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JURIDIKUM

Heft 1, März 2020, Band 2020

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 2309-7477

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Inhalt der Ausgabe

S. 1 - 2, vor.satz

Nikolaus Wieser / Valerie Purth

Eine Frage des Niveaus

S. 5 - 8, merk.würdig

Johannes Tropper

Demokratie etCETAra

Das CETA-Gutachten des EuGH stellte die Vereinbarkeit den Investitionsschutzmechanismus des Abkommens mit Unionsrecht fest. Dabei berücksichtigte der EuGH auch etwaige Auswirkungen auf den demokratischen Gesetzgebungsprozess im Rahmen der Analyse ob CETA gegen die Autonomie des Unionsrecht verstößt und konnte somit indirekt Stellung zum Spannungsverhältnis von Investitionsschutzverträgen mit demokratischer Rechtsetzungsbefugnis nehmen. Die Aussagen des EuGH im Gutachten scheinen der Sorge von Kritiker*innen, dass derartige Abkommen demokratiepolitisch bedenklich sind, zwar Rechnung tragen, jedoch überschätzt der EuGH die Innovation des Abkommens im Hinblick auf den gesetzgeberischen Spielraum.

S. 9 - 12, merk.würdig

Marion Johanna Neunkirchner / Daniela Amann

Kindgerechte Justiz?

In Österreich werden Fälle häuslicher Gewalt größtenteils durch die Polizei zur Anzeige gebracht. Das Betretungsverbot schützt Opfer davor, dass sich die Gefährder_innen der gemeinsamen Wohnung wieder annähern, nachdem es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung kam. Kinder sind dabei die Leidtragenden des Streits ihrer Eltern. Sofern sie selbst nicht unmittelbar Opfer von Gewalt werden, aber häusliche Gewalt miterleben, fallen sie nach geltender österreichischer Rechtslage unter die Opferkategorie des § 65 Abs 1 lit. c StPO, und haben somit keinen Anspruch auf Prozessbegleitung. Insbesondere die psychosoziale Unterstützung im Strafverfahren trägt jedoch wesentlich dazu bei, dass Kinder das Justizsystem möglich angstfrei erleben, was für deren gesunde Entwicklung maßgeblich ist. Kindgerechte Justiz braucht daher Prozessbegleitung für alle minderjährigen Opfer vor Gericht.

S. 13 - 17, merk.würdig

Monika Weissensteiner / Sophia Marcian / Wolfgang Panhölzl / Florian J. Burger

Spielraum statt Stabilität in der Sozialversicherung

Dieser Artikel setzt sich kritisch mit relevanten Teilen der Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs zur Sozialversicherungsreform (SV-OG und Nebengesetzte) auseinander. Insbmit den zentralen Punkten der angefochtenen Reform: Paritätische Besetzung der Entscheidungsgremien, der (beinahe abgeschafften) gemeinsamen Prüfung durch Übertragung der Beitragsprüfung an die Finanzverwaltung, der Zwangszuweisung von ArbeitnehmerInnen der Sozialversicherungsträger und den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit einer solchen Fusion.

S. 18 - 21, merk.würdig

Alina Hanel

Kein Trojaner auf dem Smartphone

Der VfGH entschied am 11.12.2019, dass die Regelung, welche den Sicherheitsbehörden erlaubt, durch die heimliche Installation eines Programms in einem Computersystem verschlüsselte Nachrichten zu überwachen, verfassungswidrig ist. Einerseits waren die vorgesehenen Rechtsschutzmechanismen nicht ausreichend, andererseits waren die Anwendungsvoraussetzungen unverhältnismäßig weit gefasst und verletzten somit Art 8 EMRK und § 1 DSG. Somit scheiterte ein erneuter Anlauf, eine sog „Bundestrojaner“-Regelung in die österreichische Rechtsordnung zu integrieren und damit eine Überwachungsmethode in noch nie dagewesenem Ausmaß zu implementieren.

