Nachhaltigkeit ist ein zentrales und zugleich vielschichtiges Anliegen der Justiz, welches auf struktureller, formeller und materieller Ebene angesiedelt ist. Aufgabe der Politik und insbesondere der Bundesministerin für Justiz ist es, alle drei Bereiche zu stärken, weiterzuentwickeln und ihr Funktionieren langfristig sicherzustellen. Darüber hinaus kann – und muss – die Rechtsordnung eine entscheidende Rolle beim Finden nachhaltiger Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit, etwa den globalen Klimawandel, spielen.
- ISSN Online: 2708-9657
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Inhalt der Ausgabe
S. 155 - 168, Aufsatz
Der European Green Deal: „Political Sector Coupling“ auf dem Weg zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft
Nachdem 2019 die Möglichkeiten für politische Kompromisse zwischen den EU-Mitgliedstaaten im Kampf gegen den Klimawandel und für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft weitgehend ausgereizt erschienen, setzt die Europäische Kommission auf einen umfassenderen Ansatz, der verschiedene Politiksektoren koppelt. Besondere Bedeutung kommt dabei dem separat beschlossenen Finanzmechanismus zu, der gerade auch im Zusammenspiel mit den Mitgliedstaaten ein „political sector coupling“ über die engen Grenzen der Rechtsetzungszuständigkeit hinaus erlaubt. Um erfolgreich zu sein, sollte dieses – dem Nachhaltigkeitsrecht immanente – holistische Konzept auch für die Einbindung weiterer Bevölkerungsgruppen verwendet werden.
Die rechtliche Förderung von Nachhaltigkeitsbelangen assoziiert man traditionell stärker mit dem Öffentlichen Recht als dem Privat- oder gar mit Gesellschaftsrecht. Jüngst wird jedoch vermehrt zu der Frage geforscht, inwieweit auch Letzteres als Vehikel für nachhaltiges Wirtschaften fungieren kann. Erste einschlägige gesetzgeberische Aktivitäten sowohl auf nationaler als auch auf Unionsebene verdeutlichen die praktische Relevanz dieser Frage. Der Beitrag widmet sich der Bedeutung der Nachhaltigkeit im Gesellschaftsrecht, gibt einen Überblick über die aktuellen Diskussionslinien und formuliert gemeinsame Regulierungsfragen.
Österreichs Rechtssystem bietet derzeit keine Möglichkeit, effektiven Klimaschutz im Einklang mit dem wissenschaftlich notwendigen 1,5 °C Ziel und den verfassungsrechtlichen Grundrechten einzufordern. Individualanträge können selbst im Erfolgsfall nur einen kleinen Beitrag dazu leisten. Der Gang zum VfGH im Rahmen der „österreichischen Klimaklage“ war dennoch erforderlich und Teil einer wohlüberlegten Strategie. Denn nur mit Aufzeigen dieses Rechtsschutzdefizits besteht eine realistische Chance, den – mit den Grundrechten nicht in Einklang zu bringenden und die Klimaziele klar konterkarierenden – status quo zu verändern.
S. 185 - 194, Aufsatz
Einbindung der Öffentlichkeit in Umweltverfahren durch Beteiligtenstellung
Die Aarhus-Konvention hat in den vergangenen Jahren für umfassende rechtliche Entwicklungen gesorgt. Während bestimmte Vorhaben mit Auswirkungen auf die Umwelt eindeutig von ihrem Anwendungsbereich erfasst sind, setzten sich Gerichte in den vergangenen Jahren zunehmend mit der Frage auseinander, inwieweit Genehmigungen anderer Tätigkeiten mit potenziell erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt von der Konvention erfasst sind und daher die Beteiligung der Öffentlichkeit erfordern. Dabei ist fraglich, ob das in Österreich zur Umsetzung gewählte Sondermodell einer Beteiligtenstellung mit Rechtsmittelbefugnis und der damit verbundene Rechtsschutz geeignet ist, um den Vorgaben der Konvention zu entsprechen.
