Die Verknüpfung von Staatsbürgerschaft und Wahlrecht führt in Österreich zu einem immer größeren Legitimationsverlust von demokratischen Wahlen. Der Anteil an Personen, die zwar ihrem Lebensmittelpunkt über lange Zeit bereits in Österreich haben, aber bei den meisten Wahlen vom aktiven und passiven Wahlrecht ausgeschlossen sind, steigt kontinuierlich. Das regressive Staatsbürgerschaftsrecht verfestigt diesen Wahlrechtsausschluss und trifft vor allem Personen mit niedrigen Einkommen. Aufgrund der allgemeinen Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen werden insbesondere Frauen dadurch diskriminiert. Es ist dringend an der Zeit, das Wohnsitzprinzip in das Wahlrecht einzubeziehen und die Restriktionen im Staatsbürgerschaftsrecht aufzulösen.
- ISSN Online: 2309-7477
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Inhalt der Ausgabe
Der Zugang zu Umweltinformationen ist in Österreich – in Umsetzung der UmweltinformationsRL und der Aarhus-Konvention – im Umweltinformationsgesetz (UIG) des Bundes und der entsprechenden landesrechtlichen Normen geregelt. Diese ermöglichen der Öffentlichkeit niederschwellige und umfassende Auskunftsrechte gegenüber der Verwaltung. Sowohl der Begriff der Umweltinformationen als auch jener der Verwaltung sind dabei breit gefasst. Das UIG durchbricht damit die ansonsten zumeist restriktive Auskunftspraxis der Verwaltung, es kommt einem Recht auf Informationsfreiheit nahe.
Das Sammelwerk „Der Status im europäischen Asylrecht“, herausgegeben von Stefan Salomon, betrachtet in acht Beiträgen aktuelle, migrationsrechtliche Themen aus der Perspektive der Statuszuschreibungen. Der Bogen wird dabei gespannt von der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus im Zusammenhang mit sexueller Orientierung, zur Aberkennung des Flüchtlingsstatus in der neueren Rsp des EuGH, über die Differenzierung von Rechten im Vergleich zwischen subsidiär Schutzberechtigten und Asylberechtigten, etwa bei der Familienzusammenführung, bis hin zu besonders vulnerablen Schutzsuchenden, wie Kinder oder Personen in Haft. Wird der Status aberkannt oder nicht zuerkannt, interessiert, wie eine humane Rückführungspolitik aussehen kann und welche Rechtspositionen Personen einnehmen, die nicht ausgewiesen werden können. Durch die bewusste Einbettung der unions- und völkerrechtlichen Ebene im nationalen Kontext werden prekäre Rechtspositionen sichtbar gemacht.
S. 425 - 432, merk.würdig
Indigeneity as a basis for constitutional membership – recent developments in Australia
The case of Love v Commonwealth of Australia; Thoms v Commonwealth of Australia [2020] HCA 3, decided in February 2020, centred on the Australian government’s attempt to deport two Aboriginal Australians who were statutory non-citizens. Australia’s highest appellate court, the High Court of Australia (‘the Court’), decided that Aboriginality, that is, indigeneity, is relevant to Australian constitutional membership. Aboriginality was defined with reference to a tripartite test requiring: descent, self-identification and community recognition. The foundation for the Love decision was the recognition of the connection to country of Aboriginal peoples, which the Court held had a constitutional relevance. The Court concluded that statutory citizenship did not determine constitutional membership. It held that the plaintiffs could be, and were, outside statutory membership but inside constitutional membership. Accordingly, they could not be deported notwithstanding that they were non-citizens.
In Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wird wiederholt vor der Verbreitung von Desinformation gewarnt. Dabei wird vor allem an von Privatpersonen online gestreute Desinformation gedacht. Doch die Corona-Krise hat deutlich gemacht, dass auch der Staat desinformieren kann. Anhand der irreführenden Kommunikation der österreichischen Bundesregierung zu den in den Monaten März und April 2020 geltenden Ausgangsbeschränkungen wird das Problem staatlicher Desinformation diskutiert und danach gefragt, welche Antworten das Recht auf diese Machttechnik geben kann: Die staatliche Desinformation lässt auf eine unzureichende Determinierung jener Norm schließen, die Gegenstand der Regierungskommunikation war. Die Desinformation selbst ist aber nur schwer zu fassen. Unsere Rechtsordnung kennt keinen klassischen Rechtsschutz dagegen, weswegen letztlich die Antwort auf Desinformation Information lauten muss, und zwar durch kommunikative Gegenmacht im Rahmen einer lebendigen demokratischen Öffentlichkeit.
S. 443 - 452, recht & gesellschaft
Partnerschaftlich, paternalistisch oder gleichheitswidrig?
