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Journal für Strafrecht

Heft 4, August 2022, Band 9

Rechtsprechungsübersicht EGMR – Kurzinfo

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Der Bf behauptete, dass die Verurteilung wegen seiner Befehlsverantwortung für Kriegsverbrechen gesetzlos ergangen sei, da das einschlägige Protokoll der Genfer Konventionen nur auf internationale bewaffnete Konflikte anwendbar sei. Die Verbrechen unter seiner Befehlsverantwortung hätten vor der kroatischen Unabhängigkeit stattgefunden, weshalb kein internationaler Konflikt vorgelegen habe. Der EGMR stellte fest, dass das Konzept der Befehlsverantwortung für Kriegsverbrechen sowohl in internationalen als auch innerstaatlichen Konflikten zum Zeitpunkt der einschlägigen Ereignisse als eine Regel des internationalen Rechts bestand. Die Frage, ab welchem Zeitpunkt ein internationaler Konflikt gegeben war, sei daher irrelevant. Der Bf hätte wissen müssen, dass er für die Verbrechen seiner Einheiten zur Verantwortung gezogen werden konnte. Der EGMR kam daher zum Ergebnis, dass die Verurteilung des Bf eine ausreichende gesetzliche Grundlage im internationalen Recht hatte und somit keine Verletzung von Art 7 EMRK gegeben war.

Der Bf war zunächst zu einer Verwaltungsstrafe von 113 Euro verurteilt worden, da er einen PKW ohne Führerschein in Betrieb genommen hatte. 9 Monate später nahm die Staatsanwaltschaft das Verfahren aufgrund angeblicher schwerer Verfahrensfehler wieder auf, und der Bf wurde vom zuständigen Bezirksgericht zu einer einjährigen Haftstrafe wegen desselben Vergehens verurteilt. Der EGMR kam zu dem Ergebnis, dass das erste Verfahren in Ermangelung ernsthafter Verletzungen von Prozessrecht, des Amtsmissbrauchs, grob fehlerhafter Anwendung materiellen Rechts oder anderer schwerwiegender Gründe nicht offensichtlich rechtswidrig war. Somit verstieß die Einleitung des zweiten Strafverfahrens gegen den ne bis in idem-Grundsatz, und der Bf wurde in seinen Rechten nach Art 4 7. ZPEMRK verletzt.

Die Mediengruppe Österreich GmbH hatte während eines Wahlkampfes das Bild einer Person veröffentlicht und mit der Bezeichnung „verurteilter Neo-Nazi“ untertitelt. Die Person erwirkte gerichtlich die Unterlassung und Beseitigung dieser Bezeichnung, da ihre Verurteilung bereits zwanzig Jahre zurücklag und sie seitdem ein unbescholtenes Leben geführt hatte. Der EGMR kam zu dem Ergebnis, dass das österreichische Gericht eine angemessene Abwägung zwischen dem Recht der Mediengruppe auf Meinungsfreiheit und den Persönlichkeitsrechten des Bf vorgenommen hatte. Insbesondere der lange Zeitraum, der zwischen der Verurteilung des Bf und dem Bericht lag, die zwischenzeitliche Unbescholtenheit des Bf und die niedrige Sanktion, mit der die Mediengruppe belegt wurde, ließen den EGMR zu dem Ergebnis kommen, dass im gegenständlichen Fall keine Verletzung von Art 10 EMRK vorlag.

Das armenische Kassationsgericht wendete sich mit einer Frage zum Verhältnis von Verjährungsfristen und Art 7 EMRK im Zuge des Gutachtenverfahrens gem 16. ZPEMRK an den EGMR. In einem anhängigen Fall hätte das Kassationsgericht grundsätzlich eine nationale zehnjährige Verjährungsfrist anwenden müssen. Da es sich allerdings um einen Verstoß gegen das Folterverbot durch zwei Polizisten handelte, stellte sich die Frage, ob das Kassationsgericht die Verjährungsfrist auf Basis von Art 3 EMRK aussetzen könnte. Der EGMR gab zur Antwort, dass Art 7 EMRK einer Aussetzung von Verjährungsfristen grundsätzlich entgegenstehe, da der Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz“ eine zentrale Norm der Rechtsstaatlichkeit sei. Letztlich sei es jedoch Aufgabe der nationalen Gerichte, zu beurteilen, ob Vorschriften des internationalen Rechts – hier Art 3 EMRK – im nationalen Recht eine ausreichend klare und vorhersehbare rechtliche Grundlage iSd Art 7 EMRK darstellen, die die Aussetzung einer Verjährungsfrist rechtfertigen könnten.

  • Art 7 EMRK
  • EGMR, 20.01.2022, Nr 33351/20, Milanković ./. Kroatien
  • Art 10 EMRK
  • JST 2022, 408
  • Strafrecht- und Strafprozessrecht
  • EGMR, 26.04.2022, Nr 37713/18, Mediengruppe Österreich GmbH ./. Österreich
  • Gutachten des EGMR auf Anfrage des armenischen Kassationsgerichts, 26.04.2022, Nr P16-2021-001
  • EGMR, 01.03.2022, Nr 23126/16, Stăvilă ./. Rumänien
  • Art 4 7. ZPEMRK

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