Art 3 Abs 5 EUV verpflichtet die EU, zu einem „gerechten“ Welthandelssystem beizutragen. Doch was bedeutet „gerecht“? Innerhalb der EU-Institutionen herrscht Einigkeit, dass hierunter nicht ausschließlich Handel in Übereinstimmung mit dem Welthandelsrecht, sondern auch Aspekte der nachhaltigen Entwicklung zu fassen sind. Dementsprechend finden sozial- und umweltpolitische Aspekte in der EU-Handelspolitik Berücksichtigung. Dies trifft seit der Reform der handelspolitischen Schutzinstrumente der EU auch auf das EU-Antidumping- und Antisubventionsrecht zu. Der vorliegende Artikel stellt diese Änderungen vor und zeichnet nach, inwieweit sie einen effektiven Beitrag zur globalen Förderung umwelt- und sozialpolitischer Belange durch handelspolitische Maßnahmen der EU leisten können.
S. 205 - 209, Judikatur
Die erste Klimaklage vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof
Der Verfassungsgerichtshof hat den Individualantrag auf Aufhebung von Steuerbefreiungen für die Personenbeförderung mit Luftfahrzeugen im UStG 1994 und MineralölsteuerG 1995 sowie auf Aufhebung der Luftfahrtbegünstigungsverordnung („Klimaklage“) zurückgewiesen.
Es liegt selbst bei Überwälzung der den Unternehmer treffenden Abgabenlast (zur Entrichtung der Umsatzsteuer für grenzüberschreitende Beförderungsleistungen mit der Bahn) auf die Verbraucher kein Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerinnen und -steller vor.
Den Antragstellerinnen und -stellern kommt keine Normadressateneigenschaft zu, weil sie nach ihren Angaben für grenzüberschreitende Personenbeförderungsdienstleistungen nicht die Leistungen von Luftfahrtunternehmen in Anspruch nehmen (wollen), sondern jene von Eisenbahnunternehmen.
Abstract
Unter dem Schlagwort „Klimaklage“ wandten sich 8.063 Antragstellerinnen und -steller mit Individualantrag an den Verfassungsgerichtshof, weil die Steuerbefreiungen für die Personenbeförderung mit Luftfahrzeugen im UStG 1994 und MineralölsteuerG 1995 sowie die Luftfahrtbegünstigungsverordnung ein klimaschädliches Verhalten fördern würden. Der VfGH wies den Antrag (und damit die erste Klimaklage Österreichs) zurück: die Antragstellerinnen und -steller seien nicht Normadressatinnen und -adressaten dieser Bestimmungen.
S. 210 - 212, Judikatur
Augartenabsenkung Graz: Artenschutzrechtliche Prüfung im Bewilligungsverfahren eröffnet Umweltorganisationen Beschwerdemöglichkeit im Naturschutzverfahren
Umweltorganisationen sind mit Blick auf eine aus der Aarhus-Konvention abgeleitete Parteistellung darauf beschränkt, im Verfahren die Beachtung der aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen.
Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention verpflichtet die Mitgliedstaaten in Verbindung mit Art 47 GRC dazu, für Mitglieder der Öffentlichkeit im Sinn dieser Bestimmung der Aarhus-Konvention einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten.
Mit den §§ 17, 18 und 19 StNSchG 2017 hat der Landesgesetzgeber unzweifelhaft Umweltrecht der Union, nämlich die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) und die Vogelschutz-Richtlinie, umgesetzt.
Durch Vornahme einer artenschutzrechtlichen Prüfung wird das (Unions-)Artenschutzrecht inzident angewendet.
Bei der Beurteilung unionsrechtlicher Umsetzungsnormen kommt es auf deren Inhalt an. Ein Konnex zu unionsrechtlichen Bestimmungen im Rahmen des Verfahrens nach § 5 StNSchG genügt, um Umweltorganisationen ein Rechtsmittelrecht zu gewähren.
Ein Verwaltungsgericht kann die Beschwerdelegitimation einer Umweltorganisation nicht mit der Begründung der mangelnden Anwendbarkeit der Aarhus-Konvention verneinen, wenn (Unions-)Artenschutzrecht inzident angewendet wird.
