Die geplante Novelle des Universitätsgesetzes steht zurecht in massiver Kritik. Sie sieht eine Entdemokratisierung der Universitäten vor, würde eine noch stärkere Prekarisierung des wissenschaftlichen Nachwuchses mit sich bringen und einige der Studierenden enorm unter Druck setzen. Der Beitrag fasst die wesentlichen Änderungsvorschläge und – auf die zahlreichen kritischen Stellungnahmen im Begutachtungsprozess zurückgreifen –, deren problematische Implikationen zusammen.
- ISSN Online: 2309-7477
20,00 €
inkl MwSt
Inhalt der Ausgabe
Rezension zu: Haslinger Susanne, Krisch Andreas, Riesenecker-Caba Thomas), Beschäftigtendatenschutz, 2020, ÖGB Verlag, 300 Seiten, ISBN: 978-3-99046-405-2
Am 18. September 2020 starb Ruth Bader Ginsburg, Richterin am Supreme Court of the United States. Der vorliegende Nachruf lässt Leben und Wirken einer außergewöhnlichen Juristin Revue passieren.
Ein menschenrechtskonformes Gerichtsverfahren erfordert in vielen Fällen auch Dolmetschleistungen, die von qualifizierten Gerichtsdolmetscher_innen (GDs) zu erbringen sind. Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind unter anderem in der Europäischen Menschenrechtskonvention und in der österreichischen Strafprozessordnung enthalten. Die Qualifikationserfordernisse und die Entlohnung für Gerichtsdolmetscher_innen sind im Sachverständigen- und Dolmetschergesetz festgelegt. Die aktuelle Entlohnung für GDs steht aber in keinem Verhältnis zu den Anforderungen, die dieser Beruf stellt. Die ohnehin viel zu niedrigen Ansätze des Gebührenanspruchsgesetzes wurden seit 2007 nicht mehr inflationsangepasst. Trotz gegenteiliger Versprechungen wurden die GDs auch im Budgetbegleitgesetz 2021 nicht berücksichtigt. Als Folge davon ergreifen immer weniger asugebildete Dolmetscher_innen diesen Beruf und es wird für Richter_innen immer schwerer, qualifizierte Dolmetscher_innen zu finden.
Zur Zeit erreichen zahlreiche Atomkraftwerke innerhalb und außerhalb Europas das Ende ihrer ursprünglich vorgesehenen Laufzeit. Jene Staaten, in denen Atomstrom weiterhin einen beträchtlichen Anteil am Energiemix haben soll, sind daran interessiert, diese weiter am Netz zu halten. Da eine solche Verlängerung der Betriebszeit zum Teil in Schnellverfahren oder gänzlich ohne neuerliche Bewilligung abläuft, kam in den vergangenen Jahren eine internationale Debatte rund um die Prüfpflicht solcher Laufzeitverlängerungen (lifetime extensions bzw „LTE“) auf. Benachbarte Staaten, Umweltschutzorganisationen und Einzelpersonen sind daran interessiert, sich in die rechtlichen Verfahren – soweit solche durchgeführt werden – einbringen zu können. Ein Urteil des EuGH zum belgischen AKW Doel aus dem Jahr 2019 sowie eine im Dezember 2020 verabschiedete Guidance zur Anwendbarkeit des Übereinkommens von Espoo über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen lassen etwas Hoffnung aufkommen.
Der Beitrag beleuchtet die zum Teil fehlenden rechtlichen Grundlagen für die Anordnung des Fernunterrichts während der Corona-Pandemie 2020, die Probleme bei dessen Durchführung und die Auswirkungen der Verweigerung von Betreuung an den Schulen. Die Betrachtung der sozialen Institution Schule nimmt dabei einen großen Teil ein: Für viele Schüler*innen ist sie nicht nur jene Einrichtung, die ihr Recht auf Bildung verwirklichen soll, sondern die einen emotionalen und strukturgebenden Ankerpunkt darstellt, der ihrer persönlichen Entwicklung dienen sollte. Während der Zeit des Fernunterrichts litten besonders jene sozioökonomisch benachteiligten Schüler*innen, die diese Struktur am meisten gebraucht hätten. Diese Struktur in Form der Betreuung wurde ihnen, entgegen der Vorgaben der Bildungsbehörden durch die Schulen, zum Teil verweigert. Ein eindeutiges Fazit, ob der Umgang des Schulsystems mit dem Coronavirus das Recht auf Bildung verletzte, lässt sich ohne Kenntnis der mittel- und langfristigen Auswirkungen nicht ziehen.
