Durch die neue Zusammensetzung des Nationalrats nach der Wahl am 15.10.2017 scheinen einige grundlegende Änderungen im Verfassungsgefüge der zweiten Republik wahrscheinlich. Der Autor untersucht in diesem kurzen Artikel die Möglichkeiten einer Abschaffung der Sozialpartnerschaft in der jetztigen Form.
- ISSN Online: 2309-7477
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Inhalt der Ausgabe
Alexander Somek hat eine Einführung in die Rechtstheorie geschrieben, die sich keineswegs nur für Einsteiger_innen eignet. Es ist ein kenntnisreiches Buch, das auf unkonventionelle Weise durch die Denkprobleme der Rechtstheorie führt. Die Rezension beleuchtet kurz den Inhalt des Buchs, seine Form und seinen Grundgestus, der die Faszination an der Rechtstheorie lebendig vermittelt.
S. 429 - 431, merk.würdig
Der Schutz des Menschen vor sich selbst als Eingriffslegitimation?
Die inhaltliche Beschäftigung von Frederike Kolbes „Freiheitsschutz vor staatlicher Gesundheitssteuerung. Grundrechtliche Grenzen paternalistischen Staatshandelns“ kreist um das Verhältnis Staat-Bürger_innenschaft und inwieweit in die Selbstbestimmung und individuelle Freiheit regulierend eingegriffen werden darf, wenn es um das Gesundheitsverhalten geht. Als grundrechtlicher Anknüpfungspunkt dienen die Menschenwürde und die allgemeine Handlungsfreiheit im deutschen Grundgesetz. Verknüpft damit ist die Frage, welche staatlichen Steuerungsmgöglichkeiten zur Verfügung stehen und welches Ausmaß an paternalistischem Staatshandeln grundrechtlich gerechtfertigt ist.
Das österreichische System der Parteienfinanzierung wurde im Jahr 2012 grundlegend novelliert. Das Parteiengesetz 2012 beinhaltet ua Regelungen zu Parteispenden. Die Annahme gewisser Spenden – abhängig von der Person der SpenderInnen bzw der Höhe des Betrags – ist politischen Parteien untersagt, ab einer bestimmten Spendenhöhe sind die SpenderInnen zu veröffentlichen. Die Parteien müssen einen jährlichen Rechenschaftsbericht über ihre Finanzen erstellen. Mit deren Kontrolle wurde der Rechnungshof (RH) betraut, die Sanktionierung wurde dem Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) übertragen. Der RH hat jedoch keine inhaltlichen Prüfbefugnisse und kann daher keine tatsächliche Kontrolle ausüben. Die Ausgestaltung des Zusammenspiels zwischen RH und UPTS ist noch verbesserungsbedürftig. Die slowenische Rechtslage zur Parteienfinanzierung, die etwa zur gleichen Zeit novelliert wurde, ist deutlich strenger und bietet Lösungsansätze für gewisse Schwächen des österreichischen Systems.
S. 443 - 452, recht & gesellschaft
Das gleichstellungspolitische Programm des Frauen*Volksbegehrens
Der Beitrag ist eine Vorstellung eines Großteils des gleichstellungspolitischen Programms des Frauen*Volksbegehrens 2017/2018 aus primär rechtspolitischer Perspektive. Gefordert werden Gleichstellung, Repräsentation, Antidiskriminierung und Autonomie – auf allen Ebenen.
Dostojewskis Legende über den Großinquisitor handelt von den Grundfragen menschlicher Interaktion mit der Welt und von den möglicherweise hehren Motiven hinter Machtansprüchen. In Form des greisen Herrschers treten Argumente für Recht und Staat zur Rechtfertigung seines brutalen Systems an. Der Artikel kreist um die Frage der in der Jesusfigur verkörperten politischen Philosophie. Diese ist zugleich Ursprung als auch Abstoßpunkt der Ideen des Inquisitors, der_s Juristin_en.
S. 465 - 475, recht & gesellschaft
Von Leaks und Lücken: Mandatsverlust in der ÖH?
Etwa eine Woche vor den Wahlen der Österreichischen Hochschüler*innenschaft 2017 wurde ein Skandal rund um die Aktionsgemeinschaft Jus bekannt. Amtierende Funktionäre sowie Kandidaten für die nahende Wahl tauschten in online Foren rassistische, sexistische, islamfeindliche und behindertenfeindliche Inhalte aus und zogen die Ermordung tausender Menschen durch das NS-Regime ins Lächerliche. Strafrechtliche Konsequenzen werden derzeit durch die Staatsanwaltschaft geprüft. Vor diesem Hintergrund ist der Frage nachzugehen, welche Auswirkungen strafrechtliche Verurteilungen auf das Wahlrecht der ÖH, die Stellung als Kandidat*in einer wahlwerbenden Gruppe und die Mandatsausübung im Rahmen der Hochschüler*innenvertretung haben. Im vorliegenden Beitrag wird deutlich, dass das Hochschulrecht für diesen Fall nur unzureichende gesetzliche Regelungen vorsieht. Erst im Wege einer verfassungskonformen und systematisch-teleologischen Interpretation ergibt sich, dass ein Erlöschen eines erlangten Mandats jedenfalls bei rechtskräftiger Verurteilung nach dem Verbotsgesetz durch die Wahlkommission mittels Bescheid zu erfolgen hat. Im übrigen zeigt sich, dass hier gesetzliche Anpassungen erforderlich sind.