Abstract
In der Rechtssache „Augartenabsenkung“ erhoben zwei anerkannte Umweltorganisationen im Sinne des UVP-Gesetzes 2000 Beschwerden gegen einen naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheid nach dem StNSchG 2017. Die Zurückweisung der Beschwerden durch das LVwG wurde vom VwGH als rechtswidrig aufgehoben, weil durch die vorgenommene artenschutzrechtliche Prüfung inzident Unionsumweltrecht angewendet wurde. Die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung wurde nicht gefordert.
S. 212 - 215, Judikatur
EU-Ecolabel und ISO 14001:2015: keine vergaberechtliche Gleichwertigkeit
Ausschreibungsunterlagen sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen.
Werden in den Ausschreibungsunterlagen bestimmte Zertifizierungen „oder gleichwertig“ verlangt, muss der Auftraggeber abweichende Zertifizierungen nur dann anerkennen, wenn es sich um gleichwertige Gütesiegel handelt. Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit ist insbesondere auf den übereinstimmenden Zertifizierungsgegenstand abzustellen (Produktionsprozess, Produkt, Betrieb etc).
Abstract
Verlangt ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen eines Vergabeverfahrens eine bestimmte „oder gleichwertig[e]“ Umweltzertifizierung, ist die „Gleichwertigkeit“ einer davon abweichenden Zertifizierung anhand des Zertifizierungsgegenstands zu beurteilen.
S. 216 - 220, Judikatur
EuGH: Kein berechtigtes Vertrauen auf gleichbleibende Höhe italienischer Fotovoltaik-Förderung
Weder Art 3 Abs 3 lit a Erneuerbare-Energien-RL noch Art 17 GRC stehen im Lichte der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Kürzung oder Aufschiebung der Zahlung von Förderleistungen für von Fotovoltaikanlagen erzeugten Strom entgegen. Dies gilt insoweit dies zwar bereits bewilligte, und durch Vereinbarungen mit einer Gesellschaft öffentlichen Rechts bestätigte, aber noch nicht fällige Förderleistungen betrifft.
Das von den Fotovoltaikanlagenbetreibern geltend gemachte Recht, für die gesamte Laufzeit der Vereinbarungen unverändert in den Genuss der betreffenden Förderleistungen zu kommen, stellt keine gesicherte Rechtsposition dar. Die Änderung der Höhe der Förderleistungen oder der Modalitäten ihrer Zahlung kann daher nicht mit einem Eingriff in das durch Art 17 GRC geschützte Eigentumsrecht gleichgestellt werden.
Art 10 Energiecharta findet keine Anwendung auf Streitigkeiten zwischen Investoren und ihrem Heimatstaat.
Abstract
Der EuGH misst im vorliegenden Fall die nachträgliche Kürzung bereits zugesagter Förderleistungen für von Fotovoltaikanlagen erzeugten Strom im Wesentlichen am unionsrechtlichen Vertrauensschutz und stellt dabei keinen Eingriff fest. Was die vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Frage der Anwendbarkeit der Energiecharta betrifft, geht der Gerichtshof nicht über das zur Beantwortung Notwendige hinaus und lässt die Tragweite seines Achmea-Urteils aus 2018 (weiterhin) offen.
S. 221 - 223, Judikatur
„Portuguese Youth Case“: Erste EMRK-Beschwerde gegen Treibhausgasemissionen ist anhängig
Sechs portugiesische Jugendliche reichten vor dem EGMR eine Individualbeschwerde wegen unzureichender Reduktion von Treibhausgasemissionen in 33 Staaten ein. In diesem sogenannten Portuguese Youth Case hat sich der EGMR erstmals mit der Menschenrechtsdimension von Treibhausgasemissionen zu befassen. Der EGMR gab dem Antrag auf vorrangige Behandlung aufgrund der Dringlichkeit des Falles statt.
S. 223 - 231, Judikatur
BVerfG: Investitionsvertrauensschutz im deutschen Energierecht
Art 14 Abs 1 GG schützt unter Umständen das Vertrauen in den Bestand der Rechtslage als Grundlage von Investitionen in das Eigentum. Das setzt aber eine eigentumsfähige Rechtsposition voraus.