S. 41 - 51, recht & gesellschaft
Leistbares Wohnen – Welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssen dafür wie geändert werden?
„Leistbares Wohnen“ steht seit Jahren immer wieder im Fokus verschiedener stakeholder unserer Zivilgesellschaft, manchmal auch im Zentrum des medialen Interesses und - besonders in Vorwahlzeiten - in der Aufmerksamkeit der politischen Parteien. Vor allem in Ballungsräumen hat der freie Markt ein auch für Normalverdiener_innen leistbares Angebot nicht geschaffen, im Gegenteil: Er hat dieses sogar noch verknappt; europäische Großstädte wie London, Paris und München sind dafür beispielgebend. Die prinzipielle Verantwortung des Staates und der Gesellschaft für die Leistbarkeit des Wohnens für alle Bevölkerungsschichten zu sorgen, wird im Allgemeinen bejaht. Welche Maßnahmen man dafür ergreifen sollte, da gehen die Meinungen aber durchaus weit auseinander. In Österreich wird traditionell einem zu geringen Bestand an leistbarem Wohnraum hauptsächlich durch drei Säulen entgegengewirkt; durch die Anwendung des Mietrechtsgesetzes (MRG) auf Wohneinheiten vornehmlich im Altbaubestand, die Gestaltung des gemeinnützigen Sektors (Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz – WGG) und mittels der Förderung des Wohnungsneubaus und der Wohnaussanierung, die seit 1989 in der Kompetenz der Länder ist.
Im juridikum 3/2020 wurden vom Autor bereits einige Spielfelder, auf denen in Richtung mehr leistbares Wohnen interveniert werden kann, einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen und auch mögliche Verbesserungen zu den Themenfeldern Wohnbauförderung und Bodenpolitik angesprochen. Themen dieses Beitrages sind ausführlichere Analysen und Vorschläge rund um das Wohnzivilrecht, und zwar zum Mietrecht und zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz.
Die Auseinandersetzung mit der Judikatur des EGMR zeigt, dass das Phänomen Hacktivism, welches computer hacking und politisch motivierten Protest fusioniert, den Schutz des Art 10 EMRK genießt, solange es sich in einem verfassungsrechtlichen Rahmen bewegt, der demokratische Regeln und Ideale schützt. Wenn weder die EMRK noch ihre grundlegenden Werte in Frage gestellt werden, kann Hacktivism als Ausdruck von (virtuellem) politischen Protest zu einer freien politischen Debatte beitragen. Entsprechend dem Grundgedanken, dass Protest als Leitprinzip fungiert, um Demokratien weiterzuentwickeln, stellt Hacktivism somit keine Bedrohung für eine demokratische Gesellschaft dar. Vielmehr kann es im Sinne des EGMR, der die EMRK als „lebendiges Instrument“ begreift, als Fortentwicklung des Rechts auf freie Meinungsäußerung verstanden werden. Hacktivism stünde somit im Einklang mit der Judikatur des EGMR, welche die EMRK unter Berücksichtigung auf den aktuellen Gegebenheiten auslegt, um den europäischen Menschenrechtsstandard laufend fortzuentwickeln.
Die aufschiebende Wirkung von Beschwerden ist ein wesentlicher Grundstein eines funktionierenden Rechtsstaates. Ohne ihr könnten vorzeitig vollzogene Bescheide uU nicht mehr rückgängig gemacht und die beschwerdeführende Partei daran gehindert werden, die ihr nachträglich gebührende günstige Rechtsposition auch faktisch zu erlangen. Im Naturschutzrecht, bei dem Eingriffe in die Umwelt häufig zu irreversiblen Schäden führen, genießt das Institut der aufschiebenden Wirkung eine besondere Bedeutung. Umso bedenklicher ist es, dass der oö Landesgesetzgeber im Jahr 2014 die – üblicherweise nach dem VwGVG automatisch mit Einreichung der Beschwerde eintretende – aufschiebenden Wirkung im Oö NSchG 2001 ausgeschlossen hat. Mit Hilfe einer Analyse der verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Vorgaben an den Rechtsschutz soll im folgenden Beitrag die Rechtskonformität dieses Ausschlusses analysiert werden.
