Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat im Dezember 2020 die Strafbarkeit der Mitwirkung am Suizid (§ 78 2. Alt StGB) mit Wirkung 31.12.2021 aufgehoben. Trotz intensiver Diskussion gibt es Mitte Oktober 2021 noch keinen Gesetzesvorschlag, um eine vergleichbare Strafbarkeit aufrecht zu erhalten. Dem Vernehmen nach ist ein Gesetz im Endstadium der Ausarbeitung. Der vorliegende Beitrag präsentiert verschiedene Möglichkeiten, die sich ab 2022 bieten könnten. Nach einer Einleitung (1.) sollen zunächst die Begriffe „Selbsttötung“ und „Fremdtötung“ im Kontext des StGB erörtert werden (2.). Dem folgen Ausführungen zum grundrechtlichen Rahmen für den assistierten Suizid (3.) sowie eine Zusammenfassung der zentralen Argumente der VfGH-Entscheidung 2020 mit ausgewählten Stellungnahmen dazu in der Literatur (4.). Im Anschluss sollen mögliche Wege einer rechtlichen Umsetzung mit Blick auf die Diskussion im „Dialogforum Sterbehilfe“ dargestellt werden (5.). Ein zusammenfassender Ausblick (6.) steht am Ende des Beitrags.
- ISSN Online: 2708-6410
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Inhalt der Ausgabe
S. 128 - 129, Aktuelles in Kürze
Örtliche Zuständigkeit für Verfahren nach dem Stmk SHG – und täglich grüßt das Murmeltier
S. 129 - 130, Aktuelles in Kürze
Hemmung der Verjährung aufgrund des COVID-19-VwBG 2020
S. 131 - 141, Aus aktuellem Anlass
Mögliche Grenzen straffreier Suizidunterstützung – ein (vorsichtiger) Ausblick auf 2022
Der digitale Wandel in der Arbeitswelt eröffnet für eine Vielzahl von Berufen die Möglichkeit örtlich entgrenzter Arbeit, denn er erstreckt den Rahmen des Betriebes über die Arbeitsstätte hinaus: sowohl auf die private Wohnung als auch auf den öffentlichen Raum; löst ihn sogar von seiner örtlichen Fixierung in eine über- und durchgreifende Mobilität auf. Die Digitalisierung entbindet von der Anwesenheit und verbindet trotz Abwesenheit. Arbeit aus der Ferne ist zwar kein neues Phänomen, jedoch ein Epiphänomen neuer Nähe. „Telearbeit im Homeoffice“ steht paradigmatisch für diese Annäherung ungeachtet aller Entfernung, die sich beinahe unmerklich, obschon wohlweislich im Zuge der Globalisierung vollzieht.
S. 148 - 152, Fachbeitrag
Telemedizin und die unmittelbare Ausübungspflicht der Ärzte
Im Zuge der Corona-Krise ist die Telemedizin in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Die erstaunte Öffentlichkeit wurde unversehens darüber informiert, dass nunmehr „telemedizinische“ Leistungen über die Sozialversicherung verrechenbar seien. Dem überraschten Laien war diese Möglichkeit bis dahin wohl in den seltensten Fällen bekannt. Dem interessierteren Teil der Ärzteschaft mag vielleicht ein seltsames Gefühl aufgestiegen sein, hatte man doch vage in Erinnerung, dass eine telefonische Auskunftserteilung nicht rechtens sei, sollte die ärztliche Dienstleitung, nämlich Anamnese, diagnostische Maßnahmen, Diagnosestellung und Therapievoraschlag eigentlich doch unmittelbar am Patienten verrichtet werden. Zumeist wird das Interesse an dieser Fragestellung angesichts der unwägbaren Schwankungen der Patientenströme während des Höhepunktes der Krise rasch anderen wichtigen Themen gewichen sein.
