Die SIGNA Unternehmensgruppe ist für die größten Pleiten der österreichischen Wirtschaftsgeschichte verantwortlich. Bei der Aufarbeitung der wirtschaftlichen Vorgänge erstaunen dabei vor allem die kalkulierte Umgehung von Transparenzregeln und der Einsatz bilanzrechtlicher Tricks zur Profitgenerierung – Recht wurde gemieden aber insbesondere auch genutzt, um Vermögen zu vermehren. Das Buch „Der Code des Kapitals“ der Rechtswissenschaftlerin Katharina Pistor bietet dabei Ansatzpunkte, die Vorgänge aus einer rechtskritischen Perspektive einzuordnen. Ihre Analyse sieht das Recht als zentrale Komponente für die Akkumulation von Kapital und beschreibt „Codierungsstrategien“ im Recht, um Vermögen abzusichern oder zu vermehren. Anwendungsfälle wie die Profitgenerierung beim Erwerb von Kaufhausketten zeigen, dass rechtliche Codierungsstrategien zur Gewinnmaximierung auch bei Signa Eingang fanden. Die Folgen des Falles Signa belasten letztlich aber die gesellschaftliche Akzeptanz des Rechts und der Politik an sich und erfordern daher eine genaue Aufarbeitung.
- ISSN Online: 2309-7477
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Inhalt der Ausgabe
Der VwGH stellte in einer langjährigen Auseinandersetzung zwischen der Stadt Wien und einem Bestattungsunternehmen klar, dass gehäufte Privatbegräbnisstätten zur Beisetzung von Leichenasche in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander auch bei fehlender äußerer Erkennbarkeit zum Entstehen einer Bestattungsanlage führen können. In einem solchen Fall liegt für weitere Privatbegräbnisstätten, die ex lege nur „außerhalb einer Bestattungsanlage“ bewilligt werden dürfen, ein Bewilligungshindernis vor. Im November 2023 beschloss der Wiener Landtag eine Novelle, die auch klarstellende Neuerungen für Privatbegräbnisstätten bringt.
S. 12 - 16, merk.würdig
Der Unterschied zwischen angemessenen Mindestlöhnen und gerechtem Entgelt
Die Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union bietet erstmals einen europäischen Rahmen für die Bestimmung von angemessenen Mindestlöhnen. Der Beitrag beschreibt im Folgenden, warum präzise Differenzierungen zwischen den im Gesetzestext verwendeten Begriffen „angemessene Mindestlöhne“ und „gerechtem Entgelt“ getroffen werden müssen. Insbesondere werden Überlegungen angestellt, welches Gerechtigkeitsverständnis der Richtlinie zugrunde liegt, warum die Bewertung der Leistung durch den scheinbar neutralen Markt nicht ausreichend ist und welche Auswirkungen der Glaube an die Meritokratie für eine Gesellschaft haben kann.
Protestaktionen von Klimaaktivist_innen der „Letzten Generation“ beschäftigen in Österreich und Deutschland seit einiger Zeit die Öffentlichkeit und auch die (Verwaltungs-)Gerichte. Dabei geriet neben den einzelnen Demonstrierenden auch die Gruppierung als Ganzes in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden. So kam es 2022 und 2023 in Deutschland zu großangelegten Hausdurchsuchungen wegen des Verdachts der Bildung krimineller Vereinigungen gem § 129 dStGB und auch in Österreich werden mittlerweile Ermittlungen wegen des Verdachts der kriminellen Vereinigung nach § 278 StGB geführt. Aus diesem Anlass soll die mögliche Einordnung der „Letzten Generation“ als kriminelle Vereinigung nach öst und dt Strafrecht kritisch hinterfragt werden. Vorwegzunehmen ist, dass die Einordnung von den jeweils eingesetzten Protestformen abhängt und sich daher bei Wechsel derselben ändern kann.