S. 22 - 33, recht & gesellschaft

Lena Kolbitsch / Susanne Gstöttner

„These considerations do not imply any criticism towards the applicant“

Im Fall Kurt/Österreich hatte sich der EGMR zum wiederholten Mal mit einem folgenschweren Fall häuslicher Gewalt zu befassen. Der Fall wirft Fragen sowohl hinsichtlich der gebotenen Gefahreneinschätzung als auch hinsichtlich des notwendigen gesetzlichen Regelwerks zum Schutz von Opfern häuslicher Gewalt auf. In der Entscheidungskritik wird untersucht, wie die Entscheidung der Kammer ins bisherige Gefüge der EGMR-Rsp zu staatlichen Schutzpflichten passt und ob sie in Anbetracht allgemeiner grundrechtlicher Prinzipien sachgerecht erscheint.

S. 34 - 44, recht & gesellschaft

Marieta Kaufmann / Sarah Bruckner

Zeit für ein verbindliches UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten

Am 5. November 2015 brach in Mariana im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais das Rückhaltebecken einer Eisenerzmine des Unternehmens Samarco Mineração. Bei dem Desaster wurden 19 Menschen getötet und es gilt als die größte Umweltkatastrophe Brasiliens. Der brasilianische Konzern Vale und BHP Brasil, eine 100%-ige Tochter der britisch-australischen BHP Group, sind Eigentümer von Samarco Mineração. Die rechtliche Verantwortung transnationaler Unternehmen für Ereignisse in der Sphäre von Zulieferbetrieben oder Tochtergesellschaften ist umstritten. Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten (human rights due diligence) und Haftungskriterien sollten für Unternehmen verbindlich normiert werden. In einer Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrates wird seit 2014 ein Entwurf für ein international verbindliches Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten diskutiert. Die Betroffenen von Mariana sind mit zahlreichen Hürden bei der Geltendmachung ihrer Entschädigungsansprüche konfrontiert. Der Beitrag zeigt anhand dieses Falls das Potenzial eines UN-Abkommens zu Wirtschaft und Menschenrechten.

S. 45 - 53, recht & gesellschaft

Corinna Potocnik-Manzouri

Keine Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien – Das Ende der bisherigen Erweiterungspolitik?

Die gescheiterte Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien bringen bereits länger bestehende Probleme iZm dem EU-Erweiterungsprozess wieder prominent zu Tage. Auffällig ist, dass das Veto einiger MS gegen Verhandlungen mit den beiden Kandidaten nicht nur in Widerspruch zu den Einschätzungen und Empfehlungen der EU-Institutionen steht, sondern auch zu bisherigen Versprechungen seitens der MS. Daran anschließend knüpft eine länger bestehende Diskussion über eine Reformierung des Beitrittsprozesses, die auch der Integrationsfähigkeit der EU Rechnung tragen soll. Die EU geht dabei von gleichbleibender Anziehungskraft aus und behält sich bisweilen vor, die Spielregeln im Beitrittsprozess nach ihrem Belieben vorzugeben. Dabei setzt sie sich der Gefahr aus, durch Unglaubwürdigkeit und Unvorhersehbarkeit ihren tatsächlichen Einfluss durch die Perspektive auf EU-Mitgliedschaft als ihr bisher mächtigstes außenpolitisches Werkzeug zu verlieren.

S. 54 - 65, recht & gesellschaft

Andreas Pigl

Pressefreiheit in Ungarn unter Viktor Orbán

Seit der Machtübernahme der Fidesz-Partei unter Viktor Orbán im Jahr 2010 berichten NGOs wie Freedom House oder Reporter ohne Grenzen und zahlreiche nationale wie internationale Medien von einer drastischen Verschlechterung der Pressefreiheit in Ungarn. Ziel dieses Textes ist es, einen systematischen Überblick über diese Veränderungen zu geben. Als Methode dienten drei narrative Interviews mit ungarischen Journalisten und Medienexperten, die mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet und mit aktueller akademischer Literatur ergänzt wurden. Das Ergebnis der Analyse ist ein Kategoriensystem aus drei Hauptkategorien – Medienlandschaft, Politischer Druck und Arbeitsbedingungen – welche nochmals in Unterkategorien geteilt sind und einen tieferen Einblick in die Entwicklung seit 2010 und den aktuellen Zustand der Pressefreiheit in Ungarn gewähren. Außerdem wird die Entwicklung der Pressefreiheit in Ungarn in den größeren Kontext der Transformation des postkommunistischen Osteuropas seit 1989 gesetzt.

