 84 Abs 3 Z 6, 2 Hs AktG, wonach Zahlungen, die auch nach Eintritt der materiellen Insolvenz mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, von Zahlungsverbot ausgenommen sind, ist analog im GmbH-Recht anzuwenden. Unter diese Ausnahme fällt auch die Zahlung von Dienstgeberbeiträgen zur Sozialversicherung.
Der Haftungstatbestand ermöglicht die Abwicklung des den Gläubigern durch die Masseschmälerung entstehenden Sachadens über das Gesellschaftsvermögen.
Der der Gesellschaft zustehende Schadenersatzanspruch aus Konkursverschleppung ist auf den Ersatz des Schadens gerichtet, der dadurch entstanden ist, dass durch die verspätete Insolvenzanmeldung und die inzwischen geleisteten Zahlungen das als Insolvenzmasse verteilbare Gesellschaftsvermögen geschmälert wurde (Anknüpfung an den Gesamtschaden iSe Masseschmälerung während der Insolvenzverschleppungsphase). Auch Zahlungen an Gläubiger sind tatbestandsmäßig, die ihre Forderungen nach Eintritt der materiellen Insolvenz erworben haben, können doch auch Zahlungen an Neugläubiger das verteilungsfähige Gesellschaftsvermögen schmälern.
Der Schadensumfang in Höhe des massemindernden Vermögensabflusses durch einzelne Zahlungen wird widerleglich vermutet. Dem Geschäftsführer obliegt der Gegenbeweis, dass die für die Erreichung der hypothetischen Quote bei rechtzeitigem Insolvenzantrag erforderliche Zahlung, also der Gesamtgläubigerschaden, geringer als die eingeklagte Summe ist. Der Gesamtgläubigerschaden entspricht dem Betrag, um den die Insolvenzmasse zur Herbeiführung der ohne Insolvenzverschleppung erzielbaren Quote erhöht werden muss.
Nach stRspr und hL verringert sich der Schaden um die Quote, die der vom Geschäftsführer unzulässig befriedigte Gläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte. Der Geschäftsführer hat die Insolvenzquote, die dem Leistungsempfänger im Insolvenzfall zugefallen wäre zu behaupten und zu beweisen. Unter „Zahlungen“ sind alle zahlungsähnlichen Handlungen, nicht aber die Begründung neuer Verbindlichkeiten und Zahlungen aus einem debitorischen Konto der Gesellschaft zu verstehen.
- WBl-Slg 2017/226
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