Art 12 Abs 1 GG kann eine Übergangsregelung gebieten, wenn eine in der Vergangenheit in erlaubter Weise ausgeübte Berufstätigkeit künftig unzulässig ist. Hingegen bietet Art 12 Abs 1 GG grundsätzlich keinen Vertrauensschutz wegen frustrierter Investitionen, die mit Blick auf eine künftige unternehmerische Tätigkeit erfolgt sind.
Der allgemeine Vertrauensschutz nach Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG ergänzt die spezifischen Vertrauensschutzverbürgungen der besonderen Freiheitsrechte. Das Kriterium der Rückwirkung kann Aufschluss darüber geben, ob eine Rechtsänderung schutzwürdige Stabilitätserwartungen enttäuscht, also nicht bloß die allgemeine Erwartung betrifft, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen. Die durch Verhältnismäßigkeitsanforderungen konkretisierten verfassungsrechtlichen Grenzen der Rückwirkung finden über das Steuerrecht hinaus auch in anderen Rechtsgebieten Anwendung.
Abstract
Der deutsche Gesetzgeber hat 2017 ein neues System für die Vergabe von Flächen und Subventionen für die Errichtung von Offshore-Windparks eingeführt. Im Zuge dieser Umstellung wurden die nach der alten Rechtslage begonnenen Zulassungsverfahren von Projekten, die bereits geplant, aber noch nicht realisiert waren, ex lege beendet und so die Investitionen der Projektwerber entwertet. Dies hat das BVerfG für verfassungswidrig erklärt: Der deutsche Gesetzgeber musste eine Ausgleichsregelung schaffen, mit der Investoren für ihre Verluste entschädigt werden. Dieser Verpflichtung ist er nur unzureichend nachgekommen.
S. 232 - 234, Judikatur
BVerfG entscheidet über teilweise Verfassungswidrigkeit des deutschen Klimaschutzgesetzes
Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter durch Umweltbelastungen ein, gleich von wem und durch welche Umstände sie drohen. Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen.
Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität.
Art. 20a GG genießt keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern ist im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen. Dabei nimmt das relative Gewicht des Klimaschutzgebots in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zu.
Besteht wissenschaftliche Ungewissheit über umweltrelevante Ursachenzusammenhänge, schließt die durch Art. 20a GG dem Gesetzgeber auch zugunsten künftiger Generationen aufgegebene besondere Sorgfaltspflicht ein, bereits belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen zu berücksichtigen.
Als Klimaschutzgebot hat Art. 20a GG eine internationale Dimension. Der nationalen Klimaschutzverpflichtung steht nicht entgegen, dass der globale Charakter von Klima und Erderwärmung eine Lösung der Probleme des Klimawandels durch einen Staat allein ausschließt. Das Klimaschutzgebot verlangt vom Staat international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken. Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen.
In Wahrnehmung seines Konkretisierungsauftrags und seiner Konkretisierungsprärogative hat der Gesetzgeber das Klimaschutzziel des Art. 20a GG aktuell verfassungsrechtlich zulässig dahingehend bestimmt, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist.
Art. 20a GG ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die künftigen Generationen binden soll.
Die Vereinbarkeit mit Art. 20a GG ist Voraussetzung für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung staatlicher Eingriffe in Grundrechte.
Das Grundgesetz verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Zeit und zur verhältnismäßigen Verteilung von Freiheitschancen über die Generationen. Subjektivrechtlich schützen die Grundrechte als intertemporale Freiheitssicherung vor einer einseitigen Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Auch der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten.
Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln.
Der Gesetzgeber muss die erforderlichen Regelungen zur Größe der für bestimmte Zeiträume insgesamt zugelassenen Emissionsmengen selbst treffen. [...] Die Herausforderung liegt nicht darin, zum Schutz der Grundrechte regulatorisch mit Entwicklung und Erkenntnis Schritt zu halten, sondern es geht vielmehr darum, weitere Entwicklungen zum Schutz der Grundrechte regulatorisch überhaupt erst zu ermöglichen.