S. 22 - 28, merk.würdig
Menschenrechtsverletzung ohne Schadenersatzanspruch?
Am 6.9.2023 entschied das Gericht der Europäischen Union in der Rechtssache WS u.a./Frontex über den Schadenersatzanspruch einer syrischen Flüchtlingsfamilie gegen die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex). Nach zahlreichen Berichten über Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen, war dies der erste Fall, in dem sich Frontex für seine Beteiligung an Menschenrechtsverstößen vor Gericht verantworten musste. In einem rechtlich unzureichend argumentierten Urteil wies das Gericht die Klage ohne Prüfung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens von Frontex aufgrund eines mangelnden Kausalzusammenhangs ab. Als Folge dieses Urteils kann die Agentur für Verletzungen ihrer menschenrechtlichen Schutzpflichten de facto fast unmöglich vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden. Dies ist rechtstaatlich bedenklich, schadet der Glaubwürdigkeit der EU und wirft die Frage nach dem Wert grundlegender Menschenrechtsverpflichtungen auf, die in der Praxis nicht sinnvoll durchsetzbar sind.
S. 29 - 37, recht & gesellschaft
Datenschutzrechtliche Rollenfestlegung in der Cloud
Im Konflikt zwischen Israel und der Hamas steht neben den individuellen Menschenrechten und dem ius in bello auch das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes im Mittelpunkt. Daraus folgt nicht nur das Recht auf einen eigenen Staat, sondern auch auf Repräsentativität und die Wahrung politischer Grundrechte: Die Hamas ist daher keine „Befreiungsorganisation“ im Sinne des Selbstbestimmungsrechts. Vielmehr hat das palästinensische Volk sogar ein zweifaches Recht auf Widerstand: nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen die Hamas.
S. 49 - 60, recht & gesellschaft
Grenzen und Möglichkeiten von Selbstbestimmt Leben und Autonomie für Menschen mit Behinderungen
Der Beitrag geht der Frage nach, ob Menschen mit Behinderungen ihr Recht auf Autonomie und Selbstbestimmung im Bereich Wohnen aufgrund von vorherrschenden ableistischen Vorstellungen von Fähigkeiten im Gesetz ausreichend wahrnehmen können. Die Modelle von Behinderungen aus den Dis/Ability Studies als auch die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) dienen als Schablone für die Untersuchung, welche Definitionen von Behinderung und welche Haltungen in den Sozialhilfe- und Behindertenhilfegesetzen dominieren. Bis auf das Tiroler Teilhabegesetz (TTHG) verwenden alle Landesgesetze eine medizinisch defizitorientierte Definition von Behinderung. Dieses Gesetz kennt auch als einziges den Begriff Autonomie. Obgleich es eine große Vielfalt an Unterstützungsangeboten für den Lebensbereich Wohnen in den Gesetzen gibt und die Länder ohne zentrale Vorgaben des Bundes agieren können, dominieren nach wie vor die Angebote institutioneller Versorgung für Menschen mit Behinderungen.
Bearbeitungen spielen in Form von Covers im Musikbetrieb eine große Rolle. Besonderheiten der Populärmusik führen dazu, dass sich viele Covers trotz beachtlichem Abstand zum Original untereinander stark ähneln. Hierin liegt ein Risiko begründet, dass einzelne Covers nicht nur mit den Rechten der*des Urhebers*Urheberin des Originals, sondern auch mit denen der covernden Person in Konflikt geraten. Die unkritische Anwendung von in der Lehre entwickelten Maßstäben für die Erlangung von Bearbeiter*innenurheberrecht auf Werke der Populärmusik birgt die Gefahr, Covernde zu leichtfertig dem Risiko eines Urheberrechtstreits auszusetzen. Im Versuch, Grundsätze des Urheberrechts typischen Praktiken des Coverns von Pop-Stücken gegenüberzustellen und sie miteinander in Einklang zu bringen, werden Fragestellungen vorgeschlagen, anhand derer die schützenswerten Interessen covernder Musiker*innen gewahrt werden sollen, ohne die allgemeine Schaffensfreiheit übergebührlich einzuschränken.