S. 476 - 487, debatte
Sozialhilferechtliche Differenzierung aufgrund des Aufenthaltsstatus von subsidiär Schutzberechtigten?
In seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2017 hatte sich der VfGH mit dem Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter von Leistungen nach dem Niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetz auseinanderzusetzen. Die Rechtfertigung eines solchen Ausschlusses sah er in der unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Verfestigung von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten. Die wesentliche Problemstellung betrifft daher die Frage, ob eine sozialhilferechtliche Differenzierung aufgrund des Aufenthaltsstatus mit verfassungsrechtlichen Vorgaben im Einklang steht und ob nicht vielmehr auf den konkreten Bedarf abzustellen wäre.
S. 488 - 491, thema: Männer im Un/Recht
Thema: Männer im Un/Recht
Der Beitrag stellt dar, wie Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem Straftatbestand der gleichgeschlechtlichen Unzucht und jenem der Schändung, eine extensive Auslegungspraxis des Begriffs „Unzucht“ durch den Obersten Gerichtshof sowie hegemoniale Männlichkeitsvorstellungen an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zur Entstehung der Figur des „homosexuellen Knabenschänders“ beitrugen. Die Wirkmacht dieser Figur strahlte bis an den Beginn des 21. Jahrhunderts aus und vermochte die (vollständige) Entkriminialisierung der gleichgeschlechtlichen Unzucht über lange Zeit zu verhindern.
IZm Geschlecht im Flüchtlingsrecht werden heterosexuelle Cis-Männlichkeiten kaum thematisiert. Auch heterosexuelle Cis-Männer können jedoch von Verfolgung betroffen sein, die in bestimmten Geschlechterordnungen wurzelt, oder die sie gerade deswegen trifft, weil sie Männer sind. Anhand der Beispiele außerehelicher Sexualität und bacha bazi („Tanzjungen“) geht der Beitrag der Frage nach, ob die Asyl-Rsp die in „frauenspezifischen“ Fallkonstellationen entwickelten Problemsichten auch auf Fälle anwendet, in denen Männer betroffen sind, und vor welche konzeptuellen Herausforderungen die Asylrechtsdogmatik idZ gestellt wird. Es zeigt sich, dass das „männliche Paradigma“ des Flüchtlingsrecht auch zulasten von Männern wirken kann und es eines weiten Begriffs politischer Verfolgung bedarf, um Schutzlücken zu schließen. Weiters zeigt sich eine Tendenz zur Unsichtbarkeit intersektional positionierter Männlichkeit als verfolgungsbegründendes Merkmal und damit einhergehende „Framings“.
Die Mitgliedsstaaten der EU haben sich 2011 verpflichtet, für alle Gruppen von Betroffenen von Menschenhandel, also auch für Männer, geeignete Unterstützungsangebote aufzubauen. In Österreich sind Innen- und Sozialministerium dafür verantwortlich und beauftragten 2013 das Wiener Männergesundheitszentrum. Nach vier Jahren Projektaufbau und hundert unterstützten Männern ist Zeit für eine durchwachsene Bilanz.
S. 517 - 522, thema: Männer im Un/Recht
Wehrdienstverweigerung als geschlechtsspezifischer Fluchtgrund
Das Vorbringen der Wehrdienstverweigerung im Asylverfahren kann unter bestimmten Umständen zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen. Diese beruht allerdings nicht auf einer klaren gesetzlichen Bestimmung, sondern ist vielmehr mehreren Rechtsgrundlagen sowie – vorrangig – der Judikatur der Höchstgerichte zu entnehmen. In gegenständlichem Artikel soll die diesbezügliche Judikaturlinie, die vom Verwaltungsgerichtshof geprägt worden ist, dargelegt werden. Auf Basis der bestehenden Rechtslage ergibt sich nach eingehender Judikaturrecherche das Bild, dass Wehrdienstverweigerung asylrelevantes Vorbringen darstellen kann. Aufgrund dessen, dass Wehrpflicht überwiegend Männer betrifft, ergibt sich darüber hinaus eine besondere Verknüpfung von Wehrdienstverweigerung und Männlichkeit.