Abstract
Der Beschluss des BVerfG vom 24. März 2021 zur teilweisen Verfassungswidrigkeit des deutschen Klimaschutzgesetzes bildet einen Meilenstein für das Klimaschutzrecht und damit zugleich für das Nachhaltigkeitsrecht. Gerade unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit nimmt das Gericht dabei einige wegweisende rechtsdogmatische Weichenstellungen vor.
Inwieweit können Unternehmen für Folgen des Klimawandels haftbar gemacht werden? Um diese Frage kreist ein Rechtsstreit zwischen einem peruanischen Bauern und einem deutschen Energiekonzern, dessen bisheriger Verlauf und aktueller Stand in diesem Beitrag skizziert werden sollen. Zudem werden Aspekte der zugrundeliegenden zivilrechtlichen Argumentation beleuchtet, die auch für andere Klimaklagen wegweisend sein könnten.
S. 238 - 241, Judikatur
Schadenersatz für Abweichungen vom Klimazielpfad: Erfolg für die französische Klimaklage „L’Affaire du Siècle“
Die Folgen der Klimaerwärmung stehen auch in kausalem Zusammenhang mit der Säumigkeit Frankreichs, angemessene Maßnahmen zu erlassen, um auf dem vorgeschriebenen Klimazielpfad zur Erreichung der festgelegten Klimaziele zu bleiben.
Frankreich kann dafür im Wege der Amtshaftung nach den Bestimmungen des französischen Umweltschadenersatzrechts zur Mitverantwortung gezogen werden.
Ob auch Säumnisschutz besteht, mit dem dem Staat die Erlassung angemessener zusätzlicher Maßnahmen aufgetragen würde, ist zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden.
Abstract
In der Rechtssache „L’Affaire du Siècle“ entschied erstmals ein Gericht in Frankreich, dass eine Amtshaftungsklage wegen der Untätigkeit Frankreichs zur angemessenen Bekämpfung des Klimawandels nicht nur zulässig ist, sondern dass ein ökologischer Schaden besteht und dass Frankreich dafür nach den Bestimmungen des Umweltschadenersatzrechts zur Mitverantwortung gezogen werden kann. Über den Säumnisschutz wird das Pariser Verwaltungsgericht zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.
S. 242 - 244, Praxis
Tax Policy and Climate Change – Steuerpolitik und Klimawandel
Mit dem Tax Policy and Climate Change Report wenden sich der Internationale Währungsfond (IWF) und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) an die G20-Finanzminister und -Zentralbankpräsidenten. Der rechtlich nicht verbindliche Bericht ist Teil der Verhandlungen über die Rolle der Bepreisung von Treibhausgasemissionen als Maßnahme zur Eindämmung des Klimawandels. Angesichts der Tatsache, dass die G20-Staaten für mehr als 80 % der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sind, kommt der Positionierung ihrer Finanzminister und Zentralbankpräsidenten in der Frage der Bepreisung von Treibhausgasemissionen eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu. Durch internationale Koordinierung könnten sie die Gestaltung der Bepreisung auf die Ziele des Klimaschutzes abstimmen und wirtschaftliche wie geopolitische Spannungen minimieren. Der Beitrag beleuchtet die zentrale Bedeutung, die der Steuerpolitik im Kampf gegen den Klimawandel zukommen kann.
Fundstelle: (2021) Tax Policy and Climate Change, IMF/OECD Report for the G20 Finance Ministers and Central Bank Governors, April 2021, Italy.
S. 245 - 249, Praxis
Mit digitaler Transformation zur nachhaltigen Verfahrensführung in (internationalen) Schiedsverfahren – Teil 1: rechtliche Rahmenbedingungen
Im Zuge des wachsenden Bewusstseins für die Notwendigkeit von ressourcenschonenden Verhalten im Schiedsverfahrensrecht, erfährt zB der Einsatz von Videokonferenztechnologie zur Durchführung einer Verhandlung einen immer größeren Stellenwert. Der folgende Beitrag richtet sich insbesondere an Praktikerinnen und Praktiker aus dem Schiedsrecht und gibt einen kursorischen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen nachhaltiger Verfahrensführung und die etwaigen rechtlichen Hürden und Unterschiede verschiedener Jurisdiktionen, die es zu beachten gilt. Im nächsten Heft folgt Teil 2 zu den technischen Rahmenbedingungen nachhaltiger Verfahrensführung.