Interview mit Dr. Thomas Wegscheider geführt von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Kröll
S. 159 - 165, Blick nach ...
Mehr Risikokompetenz für eine neue Welt
Lagen falsch eingeschätzt, Operation geglückt, Patient tot: Zeit für angemessene Kompetenzen und wirksames Risikomanagement, nicht nur im Gesundheitswesen
Ein Arzt, der eine zum Erwerb eines Notarztdiploms der österreichischen Ärztekammer notwendige Fortbildung absolvierte, erlitt beim vorgeschriebenen praktischen Teil dieser Ausbildung eine schwere Verletzung. Diese schwere Verletzung wurde ihm von einem anderen Arzt bei der Übung einer Notfallmaßnahme („Heimlich-Handgriff“) zugefügt. Der verletzte Arzt klagte seinen Kollegen auf Schmerzengeld. Das Gericht beauftragte ein Sachverständigengutachten. Darauf soll nun im Folgenden Bezug genommen werden.
Grundlage für die Arzt-Haftung wegen Verletzung der Aufklärungspflicht ist das Patienten-Selbstbestimmungsrecht; demgemäß hat eine Einwilligung in die konkrete Behandlungsmaßnahme vorzuliegen, wobei über die Bedeutung des vorgesehenen Eingriffs und deren möglichen Folgen hinreichend aufgeklärt werden muss.
Die ärztliche Aufklärungspflicht ist beim Vorliegen so genannter typischer Gefahren verschärft, wobei sich die Typizität nicht aus der Komplikationshäufigkeit, sondern daraus ergibt, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung größter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist und die/den nicht informierte/n Patientin/Patienten überrascht, weil sie/er damit nicht rechnet. Dabei ist darauf abzustellen, ob ein/e ordentliche/r und pflichtgetreue/r Durchschnitts(Fach)Arzt/Ärztin in der konkreten Situation der/des behandelnden Ärztin/Arztes als Sachverständige/r iSd § 1299 ABGB gemessen am jeweiligen zumutbaren Erkenntnisstand der Ärzt/inn/e/n und den aktuell anerkannten Regeln ärztlicher Kunst in der Lage gewesen wäre, das verwirklichte Risiko abzusehen.
OGH 27.5.2021, 5 Ob 28/21k
§ 1299 ABGB
S. 173 - 175, Rechtsprechung
§ 32 Epidemiegesetz – die Vergütung des Verdienstentganges umfasst auch Sonderzahlungen
Der VwGH hatte sich in seiner Entscheidung vom 24.6.2021, Ra 2021/09/0094 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob hinsichtlich an COVID-19 erkrankter und abgesonderter Mitarbeiter zu entscheiden, ob die im Epidemiegesetz vorgesehene Vergütung für den Verdienstentgang auch Sonderzahlungen beinhaltet. Im Ergebnis hat der VwGH den Anspruch auf Vergütung von Sonderzahlungen bejaht.
S. 176 - 179, Rechtsprechung
Zulässigkeit einer Kündigung wegen Verweigerung von COVID-19-Tests
Der Arbeitgeber, Betreiber eines Alten- und Pflegeheimes, war als unmittelbarer Adressat der COVID-19-Notmaßnahmen-Verordnung (VO) zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung verpflichtet, dem Arbeitnehmer ohne Vorliegen eines negativen Testergebnisses (bzw einer der in der VO statuierten Ausnahmen) das Betreten der Betriebsstätte zu verwehren.
Aus der VO ergab sich eine zumindest mittelbare Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich den vom Arbeitgeber angeordneten (für ihn kostenfreien) Tests zu unterziehen, damit der Arbeitgeber ihn weiter im Alten- und Pflegeheim beschäftigen und er seinem Arbeitsvertrag nachkommen konnte.
Hinzu kommt, dass sich die hier maßgebliche Verpflichtung wohl auch aus der Verantwortung des Heimbetreibers für die Gesundheit der Heimbewohner rechtfertigen lässt.
Die (beharrliche) Weigerung des Arbeitnehmers, sich auf Kosten des Arbeitgebers den von ihm angeordneten regelmäßigen Tests zu unterziehen, war daher offenbar unbegründet. In der daraufhin ausgesprochenen Kündigung ist eine verpönte Retorsionsmaßnahme nicht zu erblicken.
OGH 14.09.2021, 8 ObA 42/21s
§ 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG; § 10 COVID-19-NotMV