S. 72 - 74, thema: Tiere
Vorwort der Gastherausgeber:innen
Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist in vielerlei Hinsicht ambivalent. Besonders deutlich zeigt sich dies an der unterschiedlichen Behandlung von Haus- und Nutztieren. Auch das Recht spiegelt diese Ambivalenz wider. In Anbetracht all dessen wirft der vorliegende Schwerpunkt Schlaglichter auf ausgewählte und zumeist wenig beleuchtete Rechtsbereiche, die das Mensch-Tier-Verhältnis betreffen. Durch die Beiträge, die von rechtsethischen Überlegungen über eine rechtshistorische Betrachtung bis hin zu konkreteren Fragen des Tier- und Artenschutzes reichen, werden dabei vor allem aktuelle Diskussionsfelder ergründet und Wertungswidersprüche aufgezeigt.
Das Mensch-Tier-Verhältnis erweist sich seit der Moderne nachhaltig durch die Degradierung von Tieren zu „Sachen“ geprägt. Diese Verdinglichung radikalisiert sich in der industrialisierten Lebensmittelproduktion, in der selbst der ökonomische Wert des einzelnen Tiers zu Gunsten der Beschleunigung des „Produktionszyklus“ verloren geht. Die Weiterentwicklung rechtlicher Tierschutzstandards zielt zwar zunehmend auf die Anerkennung eines Eigenwerts tierischer Lebewesen. Doch bleibt diese häufig auf Grundsatznormen beschränkt, die va durch weitreichende Ausnahmen in der Nutztierhaltung ausgehöhlt werden. Als Korrektiv gegenüber der massiven Instrumentalisierung von Tieren schlage ich den Rekurs auf die „Würde des Tiers“ als grundlegendes rechtsethisches Prinzip vor, die eine Analogie zur Menschenwürde enthält, ja deren notwendige systematische Ergänzung durch die Anerkennung des inhärenten Werts anderer Lebewesen gewährleistet. Aktuelle Herausforderungen fokussieren auch den Lebensraum der (bislang in Österreich vom Tierschutzrecht größtenteils nicht erfassten) Wildtiere und zielen auf die Kontextualisierung des Tierschutzes in globaler Verantwortung für Biodiversität und die gesamte Mitwelt.
Das Verhältnis des Menschen zu Tieren hat sich über die Jahrhunderte deutlich gewandelt. Standen im Mittelalter der wirtschaftliche Wert und Nutzen von Tieren sowie die Tierschaden-Regulierung im Vordergrund, so traten in der Frühen Neuzeit im Rahmen der Polizeigesetzgebung Bestimmungen zur Seuchenprävention und -bekämpfung hinzu. Die bereits im Mittelalter nachweisbare Tötung von Tieren als Strafverschärfung oder als Folge des Delikts der Bestialität setzte sich auch in der Frühen Neuzeit fort und fand erst im Zuge der Aufklärung ein Ende. Forderungen nach einem rechtlich verankerten Tierschutz traten erst Ende des 18. Jahrhundert auf, und wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts auch in den deutschen Ländern und Österreich umgesetzt. Ende des 20. Jahrhunderts ging man schließlich davon ab, Tiere als bloße Sachen anzusehen und im Unterschied zu den verstärkten tierschutzrechtlichen Bestrebungen va im Bereich der Tierversuche lehnt der „Neue Tierschutz“ jede Form der Tiernutzung ab.