S. 72 - 74, thema: Recht und Politische Ökonomie
Vorwort der Gastherausgeber*innen
Kapital ist kein Ding, sondern ein soziales Verhältnis. Das hat bereits Karl Marx erkannt. Es ist aber ein soziales Verhältnis besonderer Art, in dem die Staatsgewalt eine zentrale Rolle spielt. Eigentumsrechte, Kreditsicherungsrechte, Immaterialgüterrechte, sowie andere Rechtsinstitute vermitteln privaten Inhaber*innen Rechte, die sie gegenüber Dritten durchsetzen können. Die Durchsetzbarkeit erhöht den Wert des Anspruches und ermöglicht es, diesen auch schon im Vorfeld gegen Entgelt auf andere zu übertragen. Ohne rechtliche Codierung des Kapitals gäbe es keine Märkte jenseits von solchen Austauschverhältnissen, bei denen jede*r die Mittelsperson kennt. Der privilegierte Zugang zum Recht schafft Vermögen; ungleicher Zugang zum Recht trägt daher zu Ungleichheit bei.
S. 84 - 87, thema: Recht und Politische Ökonomie
Vom Code des Kapitals zu Experimentellem Pluralismus
Der folgende Beitrag kontextualisiert Katharina Pistors „Code of Capital“ vor dem Hintergrund ökonomischer Analysen und den ihrem Ansatz vorausgegangenen Denkschulen. Nach einleitenden Worten zu Ungleichheit und ökonomischen Dogmen wird gezeigt, welch fundamentale Rolle das Recht in vermeintlich natürlichen Instituten der Wirtschaft, wie Geld oder Kredit, einnimmt. Pistors Thesen aufgreifend und diskutierend sollen auch Gedankenanstöße im Sinne einer radikalen Kritik geliefert werden, wie und auf welcher Grundlage gesellschaftliche Veränderung gedacht und experimentelle Ansätze dafür formuliert werden können.
S. 88 - 97, thema: Recht und Politische Ökonomie
Verantwortung in multinationalen Konzernen: Ein Beitrag zum Recht und politischer Ökonomie der globalen Unternehmung
Dieser Beitrag behandelt die normative Aushandlung von Unternehmensverantwortung in multinationalen Konzernen. Im Zentrum stehen dabei die Module des Privatrechts, Gesellschafts- und Vertragsrecht, welche juristische Personen „klonen“ und dabei die wirtschaftlichen und sozialen Einheiten einer globalen Unternehmung in rechtlich autonome Entitäten fragmentieren. Er zeigt anhand des Beispiels einer kolumbianischen Kohlemine auf, wie sich gesellschaftliche Erwartungen und konzerninterne Praxen der Unternehmensverantwortung an der politischen Ökonomie der globalen Unternehmung orientieren, und so ihrer rechtlichen Fragmentierung entgegenlaufen. Der Hauptteil diskutiert die legislative Resonanz auf diese Erwartungs- und Gouvernanzstrukturen der Unternehmensverantwortung in Konzernen. Es wird aufgezeigt, wie sich in jüngeren Gesetzprojekten Ansätze einer rechtlichen Einheit der Verantwortung herausbilden, die sich an der polit-ökonomischen Realität der globalen Unternehmung orientieren.
S. 125 - 137, thema: Recht und Politische Ökonomie
The Distributive Impact of Third-Party Funding in Investment Arbitration
Europaweit ist Sport männerdominiert, egal ob im Breiten- oder im Spitzensport. 69% aller Mitglieder von Sportvereinen in Europa sind männlich, ebenso wie 92% der Präsident_innen und 77% der Board-Member der nationalen Olympia Komitees. Geschlechterungleichheiten betreffen viele Aspekte der Welt des Sports, sei es die Vergabe von Führungs- oder Coaching Positionen, die Ausübung von Breiten- und Spitzensport oder die Art der Medienberichterstattung über Frauen- und Männersport und die Prävalenz von geschlechtsspezifischer Gewalt.
Dieser nach.satz beschäftigt sich mit Initiativen der Europäischen Kommission und des Europarates, die den Ursachen dieser Ungleichheiten auf den Grund gehen. Insbesondere die gemeinsame Initiative der beiden Institutionen “ALL IN: Towards gender balance in sport” liefert Vorschläge, wie man Ungleichheiten abbauen kann und welcher rechtliche Rahmen für eine geschlechtergerechte Sportwelt benötigt wird.