S. 66 - 75, recht & gesellschaft

Tobias Fädler

Tadel für den Adel

Die Aufhebung des Adels sowie das Verbot des Führens von Adelstiteln und -bezeichnungen beschäftigte VfGH und VwGH sowie die VwG bereits des Öfteren, so auch jüngst im November 2019, als sich der VfGH mit der Ahndung des Führens von Adelstiteln und -zeichen zu befassen hatte. Dieser Beitrag greift diese Entscheidung auf und beurteilt im Kontext des historischen Entstehungszusammenhangs das AdelsaufhebungsG in rechtlicher Hinsicht. Dabei werden die grundlegenden Erwägungen des AdelsaufhebungsG sowie sein Anwendungsbereich, insb im Lichte der jüngeren Rsp, beleuchtet, wobei neben einer Darstellung der österreichischen Rechtslage auch der europarechtliche Kontext interessieren wird. Zudem wird auch eingehend auf den Strafsatz des § 2 AdelsaufhebungsG im Lichte der verfassungsgerichtlichen Rsp eingegangen.

S. 76 - 78, thema: Lager

Petra Sußner / Andreas Wöckinger / Paul Hahnenkamp

Vorwort der Gastherausgeber_innen: Lager

Die Gastherausgeber_innen leiten in den Themenschwerpunkt Lager ein. Sie argumentieren, dass ein Vergleich zwischen aktuellen und historischen Lagern im Kontext von Recht durchaus sinnvoll erscheint. Der Begriff Lager ist besonders im deutschsprachigen Raum eng mit dem Nationalsozialismus verknüpft und wird für heutige längerfristige Internierungen größerer Menschenmassen in Europa gemieden. Ohne die historische Singularität und Verbrechensdimension zu relativieren, wird die (Rechts)Geschichte der Moderne auf Gemeinsamkeiten und Kontinuitäten zwischen historischen und aktuellen Lagerformen untersucht. Geflüchtete Personen sind in Lagern in der Europäischen Union auch heute mit Exklusion, massiven Rechtseinschränkungen und einer katastrophalen Versorgungslager konfrontiert. Der Fokus auf die Institution und Herrschaftstechnik Lager im Laufe der Moderne soll die Kritik an den aktuellen Zuständen verdeutlichen.

S. 79 - 88, thema: Lager

Jens Thiel / Christoph Jahr

„Das Lager“

Ausgangspunkt dieses Beitrags sind Überlegungen zum Begriff und zur Geschichte des Lagers. Dabei wird der historische Bogen von den Militärlagern der Antike über die der Frühen Neuzeit bis hin zu den Flüchtlingslagern der Gegenwart gespannt. Den zeitlichen Schwerpunkt des Textes bildet das als das „Jahrhundert der Lager“ geltende 20. Jahrhundert. Dabei wird diskutiert, inwieweit das Lager als „Ort der Moderne“ interpretiert werden kann. Im Anschluss an Agambens Diktum vom Lager als Raum gewordener Ausnahmezustand wird die Frage diskutiert, wie sich die Lager des 20. Jahrhunderts, insbesondere die nationalsozialistischen Konzentrationslager und die des „Archipel Gulag“, im Spannungsfeld zwischen Rechtsförmigkeit und Rechtlosigkeit verorten lassen. Abschließend wird die Frage aufgeworfen, inwieweit auch die Flüchtlingslager des 21. Jahrhunderts von diesen Ambivalenzen geprägt sind.

S. 89 - 97, thema: Lager

Anne-Marlen Engler

Flüchtlingslager von der Ausnahme her denken?