Wenn sich ein Gesetzgeber zum Schutz von Tieren entscheidet, dann findet er derzeit drei mögliche Tierschutzrechtsmodelle als „role models“ vor: Dies sind der objektive, nicht-individualrechtliche Schutz bei anthropozentrischer Ausrichtung (A), der objektive, nicht-individualrechtliche Schutz bei pathozentrischer Ausrichtung (B) und der Tierrechte-Ansatz (C). Diese verschiedenen Tierschutzrechtsmodelle werden auf ihre rechtlichen Unterschiede und auf ihre tatsächlichen Auswirkungen auf das Schutzniveau von nichtmenschlichen Tieren hin untersucht. Dabei wird gezeigt, dass sich der weltweit wohl gängigste Ansatz des objektiven Schutzes von Tieren bei pathozentrischer Ausrichtung (B) dogmatisch nicht halten lässt. Das heißt, dass aus der gesetzlichen Anerkennung eines Eigenwertes der nichtmenschlichen Tiere konsequenterweise die Anerkennung von Tierrechten folgen muss. Um genau dieses pathozentrische Bekenntnis kommen moderne Rechtsordnungen wohl nicht mehr herum.
Der Mensch beeinflusst mit der Zucht und der Vornahme von Eingriffen an Tieren nicht nur Leistung und Aussehen derselben, sondern nimmt auch großen Einfluss auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden. Der vorliegende Beitrag legt hierzu bestehende rechtliche Schranken ausführlich dar und zeigt die unterschiedlichen Regelungen bei Nutz- und Heimtieren auf. Die Leser*innen sollen so einen guten Überblick über die geltenden Bestimmungen und ihre Hintergründe erhalten.
Das Europäische Parlament hat 2020 einen Untersuchungsausschuss zu Tiertransporten eingesetzt, um Berichte aus der Zivilbevölkerung zu Mängeln bei der Durchsetzung der EU-Tiertransportverordnung zu prüfen. Der Untersuchungsausschuss erkannte systematische Verstöße gegen geltendes Recht und einen Überarbeitungsbedarf der einschlägigen Bestimmungen. Das Europäische Parlament hat umfassende Empfehlungen zur besseren Durchsetzung und Überarbeitung der EU-Tiertransportverordnung an die Kommission und den Rat beschlossen, die von Seiten der Kommission im Zuge der Überarbeitung der EU Tiertransport-VO teilweise angenommen wurden. Der vorliegende Beitrag beleuchtet den skizzierten Prozess genauer und geht dabei insbesondere auf die Position des Europäischen Parlaments ein.
Von den geschätzt sechs bis neun Mio Tier- und Pflanzenarten weltweit ist eine Mio vom Aussterben bedroht. Wissenschafter:innen zufolge erleben wir derzeit das sechste Massensterben. Die Biodiversitätskrise stellt eine nach wie vor völlig unterschätzte Bedrohung für die Menschheit dar. Der Beitrag präsentiert den derzeit geltenden Rechtsrahmen für den Artenschutz auf völker- und unionsrechtlicher Ebene. Des Weiteren beleuchtet er aktuelle artenschutzrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Bau von Windkraftanlagen sowie der Bejagung von Wölfen und Fischottern.
1988 als feministischer Verein für Frauen in juristischen Berufen und Studentinnen der Rechtswissenschaften gegründet, öffneten sich „die Jurist*innen“ 2023 auch für nicht-binäre Personen. Dieser Beitrag zeigt, dass trans und nicht-binäre Personen, insbesondere von Mehrfachdiskriminierung betroffene trans Frauen und transfeminine nicht-binäre Personen, besonders stark von Diskriminierung und Gewalt betroffen sind. In Reaktion auf gesetzliche Vorhaben zur Stärkung der Rechte von trans Personen ist eine deutliche Zunahme von transfeindlichen Diskursen zu verzeichnen, wobei diese auch im Feminismus eine lange Geschichte haben. Die Namens- und Statutenänderung des Vereins unterstreicht die Anerkennung, dass auch trans und nicht-binäre Personen von patriarchalen Strukturen betroffen sind und nicht aus feministischen Räumen ausgeschlossen werden sollten.