S. 249 - 254, Praxis
Vorschläge zur Bekämpfung von „Greenwashing“ in internationalen Lieferketten
Der folgende Beitrag richtet sich an den österreichischen Gesetzgeber, an internationale Schiedsinstitutionen sowie an Unternehmen, die in einer führenden Rolle in internationalen Lieferketten involviert sind, und soll Lösungsvorschläge zur Reduzierung von Greenwashing entlang internationaler Lieferketten aufzeigen. Die im Beitrag abgegebenen Empfehlungen würden sowohl zu gesetzlichen Änderungen (zB Änderungen im Steuerrecht, Aktiengesetz etc) als auch zur Verabschiedung eigenständiger umweltbezogener Schiedsregeln durch Schiedsinstitutionen (zB Vienna International Arbitral Centre, kurz VIAC) führen.
S. 255 - 258, Praxis
Die Verantwortlichkeit für Menschenrechts- und Umweltschutzverletzungen in der Lieferkette als neue Gesetzesvorhaben in Deutschland und auf EU-Ebene
In Deutschland liegt seit kurzem der Entwurf zum „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“ vor. Dieser verpflichtet deutsche Unternehmen künftig entlang ihrer Lieferkette menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten einzuhalten. Fast zeitgleich hat auch das Europäische Parlament Eckpunkte für ein europäisches Lieferkettengesetz beschlossen. Durch die neuen Gesetzesvorhaben werden die Anforderungen an österreichische Unternehmen bzw Zulieferer in Bezug auf die Sicherstellung von ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit und der entsprechenden Corporate Social Responsibility wesentlich steigen.
Fundstelle: Entwurf eines Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Stand 24. März 2021); Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. März 2021 mit Empfehlungen an die Kommission zur Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen (2020/2129(INL)).
S. 258 - 262, Praxis
Neue Handreichung: Unterstützung bei der nachhaltigen IKT Beschaffung – Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards innerhalb der (globalen) Lieferkette
Fundstelle: , Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung.
S. 263 - 264, Praxis
Institut für Umwelt, Friede und Entwicklung (IUFE) – Perspektiven 2030
Das IUFE arbeitet praxisnah an der erfolgreichen Umsetzung der 17 SDGs auf verschiedenen Realisierungsebenen. An der Schnittstelle zwischen Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft werden innovative Lösungsansätze sowie Aspekte von Stadt- und Gemeindeentwicklung, Klimaschutz, Entwicklungszusammenarbeit, Menschenrechte, Inklusion, Unternehmertum, Bildung und Partnerschaften im Kontext der nachhaltigen Entwicklung erarbeitet. Dazu zählen beispielsweise der SDG-Sammelband „Perspektiven 2030“, das Forschungsprojekt „Menschenrechte & Agenda 2030“, das Anwendungstool „SDG-Kommunalcheck für Investitionsprojekte“, das Projekt „Kommunale SDG-Umsetzung in Niederösterreich“ sowie der heurige Jahresschwerpunkt „Digitalisierung & nachhaltige Entwicklung“.
S. 273 - 274, Veranstaltungen
„Green Protocols“ – Erster Schritt zu nachhaltigeren Schiedsverfahren
S. 274 - 275, Veranstaltungen
Der Wald im Bundesstaat – Berufungsvorträge für den Rechtslehrstuhl an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU)
S. 275 - 276, Veranstaltungen
„Sustainable Finance Series“-Eventreihe zu nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten
S. 276 - 278, Veranstaltungen
Wiedereintritt der USA in das Pariser Klimaabkommen – Die Hoffnung auf eine konsequente Klimapolitik
S. 278 - 279, Veranstaltungen