Der Artikel befasst sich in erster Linie mit der sogenannten Kriminalität von Männern mit irregulärem Aufenthalt als nachvollziehbare Reaktion auf die strukturelle Gewalt des Nationalstaats. Allgemein können Personen ohne legalen Zugang zum Arbeitsmarkt ihren Lebensunterhalt nahezu nur in illegalisierter Form verdienen – entweder in hyperausgebeuteten Arbeitsverhältnissen oder durch strafrechtlich verfolgte Aktivitäten, die etwas bessere Einkommen versprechen. Individuelle Schuldzuweisungen bieten daher ein ebenso wenig befriedigendes Erklärungsmodell wie Pauschalverurteilungen. Diesem Text liegen Gespräche mit und von zumeist illegalisierten Männern zugrunde, die ihre Situation, in die sie durch staatliche Regelungen gebracht werden, selbst beschreiben und analysieren. Eine entsprechende Analyse bz. Intervention, was die ökonomische Position von Frauen mit prekärem Aufenthaltsstatus angeht, müsste erst durchgeführt werden.
S. 534 - 540, thema: Männer im Un/Recht
Wirtschaftskriminalität und Männlichkeit
WStR betrifft Straftaten mit Wirtschaftsbezug, die zumeist unter Ausnützung einer besonderen wirtschaftlichen und sozialen Stellung begangen werden und gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben. Kriminologische Untersuchungen zeigen, dass es sich bei Wirtschaftskriminalität um ein männliches Phänomen handelt. Dies ist ua auf die unterschiedlichen Geschlechterstereotype zurückzuführen, aufgrund derer Männer tendenziell stärker nach Status und materiellem Gewinn streben als Frauen. Darüber hinaus ist die Strukturierung informeller Netzwerke von Bedeutung, innerhalb derer Frauen eine untergeordnete Rolle einnehmen. Schließlich orientieren sich auch die von Täter/innen eingesetzten Neutralisationstechniken an den Grenzen sozial anerkannter Geschlechtsrollenbilder.
S. 541 - 551, thema: Männer im Un/Recht
Maskulinität in der Polizei: Was Cop Culture mit Männlichkeit zu tun hat.
Auch Jahrzehnte nach der Zulassung von Frauen für den Polizeiberuf ist das dominierende Modell der Polizeiarbeit immer noch das, was Männer machen. Diese Praxis ist mit Risiken und Nebenwirkungen behaftet bzw mit Eigenschaften konnotiert, die sowohl auf der einen wie auch auf der anderen Seite des Rechts dominieren: Es geht um das Bezwingen des Gegners. In der Polizei ist das als „Staatsgewalt“ politisch und ethisch legitimiert, die konkreten Durchsetzungsstrategien werden in der offiziellen „Polizeikultur“ jedoch eher ausgeblendet. Hier springt die Kultur der „handarbeitenden Polizist_innen“ (Cop Culture) ein, indem sie nicht nur die Lücke zwischen rechtlich Erlaubtem bzw politisch Erwünschtem und praktisch Notwendigem schließt, sondern auch Werte definiert, die das praktische Durchsetzen des staatlichen Gewaltmonopols ermöglichen bzw legitimieren. Diese Werte haben auffällig oft eine maskulin-kriegerische Konnotation. Sie stehen damit der offiziellen Polizeikultur entgegen, ermöglichen aber gleichwohl die Alltagsarbeit der Polizei. In diesem Artikel gehe ich vornehmlich auf organisations- und kulturtheoretische Aspekte von Maskulinität in der Polizei ein.
S. 552 - 559, thema: Männer im Un/Recht
Zwischenbilanz: „Opferschutzorientierte Täterarbeit“
In der psychosozialen Arbeit mit gewalttätigen Männern (« Täterarbeit ») im sozialen Nahraum erfolgte in den letzten Jahren in Österreich eine verstärkte Entwicklung hin zu einer einrichtungs- und institutionenübergreifenden, vernetzten Arbeitsweise, die ihren Ursprung im anglo-amerikanischen Raum hat und deren Anfänge sich in Österreich in die 1990er Jahre zurückverfolgen lassen. Bei diesem Arbeitsansatz, für den sich die Bezeichnung « Opferschutzorientierte Täterarbeit » (OTA) herausgebildet hat, erfolgt eine fallbezogene Kooperation von Opferschutz, Täterarbeit und weiteren Akteur_innen. Im vorliegenden Beitrag werden der derzeitige Stand der Umsetzung dieser Arbeitsweise in Österreich und der Diskussionsstand in den einschlägigen Gremien und Arbeitsgruppen umrissen. Weiters werden Bereiche genannt, in denen offene Fragen und Entwicklungsbedarf bestehen.
S. 560 - 562, nach.satz