Schon bevor hochrangige Regierungsvertreter die Errichtung von Transit- oder Anker- Zentren zum Primat einer souveränen Migrationssteuerung erklärten, entwickelte der Philosoph Giorgio Agamben in der Reihe homo sacer eine ganze Theorie des modernen Rechtsstaats aus der Analyse des Lagers. Seiner Theorie des permanenten Ausnahmezustands kritisch folgend versucht der Beitrag Flüchtlingslager rechtstheoretisch zu fassen und hinterfragt die Idee von Flüchtlingslagern als rechtslosen Räumen.

S. 98 - 110, thema: Lager

Veronika Springmann

Ambivalenz oder Widerspruch?

Sport in nationalsozialistischen Lagern ist ein erstaunliches Phänomen, bei dessen Betrachtung sich viele Ordnungsvorstellungen, Praktiken der In- und Exklusion sowie Praktiken des doing gender und doing difference wie durch ein Brennglas betrachten lassen. In den nationalsozialistischen Konzentrationslagern wurde Sport einerseits von den Aufsehern gewaltförmig gegen die Häftlinge eingesetzt, andererseits organisierten die Häftlinge eigenständig Fußballspiele- und turniere in den Lagern.

S. 111 - 118, thema: Lager

Jenny Fleischer

Zur menschenrechtlichen Situation im EU-Aufnahmezentrum („Hotspot“) auf der griechischen Insel Samos

Der Artikel beleuchtet die menschenrechtliche Problematik des EU-Hotspots auf Samos in der griechischen Ägäis und stellt das Rechtsinformationsprojekt der Refugee Law Clinic Berlin auf Samos vor. Asylsuchende leben in dem Flüchtlingslager an der EU-Außengrenze in Griechenland bis zu mehreren Jahren in menschenunwürdigen Zuständen. Der Zugang zum Recht ist stark eingeschränkt und ein faires Asylverfahren in der EU nicht gewährleistet. Der Artikel legt einen Fokus auf die Aufnahmebedingungen im Hotspot und geht auf die Pläne der griechischen Regierung zu Haftlagern ein.

S. 119 - 127, thema: Lager

Susanna Paulweber

„Aus Gründen der Integration“

Subsidiär schutzberechtigte Personen erhalten in Niederösterreich bereits seit einigen Jahren ausschließlich Leistungen der Grundversorgung und nicht mehr der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Im Frühling 2019 wurde bekannt, dass die zuständige Koordinationsstelle für Ausländerfragen des Amtes der niederösterreichischen Landesregierung – begründet mit der Förderung der Integration – Personen zur privaten Unterkunftnahme auffordert. Andernfalls würden die Leistungen der Grundversorgung zur Gänze eingestellt. Der Artikel prüft diese Vollzugspraxis auf ihre Vereinbarkeit mit der niederösterreichischen Gesetzeslage, dem Unions- und dem Verfassungsrecht. Zunächst werden die unionsrechtlichen Vorgaben zur Existenzsicherung asylwerbender bzw international schutzberechtigter Personen beleuchtet. In einem nächsten Schritt wird anhand des innerstaatlichen Verfassungsrechts dargelegt, weshalb ein Entzug von Leistungen der Grundversorgung mit diesem in Widerspruch steht.

S. 128 - 131, nach.satz

Valerie Purth

Von Splittern und Schrauben

Pensionssplitting – worum geht es eigentlich? Die Person, die in einer (Hetero-)Familie hauptverdient zwackt etwas von ihrem Pensionsanspruch ab, der dann der überwiegend kinderbetreuenden Person übertragen wird. Insb in Fällen von Trennung kann das Pensionssplitting für Frauen, die ohne Pensionssplitting einen niedrigen eigenen Pensionsanspruch hätten durchaus hilfreich sein. Aber ist es ein effektives Mittel, um einerseits Sorgearbeit und andererseits finanzielle Ressourcen zwischen Männern und Frauen gerecht(er) zu verteilen? Türkis-Grün hat das automatische Pensionssplitting ins Regierungsprogramm geschrieben. Ein Anlass, Pensionssplittings-Modelle unter die feministische Lupe zu nehmen und auf ihr emanzipatorisches Potential hin zu überprüfen.

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