Die Regelungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes und des Mutterschutzgesetzes führen zu einer erheblichen finanziellen Schlechterstellung jener Konstellationen, in denen ein nicht-gebärender Elternteil die überwiegende Betreuung eines Kindes übernehmen möchte: Um staatliche Zuwendungen zur Kinderbetreuung bis zum 14. Lebensmonates eines Kindes zu erhalten, muss der gebärende Elternteil mindestens vier Monate der Kinderbetreuung übernehmen. Um dieselbe Leistungsdauer zu erreichen, ist es aber ausreichend, dass der nicht-gebärende Elternteil zwei Monate der Kinderbetreuung übernimmt. Umgekehrt betrachtet wird der nicht-gebärende Elternteil daran gehindert, staatlich unterstützt zwölf Monate der Kinderbetreuung zu übernehmen. Die Gleichheitskonformität dieser Regelungen ist stark anzuzweifeln.
Erstmals seit der Reform des Untersuchungsausschussrechts im Jahr 2015 wurden die Rechte der parlamentarischen Einsetzungsminderheit auf Einleitung eines Untersuchungsausschusses auf die Probe gestellt, als die Mehrheit der Regierungsfraktionen im Parlament das Verlangen auf Einsetzung des „Ibiza-Untersuchungsausschusses“ in weiten Teilen für unzulässig erklärt hatten. Der Verfassungsgerichtshof hat nunmehr in seinem Erkenntnis UA 1/2020 die Kompetenzen des Geschäftsordnungsausschusses bzw die Mehrheit des Nationalrates hinsichtlich der Zulässigkeit eines Untersuchungsgegenstandes verdeutlicht. Dieser Beitrag beleuchtet dieses Urteil und untersucht die Frage, inwiefern der Untersuchungsausschuss ein wirksames Minderheitenrecht darstellt.
Lange Zeit galt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als ein wichtiger Bezugspunkt für die Rechtskämpfe von Migrierenden und ihren Anwält*innen. Das Urteil N.D. und N.T. gegen Spanien vom Februar 2020 stellt einen Wendepunkt in der Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofes dar, indem sicherheitsaffine und ordnungspolitische Narrative Eingang in die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention gefunden haben. Dies wird deutlich an den Ausführungen des Gerichtshofs zur angeblichen Existenz legaler Einreisewege nach Spanien. Anstatt die zahlreichen Berichte von Menschenrechtsorganisationen entsprechend zu würdigen, unterstützt der EGMR mit seiner Entscheidung die europäische Migrationskontrollpolitik, die die Grenzabwehr an außereuropäische Drittstaaten auslagert.
S. 472 - 483, recht & gesellschaft
Grundrechtswissen in Österreich
Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des B-VG 1920 setzt sich die hier präsentierte empirische Untersuchung mit dem Grundrechtswissen der Österreicher*innen auseinander. Ausgehend von den historischen Grundrechtsentwicklungen in Österreich zeigt sich nicht nur ein begrenztes Wissen über konkrete Grundrechte, sondern auch ein Defizit in der Einordnung von Grundrechten im Rahmen der österreichischen Rechtsordnung sowie den spezifischen Rechtsschutzmöglichkeiten des Grundrechtsschutzes. Der Beitrag nimmt in weiterer Folge Überlegungen hinsichtlich der möglichen Ursachen vor und erwägt Konsequenzen aus dem empirischen Befund.
S. 484 - 488, thema: Sanfte Verwaltung
Vorwort der Gastherausgeber_innen
Der Schwerpunkt „Sanfte Verwaltung“ beschäftigt sich mit jenen Formen staatlicher Verhaltenssteuerung, die nicht auf die klassischen Steuerungsmittel des Befehls, des unmittelbaren Zwanges und der Sanktion setzen. Sanfte Verwaltung verzichtet darauf, den Rechtsunterworfenen ein gewünschtes oder verpöntes Verhalten rechtsförmlich zu ge- oder verbieten. Stattdessen wird auf alternative Steuerungsressourcen wie Information oder Geld gesetzt. Da der Staat bis heute regelmäßig primär vom imperium her gedacht wird, stellt die sanfte Verwaltung mit ihren Steuerungsinstrumenten abseits der typisierten Hoheitsakte das Recht immer wieder vor Herausforderungen. Die Beiträge dieses Schwerpunkts sollen helfen, den Blick für diese Problemstellungen zu schärfen.
Neue Praktiken wie Nudging und Forschungsfelder wie die Verhaltensökonomie verändern durch ihren Eingang in Institutionen der Verwaltung die Beziehung zwischen Verwaltungsapparaten und den verwalteten Menschen. Anhand Michel Foucaults Vorlesungen zur Geschichte der Gouvernementalität soll in diesem Beitrag die Entstehung dieser Verwaltungstechniken und ihr Zusammenhang mit anderen Elementen der „Regierungskunst“ nachgezeichnet werden. In Betrachtung der Genealogie des modernen Staats durch die Geschichte der Aufklärung, des Liberalismus bis hin zum zeitgenössischen Neoliberalismus werden Konfliktlinien innerhalb des heterogenen Gebildes „Staat“ aufgezeigt, die insbesondere im Kontext rechtswissenschaftlicher Diskurse um „sanfte Verwaltung“ in Erscheinung treten.
Mit einer staatlichen Warnung wird niemand zu einem bestimmten Verhalten gezwungen. Es ist ein sanftes Mittel der Verwaltung, das lediglich informieren soll. Bei näherem Hinsehen wird aber schnell klar, dass dieses Bild täuscht. Denn die Folgen einer öffentlichen Warnmeldung können für die Betroffenen verheerend sein. In diesem Beitrag soll die Funktion und Rechtsqualität von staatlichen Warnungen dargestellt werden. Anschließend werden Rechtsschutzmöglichkeiten aufgezeigt und wird der Frage nachgegangen, inwiefern diese effektiv sind und ausreichenden Schutz bieten.
S. 508 - 517, thema: Sanfte Verwaltung
Beraten statt strafen – der Staat als Freund?
Durch § 33a VStG hat der Gesetzgeber die Forderung der Praxis aufgegriffen, bei geringfügigen Verwaltungsübertretungen eine sanfte Alternative zur Verhängung von Strafen zu schaffen. Die Regelung ist eng an die Voraussetzungen der Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit gem § 45 Abs 1 Z 4 VStG geknüpft und wurde aufgrund ihrer legistischen Gestaltung in der Lehre vielfach kritisiert. Im Lichte dieser Kritik erläutert dieser Beitrag die Tatbestandselemente und Rechtsfolgen des § 33a VStG.
S. 518 - 526, thema: Sanfte Verwaltung
„Nur nach Art der verdienstvollen Handlung“?
Ob ein auf Gleichheit bedachter demokratischer Staat seine Bürger_innen überhaupt mit Distinktionszeichen wie Orden und Ehrungen versehen soll, war lange Zeit umstritten. Dennoch macht die Republik Österreich regen Gebrauch von der Verleihung staatlicher Auszeichnungen.
Diese können aus der Perspektive des Staates als Mittel zur Verhaltenssteuerung, zur Zusicherung von Loyalität und als Instrument der Selbstinszenierung und Wertpflege verstanden werden. Unter diesen Gesichtspunkten erweist sich, dass die höchste Auszeichnung des Bundes, das Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, weniger der Verhaltenssteuerung als der symbolischen Darstellung von Staatlichkeit dient. Inwieweit damit ein Werbeeffekt für die verleihende Republik verbunden ist, hängt auch davon ab, wer bereits mit einem Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet wurde.
Trotz der Allgegenwärtigkeit von „Daten“ im täglichen Leben haben die Begriffe „Verkehrsdaten“ und „Geodaten“ ihren technischen Beigeschmack nie verloren, sodass dieser Themenbereich außerhalb der Fachkreise ein Schattendasein führt. Auf europäischer Ebene sind die gesetzgeberischen Bemühungen dahin gerichtet, zur effizienteren Nutzung insbesondere von Daten der öffentlichen Hand eine einheitliche „Dateninfrastruktur“ zu schaffen. Der Beitrag soll einen Überblick über die entsprechenden Rechtsgrundlagen und ihre Implementierung betreffend Geo- und Verkehrsdaten vor dem Hintergrund eines umfassenderen europäischen Rechtsrahmens zu Umgang und Zurverfügungstellung von Daten mit Blick auf den Aspekt der „sanften Verwaltung“ und die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen bieten.
Der Frauenanteil im Nationalrat hat in der aktuellen Gesetzgebungsperiode mit 39 % einen historischen Höchstwert erreicht. In den Landtagen macht die Zahl der Mandatarinnen im Durchschnitt etwa ein Drittel aus. Die Repräsentation von Frauen in Österreichs parlamentarischen Vertretungskörpern steigt damit kontinuierlich an, entspricht aber nach wie vor nicht der tatsächlichen Geschlechterverteilung in der Gesamtbevölkerung. Die Forderung nach einer Erhöhung des Frauenanteils bleibt weiterhin aktuell. In mehreren europäischen Staaten gibt es bereits Paritätsregelungen im Zusammenhang mit Wahlen zu gesetzgebenden Organen. Insbesondere verpflichtende Quotenregelungen erfahren vor dem Hintergrund der Grundsätze des freien Wahlrechts und der Parteienfreiheit jedoch zuweilen Kritik oder werden auf den richterlichen Prüfstand genommen. Vor dem Hintergrund der zentralen Bedeutung der Gleichstellung von Frauen und Männern für die Demokratie ist eine Rechtfertigung aber jedenfalls möglich.